Protokoll der Sitzung vom 16.06.2010

im Gegenteil, die Staatsverschuldung ist trotz Rekordsteuereinnahmen – Frau Dr. Runge, wenigstens da werden Sie mir recht geben, weil es stimmt – weiter in die Höhe gegangen. Das ist bedauerlich für heute. Deswegen stehen die enormen Sparmaßnahmen, die wir heute im Land beschließen müssen, für die Fehler, die in der Politik in der Vergangenheit gemacht wurden. Das baden wir heute aus. Das muss man ganz klar sagen. Hätte der Bund die Weichen schon früher richtig gestellt, wären die Sparanstrengungen heute geringer ausgefallen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich bin deswegen sehr froh, dass der Bund ein bisschen dem Vorbild Sachsens folgt und durch dieses Sparpaket jetzt endlich einen Einstieg in ein Stück solider Finanzpolitik geschafft hat. Mehr ist es nicht, denn für mich ist dieses Sparpaket viel zu gering. Ich hätte mir deutlich

mutigere Schritte gewünscht. Man hätte es ähnlich machen müssen wie wir in Sachsen. Wir haben schon seit vielen Jahren eine solide Finanzpolitik zu unserem Grundsatz erhoben. Ich bin trotzdem sehr glücklich, dass der Bund endlich mal anfängt zu sparen und endlich den Grundsatz begreift, dass man nur das ausgeben kann, was man einnimmt. Ich halte das Sparpaket für richtig. Die soziale Balance ist, wie Kollege Krauß schon gesagt hat, gewahrt. Bildung, Forschung und Innovation bleiben weiterhin Hauptzielpunkt. Da wird überhaupt nicht gekürzt, sondern mehr investiert. Deswegen bin ich der festen Überzeugung, dass es richtig ist, diesen ersten Schritt zu tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Hermenau.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Zastrow, Sie haben sich wieder in der Pose gefallen, es gäbe zum Sparen keine Alternative. Natürlich gibt es keine Alternative dazu, die Ausgaben zu begrenzen, aber wissen Sie, Herr Zastrow, es gibt jede Menge alternative Sparvorschläge. Das fällt Ihnen nicht auf. Da liegt das Problem. Sie machen sich einen schlanken Fuß, und das auf Kosten derer, die sich nicht wehren können.

Die Ausgabenbegrenzung ist ein Instrument, sie ist kein politisches Ziel. Dass Sie das nicht verstanden haben, erkenne ich. Ein politisches Ziel wäre es, für Stabilität und sozialen Frieden im Lande zu sorgen. Dazu müsste man mit Sachverstand und Augenmaß an die Ausgabenbegrenzung gehen und Strukturreformen anpacken. Auf all das verzichten Sie. Was hat denn die Bundesregierung gemacht? Sie hat erst einmal ein Vierteljahr ihre Nägel bis zum Nagelbett heruntergekaut vor der NRW-Wahl. Dann hat sie sich zur Haushaltsklausur zusammengesetzt. Dann kam sie mit einem kleinen Paketchen um die Ecke. Nun hat sie wieder Muffensausen wegen der Bundespräsidentenwahl und wahrscheinlich kriegen wir im Herbst bei der Haushaltsberatung zu hören, sie hätte jetzt Angst wegen der Wahl in Baden-Württemberg. Es reicht! Jedes Mal gibt es ein Argument, nichts zu machen.

Sie sind durch Parteiinteressen blockiert. Am deutlichsten erkennt man das daran, dass Sie nicht einmal den Hintern in der Hose haben, die Mehrwertsteuerabsenkung bei Hoteliers wieder rückgängig zu machen. Das ist schon ein starkes Stück. Dieses Sparpaket der Bundesregierung schont Reiche, gut Verdienende und Angestellte. Es enthält Luftbuchungen im Bereich der Wirtschaft, sodass die Wirtschaft schon selber anfängt, sich zu beschweren.

