Protokoll der Sitzung vom 16.06.2010

Meine Damen und Herren!

(Annekathrin Giegengack, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Ich muss Sie jetzt einmal fragen, hochverehrte Kollegin Giegengack, was Sie beabsichtigen. Eine Kurzintervention können Sie nicht machen.

(Annekathrin Giegengack, GRÜNE: Das Wort „hochverehrt“ ehrt mich sehr. Ich habe gedacht, das wäre eine Kurzintervention, aber es war im Rahmen der Redezeit.)

Nein.

(Annekathrin Giegengack, GRÜNE: Ich habe es gerade mitbekommen, ich setze mich wieder hin. – Heiterkeit)

Vielen Dank, Frau Kollegin, für Ihr Verständnis.

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Ich stelle den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/2794 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Vielen Dank. Stimmenthaltungen? – Damit ist dieser Änderungsantrag mit Mehrheit abgelehnt worden.

Meine Damen und Herren! Ich kann nun die Drucksache 5/2702 zur Abstimmung stellen und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank.

Meine Damen und Herren! Damit ist diese Drucksache mit großer Mehrheit bei Stimmenthaltungen angenommen worden und dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 12

Bürgerarbeit in Sachsen einführen

Drucksache 5/2706, Antrag der Fraktion der SPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: SPD, CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der Fraktion der SPD als Einreicherin das Wort. Herr Kollege Brangs, Sie können dieses Wort jetzt ergreifen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Deutschlandtrend ist heute schon zitiert worden. Ich denke aber, dass es Sinn macht, noch einmal darauf hinzuweisen, dass es zur Bundesregierung eine noch nie da gewesene negative Meinung in der Bevölkerung gegeben hat: 86 % der Menschen sind unzufrieden mit dieser Arbeit. Die FDP ist nach einer neuen Umfrage nahe an der 5-%-Hürde.

Wir hatten auch in Sachsen eine Umfrage. Da gab es allerdings keine Frage zur Zufriedenheit der Staatsregierung. Aber wenn man mit dem einen oder anderen Journalisten gesprochen hat, der diese Befragung in Gänze kennt, dann gab es durchaus den einen oder anderen Hinweis, der noch nicht veröffentlicht worden ist.

Ich will also sagen, wenn man über Vertrauensverlust spricht, muss man nicht nach Berlin schauen. Da kann man sehr gut auch hier in Sachsen bleiben. Wenn man sieht, was hier in der letzten Zeit alles nicht passiert ist, dann ist es, glaube ich, sinnvoll, exemplarisch einen Bereich herauszugreifen, um darüber zu diskutieren. Ich nehme einmal den Bereich des SMWA unter Minister Morlok.

Sie haben sich in den letzten Monaten hervorgetan mit der Streichung des Kommunal-Kombis. Darüber haben wir hier schon miteinander diskutiert. Wir haben den einen oder anderen CDU-Abgeordneten überzeugen können. Es hat aber am Ende für die Fortsetzung nicht gereicht.

Sie haben sich hervorgetan mit dem Nichtfortführen eines sinnvollen Programms des regionalen Wachstums. Sie wissen natürlich, dass ein Teil dieser Untätigkeit dazu führt, dass Unternehmen hier im Freistaat zusehends von Ihrer Untätigkeit bedroht sind. Insofern hat das, was ich im Januar hier gesagt habe, was eine bekannte Morgenzeitung über Ihre ersten Wochen verkündet hatte, nämlich „Morlok zeigt kommunikative Leisetreterei statt souveräner Auftritte“, „tollpatschige Äußerungen statt klare Aussagen“, „frappierende Ahnungslosigkeit statt guter Vorbereitung“, jetzt noch einen neuen Teil hinzubekommen. Ich glaube, Sie machen das ein bisschen wie der Ministerpräsident. Sie sagen einfach: Ich mache nichts, dann fällt auch nicht auf, wenn ich einmal etwas falsch mache.

Insofern ist das, was jetzt passiert, aus meiner Sicht schon ein gravierendes Signal an all die Menschen im Land, die darauf warten, dass Sie endlich sagen, was Sie als eine

weitere Maßnahme, nachdem der Kommunal-Kombi von Ihnen abgelehnt worden ist und Sie ihn haben auslaufen lassen, diesen Leuten anbieten. Ich glaube, genau jetzt wäre der Zeitpunkt gewesen, sich dazu klar zu positionieren. Die Chance war da.

