Peter Schowtka

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Artikel 16 Abs. 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland heißt es klar und eindeutig: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Die Väter des Grundgesetzes formulierten diesen Artikel im Jahr 1949, schlussfolgernd aus den schlimmen Zeiten der nationalsozialistischen Diktatur, als viele
aufrechte Deutsche ihr Vaterland verlassen mussten und jenseits der Grenzen Asyl suchten. Doch konnte sich 1949, als Deutschland noch in Trümmern lag, kaum jemand vorstellen, dass unser Land 65 Jahre später zum ersehnten Ziel Tausender von Verfolgten und Benachteiligten
aus aller Welt werden sollte. Deren Zahl nimmt angesichts bewaffneter Auseinandersetzungen und humanitärer
Katastrophen in aller Welt ständig zu. Wer davor die Augen schließt, hat entweder kein Herz oder er ist ein unbelehrbarer Rassist,
wie es sie leider auch in diesem Hohen Hause gibt.
Sachsen ist für die allerwenigsten Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, das erste Ziel ihrer Reise. Im Regelfall werden die Asylsuchenden dem Freistaat vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zugeteilt. Die Zuteilung erfolgt nach dem Königsteiner Schlüssel, der jährlich neu errechnet wird und in den zu zwei Dritteln das Steueraufkommen und zu einem Drittel die Bevölkerungszahl des jeweiligen Bundeslandes einfließen. Derzeit entfallen nach diesem Schlüssel rund 5,1 % der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge auf den Freistaat Sachsen. Nach ihrer Ankunft durchlaufen die Asylsuchenden das Asylverfahren, das über die Anerkennung als Flüchtling entscheidet. Dieses Verfahren wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durchgeführt.
Nach ihrer Ankunft im Freistaat werden die Asylsuchenden in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Wer das einmal erlebt hat, der weiß, mit welchen Problemen das verbunden ist.
Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich habe im real existierenden Sozialismus selbst acht Jahre als Lehrling und dann als Student in Baracken gehaust, sechs Mann auf einer Bude und für 30 Personen eine Dusche. Aber wir waren alle ledig, gleich alt und hatten eine sinnvolle Beschäftigung.
Anders ist es in den Asylbewohnerheimen des Freistaates. Hier wohnen Jung und Alt, Frauen und Männer, Familien und Ledige aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen zusammen. Sie haben anfänglich keine Beschäftigung und sprechen nicht unsere Sprache.
Auf Initiative des Ausländerbeauftragten, Prof. Martin Gillo, werden seit 2010 in Sachsen in allen Gemeinschaftsunterkünften für Asylsuchende vergleichbare
Standards angestrebt und durch den sogenannten „HeimTÜV“ geprüft. Asylbewerberunterkünfte sind keine VierSterne-Hotels. Sie sollen aber ihren Bewohnern Bedingungen bieten, die den Geboten der Humanität und der Menschenwürde entsprechen. Dies wurde mit Hilfe des
„Heim-TÜV“ grundsätzlich erreicht. Martin Gillo sagte es schon: 2010 mussten 50 % aller Heime noch als unakzeptabel bewertet werden. 2011 waren es nur noch 10 %. 2013 gab es diese Kritik nicht mehr, wenngleich vier Heime in einem Zustand sind, bei dem sich eine Sanierung nicht mehr lohnt.
Meine Damen und Herren! Die erreichten Verbesserungen sind ein Verdienst des Ausländerbeauftragten und der verantwortlichen Kommunen, denen dafür zu danken ist.
Prof. Martin Gillo gilt unser herzlicher Dank für seine verdienstvolle Tätigkeit als Sächsischer Ausländerbeauftragter. Vergelt’s Gott, lieber Martin!
Möge es dem Sächsischen Landtag in der nächsten Legislaturperiode gelingen, einen Nachfolger zu finden, der in die großen Fußstapfen des Martin Gillo passt und sein Werk erfolgreich fortsetzen kann.
Namens meiner Fraktion bitte ich um Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Innenausschusses vom 3. April dieses Jahres.
Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Wortwahl und des Inhaltes des vorliegenden Antrages der NPD-Fraktion muss man den Eindruck bekommen, Sachsen stehe kurz davor, eine islamische Republik zu werden, weil die meisten Bewohner des Freistaates natürlich Ausländer seien. Die Mehrheit dieser sind Muslime, die anstelle der Sächsischen Verfassung die Scharia einführen wollen.
Dass dem nicht so ist, sagen uns die nüchternen Zahlen der Realität.
