Protokoll der Sitzung vom 16.06.2010

das von der Bürgerarbeit gar nicht so weit entfernt war. Leider aber hat das Programm Kommunal-Kombi die Zeit der SPD-Regierungsbeteiligung nur wenige Wochen überdauert. Das hat Kollege Brangs bereits angesprochen. Das Aus kam mit der Regierungsbeteiligung der FDP.

Die sächsische CDU auf der anderen Seite hält sich sehr vornehm zurück und delegiert die Verantwortung für den Arbeitsmarkt seit dem Ende ihrer CDU-Alleinregierung jeweils an den gerade mit im Boot sitzenden Juniorpartner. Dabei stehen Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, der Bürgerarbeit grundsätzlich offen gegenüber. Kollege Thomas Pietzsch äußerte sich zum eingangs erwähnten Antrag meiner Fraktion wie folgt: „Bürgerarbeit kann sehr wohl Perspektiven außerhalb des traditionellen Erwerbsarbeitsmarktes aufzeigen.“

Auch auf Bundesebene hat man in der CDU offensichtlich begriffen, dass Bürgerarbeit allemal besser ist als Nichtstun. Wie sonst ist es zu erklären, dass sie den Weg in den Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung gefunden hat? Auch hierzu ein Zitat: „Die Koalition wird deshalb Voraussetzungen dafür schaffen, dass neue Lösungsansätze, wie zum Beispiel die Bürgerarbeit, ab Beginn der Arbeitslosigkeit erprobt werden können.“

Genau das hat Ursula von der Leyen mit ihrem Aufruf zur Durchführung von Modellprojekten vom April dieses Jahres in die Tat umgesetzt. Die meisten Bundesländer haben mitgezogen.

Anders ist es allerdings in Sachsen. Hier ruht der See nach wie vor still. Arbeitsminister Morlok hat nichts getan, um über das Bundesprogramm zu informieren, geschweige denn dafür zu werben oder eine Beteiligung aktiv zu unterstützen. Nach wie vor beharrt die FDP steif und fest darauf, dass sich Langzeitarbeitslosigkeit allein auf dem ersten Arbeitsmarkt bekämpfen lässt. Kollege Herbst hat das soeben bekräftigt. Ich habe den Eindruck, dass die Evaluation zum Modellprojekt in Bad Schmiedeberg von Kollegen Herbst schlichtweg nicht gelesen wurde. Dort wurden einige durchaus positive Effekte der Bürgerarbeit benannt, zum Beispiel die höhere Lebenszufriedenheit der am Programm Beteiligten oder auch die hohe Arbeitszufriedenheit.

Es gibt ein weiteres starkes Argument zugunsten des sozialen Arbeitsmarktes, das in der Antwort auf die Große Anfrage der Linken zum Vorschein kam. Es lautet: Arbeitslosigkeit macht krank. Insofern sind dort gewichtige Argumente zu finden, die für ein Projekt Bürgerarbeit sprechen. Kollege Herbst hat darauf hingewiesen, dass der Mindestlohn den Markt verzerren würde. Da frage ich allerdings die FDP: Wie sieht es eigentlich aus mit staatlich subventionierten Niedriglöhnen? Das ist wohl keine Wettbewerbsverzerrung?

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Auf diese Frage würde ich mir schon eine Antwort wünschen.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Sehr geehrter Herr Staatsminister Morlok! Ich habe große Lust, Ihnen zu raten, sich weiterhin mit Autokennzeichen zu beschäftigen, damit Sie nicht noch mehr Schaden anrichten.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Ja! – Heiterkeit bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Sie sind nun mal Staatsminister und sollten sich eigentlich um wichtige Themen im Lande kümmern. Statt Arbeitsminister zu sein, präsentieren Sie sich nach wie vor als arbeitsmarktpolitischer Geisterfahrer.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Bei der Linken würde ich mir wünschen, dass sie bisweilen auf die markigen Sprüche verzichtet und die sachlichen Argumente stärkt, die durchaus vorhanden sind. Sie haben ja in einem Punkt recht: Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass selbst ein erwerbsloser Single bei 900 Euro brutto im Monat der Hilfebedürftigkeit kaum entkommen und weiterhin auf zusätzliche staatliche Leistungen angewiesen sein wird. Darum begrüße ich ausdrücklich die Forderung der SPD nach einem Differenzbetrag, der die Bezüge der Bürgerarbeiter denen der Bezieher von Kommunal-Kombi gleichstellt.

