Protokoll der Sitzung vom 17.06.2010

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich könnte man die Forderung nach Einführung des 17. Juni als Gedenktag auch auf Bundesebene erheben. Wir Nationaldemokraten sind aber der Überzeugung, dass es dem Sächsischen Landtag gut zu Gesicht stünde, wenn er den 17. Juni zunächst in Sachsen zum offiziellen Gedenktag erheben würde. Denn neben Ost-Berlin war bei uns im Freistaat Sachsen der Aufstand besonders intensiv.

Hier wiederum waren die Ereignisse in Görlitz und Niesky – im kurz zuvor gegründeten Bezirk Dresden – von ganz besonderer Bedeutung. In Görlitz gelang es den Aufständischen, der SED die Macht tatsächlich zu entreißen, wenn auch nur für wenige Stunden. Dass gerade Görlitz einen Schwerpunkt der Protestbewegung bildete, war wahrlich kein Zufall. Die Historikerin Heidi Roth schreibt dazu in ihrem Buch „Der 17. Juni 1953 in Sachsen“, das auch von der Landeszentrale für politische Bildung vertrieben wurde: „Etwa 40 % aller Einwohner kamen aus den ehemaligen Ostgebieten, die meisten von ihnen jedoch aus dem östlich der Neiße liegenden Teil der Stadt. Manche konnten jenseits des Flusses ihre Häuser sehen, die größtenteils leerstanden und allmählich verfielen. Bis zum 6. Juli 1950 hatte die Görlitzer Bevölkerung noch gehofft, dass die Teilung ihrer Stadt nicht andauern würde. Als Otto Grotewohl seine Unterschrift unter die Deklaration über die Markierung der Oder-NeißeFriedensgrenze setzte, war diese Hoffnung zerstoben.“

Hinzu kam die Übervölkerung der Stadt, die damals an die oder auch über 100 000 Einwohner hatte und die größte Bevölkerungsdichte im Bezirk Dresden aufwies. Außerdem stellte die Stadt im April 1953 ihre Zahlungen an circa 1 200 der insgesamt fast 3 800 Sozialhilfeempfänger ein, was die Situation weiter verschärfte. Schließlich kam es in Görlitz zur Besetzung des Rathauses, der SED-Kreisleitung, der Stasi-Kreisdienststelle, weiterer öffentlicher Gebäude und zur Befreiung der politischen Gefangenen – ein ganz besonderer Höhepunkt des 17. Juni 1953. Gegen 14:30 Uhr waren alle wichtigen Institutionen in der Hand der Aufständischen.

In diesem Umfang hat es einen solchen Erfolg der revolutionären Arbeiter nur in Görlitz gegeben, was die Stadt und damit den heutigen Freistaat Sachsen in besonderer

Weise heraushebt und nach unserer Auffassung eine Initiative für den Gedenktag am 17. Juni rechtfertigt.

Schon kurz nach der blutigen Niederschlagung des Aufstands beschloss der Bundestag, diesen Tag zum offiziellen Feiertag zu machen. Über Jahrzehnte erinnerte der 17. Juni an den mutigen Widerstand der Menschen in der DDR und zugleich an die Teilung unseres Vaterlandes. Leider erfüllte der 17. Juni spätestens seit den Siebzigerjahren nur noch eine Alibifunktion. An diesem Tag wurden alljährlich die berüchtigten Sonntagsreden Bonner Politiker gehalten, in denen die Wiedervereinigung beschworen wurde, ohne dass ernsthafte Schritte dazu unternommen worden wären.

So war es denn auch kein Zufall, dass der 17. Juni im Zuge der Vereinigung von BRD und DDR 1990 als gesetzlicher Feiertag abgeschafft und durch das eher künstliche Datum des 3. Oktober ersetzt wurde, an dem die DDR der BRD beitrat.

Ähnlich verhält es sich mit der heutigen Gedenkkultur im Zusammenhang mit dem 17. Juni. Natürlich werden an diesem Tag hier und da immer noch Reden gehalten und Kränze niedergelegt. Doch dieses Gedenken wirkt künstlich und einstudiert. Ich will hier nur kurz auf das Geschehen in Dresden eingehen. Jahrelang erinnerte nur eine unscheinbare Tafel an den Resten des einstigen Postamtes an den Volksaufstand. Umrahmt war diese Gedenktafel mit allen möglichen Werbeschildern. Jahrelang hatte die Dresdner NPD diesen Zustand kritisiert. Schließlich wurde im Jahr 2008 endlich ein kleines Denkmal in Form einer Panzerkette auf dem Postplatz geschaffen.