Aus den Ländern, deren Hauptreligion der Islam ist, lebten zum 31.12.2013 laut Ausländerzentralregister 19 300 Menschen in Sachsen. Das entspricht einem Anteil von 18,2 % an insgesamt 106 600 Ausländern in Sachsen. Das Islamarchiv Soest schätzt, dass es in Sachsen circa 15 000 Moslems gibt. Gemessen an der Gesamtbevölkerung Sachsens mit 4,047 Millionen Menschen am 30. November 2013 laut Statistischem Landesamt entspricht das weniger als 0,5 % der Bevölkerung. Es besteht also keine Notwendigkeit für einen sogenannten Islamisierungsbericht für Sachsen. Wir stehen nicht vor der Islamisierung Sachsens. Außerdem nimmt es der NPD niemand ab, dass sie es mit der Integration muslimischer Menschen ernst meint. Der geforderte Bericht ist nicht geeignet, Erkenntnisse zu Parallelgesellschaften und extremistischen Strömungen zu erbringen. Er will lediglich die Stimmung anheizen.
Seit 2009 liegt eine bundesweite repräsentative Studie über muslimische Migranten aus 49 Herkunftsländern vor. Erstmalig wurde durch die direkte Befragung von Migranten eine bundesweite Datenbasis über die muslimische Bevölkerung geschaffen. Auf der Basis dieser repräsentativen Daten wurde die Zahl der in Deutschland lebenden Muslime und ihr Anteil an den verschiedenen islamischen Glaubensrichtungen neu geschätzt. Diese Strukturdaten wurden durch repräsentative Aussagen zur religiösen Praxis der Muslime in Deutschland ergänzt. Zusätzlich wurde untersucht, inwieweit sich die Religionszugehörigkeit und die nationale Herkunft auf die Integration in die Aufnahmegesellschaft auswirken.
Hierbei wurden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Muslimen und Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften sowie zwischen muslimischen Migranten aus unterschiedlichen Herkunftsregionen im Hinblick auf ausgewählte Indikatoren herausgearbeitet. Diese Studie leistet im Rahmen des integrationspolitischen Maßnahmenkataloges der Bundesrepublik einen Beitrag zu einer verbesserten Einschätzung der gesellschaftlichen Relevanz religiöser Einstellungen.
Im Ergebnis belegt die Studie anhand empirischer Daten die Vielfältigkeit muslimischen Lebens in Deutschland. Sie macht deutlich, dass die Zugehörigkeit zum Islam nur einen Aspekt der Integration darstellt. Diesen gilt es zu beachten, aber eben auch nicht überzubewerten. Die Studie verfügt über das Potenzial, die Diskussion um Muslime in Deutschland in einem hohen Maße zu versachlichen. Mit einem NPD-Islamisierungsbericht würde aber das Gegenteil erreicht werden. Deshalb lehnen die Koalitionspartner CDU und FDP diesen Antrag ab und bitten das Hohe Haus, ein Gleiches zu tun.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CDU – Jürgen Gansel, NPD: Sie haben doch gar nichts zu Adolf Hitler gesagt! – Holger Szymanski, NPD: Sechs, setzen! – Peter Schowtka, CDU: Halt die Klappe!)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Budapester Memorandum vom 5. Dezember 1994 verpflichteten sich die USA, Großbritannien und Russland gegenüber Kasachstan, Weißrussland und der Ukraine, als Gegenleistungen für einen Nuklearwaffenverzicht die Souveränität und die bestehenden Grenzen der Länder sowie deren politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit zu achten. Die Ukraine wie auch die beiden anderen Staaten waren im Zuge der Auflösung der UdSSR in den Besitz von Nuklearwaffen gekommen. Das Budapester Memorandum war Vorbedingung für den Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag und zum Atomteststoppvertrag und damit ein Meilenstein auf dem Weg in eine friedlichere Welt.
Mit der Annexion der Krim hat Russland einen völkerrechtlich bindenden Vertrag gebrochen – ein Vertragsbruch, den die UNO-Vollversammlung am 27. März dieses Jahres in einer Resolution mit einer Mehrheit von 100 Stimmen verurteilte. Die elf Gegenstimmen kamen unter anderem von Kuba, Nordkorea, Syrien und Weißrussland – Kommentar überflüssig. China enthielt sich bezeichnenderweise der Stimme.
Der russische Präsident Wladimir Putin nutzte skrupellos das infolge der Revolution auf dem Maidan und der Flucht des Präsidenten Janukowitsch in der Ukraine entstandene innenpolitische Vakuum aus, um seinen Plan von der Wiederherstellung der vermeintlichen Größe Russlands in Angriff zu nehmen. Er wartete nur noch das Ende der Olympischen Winterspiele in Sotschi ab, wo er sich als Veranstalter der Friedenspflicht nach antiker Tradition verpflichtet fühlte.