In der Summe bleibt festzustellen: Wir GRÜNEN werden dem Antrag zustimmen, vorausgesetzt, das Programm verfolgt einen höheren Anspruch als das von Bundesarbeitsministerin von der Leyen in die Welt gesetzte Leitbild vom Müllaufsammeln und Straßefegen. Wir wollen sinnstiftende Jobs, mit denen sich Langzeitarbeitslose wieder an eine normale Beschäftigung heranarbeiten können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Herr Abg. Delle, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die NPD-Fraktion hat den vorliegenden Antrag wie immer vorurteilsfrei beurteilt und wird im Ergebnis zustimmen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ja, wir lehnen nicht pauschal alle Anträge von einer gewissen Fraktion ab, wie Sie es tun.

(Stefan Brangs, SPD: Da würde ich mal darüber nachdenken!)

Schließlich haben wir hier in diesem Hause schon immer angemahnt, dass eine Stärkung des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors unabdingbar ist, solange – das ist wichtig – es noch nicht gelungen ist, eine grundlegende wirtschaftspolitische Wende mit der Steigerung der Binnennachfrage und der damit einhergehenden Belebung des Arbeitsmarktes herbeizuführen.

Um dies zu erreichen, wäre ein Bündel von Maßnahmen vonnöten, die auf eine Stärkung des heimischen Mittelstandes und den Schutz der heimischen Märkte vor den Folgen von Globalisierung und Freihandelsextremismus hinauslaufen.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Die Instrumente wurden seitens der NPD-Fraktion in den letzten Jahren immer wieder vorgestellt. Ein kleiner Auszug daraus: Wir forderten die Änderung von Förderrichtlinien, die Veränderung im Vergabewesen, andere Kriterien für den Einsatz von Bürgschafts- und Beteiligungskapital, Verbesserungen bei der Förderungsabsicherung für das Handwerk, Erhöhung der Investitionsquote

des Freistaates – darüber wurde gestern genau das Gegenteil beschlossen –, Gewährleistung einer des mittelständischen Investitionsbedarfs adäquaten Kreditvergabe, Absage an die EU-Niederlassungsfreiheit, Einführung branchenübergreifender Mindestlöhne, eine moderne Schutzzonenpolitik und vieles mehr.

Alle unsere Forderungen wurden natürlich von Ihnen wie immer abgelehnt, auch von der SPD, die heute wieder versucht, die soziale Karte auszuspielen. Hier liegt auch unser Hauptkritikpunkt an der Bürgerarbeit, wenn darin mehr gesehen wird als eine Übergangslösung. Kein einziger, die Existenz sichernder Arbeitsplatz entsteht hierdurch. In der vorliegenden Form, in der die Bürgerarbeit zum Beispiel in Sachsen-Anhalt praktiziert wird, besteht sogar die Gefahr einer Verdrängung regulärer Arbeit.

Daher war es sachlich richtig seitens der SPD, die Bedingungen des von der Landesregierung leider gestoppten Kommunal-Kombi-Programms als Mindeststandard für die Bürgerarbeit in den Antrag hineinzuschreiben. Nur unter dieser Voraussetzung können wir als NPD-Fraktion dem Antrag zustimmen.

