ein Volk, das in der Gemeinschaft der freien Völker Europas nie wieder seine Nachbarn bedrohen wird.
Meine Damen und Herren! Das Vermächtnis der Männer und Frauen des 17. Juni 1953 sollte uns aber auch Verpflichtung sein, Postkommunisten und Neonazis entgegenzutreten, die wieder die Totengräber von Freiheit und Demokratie werden können.
So lief es mir eiskalt über den Rücken, als ich vor den Landtagswahlen auf einem Wahlplakat der NPD die Losung erblickte: „Nationaler Sozialismus oder Untergang“.
Die Frauen und Männer, die heute vor 57 Jahren, sieben Jahre nach dem furchtbarsten Krieg der Weltgeschichte, auf die Straße gingen, bedürfen nicht des Gedenkens auf Initiative von Neonazis, den Totengräbern von Demokratie und Freiheit, genauso wie es auch Ulbricht und seine Genossen waren. Deshalb bitte ich namens der Koalitionsfraktionen, diesen Antrag abzulehnen.
Ich möchte von meinem Recht der Kurzintervention Gebrauch machen und richtigstellen, dass diese Plakate gar nicht von der NPD stammen können, denn ich selbst bin ja der Verantwortliche im NPD-Landesvorstand für die Plakate der NPD. Solche Plakate gab es nicht. Das ist eine falsche Behauptung von Herrn Schowtka gewesen, die ich hiermit zurückweise.
Ich wende dagegen ein, dass ich die Plakate in der Gemeinde Knappensee im damaligen Landkreis Kamenz gesehen habe. Es waren mindestens drei.
Wir fahren in der allgemeinen Aussprache fort. Es spricht Frau Kliese für die SPD-Fraktion. Frau Kliese, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Sinne eines würdevollen Umgangs mit diesem wichtigen historischen Datum bitte ich trotz der problematischen Uhrzeit noch einmal einen Moment um Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.
Es ist inzwischen gute Tradition, dass am 17. Juni in ganz Deutschland Gedenkfeiern und politische Bildungsveranstaltungen stattfinden. An Schulen werden Lesungen mit Zeitzeugen veranstaltet, in Volkshochschulen und anderen Bildungszentren ebenso. Die Programmhefte der parteinahen Stiftungen – der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Naumannstiftung, der Böllstiftung, der Ebert-Stiftung – belegen es: Das Gedenken an den Aufstand in der DDR ist fest im geistig-politischen Leben der Bundesrepublik Deutschland verankert.
Mit Ihrem Antrag weist die NPD demnach auf einen Missstand hin, der so überhaupt nicht existiert. Zwar ist der Tag der Deutschen Einheit nicht mehr der 17. Juni, aber gerade das Gedenken zum 50. Jahrestag des Volksaufstandes im Jahr 2003 in Öffentlichkeit, Politik und Wissenschaft war und ist immer noch da und immer noch sehr gut vernehmbar. Hier hat ein regelrechter Aufschwung der Erinnerungskultur stattgefunden, nachdem der 17. Juni als Feiertag in der Bundesrepublik immer mehr zu einem nationalen Ausflugstag verkommen war.
Doch nicht nur die Sicht der NPD auf die Erinnerungskultur in Bezug auf den 17. Juni ist problematisch, sondern auch die Sicht auf die DDR, wie aus Ihrem Antrag deutlich wird, ist problematisch, denn die DDR ist nicht synonym mit Kommunismus zu verbinden.
„Ich habe die DDR nicht als das geliebt, was sie war, sondern als das, was sie sein sollte“, schreibt die Schriftstellerin Christa Wolf in ihrem bald erscheinenden Buch „Stadt der Engel“. Damit steht sie symbolisch für die vielen Intellektuellen in der DDR.
Der Schriftsteller, Naturwissenschaftler und DDRDissident Robert Havemann, der seine Professur, sein Recht zu schreiben und am Ende sogar sein Recht, das Haus zu verlassen, verlor, hielt die DDR bis zu seinem Tod für das bessere Deutschland. Auch das müssen wir anerkennen und können nicht immer nur von der DDR als dem Kommunismus sprechen.
Die DDR war Stalins ungeliebtes Kind, sie war ein Spielball der Mächte im Kalten Krieg und sie war nicht mehr und nicht weniger als ein Satellitenstaat der Sowjetunion. Sie war in ihrem tiefen Inneren kleingeistig und bieder, sie atmete eine geistige Enge und sie war ihrem Wesen nach repressiv.
Das bekamen alle zu spüren, die sich am 17. Juni gegen die Arbeits- und Lebensbedingungen in der DDR auflehnten. Dieser Menschen zu gedenken ist Aufgabe eines jeden guten Demokraten und einer jeden guten Demokratin. Das haben wir alle heute bereits in diesem Hause getan.
Die NPD bezeichnet den 17. Juni als „Fanal für die Befreiung vom Kommunismus“. Ich bezeichne ihn als einen Tag, der den Wunsch der Menschen nach Freiheit symbolisiert wie viele andere Tage in der deutschen Geschichte. Ich denke zum Beispiel an den März 1848, an den Herbst 1918 und auch an den 20. Juli 1944.