Dann war es, der mit dem Säbel rasselte – genauer gesagt: Panzer auffahren ließ –, nicht die EU und nicht die NATO. Auch die schwerbewaffneten Uniformierten ohne Hoheitsabzeichen, die die ukrainischen Militärbasen und Schiffe auf der Krim blockierten, sprachen weder Englisch noch Französisch noch Deutsch, sondern Russisch.
Mit der Besetzung der Krim hat Wladimir Putin die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs geschaffene Friedensordnung in Europa nachdrücklich verletzt und entstandenes Vertrauen ernsthaft beschädigt. Seine Vergleiche mit der Herbeiführung der Einheit Deutschlands oder der Unabhängigkeit des Kosovo sind unzutreffend. Der deutschen Wiedervereinigung haben die ehemaligen Siegermächte und alle Nachbarstaaten Deutschlands zugestimmt. Im Kosovo fand ein Genozid statt, dem die Völkergemeinschaft nicht tatenlos zusehen konnte – wie vor 20 Jahren in Ruanda.
Als sich 1991 die Sowjetunion auflöste, erklärte sich die Ukraine für unabhängig.
Bei der Abstimmung votierten 54 % der Krimbevölkerung für die Zugehörigkeit zur Ukraine. Die Krim erhielt einen Autonomiestatus innerhalb des neues Staates. Von den 2,5 Millionen Einwohnern der Krim waren zu diesem Zeitpunkt 60 % Russen und 25 % Ukrainer. Eine tatsächliche ethnische Minderheit bildeten die Krimtataren mit circa 12 % der Bevölkerung, die nach dem Zweiten Weltkrieg von Stalin nach Zentralasien deportiert wurden, weil sie angeblich mit der Naziherrschaft kollaboriert hätten und die sich nach der Rückkehr in ihre angestammte Heimat mit der Ukraine verbunden fühlen. Dass jetzt 96,77 % der Krimbevölkerung für die Loslösung von der Ukraine und die Heimkehr in das russische Reich gestimmt haben sollen, wird jeder von uns zu werten wissen, der ähnliche Wahlergebnisse aus der Zeit des realen Sozialismus kennt.
Meine Damen und Herren, inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass das von Russland auf der Krim so erfolgreich praktizierte Szenario auch im Osten der Ukraine wiederholt werden könnte, wo es am vergangenen Wochenende zu schweren Ausschreitungen gekommen ist. Prorussische Aktivisten besetzten die Gebietsverwaltung der Millionenstädte Rakhiv und Donezk. Auf den Dächern hissten sie jeweils die russische Fahne. Die Angreifer forderten Referenden über eine Abspaltung von Kiew. In Donezk riefen sie sogar eine unabhängige Volksrepublik aus.
Nur 30 Kilometer von der Grenze entfernt, hat Russland bis zu 40 000 Soldaten zusammengezogen, die in der Ukraine als permanentes Bedrohungspotenzial angesehen werden. Dabei hat Putin der Bundeskanzlerin den Rückzug dieser Truppen zugesagt. Bedroht fühlen sich auch die Nachbarn Russlands, wie die ehemaligen Sowjetrepubliken Estland, Lettland, Litauen und Moldawien, in denen es teilweise beträchtliche russische Minderheiten gibt. Auch in Polen und Rumänien schaut man mit Sorge nach Russland, mit dem man seine geschichtlichen Erfahrungen hat.
Unterdessen steuern die Ukraine und Russland auf einen neuen Gaskonflikt zu. Der ukrainische Regierungschef Arsenij Jazenjuk warf dem Nachbarland wirtschaftliche Aggression vor. Kiew werde die massiv erhöhten Preise für russisches Gas nicht bezahlen. Das ist kein wirtschaftlicher, sondern ein politischer Preis, so Jazenjuk.
Es scheint, dass es Russland nicht nur um eine Verschiebung der Grenzen geht, sondern dass die Lage in der Ukraine so destabilisiert werden soll, dass die Präsidentschaftswahlen scheitern. Meine Damen und Herren! In dieser angespannten Situationen heißt es für Deutschland, die EU und die NATO, einen kühlen Kopf zu bewahren und alle diplomatischen Kanäle zu nutzen, um zu deeskalieren. Wenn Putin 100 Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges immer noch die gescheiterten Denkmodelle des vorherigen Jahrhunderts verfolgt, muss ihm mit abgestuften nicht militärischen Sanktionen klargemacht werden, dass Russland viel zu sehr in die internationalen Beziehungen eingebunden ist, als dass es seinen trotzköpfigen Alleingang gegen alle getroffenen Vereinbarungen auf lange Zeit erfolgreich fortsetzen könne.
