Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Begründung der Änderungen ist von meinen Vorrednern schon ausführlich gegeben worden. Es geht lediglich um die Verlängerung der Wegweisungspflicht, die im Polizeigesetz bisher für
eine Woche vorgesehen ist. Eine Frist soll verlängert werden. Wir haben – Herr Karabinski hat es in seiner regierungsartigen Erklärung gesagt – täglich Betroffene, denen man das Leben erleichtern könnte. Es geht darum, dass die Opfer von Gewalt mit ihren Kindern nicht in Frauenhäuser müssen, sondern als Opfer in der Übergangssituation in ihrer Wohnung bleiben können. Wir erleichtern den damit befassten Behörden die Arbeit.
Natürlich kann man rechtspolitische Bedenken gegen die Wegweisung haben, weil sie einem Gerichtsurteil vorgreift, aber eine Frist von zwei Wochen erscheint unserer Fraktion nicht unangemessen. Es wäre ganz einfach zu regeln. Sie halten es für richtig in der Koalition – wie sie eben erklärt haben. Es ist systematisch, nicht in Verbindung mit allen anderen grundsätzlichen und konkreten Fragen, die uns beschäftigen werden, wenn wir endlich den Gesamtentwurf für das neue Polizeigesetz vom Innenminister vorgelegt bekommen. Es wäre abgetrennt regelbar.
Ich glaube, auch Sie, Herr Karabinski, verstehen, dass diese Wegweisung ein gesondertes Instrument im Polizeirecht ist, deren Frist man einfach ändern kann. Es ist kein Argument genannt worden, warum wir mit dieser wichtigen Frage auf den großen Gesetzentwurf zum Polizeirecht und die dazugehörige Diskussion warten müssen. Man kann und soll es sofort ändern. Warum muss es ausgesessen werden? Offensichtlich ist der Adressat des Antrags der falsche. Das ist die SPD-Fraktion. Sie hat allerdings ein Recht darauf, diesen Antrag zu stellen, weil sie dieses Thema schon in der Koalition betrieben hat. Wahrscheinlich nehmen Sie ihr das übel.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich nenne diese Art des Aussitzens bürokratisch und engstirnig. Sie machen sowohl den Opfern als auch den Behörden das Leben schwerer. So kann man keine Staatsmodernisierung betreiben.
Sie haben wieder einmal gezeigt, wessen Geistes Kind Sie sind. Es werden Dinge abgelehnt, weil sie von der Opposition, der SPD, kommen. Das ist kein modernes Staatsdenken. Sie haben schöne Worte gebraucht. Es war eine halbe Regierungserklärung. Die CDU hat noch gar nichts gesagt, ganz zu schweigen von den Ministern. Das Handeln fehlt. Das ist sehr bedauerlich, aber bezeichnend. Wir werden diesem Antrag zustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Verlängerung der Wegweisungszeit ist sinnvoll, löst aber keine Probleme, genauso wenig die hier zu hörende Betroffenheits- und Opferrhetorik.
Die NPD-Fraktion ist der Ansicht, dass sich der Schutz von Kriminalitäts- und Gewaltopfern nicht auf eine
zeitliche Ausdehnung der Wohnungsverweisung beschränken kann und darf, sondern dass endlich den Ursachen zu Leibe gerückt werden muss. Mit anderen Worten: Nicht nur die Folgen von Gewalt sind zu verwalten, sondern das Übel ist an der Wurzel zu packen und auf eine wirksame Gewaltprävention hinzuwirken. Aber mit präventiven Konzepten aus den Reihen der SPDGenossen ist nicht zu rechnen, denn hierzu bedarf es einer klaren Analyse der Gewaltursachen, und das ist mit den linken Gesellschaftsdoktrinen der Sozis nicht zu leisten, weil diese konsequent an den menschlichen Realitäten vorbeigehen und glauben, dass man Realitäten konstruieren könne.
Die NPD-Fraktion betont daher, dass die wirksamste Gewaltvorbeugung vor allem durch die immer wieder von uns geforderte Stärkung und Aufwertung der Familie, der Erziehung von Kindern und Jugendlichen durch positive Vorbilder zu gemeinschaftsbewussten und charakterstarken deutschen Menschen sowie die Schaffung von Arbeits- und Lebensperspektiven für alle Deutschen zu erreichen ist.