(Zuruf von der NPD: Sehr klein!)

Der Gedenkort ist allerdings so unscheinbar, dass er auf den ersten Blick kaum zu erkennen ist.

Ähnlich verhält es sich mit dem Interesse der Politik an dem Gedenktag 17. Juni. Seit Jahren stellen nationale Bürger die Hälfte der Teilnehmer beim offiziellen Gedenken der Landeshauptstadt an diesen Tag. Dieses Jahr stellten nationale Bürger sicherlich 80 % der Teilnehmer.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Herr Brangs war leider auch nicht da.

Sichtlich verärgert reagierte im Jahr 2009 zum Beispiel der SPD-Fraktionsvorsitzende Martin Dulig auf diesen Zustand. Die SPD zeigte auch im vergangenen Jahr nur geringe Präsenz. Das ist umso unverständlicher, da es auch ehemalige Sozialdemokraten waren, die am 17. Juni 1953 Widerstand gegen die rote Diktatur leisteten. Erinnert sei hier an den Dresdner Streikführer Wilhelm Grothaus. Leider ist von diesen Traditionen bei der heutigen SPD nichts übrig geblieben.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Ja, Herr Brangs. Ich weiß, mit Einigkeit und Recht und Freiheit können Sie nichts anfangen. Sie plädieren lieber für Multikulti und EU-Diktatur.

(Beifall bei der CDU – Stefan Brangs, SPD: Ganz ruhig bleiben!)

Ja, das ist so. Mit diesen Werten können Sie nichts mehr anfangen.

Herr Dulig versuchte allen Ernstes, durch Einsatz seines Körpers die Niederlegung eines Kranzes der NPDLandtagsfraktion zu behindern.

(Stefan Brangs, SPD: Sehr gut!)

Dieses peinliche Verhalten zeigt wieder einmal, welche traurigen Gestalten heute an der Spitze einer Partei stehen, die noch in den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts nationale Jahrhundertpolitiker wie Kurt Schumacher und Ernst Reuter in ihren Reihen hatte.

(Beifall bei der NPD)

Sie von der SPD müssen endlich einmal begreifen lernen, dass Sie das Gedenken an die Opfer des 17. Juni 1953 nicht gepachtet haben.

(Stefan Brangs, SPD: Da brauchen wir aber nicht die Belehrung durch Neonazis!)

Doch, ich glaube, gerade Sie brauchen die Belehrung, Herr Brangs.

Damit es kein Missverständnis gibt, möchte ich abschließend ausdrücklich klarstellen: Die NPD will keinen neuen gesetzlichen Feiertag einführen, sondern einen Gedenktag.

Herr Schimmer, einen kleinen Moment! – Sie haben die Möglichkeit, nachher in der Debatte auf den Redebeitrag von Herrn Schimmer einzugehen. – Ich bitte den Geräuschpegel etwas zu dämpfen. Zwischenrufe sind nach wie vor erlaubt.

Herr Schimmer, fahren Sie in Ihrer Rede fort.

Besten Dank! – Damit es kein Missverständnis gibt, möchte ich abschließend ausdrücklich klarstellen: Die NPD will keinen neuen gesetzlichen Feiertag einführen, sondern einen Gedenktag. So wünschenswert die Wiedereinführung des 17. Juni als Feiertag wäre, so sehr sind wir Nationaldemokraten uns doch bewusst, dass in der derzeitigen Situation – inmitten einer Wirtschafts- und Finanzkrise – ein zusätzlicher Feiertag volkswirtschaftlich nicht zu verantworten wäre.

Würdigen Sie mit uns jene deutschen Männer und Frauen, jene wirklich revolutionären Arbeiter, die sich 1953 gegen die kommunistische Gewaltherrschaft erhoben! Beschließen wir zusammen einen Gedenktag zum 17. Juni 1953!

(Beifall bei der NPD)

Nächster Redner ist Herr Schowtka, CDU-Fraktion. Er spricht für die Koalition.

(Annekatrin Klepsch, Linksfraktion, meldet am Saalmikrofon Redebedarf an.)