Das sind natürlich Tage völlig unterschiedlicher Couleur, die eines gemeinsam haben: dass sich an diesen Tagen Menschen zusammenfanden, die ihren Willen nach Freiheit offen kundtaten.
Der hier vorliegende Antrag der NPD-Fraktion basiert nicht auf einem Wunsch nach Freiheit; denn die Ziele der NPD-Fraktion sind nicht an die Werte der Menschenwürde und Freiheit gebunden. Das haben wir erst heute Morgen wieder in diesem Hause erlebt.
„Der 17. Juni“ – ich zitiere aus einer Pressemitteilung der NPD – „– einer der Höhepunkte der deutschen Freiheitstradition“. Wir wissen aber auch in diesem Hohen Hause, wann diese Freiheitstradition jäh unterbrochen wurde, nämlich im Jahre 1933. Das zu konstatieren und immer wieder auf das Leid einer deutschen Diktatur von 1933 bis 1945 hinzuweisen, hat nichts, rein gar nichts mit der Relativierung einer Diktatur auf deutschem Boden nach 1945 zu tun.
Noch ein kleiner Hinweis zum topografischen Bild für die Dame und die Herren der NPD-Fraktion: Der 17. Juni war mitnichten ein mitteldeutscher Volksaufstand, wie Sie es nennen. Selbst wenn ich mich bemühe, den Begriff „mitteldeutsch“ so zu definieren, wie es ja der MDR und auch alle anderen tun, muss ich feststellen, dass die Städte Rostock, Wismar oder Greifswald nicht dazugehören.
Ich empfehle Ihnen, beim nächsten Mal vor dem Verfassen einer solchen Pressemitteilung in einen Atlas zu schauen, und zwar nicht wie sonst aus dem Jahr 1943, sondern aus dem Jahr 2010.
(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN sowie vereinzelt bei der CDU und der FDP – Widerspruch bei der NPD)
Abschließend möchte ich das Wort an die Demokraten im Hause richten. Lassen Sie uns den heutigen Tag zu einem würdevollen Gedenken an den Aufstand des 17. Juni nutzen und lassen Sie nicht zu, dass er von einer Fraktion instrumentalisiert wird, für die die Freiheit niemals die Freiheit der Andersdenkenden sein wird!
(Lebhafter Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN sowie vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Johannes Müller, NPD, steht am Mikrofon.)
Sie haben keine Kurzintervention mehr. Ihre Fraktion hatte bereits zwei, und pro Aussprache sind nur zwei möglich.
(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN – Demonstratives Bedauern des Abg. Stefan Brangs, SPD – Dr. Johannes Müller, NPD: Da kann man nichts für die Bildung tun!)
Ich frage, ob die Staatsregierung das Wort ergreifen möchte. – Herr Staatsminister Prof. Wöller, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der 17. Juni 1953 brach der Freiheit
den Weg. Frauen und Männer in der DDR stellten sich mutig gegen die Diktatur der SED. Aus der Forderung nach Rücknahme der Normerhöhungen wurden politische Forderungen. Aus dem Arbeiteraufstand entwickelte sich ein Volksaufstand. Die Demonstranten verlangten Demokratie, Menschenrechte und die Wiedervereinigung Deutschlands. Es war der erste Aufstand gegen eine Diktatur im sowjetischen Machtbereich des Ostblocks. Der Wille zur Freiheit wurde mit Gewalt niedergeschlagen.
Die Frauen und Männer des 17. Juni 1953 haben sich vor den Augen der Weltöffentlichkeit gegen das Unrecht der SED-Diktatur aufgelehnt. Sie wiesen auch der erfolgreichen friedlichen Revolution des Herbstes 1989 den Weg. Die Umbruchjahre 1989/90 haben uns eine neue Freiheit geschenkt. Die Errungenschaften der friedlichen Revolution sind eine unglaubliche historische Leistung und unser gemeinsames Erbe. Ihr unblutiger Verlauf und ihr Erfolg sind ein einzigartiges Vermächtnis, das uns die unzähligen Menschen, die für die friedliche demokratische Neuordnung auf die Straße gingen, hinterlassen haben.
Freiheit und Menschenwürde sind unantastbare Grundrechte, die seit 60 Jahren unter dem Schutz des Grundgesetzes stehen. Dank der friedlichen Revolution gilt das Grundgesetz heute für alle Deutschen. Für uns, für die gesamte Gesellschaft ist es eine wichtige Aufgabe, das Wissen um diese historischen Zusammenhänge an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Wir haben die Pflicht, die Erinnerung an diese Ereignisse und damit auch an das Unrecht der SED und deren Opfer lebendig zu halten. Dazu gibt es in Deutschland und im Freistaat Sachsen vielfältige Formen und Veranstaltungen des Gedenkens.
Ziel und Aufgabe schulischer Bildung und Erziehung ist es, Wissen über Vergangenes und dessen Darstellung als Geschichte mit Erfahrungen der Gegenwart und mit Zukunftsperspektiven zu verbinden. Junge Menschen sollen lernen, sich zur politischen Beteiligung im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu positionieren. Sie sollen die Stärken einer wehrhaften Demokratie kennenlernen und erkennen, woher unserer Demokratie und dem demokratischen Verfassungsstaat Gefahr droht oder drohen könnte.