Sie haben sich lieber mit der Frage von Autokennzeichen beschäftigt und dafür Sorge getragen, dass bei Umzügen die Autokennzeichen behalten werden können. Sie haben das als Bürokratieabbau verkauft. Am Ende ist es so, dass die Bürgerinnen und Bürger sich weiterhin beim Amt melden müssen. Sie können nur ihr Kfz-Kennzeichen behalten.

Ich frage Sie jetzt aber: Was haben Sie eigentlich im Bereich der bundesweit geplanten Einführung der Bürgerarbeit getan? Das würde mich sehr interessieren. Mich würde vor allem interessieren, wie Sie sich als Minister für diesen Bereich zu der Frage der Kofinanzierung bekennen.

Klar ist, dass wir als SPD schon seit vielen Jahren – auch in der Regierungsverantwortung – dem Thema sozialer Arbeitsmarkt eine hohe Priorität einräumen, dass wir das auch selbst aus Sachsen heraus – damals noch mit Bundesbeteiligung – umgesetzt haben. Es geht jetzt darum, dass wir Anstrengungen unternehmen müssen, um gemeinsam ein durchaus sinnvolles Programm, das von der Bundesregierung angedacht ist, zu unterstützen.

Wir sehen natürlich dieses Thema Bürgerarbeit auch als Fortsetzung unseres Ansatzes des Kommunal-KombiModells, denn im Kern verbirgt sich dahinter ein ähnlicher Ansatz. Wir wollen, dass es eine Chance für Langzeitarbeitslose gibt, dass sie einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen. Wir wollen, dass die Menschen, die keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben, eine sinnhafte, sinnstiftende Beschäftigung bekommen. Wir wollen natürlich auch, dass lieber sinnvolle Beschäftigung als Arbeitslosigkeit finanziert wird.

Dabei müssen wir berücksichtigen, dass die Menschen, die dieser sinnvollen Beschäftigung nachgehen werden, auch eine vernünftige Entlohnung bekommen. Man muss darüber nachdenken, wie hoch die Summe bei der Entlohnung ist.

Was ich im Moment von unterschiedlichen Seiten höre, ist, dass es zwar ein Konzept gibt auf Bundesebene, das sich auch im aktuellen Koalitionsvertrag von CSU, CDU und FDP wiederfindet, und dass man eine Neuauflage eines sozialen Arbeitsmarktes – ich sage mal KommunalKombi – im Rahmen von Bürgerarbeit will, weil man damit sehr gute Erfahrungen gemacht hat.

Ich stelle jetzt fest, dass der Vorstoß von Frau von der Leyen auf Bundesebene zwar von vielen Städten und Gemeinden deutschlandweit begrüßt wird – auch in

Sachsen –, aber entscheidend ist, wie sich das SMWA dazu verhält.

Mich würde in der Debatte auch einmal interessieren, wie sich eigentlich der Koalitionspartner zu der Untätigkeit verhält, die wieder zutage tritt; ob er das murrend zur Kenntnis nimmt oder wie lange er dieses Treiben noch akzeptieren will, würde mich schon interessieren.

Eines kann ich Ihnen jetzt schon sagen: Das, was Sie beim Kommunal-Kombi veranlasst hat, hier im Plenum letztendlich sehr kritisch zu diskutieren und auch in der Fraktion kritisch zu diskutieren, wird Ihnen, wenn sich der Wirtschaftsminister erneut beim Thema Bürgerarbeit nicht äußert und diese vom SMWA nicht unterstützt wird, genauso ergehen wie beim Kommunal-Kombi. Sie werden den Druck aus den Gemeinden und Städten spüren, die diese Maßnahmen wollen. Die Zahlen sind eindeutig. Deshalb würde mich wirklich interessieren, wie die Debatte gleich verläuft.

Eines ist auch sehr interessant. Wir haben eine Evaluierung des Programms Kommunal-Kombi vor uns liegen. Was Minister Morlok immer vertreten hat – es sei doch so, dass dieses Programm Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt vernichtet –, genau dieses ist eindrucksvoll widerlegt worden. Es ist an keiner Stelle nachweisbar, dass durch dieses Programm auf dem ersten Arbeitsmarkt tatsächlich eine Verdrängung stattgefunden hat. Es ist klar, dass die Prüfung bei der Bewilligung auch von den untersuchenden Instituten, die die Evaluierung durchgeführt haben, als positiv gesehen wird, als ein Kriterium dafür, dass es keine Verdrängung gegeben hat.