Die oft gehörten Gegenargumente der Linken – Herr Kind hat es heute wieder bestätigt –, wonach im Hinblick auf die Menschenwürde der Betroffenen kein wirklicher Mehrwert entstünde, da die Arbeitsangebote im Rahmen der Bürgerarbeit ja verpflichtend seien, können wir nicht nachvollziehen. Wir als Nationaldemokraten sind immer davon ausgegangen, dass die überwältigende Mehrheit unserer von Langzeitarbeitslosigkeit betroffenen Landsleute auch wirklich arbeiten will. Dies gilt vor allem dann – –

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Es gibt keinen Arbeitsdienst!)

Nein, aber darüber kann man ja auch mal reden. – Dies gilt vor allem dann, wenn es sich um sinnvolle Tätigkeiten zum Wohle ihrer eigenen Gemeinde handelt. Wir kennen die Beispiele – sie wurden erwähnt – aus Bad Schmiedeberg in Sachsen-Anhalt, wo durch die Mitarbeit von Bürgerarbeit eine Schulbibliothek aufgebaut wurde oder sich plötzlich Menschen fanden, die in örtlichen Pflegeheimen den älteren Mitmenschen etwas vorlesen konnten.

Solche Tätigkeiten stehen im krassen Gegensatz zu oftmals sinnlosen Maßnahmen der ARGEn oder bei Einsätzen im Rahmen von Ein-Euro-Jobs. Zudem haben wir gesagt – jetzt kommt es, das ist der Unterschied zu Ihnen hier auf der linken Seite –, dass es neben dem Recht auf Arbeit auch eine Pflicht auf Arbeit geben muss. Wer arbeitswillig ist – da gehe ich konform mit den meisten Menschen hier im Lande –, dürfte damit auch kein Problem haben.

Sicherzustellen ist allerdings, dass die Bürgerarbeiter einen angemessenen Bruttolohn erhalten, der ihren Einsatz für das öffentliche Wohl tatsächlich würdigt und Verdrängungseffekte im Niedriglohnbereich des regulären

Arbeitsmarktes ausschließt. Mit den derzeit praktizierten pauschalen Bruttoentgelten zwischen 675 und 975 Euro ist das leider nicht zu gewährleisten.

Dass Frau Bundesarbeitsministerin von der Leyen die Bürgerarbeit jetzt bundesweit einführen will, verheißt, was die tatsächliche Ausführung betrifft, nichts Gutes. Angesichts der jüngst vorgestellten Kürzungen im Sozialbereich und vor allem bei Hartz IV wird das im Ansatz vernünftige Programm der Bürgerarbeit wohl zu einer neuen Mogelpackung werden, die zu nichts anderem dient als der Bereinigung der Arbeitslosenstatistik.

Wir haben heute die Möglichkeit, dies zu verhindern. Wir werden dem Antrag zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Wir beginnen jetzt mit der zweiten Runde. Herr Brangs, Sie wollten Ihren Beitrag leisten?

(Stefan Brangs, SPD: Später, Frau Präsidentin!)

Später?

(Stefan Brangs, SPD: Ja, so um 23:00 Uhr)

Gibt es denn jemanden, der jetzt noch gern reden möchte?

(Stefan Brangs, SPD und Dr. André Hahn, Linksfraktion: Der Wirtschaftsminister!)

Herr Minister, möchten Sie denn reden?

(Staatsminister Sven Morlok: Wenn sonst keiner mehr reden möchte, gern!)

Es ist aber so in der Geschäftsordnung, dass auch noch ein Abgeordneter nach Ihnen reden darf.

(Stefan Brangs, SPD: Das wird auch später stattfinden!)

Bitte, dann Herr Staatsminister Morlok.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Brangs, Sie haben eingangs Ihres Wortbeitrages eine deutsche Wochenzeitung zitiert. Gestatten Sie mir, dass ich zu Beginn meines Beitrages eine sächsische Tageszeitung zitiere. In der „Leipziger Volkszeitung“ hat der Kollege Milde das Thema Bürgerarbeit kommentiert und ausgeführt, dass es sich bei der Bürgerarbeit um alten Wein in neuen Schläuchen handeln würde. Die Staatsregierung ist der Auffassung, dass der Kollege Milde in der „Leipziger Volkszeitung“ recht hat.