Sie sind durch Angst blockiert. Sie machen keine Einsparungen, und selbst wenn Sie welche machen, sind sie inklusive Ihrer Luftbuchungen mit weniger als der Hälfte dessen, was nötig wäre, um die Schuldengrenze einzuhalten, zufrieden. Sie machen ein Täuschungsmanöver durch

den Finanzminister Schäuble, der behauptet, er würde 80 Milliarden Euro einsparen und schafft nicht einmal die 40, nur weil er einen Rechentrick anwendet. Ja, wo sind wir denn? Das kann doch nicht wahr sein! Wenn ich mir das alles ansehe, bin ich der Meinung, dass man sich aus lauter Verzweiflung lieber Herrn Kohl und Herrn Lambsdorff zurückwünschen möchte.

Sie haben die sich widersprechende Familienförderung nicht geordnet. Sie haben die Krankenversicherung und die Rentenversicherung nicht angepackt. Die „Wirtschaftswoche“ schreibt in ihrer aktuellen Ausgabe, dieses Sparpaket sei schwarz-gelbe Champagnerpolitik und bundesweiter Schmalhansalarm. Genau das ist es, und zwar sortiert nach Reich und Arm! Sie sollten sich schämen!

Das Sparpaket erweise sich als Scheinriese, schreibt die „Wirtschaftswoche“ weiter. Die Wirtschaft empfindet die schwarz-gelbe Regierung also offensichtlich als eine Art wandelnde Rufschädigung.

Wenn ich mir überlege, dass Sie als sogenannte selbsternannte bürgerliche Koalition angetreten sind, sowohl in Dresden als auch in Berlin, muss ich Ihnen als Vertreterin einer bürgerlichen Opposition in diesem Landtag sagen: Sie haben jedes politische Ziel, das dran gewesen wäre, historisch verkannt und verfehlt. Sie haben sich auf dem Rücken der Armen ausgetobt, und Sie haben mitnichten auch nur etwas annähernd Ausgewogenes als Sparpaket auf der Bundesebene vorgelegt.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Ihre eigene tragende Säule, die Wirtschaft, hat inzwischen Angie, Guido und Horstl abgeschrieben. Die eigenen Gefolgsleute hadern, und die Bürger – so ist es heute zumindest in der „WELT-Online“ zu lesen, und das ist kein linkes Kampfblatt, soweit ich das weiß – sind zu Neuwahlen bereit. Es gibt inzwischen eine Umfrage, die das eindeutig belegt.

So weit haben Sie es auf der Bundesebene getrieben: keine Transparenz, keine Zielsetzung, alles auf dem Rücken der armen Leute, kein Abbau ökologisch schädlicher Subventionen. Die soziale Schieflage ist in diesem Sparpaket der Bundesregierung wirklich erheblich. Sie schwafeln ständig davon, dass man die Steuern nicht anheben könne. Sie sind nicht in der Lage, den Spitzensteuersatz anzuheben und begründen das mit den Einkommen von Friseusen und Krankenschwestern. Ja, merken Sie es noch? Wissen Sie, wer in diesem Land den Spitzensteuersatz bezahlt? Zeigen Sie mir doch einmal die Krankenschwester oder die Friseuse, nur damit ich es weiß. Vielleicht habe ich ja etwas verpasst.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Das ist Volksverdummung! Sie haben vor, das Elterngeld bei den Hartz-IV-Empfängern zu streichen. Das ist nicht nur unsozial, auch wenn es immer wieder Mitnahmeeffek

te gibt, sondern das ist auch ökonomisch unsinnig. Wir sind in den nächsten Jahren auf eine drastische Stärkung des Binnenmarktes angewiesen. Da darf man bei den niedrigen Einkommen, bei denen jeder Cent und jeder Euro eins zu eins in den Konsum geht, nicht die Gelder streichen. Das ist ökonomisch völlig widersinnig.

Über andere Sachverhalte unterhalten wir uns nachher noch.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Ich rufe die Fraktion der NPD auf; Herr Abg. Schimmer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gerade einen guten Monat her, dass sich die Bundesregierung dazu hergab, deutsche Steuergelder in Höhe von unfassbaren 148 Milliarden Euro für einen sogenannten Euro-Rettungsschirm zu vergeben, der einzig und allein dazu dient, den südeuropäischen Bankrotteuren Griechenland, Portugal, Italien und Spanien die Fortsetzung ihrer Konkursverschleppung zu ermöglichen.