Wenn der ehemalige KGB-Offizier Wladimir Putin, der dabei ist, sich als russischer Präsident auf Lebenszeit einzurichten, der Meinung ist, Russland müsse an Größe durch Veränderungen der bestehenden Grenzen wachsen, führt dies zu Destabilisierung und Vertrauensverlust auf dem politischen Parkett. Mit einem solchen Russland möchten wir unsere Beziehungen nicht ausweiten, wie es die NPD in ihrem Antrag fordert. Vielmehr muss Deutschland sich bemühen, seine zu starke Abhängigkeit von russischen Erdgaslieferungen zu reduzieren, die immerhin 36 % der deutschen Gasimporte ausmachen. Dessen ungeachtet wird die Bundesregierung weiterhin den Weg der Verhandlung mit Russland beschreiten, um eine militärische Auseinandersetzung zu verhindern und eine Tür offen zu halten, um die gesichtswahrende Rückkehr Russlands in das Beziehungsgeflecht der freien Welt zu ermöglichen. Das leidgeprüfte russische Volk hat alles andere als die Rückkehr zum Stalinismus oder gar Zarismus verdient.
Der antragstellenden NPD möchte ich aber noch einen guten Rat mit auf den Weg geben: Wenn Sie einen Dialog und Kooperation mit Russland fordern, wäre es besser, Sie unterstützen nicht weiterhin die faschistoiden und gewalttätigen Gruppierungen in der Ukraine, deren Treiben von Russland als Vorwand für seine annexionistischen Bestrebungen genutzt wird.
Ihren erlogenen Antrag werden wir selbstverständlich ablehnen.
Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Präsident! Angesichts der humanitären Katastrophe in Syrien, wo nach drei Jahren Bürgerkrieg mehr als zwei Millionen Menschen vor den Schergen des Assad-Regimes und rivalisierenden Aufständischen auf der Flucht sind, sind wir der Meinung, dass der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Aufnahme von syrischen Flüchtlingen in Sachsen, Drucksache 5/13538, nicht zum parlamentarischen Streit taugt, sondern im zuständigen Ausschuss sachlich und tiefgründiger behandelt werden sollte. Wir bitten deshalb die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Überweisung dieses Antrags an den Innenausschuss zu beantragen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag hat, wie vieles, was die NPD in dieses Hohe Haus einbringt, etwas von einer Schmierenkomödie an sich. Eine Partei, die bei der Bundestagswahl gerade einmal 1,3 % der Stimmen erhielt, erdreistet sich, zum Bruch des soeben erst zwischen CDU, CSU und SPD vereinbarten Koalitionsvertrages aufzurufen.
Es handelt sich um einen Vertrag, auf den sich die drei Parteien, die durch das Votum der Wählermehrheit mit der Regierungsbildung beauftragt wurden, nach fast drei Monaten tage- und nächtelanger Beratungen geeinigt haben, damit das bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste Land Europas, unser Vaterland, weiter demokratisch regiert wird.
Aufgehoben werden soll nach dem Willen der NPD die Vereinbarung des Koalitionsvertrages ausgerechnet durch
den Bundesrat, der soeben erst beim Bundesverfassungsgericht das Verbot der NPD beantragt hat.
Ausgerechnet die NPD möchte jetzt das vertreten, was eine Zeit lang Politik der CDU und CSU und der von ihr getragenen Regierung auf Bundes- und Landesebene war. Ein altes deutsches Sprichwort sagt Folgendes: Wenn zwei das Gleiche wollen, ist es noch lange nicht dasselbe.
Während wir das sogenannte Optionsmodell, um eine bestmögliche Integration von jungen Menschen in die deutsche Gesellschaft zu ermöglichen, bevorzugen, ist es für die NPD ein Instrument im Kampf gegen alles, was sie als fremd ansieht und undeutsch bezeichnet. Die Demokratie, die von der NPD bekämpft wird, während sie ihre Institutionen schamlos ausnutzt, lebt vom Kompromiss und der Konsensfindung und nicht nach dem Führerprinzip.
Das hatten wir schon einmal. Es hat der Welt unendlich viel Leid beschert, wenn sich jemand allein im Besitz der absoluten Wahrheit wähnt.
Eine Partei, die das vertritt und alles Ausländische verteufelt, sollte – wie bei der Bundestagswahl geschehen – durch das Wählervotum wieder in die Versenkung geschickt werden.
Ein letzter Rat von mir vor Weihnachten: Halten Sie in Ihrer blinden Wut auf alles Ausländische einmal inne. Derjenige, weshalb wir und vielleicht auch Sie Weihnachten feiern, war mit seinen Eltern auch ein Asylbewerber.
Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Mai 2011 als neuer Sächsischer Landesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR berufen, liegt dem Hohen Hause heute der erste von Lutz Rathenow verfasste Tätigkeitsbericht im Umfang von 60 Seiten für den Zeitraum vom 1. Juli 2011 bis zum 30. Juni 2012 vor. Das ist eine anerkennenswerte Arbeit, die trotz längerer schwerer Krankheit die Handschrift des Literaten verrät.