Der Gesetzentwurf der SPD bietet hierzu keinen überzeugenden Lösungsansatz. Die NPD-Fraktion wird sich deshalb bei der Abstimmung über den vorliegenden Gesetzentwurf der Stimme enthalten.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde der allgemeinen Aussprache. Ich frage die Staatsregierung, ob sie das Wort ergreifen möchte. – Das kann ich noch nicht erkennen. Damit kommen wir zur zweiten Runde. Frau Friedel, bitte schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zum einen überrascht, von Herrn Storr zu hören, dass Deutschsein für die NPD nun eine Frage der Erziehung und nicht der Abstammung sein soll.
(Holger Apfel, NPD: Richtig zuhören! – Andreas Storr, NPD: Sie haben das nicht ganz richtig verstanden!)
Mir fehlt das Verständnis für die Regierungskoalition. Ich muss inhaltlich hierzu nichts mehr sagen. Wir haben es hier mit einer Maßnahme des Opferschutzes zu tun, die keinen Cent kostet. Wir werden uns deshalb nicht verschulden müssen. Die Maßnahme ist unumstritten, sowohl bei den Sachverständigen als auch bei den Fraktionen im Landtag.
Nun bin ich neu in diesem Haus und weiß theoretisch, wie das mit den Anträgen der Opposition ist. Trotzdem verblüfft einen das jahrelange Warten. Frau Jähnigen hat es gerade beschrieben, es mag bürokratisch und engstirnig sein. Aber das finde ich gar nicht so schlimm, denn jeder hat einen anderen Stil, Politik zu machen. Dieses jahrelange Warten aber hat Auswirkungen auf Menschen. Das
hat ganz konkrete Auswirkungen auf Frauen und zum Teil auch auf Männer, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind und die aufgrund politischer Nickligkeiten, dass sich CDU und FDP noch nicht auf einen Polizeigesetzentwurf oder Ähnliches – keine Ahnung – einigen konnten, mit gravierenden persönlichen Nachteilen zu leben haben.
Das halte ich bei allem Verständnis für die Gepflogenheiten von Politik und bei allem Verständnis für das, was wir hier in der öffentlichen Darstellung machen, für traurig. Deswegen fehlt mir jedes Verständnis dafür, dass Sie auch diesen kleinen Punkt ablehnen.
Ich frage die Abgeordneten, ob es Wortmeldungen in einer zweiten Runde gibt. – Das kann ich nicht erkennen. Die Staatsregierung? – Herr Staatsminister Ulbig, jetzt haben Sie die Möglichkeit, sich zu äußern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das will ich gern tun. Ich möchte Frau Jähnigen – sie ist im Moment nicht im Saal – sagen, dass ich als Staatsminister natürlich gern zu diesem Thema, wenn auch nur kurz, spreche. Im Kern wird die Zielsetzung dieses Anliegens von uns gleichermaßen getragen. Deshalb ist es Bestandteil des Koalitionsvertrages. Das ist bereits mehrfach gesagt worden.
Frau Gläß, eines möchte ich nicht im Raum stehen lassen: Der Staatsregierung ist das Thema Opferschutz wichtig.
Die häusliche Gewalt wird auch von uns kritisiert. Deshalb ist die Erhöhung der Höchstfrist auf zwei Wochen für eine Verweisung Bestandteil der aktuellen Novellierung des Sächsischen Polizeigesetzes. Es ist beabsichtigt – das ist mehrfach vorgetragen worden –, dieses Vorhaben in
ein Gesamtpaket zu integrieren, indem auch die anderen Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag im Polizeigesetz enthalten sind.
Ich möchte, so wie ich es im Innenausschuss schon vorgetragen habe, an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen: Der erste Schritt des Gesetzgebungsverfahrens, das sogenannte Erforderlichkeitsverfahren, ist bereits durchgeführt worden. Die Sächsische Staatsregierung strebt an, die nächsten Schritte zügig einzuleiten.
Ich erkenne, dass es keine Wortmeldungen mehr gibt. Änderungsanträge liegen mir auch nicht vor. Entsprechend der Geschäftsordnung schlage ich Ihnen die artikelweise Abstimmung vor.
Aufgerufen ist das Vierte Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen, Drucksache 5/554, Gesetzentwurf der SPD-Fraktion. Wir stimmen über die Gesetzesüberschrift ab. Wer der Überschrift seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einigen Enthaltungen und einigen DafürStimmen ist der Überschrift nicht zugestimmt worden.