Es ist gerade mal eine Woche her, dass die Bundeskanzlerin die Rechnung für ihre Füllhornpolitik präsentiert hat. Es war eigentlich zu erwarten: Die Rechnung sollen deutsche Langzeitarbeitslose, deutsche Geringverdiener und deutsche Familien zahlen.

Vor diesem Hintergrund kann man nur sagen: Dieses Sparpaket ist wirklich ein Schlag in das Gesicht des deutschen Volkes, das nun wohl endgültig weiß, dass es von seinen eigenen Politikern im Gegensatz zu südeuropäischen Pleitestaaten und Großbanken nicht für systemrelevant gehalten wird.

(Beifall bei der NPD)

Die Volksverachtung wirkt sich am stärksten bei den Streichungen beim Elterngeld aus, das für Hartz-IVEmpfänger ja gleich ganz gestrichen werden soll. Hierzu kann man nur sagen: Nach den ganzen Rettungspaketen zur Euro- und Bankenrettung ist es hochgradig schamlos, dass jetzt ausgerechnet bei den Schwächsten der Schwachen, nämlich bei Kindern von Hartz-IV-Empfängern, gestrichen werden soll.

Kinderfeindliche Maßnahmen wie die Streichung des Elterngeldes vollziehen sich auch vor dem dramatischen Hintergrund, dass wir im vergangenen Jahr, im Jahr 2009, mit 651 000 Geburten gerade die geringste Geburtenzahl in Deutschland seit 1948 gehabt haben. Aber anstatt mit einer pronatalistischen Bevölkerungspolitik das Ruder jetzt entschlossen herumzureißen, dreht Schwarz-Gelb stattdessen noch weiter an der demografischen Todesspirale.

Die Bundesregierung setzt ihre Spar- und Streichorgie dann auch gleich bei einkommensschwächeren Landsleuten fort, und zwar mit der Streichung des Heizzuschusses für Wohngeldempfänger. Hier straft die FDP ihre eigenen Aussagen Lügen, denn der FDP-Vorsitzende Guido

Westerwelle hatte sich ja noch pathetisch auf das Lohnabstandsgebot berufen nach dem Motto „Wer arbeitet, soll mehr haben als der, der keine Arbeit hat“, um seinen politischen Feldzug gegen Hartz-IV-Empfänger auszurufen. Nun ist es aber so, dass die Streichung des Heizzuschusses genau jene einkommensschwächeren Landsleute betrifft, die eben nicht Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe bekommen. Damit zeigt sich, dass die FDP ihre Ankündigung, Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten, zu unterstützen, gar nicht ernst nimmt.

Als kompletter Schuss in den Ofen dürfte sich dann auch die Streichung des Rentenzuschusses für ALG-IIEmpfänger erweisen, denn diese muss dann – das wissen wir alle – über eine höhere Grundsicherung von den ohnehin schon über alle Gebühr belasteten Kommunen aufgefangen werden. Ich kann Ihnen gleich sagen, dass die 1,8 Milliarden Euro, die damit jährlich eingespart werden sollen, gar nicht eingespart werden können, denn sie fehlen ja schon in der heutigen Rentenversicherung. Insofern ist diese Maßnahme völlig sinnlos. Sie wird nur den Bundeszuschuss zur Rentenversicherung erhöhen.

Auch sonst ist vieles am Sparpaket reiner Pfusch. Da möchte ich nur den angedachten Sanierungsbeitrag für die Banken in Höhe von jährlich 2 Milliarden Euro nennen. Das ist eine Ankündigungsrhetorik, die dann wieder an der internationalen Abstimmung scheitern wird. Ich möchte auch die Aneignung der Bahndividende durch den Bund nennen, die nur dazu führen wird, dass das Bahnnetz insbesondere in Mitteldeutschland weiter ausgedünnt wird.