Der Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss hat in seiner Sitzung am 4. September dieses Jahres den Bericht mit Mehrheit zustimmend zur Kenntnis genommen. Allein die Linksfraktion, die offensichtlich immer noch Schwierigkeiten mit der Bewältigung ihrer Vergangenheit hat, glänzte mit Stimmenthaltung. Wenn das ein Zeichen der Solidarität mit den in ihren Reihen noch immer präsenten zwei Stasi-Spitzeln ist, kann ich Ihnen den Anspruch, zu den demokratischen Parteien zu gehören, nicht abnehmen.
Auch kann ich nicht verstehen, dass Ihre jungen Leute diesen Kurs mitmachen. Kriterium Ihrer Demokratiefä
higkeit wird auch immer Ihr Verhältnis zur Vergangenheit sein, während der Ihre Vorgängerpartei den Osten Deutschlands tyrannisierte.
Meine Damen und Herren! Seitdem die friedlichen Demonstranten im Herbst 1989 das Ende des von Stalin geschaffenen Vasallenstaates auf deutschem Boden erzwangen, ist fast ein Vierteljahrhundert vergangen. Aber noch immer belastet die Bewohner der ehemaligen DDR die Erinnerung an die Demütigungen, Benachteiligungen und Leiden, die ihnen durch die Stasi – Schild und Schwert der Partei der Arbeiterklasse – angetan worden sind und Leib und Seele oft unheilbar beschädigt haben.
Das beweist die wieder steigende Zahl von Anträgen auf Akteneinsicht bei der seit März 2011 von Roland Jahn geleiteten Stasi-Unterlagen-Behörde. Waren es 2011 80 600 Anträge, so stieg diese Zahl im vergangenen Jahr auf 88 200. 25 % der Anträge kamen aus Sachsen, zwei Drittel davon waren Erstanträge.
Das liegt sicherlich auch daran, dass seit der 2011 erfolgten Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes auch nahe Angehörige von Verstorbenen Einsicht in deren Akten nehmen dürfen. Das bedeutet, dass sich nicht nur die Erlebnisgeneration, sondern auch immer mehr junge Menschen dafür interessieren, wie man mit nicht linientreuen Zeitgenossen im real existierenden Sozialismus umgegangen ist.
In Sachsen hat der neue Landesbeauftragte Lutz Rathenow viele Impulse seines verdienstvollen Vorgän
gers Michael Beleites aufgegriffen, aber auch neue Akzente in Bezug auf die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gesetzt.
Neue Projekte und Bildungsangebote in Kooperation mit Zeitzeugen, Gedenkstätten und anderen Bildungsträgern wurden auf den Weg gebracht, wobei man bewusst auch künstlerische Ansätze verwirklichte, um das Anliegen der Vergangenheitsaufarbeitung zu veranschaulichen.
Wie im vergangenen Jahr war auch im Berichtszeitraum die Beratung von Opfern des SED-Unterdrückungsapparates ein Schwerpunkt der Arbeit des Landesbeauftragten und seiner kleinen Mitarbeiterschar.
Dazu heißt es im Bericht: „Auffällig ist, dass relativ viele Bürger Beratung suchen, deren politisch begründete Haftstrafen noch nicht rehabilitiert wurden. Die Betroffenen hatten eine strafrechtliche Rehabilitierung nicht einmal beantragt. Wie ist es möglich,“ fragt Lutz Rathenow, „dass 23 Jahre nach dem Mauerfall dieser Schritt von einigen Betroffenen bislang nicht gegangen wurde? Bei unseren Gesprächen stellen wir häufig fest, dass einigen Betroffenen die seit Jahren bestehenden Entschädigungsregelungen nicht einmal bekannt sind. Sie wissen schlichtweg nicht, dass es eine Kapitalentschädigung für die erlittene Haftzeit und eine monatliche Opferrente gibt. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass die Opfer der SED-Diktatur in den Medien kaum eine Lobby haben und über konkrete Unterstützungsleistungen kaum berichtet wird.“
Eine weitere große Gruppe Ratsuchender sind Menschen, denen die Rehabilitierung als Voraussetzung für eine Opferentschädigung verweigert wird, weil sie nicht in der Lage sind, Beweismittel für ihre Haft oder sonstige Diskriminierung vorzulegen.
Meine Damen und Herren! Lebenslang im Rechtstaat aufgewachsene und ausgebildete Menschen können eben nicht nachvollziehen, dass in einer Diktatur politisch motiviertes Unrecht nicht als solches in Akten dokumentiert wird, wie der Landesbeauftragte feststellt, sodass die Betroffenen heute erhebliche Schwierigkeiten haben, den politischen Charakter bestimmter Entscheidungen profund nachweisen zu können.
