Protokoll der Sitzung vom 16.06.2010

Außerdem gibt es die Gruppe der Menschen, die krank sind, ob körperlich behindert, alkoholkrank oder sonst etwas, bei denen wir wissen, dass es wahnsinnig schwer wird, diese Menschen auf den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Dort ist es wichtig, dass wir Angebote auf dem zweiten Arbeitsmarkt haben, dass wir dort etwas anbieten können, damit diese Menschen in Arbeit kommen und so soziale Integration erleben.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Mir ist es lieber, wenn jemand, der langzeitarbeitslos ist, im Park Papier aufliest, statt zu Hause vor dem Fernseher eine Bierflasche zu leeren. Wenn wir solche Angebote haben, ist es sinnvoll.

Wie sieht das beim Thema Bürgerarbeit aus, das als Modellprojekt angeboten wird? Dort ist in dieser vierten Stufe eine Beschäftigung bei einer Kommune vorgesehen, wofür es für die Beschäftigung einen Bundeszuschuss von 1 080 Euro bei einer Arbeitszeit von 30 Wochenstunden gibt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte schön.

Bitte sehr.

Lieber Kollege Krauß, nachdem Sie jetzt in ethischer Breite über Dinge gesprochen haben, die der Antrag gar nicht zum Inhalt hat, würde mich einmal interessieren, weil das Inhalt unseres Antrages ist, wie Sie denn die Umsetzung und die Unterstützung des Wirtschaftsministeriums in Sachsen in diesem Prozess sehen.

Seien Sie nicht so ungeduldig. Ich komme gleich dazu.

Doch schon? Dann ist es ja okay.

Es geht um 1 080 Euro, die der Betroffene als Bruttolohn bekommt. Die Kommunen können dort aufstocken, was – so glaube ich – auch sinnvoll ist. Wenn eine Kommune sagt, sie möchte ihren Park gesäubert haben, dann ist es auch in Ordnung, dafür 200 Euro aufzubringen.

Nun ist die Frage: Muss der Freistaat das aufstocken? Da bin ich unsicher, ob das wirklich sein muss oder ob wir sagen, dass das, was der Bund gibt, ausreicht. 1 080 Euro sind eine ganze Stange Geld. Wenn die Kommune, der es ja zugute kommt, oder der Verein – das ist auch nicht ausgeschlossen – sagen, dass sie dort etwas dazuzahlen, ist man, glaube ich, in einem Bereich – wir reden von

30 Wochenstunden –, in dem man sagen kann: Das ist gar nicht so schlecht.

Kommen wir nun konkret zum Antrag, wie es Kollege Brangs eingefordert hat. Sie hatten aber auch am Ende Ihrer Rede gesagt, dass wir unsere grundsätzliche Linie einmal darstellen sollen. Ich glaube, das war auch wichtig.

(Beifall des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Sie fordern in Ihrem ersten Punkt: Die Bürgerarbeit in Sachsen soll eingeführt werden. Da müssen wir aber genau in die Ausschreibungsunterlagen hineinschauen. Der Freistaat Sachsen kann sich nicht darum bewerben. Das können nur die Grundsicherungsträger machen, das können die Landkreise machen. Aber wir können als Freistaat nicht den Antrag stellen. Insofern geht Ihr Antrag ins Leere. Das funktioniert leider nicht.

(Stefan Brangs, SPD: Nein, nein!)

In Punkt 2 haben Sie einen sehr großen Fragenkatalog aufgestellt. Mein Eindruck war, dass das eher etwas für eine Kleine Anfrage und weniger fürs Plenum gewesen wäre. Insofern können wir Ihren beiden Punkten leider nicht zustimmen. Ich bitte deshalb um Ablehnung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Fraktion DIE LINKE, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Krauß, es ist ein Graus.

(Torsten Herbst, FDP: Ach nein! – Zuruf von der CDU: Billig! – Christian Piwarz, CDU: Lange geübt!)

Nein, nicht lange geübt. Das ist mir gerade eingefallen. Herr Krauß liest einfach die Sachen nicht. Es ist einfach ein Graus, dass verschiedene Dinge nicht gelesen und dann so in die Welt gesetzt werden.

1 080 Euro sind der Zuschuss des Bundes. Das sind 900 Euro brutto bei 30 Wochenstunden.

(Alexander Krauß, CDU: Plus 180 Euro für Sozialabgaben!)

und 180 Euro Versicherungsleistungen. Das ist der Arbeitgeberanteil, Herr Krauß, richtig lesen! Sie haben gesagt, es wären 1 080 Euro für den Betroffenen. Dann würden wir uns qualitativ auf einer ganz anderen Ebene unterhalten.

(Alexander Krauß, CDU: Diese Sozialabgaben sind auch für den Betroffenen. Er muss ja sozialversichert werden, das kommt ihm auch zugute!)

Das sind im besten Fall 900 Euro brutto für den Betroffenen, davon gehen seine Arbeitnehmerleistungen versicherungstechnisch ab, und zwar ohne Arbeitslosenversiche

rung. Deshalb sind es keine richtigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen, die da aufgebaut werden. Das wollen wir festhalten.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Brutto – netto, Herr Krauß!)

Brutto, netto, mit dieser Geschichte hat auch die Kanzlerin Probleme, das sehe ich Ihnen nach. Sie können das in den Papieren nachlesen. Da steht auch drin, dass der Einreichungsschluss der 27.05. war und nicht der 31.05. So steht es drin. Aber das wird an verschiedener Stelle nicht gelesen.

