eingereicht. Im Januar hat uns die Staatsregierung im Innenausschuss erklärt, dass man ohnehin eine Polizeigesetznovelle plane und es deswegen nicht erforderlich sei, diesen einzelnen herausgezogenen Punkt jetzt vorzeitig zu behandeln.
Auf unsere Nachfrage wurde uns erklärt, der Gesetzentwurf zum Polizeigesetz sei Ende des ersten Quartals 2010 fertig – das endete am 31. März –, sodass der Landtag vor der Sommerpause ohne Probleme beschließen könne.
Wenn wir jetzt in den Bericht vom letzten Innenausschuss vom 2. Juni schauen, wo wir das Thema wieder auf die Tagesordnung gesetzt hatten, weil uns keine Polizeinovelle erreichte, dann lesen wir, dass der Vertreter der Staatsregierung sagte, dieser in der Sitzung im Januar genannte Zeitpunkt sei wohl zu optimistisch gewesen. Man könne nun im November 2010 mit einem Entwurf zur Polizeigesetznovelle rechnen.
Meine Damen und Herren! Wir haben in Sachsen bisher ungefähr 200 Wegweisungen pro Jahr, 200 Fälle, in denen innerhalb der Frist von sieben Tagen Täter des gemeinsamen Wohnraums verwiesen worden sind und Opfer von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben.
Aber die Zahl von Opfern ist natürlich eine andere. Wir haben in Sachsen ungefähr 1 300 Frauen und Kinder, die pro Jahr Zuflucht in Frauenschutzhäusern suchen. Wir haben pro Jahr über 1 900 Fälle häuslicher Gewalt. Das entspricht ungefähr 160 Fällen im Monat. Wenn wir es noch weiter herunterrechnen wollen, dann sind es 40 Fälle häuslicher Gewalt pro Woche in Sachsen.
Seit der Einbringung unseres Gesetzentwurfs sind 27 Wochen vergangen, in denen wir nichts anderes gehört haben als: „Wenn das richtige Polizeigesetz kommt, dann erledigen wir das mit.“
Ich bin mir gewiss, dass die Opfer mit Sicherheit kein Verständnis dafür haben, wenn wir jetzt weitere 27 Wochen warten. Ich bitte Sie deshalb herzlich, über Ihren Schatten zu springen und diesem kleinen Punkt, der inhaltlich absolut unstrittig ist zwischen uns allen, Ihre Zustimmung zu geben.
Als nächster Redner spricht für die Koalition der Abg. Karabinski. Herr Karabinski, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Häusliche Gewalt kommt leider viel zu häufig vor und oft genug scheuen sich die Opfer, Hilfe zu suchen.
Ein Grund dafür ist sicherlich, dass häusliche Gewalt auch heute noch tabuisiert wird. Die 2004 von der Bundesregierung vorgelegte Studie zur Gewaltbetroffenheit von Frauen in Deutschland zeigt, dass jede fünfte Frau häusliche Gewalt mit zum Teil schwerwiegenden Folgen erleidet.
Konkret wurden 2008 in Sachsen fast 1 900 Fälle häuslicher Gewalt registriert. Deshalb ist es umso wichtiger, dieses Thema öffentlich zu diskutieren.
Gemeinsam mit den sächsischen Kommunen fördert die Staatsregierung ein vielfältiges Unterstützungssystem. Erster Anlaufpunkt in der akuten Notsituation sind meist Frauenhäuser. Im Jahre 2008 fanden in 19 Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen 677 Frauen und 639 Kinder Zuflucht. Daneben gibt es Interventions- und Koordinierungsstellen, welche bei der Opferberatung die Zusammenarbeit mit der Polizei, der Justiz, Schutzeinrichtungen und dem Gesundheitswesen suchen.
Der Freistaat unterstützt Beratungsprojekte speziell für Täter, damit diese lernen, ihr Verhalten zu reflektieren und zu ändern. Der Freistaat wendet sich mit dem Modellprojekt „Hinsehen, Erkennen, Handeln“ direkt an Ärzte, welche mit Verletzungen konfrontiert werden.
Insgesamt förderte der Freistaat 2009 Einrichtungen für Opfer häuslicher Gewalt, aber auch für Täter mit 1 Million Euro. Für den Doppelhaushalt 2011/2012 rechnet das Sozialministerium diesem Bereich oberste Priorität zu und will deshalb trotz der notwendigen Einsparungen nur geringfügige Kürzungen in dem Bereich vornehmen.