Wer stimmt Artikel 1 zu? – Die Gegenstimmen? – Danke. Die Stimmenthaltungen? – Danke. Damit ist Artikel 1 mehrheitlich nicht beschlossen.
Wer stimmt Artikel 2 zu? - Die Gegenstimmen? – Danke. Die Stimmenthaltungen? – Danke. Da beide Artikel und die Überschrift nicht mehrheitlich angenommen worden sind, erübrigt sich eine Schlussabstimmung. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.
Als Einbringerin spricht zuerst die Fraktion DIE LINKE. Es folgen in der ersten Runde CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Der Einreicher, Herr Dr. Pellmann, wird zu diesem Tagesordnungspunkt die allgemeine Aussprache eröffnen. Herr Dr. Pellmann, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es ein Zufall ist, dass genau in diesen Minuten draußen vor dem Landtag die wohl größte Protestdemonstration
mit ihrer Kundgebung in diesem Jahr beginnt. Anlass dafür wäre nicht nur der Antrag, der heute Abend noch zu behandeln ist, sondern auch die Situation auf dem Arbeitsmarkt oder – noch allgemeiner gesprochen – die Situation der Betroffenen, insbesondere der Langzeitarbeitslosen. Insofern passt die Debatte, die wir jetzt zu führen haben, genau zu dem, was draußen vor dem Landtag die Menschen aus Sachsen vorzubringen haben.
Zunächst möchte ich etwas zum Sinn Großer Anfragen sagen. Große Anfragen haben nach meinem Verständnis zu wichtigen Themen einen Sinn, wenn sie eine Fraktion
einreicht. Sie sind insbesondere für die Oppositionsfraktionen ein wesentliches, vielleicht eines der wichtigsten Mittel zur Kontrolle der Tätigkeit der Staatsregierung, was insbesondere der Opposition verfassungsrechtlich aufgegeben ist. Natürlich sollten Große Anfragen zur Wissenserweiterung für alle im Landtag beitragen.
Große Anfragen haben aber nicht nur Sinn für die jeweils antragstellenden Fraktionen, sondern auch für die Staatsregierung. Auch deshalb stellen wir sie. Die Staatsregierung hätte die Möglichkeit, über ihre eigene Tätigkeit, über ihr Handeln zu informieren. Sie hätte die Möglichkeit, zu wichtigen Dingen, die man erfragt, eigene Positionen zu beziehen und vor allem Schlussfolgerungen zu ziehen.
Setze ich nun diese Kriterien auf die Antworten der Staatsregierung zu unserer Großen Anfrage an, so bin ich, gelinde gesagt, enttäuscht. Die Staatsregierung hat – das will ich zunächst voranstellen – eine wesentliche Chance verpasst, zur Situation von Hartz-IV-Betroffenen und insgesamt zu Hartz IV und ihren Auswirkungen in Sachsen nach reichlich fünf Jahren seit Inkrafttreten der entsprechenden Gesetze Stellung zu beziehen. Die Staatsregierung hat das nur im Ansatz getan und sie hat es ungenügend getan.
Nach meinem Dafürhalten war sie generell nicht in der Lage, viele unserer Fragen zu beantworten. Ich will an dieser Stelle einschieben: Mir fällt seit Beginn der neuen Legislaturperiode auf, dass sich die Staatsregierung immer mehr, wenn wir Anfragen – auch Kleine Anfragen – stellen, in eine Art Erklärung flüchtet: dass sie – wir kennen das schon von früher her – nicht aussagefähig ist, weil sie keine Daten hat. Gut, das mag man bedauern; das ist schlimm genug. Aber immer öfter erhalten wir die Antwort: Die Staatsregierung sei gegenüber dem Landtag dazu nicht aussageverpflichtet, und Wertungen zu bestimmten, von uns erfragten Sachverhalten – darauf komme ich noch zurück – müsse sie ohnehin nicht abgeben.
Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie lange sich die Abgeordneten des Landtages diese Praxis noch gefallen lassen wollen. Möglicherweise muss man eine juristische Prüfung dahin gehend anstrengen, zu welchen Auskunftspflichten die Staatsregierung in jedem Fall aufgefordert ist und wobei sie keine Ausflüchte machen kann.