Der Verlust des Arbeitsplatzes oder der Entzug verschiedener Rechte wurde in der DDR nicht politisch begründet, sondern mit anderen vorgeschobenen Gründen legitimiert. Das habe ich selbst erleben dürfen, als mir 1969 nach einem Disziplinarverfahren das Diplom der Universität Rostock mit der Begründung mangelnder gesellschaftspolitischer Reife verweigert wurde. Ein schriftlicher Beleg über das Disziplinarverfahren und seine Konsequenzen ist mir niemals ausgehändigt worden.
Tausenden, die Folter und Haft erleiden mussten, ist es schlimmer ergangen, und sie haben große Schwierigkeiten, ihre Leiden juristisch relevant unter Beweis zu stellen, was bei einigen Opfern häufig zu Verbitterung und Frustration führt.
Der Landesbeauftragte bringt in seinem Bericht seine persönliche Betroffenheit darüber deutlich zum Ausdruck, auch angesichts seiner begrenzten Ressourcen und Zuständigkeiten an der Spitze der kleinsten Behörde des Freistaates. Neben der persönlichen Beratungstätigkeit und Öffentlichkeitsarbeit widmete sich der Landesbeauftragte auch der politischen Bildung an Schulen, um unsere Jugend mit unserer jüngsten Vergangenheit vertrauter zu machen. Dass der Geschichtsunterricht über die DDR an einigen Schulen noch zu wünschen übrig lässt bzw. von einigen Lehrern lustlos und wenig überzeugend vermittelt wird, kann man zuweilen bei Schülergesprächen im Landtag feststellen. Das ist wohl auch noch Teil unseres Erbes aus dem Volksbildungsministerium der Margot Honecker, die – im Gegensatz zu vielen Stasi-Opfern – heute in Chile eine gute Rente bezieht und Gift und Galle auf das wiedervereinigte Deutschland spuckt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen der CDU-Fraktion möchte ich dem Landesbeauftragten und seinen Mitarbeitern für die wichtige und komplexe Arbeit danken, die weit über die im vorliegenden Bericht skizzierten Aktivitäten hinausreichen dürfte.
Ich bitte Sie, die Ihnen durch dieses Hohe Haus übertragene Aufgabe weiterhin mit Engagement, Verantwortungsbewusstsein und Gewissenhaftigkeit zu erfüllen. Dazu wünsche ich insbesondere Ihnen, lieber Lutz Rathenow, beste Gesundheit.
Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, entsprechend der Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses den 20. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR zustimmend zur Kenntnis zu nehmen.
Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 14. Juli 2012 berichteten mehrere Zeitungen, dass nach dem Bekanntwerden der Untaten der Zwickauer Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ mit der Abkürzung NSU am 4. November 2011 im Landesamt für Verfassungsschutz Akten und Teile von Akten zu rechtsextremen Aktivitäten und
im weiteren Zusammenhang mit dem NSU vernichtet worden sein sollen.
Daraufhin leitete der Sächsische Datenschutzbeauftragte, Andreas Schurig, noch am selben Tag eine schriftliche Kontrolle des Landesamtes für Verfassungsschutz gemäß § 27 Abs. 1 des Sächsischen Datenschutzgesetzes ein und prüfte von Anfang August 2012 bis Dezember 2012 im Rahmen von wöchentlichen Besuchen die Aktenführung des Landesamtes für Verfassungsschutz.
Gegenstand der Kontrolle war vor allem, ob das Landesamt für Verfassungsschutz die internen Regeln der Aktenführung sowie Löschungsvorschriften des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes eingehalten hat.
Dem Datenschutzbeauftragten ist es zu danken, dass er sofort nach dem Bekanntwerden von Pressemeldungen über angebliche Aktenvernichtungen im LfV reagierte, um die Wahrheit darüber ans Licht zu bringen. Denn spätestens nach dem vermeintlichen Sachsensumpf sind wir in Sachsen überaus sensibel geworden, wenn es um die mediale Verbreitung von Skandalen geht.
Das hohe Gut der Pressefreiheit ist leider oft nicht mit verantwortungsbewusster Recherche gepaart. Nach wie vor gilt auf dem Medienmarkt die Devise: Bad news are good news.
Meine Damen und Herren, der Begriff „Aktenvernichtung“ ist erst einmal alarmierend und schlägt hohe Wellen, ruft Erinnerungen an die hektischen Aktivitäten der Stasi zur Jahreswende 1989/90 wach, sind doch nach dem Bekanntwerden der zehn unaufgeklärten Morde ausländischer Mitbürger durch das Nazitrio unter dem Namen „Nationalsozialistischer Untergrund“ Verfassungsschutz und Polizei ins Zwielicht geraten.