Neben dieser Unterstützung der Betroffenen, aber auch der Täter, muss das Thema auch rechtlich aufgearbeitet werden. Ein Ansatzpunkt ist dabei die Wohnungsverweisung nach Polizeigesetz. 2008 gab es im Freistaat 334 Wohnungsverweisungen. 2009 waren es schon 366 solcher Fälle. Problematisch ist, dass innerhalb der jetzigen Siebentagefrist für eine Wohnungsverweisung eine zivilgerichtliche Entscheidung nach dem Gewaltschutzgesetz nicht immer zu erreichen ist. Die Opfer müssen die Situation meist erst verarbeiten und sich die nächsten Schritte in Ruhe überlegen. Eine Erhöhung der Wohnungsverweisungsfrist im Sächsischen Polizeigesetz von derzeit sieben auf 14 Tage wird deshalb von meiner Fraktion befürwortet.
Im sächsischen Koalitionsvertrag haben CDU und FDP vereinbart – ich zitiere –: „Wir werden das Polizeigesetz unter Beachtung neuer Gefahren novellieren. Dazu gehört die Erhöhung der Frist zur Wohnraumverweisung auf zwei Wochen.“ Eine Verlängerung auf zwei Wochen gibt die notwendige private Zeit zum Verarbeiten des Erlebten und auch die Zeit für eine umfangreiche rechtliche Beratung. Mit einer Wohnungsverweisung des Täters bis zur Erwirkung einer zivilgerichtlichen Entscheidung wird das
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Das Innenministerium – wir haben es gehört – arbeitet derzeit bereits an einer Novellierung des gesamten Polizeigesetzes. Neben dem Punkt „Erhöhung der Frist der Wohnungsverweisung“ sollen folgende weitere Punkte umgesetzt werden: der anlassbezogene Einsatz mobiler Kennzeichenerkennungssysteme, die Regelung der effektiven Videoüberwachung öffentlicher Plätze und öffentlicher Verkehrsmittel, die Anpassung an die geänderte Struktur der Zollverwaltung des Bundes, die Erleichterung der Wohnungsdurchsuchung bei Entführungsfällen und die Einführung der elektronischen Signatur im digitalen Berichtsverkehr von Polizei zu Staatsanwaltschaft, um Medienbrüche zu verhindern. Das sind die Punkte des Koalitionsvertrages. Über die wird das Polizeigesetz befinden. Darüber hinausgehende Punkte werden sich im neuen Polizeigesetz mit Sicherheit nicht finden.
Auch bei den genannten Punkten ist jeweils die konkrete Ausgestaltung entscheidend. Beispielsweise muss hinsichtlich der Wohnungsdurchsuchung in Entführungsfällen der Kreis der möglichen Betroffenen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eng eingeschränkt werden. Die Neuregelung muss gewährleisten, dass nur diejenigen Verurteilten von einer Wohnungsdurchsuchung betroffen sind, bei denen die Gesamtumstände bzw. die Begehungsweise der früheren Straftaten die Annahme rechtfertigen, das Entführungsopfer könne sich in seiner Wohnung befinden. Bloße Vorverurteilungen wegen Körperverletzung können nicht Anlass für eine Wohnungsdurchsuchung sein.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wie gesagt, arbeitet das Innenministerium derzeit am Entwurf eines neuen Polizeigesetzes. Der vorliegende Gesetzentwurf berührt nur einen Teilaspekt des Ganzen und wird deswegen von meiner Fraktion abgelehnt werden.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetzentwurf beantragt die SPD-Fraktion eine Veränderung des Sächsischen Polizeigesetzes im § 21 Abs. 3. Wir haben das gehört. Es geht um die Ausweitung des Rechts der Polizei, Gewalttäter aus einer gemeinsam genutzten Wohnung zu verweisen. Der Wegweisungszeitraum soll von einer auf zwei Wochen verlängert werden.
Die Umsetzung dieses Begehrens kann schon jetzt als unendliche sächsische Geschichte beschrieben werden. Nach Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes am 1. Janu
ar 2002 brauchte Sachsen mehr als zwei Jahre, um eine polizeiliche Wegweisungsmöglichkeit von sieben Tagen im Polizeigesetz zu verankern. Ursprünglich wollte die CDU das gar nicht, denn ein entsprechender Gesetzentwurf der SPD wurde von ihr abgelehnt. Später wollte sie lediglich drei Tage. Beschlossen wurden dann im Frühjahr 2004 – Frau Friedel sagte das – sieben Tage.
Allerdings lagen schon 2004 die Erfahrungen einer Vielzahl von Bundesländern vor. Sie zeigten, dass eine derartige, vor allem nicht zu kurz bemessene Spezialbefugnis der Polizei aus mehreren Gründen dringend erforderlich ist. Zum einen brauchen die Beamtinnen und Beamten am Tatort Rechtssicherheit. Zum anderen – und das betonte auch mein Vorredner – brauchen die Opfer von häuslicher Gewalt genügend Zeit, um eine richterliche Entscheidung im Sinne des Gewaltschutzgesetzes zu veranlassen und zu erhalten.