Als eine besondere Frechheit empfinde ich es, dass tatsächlich auch noch bei der Bundeswehr Jahr für Jahr 2 Milliarden Euro gespart werden sollen; denn schließlich ist es die Bundesregierung selbst, die die Zusage zu weltweiten Einsätzen gibt. Wir Nationaldemokraten fordern demgegenüber endlich die Beendigung des Besatzungsregimes in Afghanistan, wo nicht nur viel Geld verbrannt wird, sondern wo jährlich auch sehr viele Menschenleben geopfert werden für die Kriegsziele einer bürgerlichen Regierung, die Horst Köhler unvorsichtigerweise ausgeplaudert hat. Diese Ziele sind: Eroberung von Rohstoffmärkten, von neuen Absatzmärkten, Schutz von Handelswegen – alles im Sinne des Großkapitals.

Wir von der NPD sagen: Ein Sparpaket, das wirklich dem deutschen Volk dient, sollte nicht nur damit beginnen, endlich diesen unseligen Afghanistaneinsatz zu beenden, sondern endlich auch die deutschen Nettozahlungen an die Europäische Union in Höhe von fast 9 Milliarden Euro jährlich zu streichen.

(Beifall bei der NPD)

Erst wenn das passiert ist, kann man auch davon reden, dass man wirklich etwas für das deutsche Volk getan und gespart hat.

Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde der Aussprache. Ich frage zunächst die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht?

(Staatsminister Prof. Dr. Georg Unland: Noch nicht!)

Noch nicht. – Besteht seitens der Fraktionen noch Redebedarf? – Für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Scheel. Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Zastrow, ich empfinde es immer ein bisschen als Armutszeugnis, wenn man davon spricht, dass es keine Alternativen gebe. Denn wer sich in die Politik begibt und davon spricht, dass wir alternativlos handeln, der vergibt die Möglichkeit der Debatte und des Lernens.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Aus diesem Sparpaket, wie es genannt wird – am Ende ist es wirklich nur eine Streichorgie –, möchte ich nur einen Punkt herausgreifen, der zumindest mir sehr unschlüssig erscheint. Wer allen Ernstes als Konsolidierungsbeitrag die geringeren Zinsausgaben für eine verminderte Nettokreditaufnahme angibt, der muss meines Erachtens haushälterisch „einen an der Waffel haben“. Es ist für mich wirklich unglaublich, wirklich unvorstellbar, so etwas überhaupt anzubieten.

Aber eines haben wir in den letzten mehr als zehn Jahren gelernt: Die Bundesfinanzminister machen sich mehr Gedanken darüber, wie man die Einnahmenseite des Staates ruinieren kann, als darüber, wie man den Haushalt konsolidieren kann. Und das hat Folgen. Wenn sich nämlich die gleichen Politiker, die gleichen Parteien, nachdem sie die Einnahmenseite ruiniert haben, hinstellen und dann ein Mantra vor sich hinbeten, das da heißt „Die Ausgaben müssen den Einnahmen folgen“, dann ist das nichts anderes als wenn jemand, der Brand stiftet, danach den Brennspiritus zum Löschen nutzen möchte, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Denn den Konsolidierungsdruck, den Sie auf allen Ebenen aufmachen, können wir gerade erleben. Das fängt an bei der Kommune. Ob das Leipzig ist, ob das Dresden ist – eine Stadt, die schuldenfrei ist und deshalb ganz viel Spaß hat – oder ob das Chemnitz ist: Alle beschäftigen sich im Moment mit Streichlisten. Das trifft das Personal, das trifft Sozialausgaben, das trifft Investitionen.

Das Land ist nicht viel besser. Gestern durften wir feststellen, dass das Land seine eigene Streichliste vorlegen wird, die wir als Landtag hoffentlich dann endlich Anfang August vorgelegt bekommen. Und dann kommt der Bund dazu.

Also, Kommunen, Land und Bund streichen gleichzeitig an den elementaren Aufgaben des Staates – und das, obwohl Deutschland ein reiches Land ist, obwohl