Bei der Presseberichterstattung über angebliche Aktenvernichtung wurde aber bewusst oder unbewusst unterschlagen, dass laut Sächsischem Verfassungsschutzgesetz vom 16. Oktober 1992 personengebundene Daten nach spätestens zehn Jahren gelöscht werden müssen. Gemäß § 7 Abs. 2 – ich zitiere –: „Über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben,“ – ich zitiere weiter –: „personengebundene Daten über Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, und Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind, müssen nach spätestens 15 Jahren gelöscht werden.“
Meine Damen und Herren, aus diesen Bestimmungen ist ersichtlich, dass der sächsische Gesetzgeber kurz nach der Annahme der Verfassung dem Verfassungsschutz enge Grenzen für seine Betätigung gesetzt hat. Heißt es doch im Artikel 83 Abs. 3 unserer Verfassung, der im Mai 1992
alle damaligen Parteien mit Ausnahme der PDS zugestimmt haben
ich zitiere wiederum –: „Der Freistaat unterhält keinen Geheimdienst mit polizeilichen Befugnissen. Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel unterliegt einer Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane, sofern dieser Einsatz nicht der richterlichen Kontrolle unterlegen hat. Das Nähere bestimmt das Gesetz.“
Meine Damen und Herren, in Konsequenz aus der unseligen Rolle, die Gestapo und Stasi in der deutschen Geschichte gespielt haben, gilt für den Verfassungsschutz das sogenannte Trennungsgebot, das besagt: Die Beziehung des Verfassungsschutzes zu den Exekutivbehörden ist eine reine Informationsbeziehung. Das heißt, der Verfassungsschutz ist eine Informationsquelle der Vollzugsbehörden. Es ist Angelegenheit der Informationsempfänger, die Informationen in eigener Zuständigkeit und Verantwortung zu bewerten und auf ihrer Grundlage und weiterer eigener Informationserhebungen gesetzlich
zulässige Maßnahmen zu ergreifen.
Zwangsmaßnahmen und die sie rechtfertigenden Informationserhebungen obliegen ausschließlich den dafür zuständigen Behörden mit den entsprechenden Exekutivbefugnissen.
Kommen wir zum Bericht des Datenschutzbeauftragten. Ausgangspunkt war die Kontrolle der Vernichtung von Unterlagen im Bereich Rechtsextremismus vom
4. November 2011 bis zum 19. Juli 2012. Nach dem 19. Juli 2012 wurden im Landesamt für Verfassungsschutz aufgrund eines Moratoriums keine Unterlagen mehr vernichtet.
Um einen Überblick über die Praxis der Löschung von Unterlagen sowie der Aktenführung des LfV zu Vergleichszwecken zu erhalten, bezog der Datenschutzbeauftragte im Bereich Rechtsextremismus die Zeit zwischen dem 1. Februar 2011 und dem 3. November 2011 zu Vergleichszwecken in seine Kontrollen ein. Nach seinen akribischen Recherchen stellt der Datenschutzbeauftragte fest – ich zitiere –: „Um den 4. Mai 2011, insbesondere kurz danach, waren bei den vom LfV vorgelegten Vernichtungszahlen keine auffälligen Veränderungen, insbesondere Häufungen erkennbar. Ein Unterschied in der Löschungspraxis im Referat Rechtsextremismus nach dem 4. November 2011 im Vergleich zu denjenigen in einem ähnlich langen Zeitraum vor dem
4. November 2011 bzw. zu der Praxis in anderen kontrollierten Fachreferaten war nicht ersichtlich.“
Mit der Vernichtung von Aktenteilen hat das Landesamt für Verfassungsschutz nicht gegen § 7 Abs. 4 Satz 4 des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes verstoßen. Das LfV ist nicht verpflichtet, Aktenteile so lange aufzubewahren, bis die gesamte Akte zur Aufgabenerfüllung nicht mehr benötigt wird. Die Vorschrift kann vielmehr dahin
gehend verstanden werden, dass auch davor Aktenteile entnommen und vernichtet werden dürfen.
Um zukünftig Unklarheiten bei der Auslegung des Verfassungsschutzgesetzes § 7 im Hinblick auf die Zulässigkeit der Vernichtung von Aktenteilen zu beseitigen, schlägt der Datenschutzbeauftragte eine Änderung desselben vor. Außerdem sollten die anzufertigenden Löschungsprotokolle aussagekräftiger gestaltet werden. Geprüft werden sollten die vollständige digitale Aktenführung im LfV und die Durchführung häufigerer behördeninterner Datenschutzkontrollen.