(Alexander Krauß, CDU: Das habe ich ja auch nicht gesagt, da müssen Sie zum Kollegen Brangs hinsehen!)

Meinte ich vielleicht jetzt den Kollegen Brangs? Kann schon sein. Das ist durchaus möglich.

(Christian Piwarz, CDU: So ein Graus!)

Man sollte eben die Papiere lesen, die da sind, und nicht über irgendetwas schwafeln, von dem man keine Ahnung hat, Herr Krauß, wie die Betreuung von Arbeitslosen.

Aber gehen wir zurück zum Konzept Bürgerarbeit. Oberflächlich und im ersten Anschein könnte man sagen, dass das eigentlich eine tolle Sache ist. Für drei Jahre Arbeit, in Grenzen sozialversicherungspflichtig. Aber die Sache hat einen Pferdefuß, und der liegt darin, dass die Betroffenen verpflichtet werden und zwangsweise in die Programme hineinkommen. Die Freiwilligkeit ist an der Stelle nicht gegeben. Es wird von dem Grundkonzept ausgegangen, dass zum einen zu wenig Arbeitsplätze angeboten werden – es wird anerkannt, dass dem so ist –, aber zum Zweiten die betroffenen schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen ein Motivationsproblem hätten, an dem man arbeiten müsse. Dem ist in aller Regel nicht so.

Wir haben doch vorhin die Zahlen gehört: 1 bis 2 % haben eventuell dieses Problem. Das vorgeschlagene Konzept, das Sie umsetzen wollen, knüpft genau daran an.

Es sind teilsozialversicherungspflichtige Beschäftigungen für 30 Stunden geplant. Ich frage mich – bei allen anderen wird mittlerweile über eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden gesprochen –, warum man es Langzeitarbeitslosen zumutet, dass sie nur 30 Stunden arbeiten dürfen. Der Grund ist, weil aus 30 Stunden ein geringer Lohn zu zahlen ist, nämlich 900 Euro brutto.

Von 900 Euro brutto die sozialversicherungspflichtigen Leistungen abgerechnet, ergeben in etwa das Gleiche, was ein heutiger Hartz-IV-Bezieher in einem Singlehaushalt lebend mit den anrechnungsfreien 100 Euro, die er hinzuverdienen kann, auch netto in der Tasche hat. Das ist ein Nullsummenspiel, das dort veranstaltet wird. Es liegt minimal über dem Satz, der heute möglich ist, den ein Hartz-IV-Empfänger, wenn er die anrechnungsfreien 100 Euro, die er dazuverdienen darf, dann netto in der

Tasche hat. Es ist also kein wirklicher Zuwachs an Nettoeinkommen für die Betroffenen.

Falsch ist auch, was hin und wieder behauptet wird, dass die Leute, die im Singlehaushalt gerechnet werden, automatisch in Hartz IV verbleiben würden. Dem ist nicht so. Sie rutschen minimal aus der Förderung heraus.

Zu den vier Phasen haben Sie schon etwas gesagt. Dafür bedanke ich mich. Sie haben kurz erklärt, wie es geht. Ich möchte wissen, woher Sie es haben, denn Sie haben wahrscheinlich das Papier nicht gelesen, sonst hätten Sie alles, was im Papier steht, verstanden.

(Cornelia Falken, Linksfraktion: Reden und verstehen sind zweierlei!)

Unsere Position ist eine andere, und das macht das Problem wieder schwierig. Das Programm ist derzeit, so wie es ausgeschrieben ist, ein geschlossenes Programm der Bundesregierung. Es lässt sich nur in dem Umfang aufstocken, wie flankierende Leistungen über ESF-Mittel in die Projekte gegeben werden können, um Qualifizierung und soziale Betreuung entsprechend zu organisieren. Es lässt sich netto nicht aufstocken, was durch unsere Programme, die in den Ländern, in denen wir mitregieren, auf den Weg gebracht wurde, wie MecklenburgVorpommern mit GAB, und in Berlin mit dem ÖBS. Dort wurden entsprechende Programme durch Landesmittel – dort, wo es gewollt ist – zu einem ordentlichen ÖBS aufgebaut, dort werden Mindestlöhne gezahlt, bei denen die Jobs in Tarifpflicht kommen und als Untergrenze der Mindestlohn zählt.

Im öffentlichen Beschäftigungssektor in Berlin kommen 1 300 Euro brutto für den Arbeitnehmer heraus. Das sind ganz andere Verhältnisse. Wenn diese 1 080 Euro stimmen, würden wir uns auf einer anderen Ebene unterhalten.

Jetzt zum Antrag der SPD. Meine Fraktion wird an dieser Stelle, denke ich, nicht einheitlich abstimmen, oder wir müssten eine abschnittsweise Abstimmung empfehlen.

(Zuruf des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Bei der Abstimmung über den ersten Punkt des Antrages können wir uns nur der Stimme enthalten, denn er verlangt die Einführung der Bürgerarbeit auf ein Niveau, das wir so nicht mittragen können. Punkt 2 ist unstrittig. Das ist ein Berichtsantrag an die Staatsregierung, um das von Ihnen, Herr Brangs, beschriebene Nichtstun des Herrn Morlok einmal zu hinterfragen oder nach seinen Konzepten zu fragen, wie wir es beim Einstellen des KommunalKombis getan haben. Was möchte der Minister in der Arbeitsmarktpolitik machen? Das würde uns alle sehr interessieren. Diesem Teil kann man nur zustimmen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.