Herr Schowtka, ich würde gern noch eine Kurzintervention zulassen, wenn Sie einverstanden sind. – Frau Klepsch, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! Es ist tatsächlich so: Ich erlaube mir an dieser Stelle eine Kurzintervention, Bezug nehmend auf die Rede von Herrn Schimmer.

Herr Schimmer, ich stelle fest: Bei der heutigen Veranstaltung zum Gedenken an die Demonstranten und die Opfer des 17. Juni 1953 waren alle demokratischen Fraktionen aus Stadt und Land vertreten. Die einzigen Teilnehmer, die dort gestört haben, waren Ihre braunen Gesinnungsgenossen, die Sie als Besuchergruppe zunächst im Landtag hatten und dann dorthin geschleppt haben. Das hat nichts mit Demokratie und Gedenken zu tun, sondern das ist ein Missbrauch dieses Tages.

(Beifall bei der Linksfraktion, der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Herr Schimmer, Sie möchten auf die kurze Intervention antworten?

Ich würde gern auf die Kurzintervention antworten; denn es stimmt auf keinen Fall, dass wir gestört hätten. Wir haben wie immer ganz ruhig an dieser Gedenkstunde teilgenommen. Es ist eben mittlerweile schon so, dass fast 80 % der Teilnehmer nationale Bürger sind und man auch wirklich merkt, dass Ihnen von den etablierten Fraktionen gar nichts an dem Gedenken dieses Tages liegt. Nur deswegen kann es ja sein, dass die Veranstaltung von nationalen Bürgern majorisiert wird. Ich würde wirklich gern einmal bei dieser Veranstaltung mehr Teilnehmer als immer nur einen Abgeordneten jeder Fraktion sehen. – Danke.

(Beifall bei der NPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin Herrn Landtagspräsidenten Dr. Matthias Rößler dankbar, dass er bei der Eröffnung der heutigen Sitzung des Sächsischen Landtages daran erinnert hat, dass sich vor 57 Jahren mehr als eine Million Menschen der damaligen DDR in einem spontanen Volksaufstand gegen das SED-Regime erhoben haben. Mehrere Debattenredner taten es dankenswerterweise ebenfalls. Leider nutzten die Neonazis im Sächsischen Landtag die Gelegenheit, dieses denkwürdige Datum zu missbrauchen.

Meine Damen und Herren! Wir Deutsche machen es uns bekanntlich schwer mit unserer wechselvollen Geschichte, der damit verbundenen Identitätssuche und dem Verhältnis zu unserem Vaterland Deutschland. Das ist in erster Linie mit den furchtbaren Verbrechen zu erklären, die die Nationalsozialisten über die Völker Europas und ihre jüdischen Mitbürger brachten

(Andreas Storr, NPD: Die Platte kennen wir schon!)

und damit den deutschen Namen auf schmachvolle Weise befleckt haben.

Aber auch in den finsteren Jahren der braunen Diktatur gab es Lichtgestalten wie die Geschwister Scholl, Graf von Stauffenberg oder Dietrich Bonhoeffer, die ein besseres Deutschland verkörperten und dafür ihr Leben hingaben.

So war es auch in den Jahren der darauffolgenden kommunistischen Diktatur, als ausgerechnet die Arbeiter gegen ein Regime rebellierten, das ihnen mit sowjetischen Panzern im Rücken die Befreiung von der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen versprochen hatte.

Der Volksaufstand am 17. Juni 1953, der urplötzlich wie ein Flächenbrand die ganze DDR erfasste, war nicht vergebens. Er war ein frühes Wetterleuchten für das, was wir im Herbst 1989 wie ein Wunder erleben durften: eine friedliche und darüber hinaus siegreiche Revolution – ohne Blutvergießen –, die uns die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes bescherte, weil Hunderttausende ihre Furcht überwanden und mit Kerzen auf die Straßen gingen.

(Zuruf von der NPD)

Plötzlich waren wir nicht mehr ein Volk von Duckmäusern, sondern ein Volk von vielen kleinen Helden. Ich finde, man kann hier mit Recht stolz darauf sein, Deutscher zu sein und einem Volk anzugehören, das beide Revolutionen vollbracht hat, die erfolglose von 1953 und die erfolgreiche von 1989,

(Beifall bei der CDU und der FDP)