Nach den Landtagswahlen 2004 stand die Verlängerung der Wegweisungsdauer von sieben auf 14 Tage im Koalitionsvertrag von CDU und SPD. Dieser Punkt gehörte damals schon zur „Handschrift der SPD“ in dieser Vereinbarung. In der 4. Wahlperiode des Landtages gab es – diesmal von meiner Fraktion – den Vorstoß, die polizeiliche Wegweisungszeit von sieben auf 14 Tage zu verlängern. Aber es konnte nicht sein, was nicht sein darf. Vorschläge von der Linken können nicht unterstützt werden, sodass dieses Vorhaben dieses Mal – wie es im parlamentarischen Sprachgebrauch so schön heißt – der Diskontinuität anheim fiel. Der Koalitionsvertrag wurde also in diesem Punkt nicht eingehalten.
Insgesamt blicken wir auf eine im Wesentlichen durch die CDU veranstaltete parlamentarische Hickhack-Aktion zurück.
Sehr deutlich ist damit nachgewiesen, wie Opferinteressen von der regierungsführenden CDU ausgeblendet werden. Es steht zu befürchten, dass dieses unsägliche Verhalten weiter fortgesetzt wird, wie das schon im Innenausschuss zu hören war.
Laut Koalitionsvertrag – das wurde auch von Herrn Karabinski dargelegt – soll die Verlängerung der Wegweisungsdauer von sieben auf 14 Tage nun im Rahmen einer Novelle des Polizeigesetzes vollzogen werden.
Im Innenausschuss – Frau Friedel verwies darauf – wurde vonseiten der Staatsregierung erklärt, dass vielleicht im November ein entsprechender Referentenentwurf zu erwarten sei. Ursprünglich sollte er schon im 1. Halbjahr vorgelegt werden. Aber so schnell ist die Sächsische Staatsregierung bekanntlich nicht. Referentenentwürfe sind bekanntlich noch lange keine parlamentarischen Vorlagen. Manche erblicken niemals das Licht des Landtages oder erhalten keine Drucksachennummer.
Eine andere Erfahrung mit dieser Regierung zeigt, dass Dinge gedreht werden, wie man es gerade braucht. Manchmal – und das haben wir eben gehört – schiebt die Koalition die Kleinteiligkeit eines Vorhabens als Ableh
nungsgrund für Initiativen der Opposition vor. Ein anderes Mal – und das haben wir vor einem Monat erlebt – ist ein zu komplexes und kompaktes Vorgehen der Ablehnungsgrund. Ich erinnere an den Gesetzentwurf zur Anpassung des sächsischen Landesrechts an das Lebenspartnerschaftsgesetz des Bundes.
Meines Erachtens handelt es sich hier letztlich um eine Art Bewusstseinsspaltung. Manchmal ist es zu klein und manchmal ist es zu groß.
Fakt ist: Die Ablehnung des SPD-Gesetzentwurfes ist angesichts der Vorgeschichte des Umgangs mit Opfern von häuslicher Gewalt weder nachvollziehbar noch begründbar. Es ist lediglich politische Kraftmeierei.
Heute können und müssten wir deshalb diese endlose Geschichte der 14-tägigen polizeilichen Wohnungsverweisung in Sachsen endlich zu einem positiven Abschluss bringen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der jahrelange und wiederholte Umgang mit diesem Thema, die Debatten, Anhörungen, Expertisen zu der Problematik häusliche Gewalt im Allgemeinen und zur Wohnungsverweisung im Besonderen dürften allseits bekannt sein. Alle Expertinnen und Experten sowie im Bereich von Gewaltschutz und Opferberatung Tätige erachten eine Zeitdauer der Wohnungsverweisung von 14 Tagen für notwendig, um die Opfer psychisch zu stabilisieren und Maßnahmen einzuleiten, um sie vor erneuter Gewaltanwendung zu schützen. 14 Tage sind also notwendig und angemessen. Das zeigen Erfahrungen besonders auch im ländlichen Raum.
Für das Jahr 2008 gibt die sächsische Polizei die Zahl der Opfer von häuslicher Gewalt mit 1 867 an. Nur ein Bruchteil davon führt zur Wohnungsverweisung. Dennoch ist dies ein durchaus wirkungsvolles und anerkanntes Mittel und sollte noch weit häufiger genutzt werden. Deshalb wird meine Fraktion dem Gesetzentwurf zustimmen.
Wir wollen, dass dieses Thema im Sinne vor allem der weiblichen Opfer und der häufig davon betroffenen Kinder endlich ein vernünftiges Ende findet.
Wir fahren in der Aussprache fort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Jähnigen.