Ich weiß, dass die Stadt Dresden, die Stadt Leipzig und andere Anträge geschrieben und eingereicht haben. Die Antragsfrist war 27. Mai 2010. Ich weiß, dass eine Reihe von Bundesländern, auch CDU-geführte, teilweise sogar mit FDP-Wirtschaftsminister, der Bundesregierung erklärt haben, sie werden dieses Programm Bürgerarbeit kofinanzieren, sie werden Gelder einstellen, 10 oder 20 Millionen Euro, sogar 30 Millionen Euro sind teilweise im Gespräch. Mich würde wirklich einmal interessieren in der ersten Runde, die wir hier miteinander diskutieren, was der Wirtschaftsminister dazu zu sagen hat und was andere Fraktionen zu dem Modell zu sagen haben. Danach komme ich gern noch einmal wieder.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Krauß.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor einem halben Jahr haben wir schon einmal über die aktive Arbeitsmarktpolitik diskutiert. Ich kann mich noch daran erinnern, dass es dort den Vorwurf in Richtung Schwarz-Gelb gab, die beschäftigten sich gar nicht mit dem Thema auf Bundesebene und auf Landesebene, das sei ihnen vollkommen

egal. Wir diskutieren heute über das Thema Bürgerarbeit, was zeigt, dass uns das Thema offensichtlich nicht egal ist, sondern Sie haben es gesagt, Kollege Brangs, – –

(Stefan Brangs, SPD: Hallo, das ist unser Antrag! – Heiterkeit bei den Fraktionen – Alexander Delle, NPD: Ich gebe ihm nicht gern recht, aber diesmal hat er recht!)

Kollege Brangs, lassen Sie mich den Satz zu Ende bringen, dann wissen Sie auch, wieso ich gesagt habe, was ich gesagt habe.

Wir haben etwas im Koalitionsvertrag stehen, was Sie freundlicherweise auch zitiert haben: dass es dort das Modellprojekt Bürgerarbeit gibt. Und wie Sie wissen, ist in der Bundesregierung nicht die SPD vertreten, sondern den Koalitionsvertrag haben die CDU, die CSU und die FDP beschlossen. Daran sieht man, dass sie sich auch mit diesem Thema beschäftigt haben. Ich glaube, es ist gut so, dass sie das gemacht haben, dass man also auch in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat, wie es uns gelingt, Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bringen. Das ist ein Thema, das uns bewegt.

Wir als CDU-Fraktion werden mit Sicherheit die Vorschläge der Bundesregierung, die wir unterstützen, mittragen.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Aha!)

Was ist der Grundgedanke dieses Modellprojektes? Die Grundsicherungsträger, also zum Beispiel die ARGEn oder zugelassene kommunale Träger, können sich darum bewerben. Es richtet sich an Arbeitslose. Es gibt vier Stufen, wie das funktionieren soll. Die will ich Ihnen hier vortragen.

Die erste Stufe ist, dass diese Langzeitarbeitslosen beraten werden. Die zweite Stufe sind die Vermittlungsaktivitäten. Die dritte Stufe sind Qualifizierung und Förderung. Erst dann kommt die vierte Stufe, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Bereich zusätzlicher und im öffentlichen Interesse liegender Arbeit. Es gibt also drei Stufen, die den Schwerpunkt bilden: beraten, vermitteln, qualifizieren, also einen arbeitslosen Menschen an die Hand nehmen, intensiv begleiten und mit ihm schauen, wie man ihn in Arbeit bringen kann. Das ist der Schwerpunkt des Projektes Bürgerarbeit, die Suche eines Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt. Ich glaube, das ist auch der richtige Ansatz.

Wenn das nicht gelingt, wenn man feststellt, dass es eine Gruppe von Menschen gibt, die wir nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt unterbringen, dann muss man sich Gedanken machen, wie man sie auf den zweiten Arbeitsmarkt bringen kann.

Ich hatte vorhin am Rande der Demonstration mit jemandem gesprochen, der seit elf Jahren arbeitslos ist und sich ehrenamtlich engagiert, indem er jungen Menschen bei der Lehrstellensuche hilft. Er war deutlich älter, geschätzt 60 Jahre alt. Er war seit elf Jahren arbeitslos und fragte natürlich: „Wie soll ich zurück auf den Arbeitsmarkt

kommen?“ Das ehrlich zu beantworten, indem man ihm sagt, dass er das irgendwie auf dem ersten Arbeitsmarkt hinbekommt, ist sehr schwierig und vielleicht auch unredlich.

(Beifall der Abg. Sabine Friedel, SPD)