Seitens des Innenministers wurde die Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, die Vorschläge des Datenschutzbeauftragten zur Verbesserung der Aktenführung im Landesamt für Verfassungsschutz zu prüfen und gegebenenfalls umzusetzen.
Namens meiner Fraktion danke ich dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten, Herrn Andreas Schurig, für seinen fundierten Bericht, mit dem er dazu beigetragen hat, eine neue Legendenbildung über den sächsischen Verfassungsschutz ad absurdum zu führen.
Es wäre schön, wenn die Medien auch darüber berichten würden.
Angesichts der von interessierter Seite immer wieder vorgetragenen Angriffe gegen den Verfassungsschutz und seine Arbeitsweise erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, dass Vorkommnisse wie der grausame Anschlag auf den Marathonlauf in Boston am vergangenen Montag sich auch bei uns ereignen können und wahrscheinlich nur durch verdeckte Aufklärung zu verhindern sind, wie die Festnahme der sogenannten „Sauerland-Bomber“ gezeigt hat.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Zustimmung zu der vorliegenden Beschlussempfehlung und darum, den Bericht des Datenschutzbeauftragten zur Kenntnis zu nehmen.
Ich danke Ihnen.
Ja, natürlich.
Das, was Sie gesagt haben, sind Spekulationen und Dinge, die Sie aus irgendwelchen Gazetten bezogen haben, wer wen wie beschattet hat und wer nicht.
Tatsache ist, dass die furchtbaren Ereignisse in Boston und die Anschläge auf die U-Bahnen in London und in Madrid Hunderte Menschen in den Tod gerissen haben. Es geht nicht darum, dass man bei solchen Ereignissen erst nach deren Eintreten ermittelt, sondern dass man ihnen vorbeugt. Dazu braucht man auch unkonventionelle Methoden der Ermittlung.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf will die einbringende Fraktion, DIE LINKE, erreichen, dass in der Verfassung eine unabhängige Kontrollstelle für den Datenschutz verankert wird.
Meine Damen und Herren von den LINKEN, haben Sie sich schon einmal verdeutlicht, wie hoch die Hürde ist, um eine Verfassungsänderung durchzubringen?
Wir können davon ein Lied singen.
Die bisherige Regelung des Artikels 57 der Sächsischen Verfassung sei nicht ausreichend, da nur der Datenschutzbeauftragte selbst verfassungsschutzrechtlich geschützt sei, seine Befugnisse und Aufgaben hingegen einfachgesetzlich geregelt werden und damit mit einfachgesetzlicher Mehrheit verändert werden können.
Begründet wird dies im Wesentlichen mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Datenschutz. Hiernach sei es erforderlich, dass die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personengebundener Daten
im nicht öffentlichen Bereich keiner staatlichen Aufsicht unterworfen werde. Nach Auffassung der einbringenden Fraktion sei dies bisher nicht in ausreichender Weise geschehen. Insbesondere Artikel 28 Abs. 1 der EUDatenschutzrichtlinie hinsichtlich der Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten sei nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf ist entbehrlich. Die hier geforderte Unabhängigkeit des Sächsischen Datenschutzbeauftragten ist in ausreichendem Maße gewährleistet. Die einbringende Fraktion hat im vorliegenden Änderungsantrag bereits mehrere Hinweise aus der Sachverständigenanhörung aufgenommen und ihren Antragsentwurf entsprechend nachgebessert. Dennoch halten wir die Regelung für nicht zustimmungsfähig.
Die Stellung des Sächsischen Datenschutzbeauftragten ist bereits jetzt in Artikel 57 der Sächsischen Verfassung verankert. Sie wurde – Herr Bartl hat es erwähnt – durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Sächsischen Datenschutzgesetzes nochmals dahin gehend verstärkt, dass der Datenschutzbeauftragte vor Ablauf seiner Amtszeit ohne seine Zustimmung nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Sächsischen Landtages abberufen werden kann, wenn Gründe vorliegen, die bei einem Richter auf Lebenszeit die Entlassung aus dem Dienst rechtfertigen würden.
Meine Damen und Herren! Insbesondere durch diese Kopplung ist deutlich geworden, dass der Datenschutzbeauftragte nicht befürchten muss, allein aufgrund seiner Tätigkeit oder Aussagen zu datenschutzrechtlichen Fragen durch eine möglicherweise vorhandene parlamentarische Mehrheit abgewählt zu werden. Es müsste vielmehr ein persönliches Fehlverhalten vorliegen. Seine Abwahl aus rein politischen Gründen ist nicht zulässig. Eine darüber hinausgehende verfassungsrechtliche Regelung ist daher überflüssig.
Entgegen der Darstellung der einbringenden Fraktion haben wir in ausreichender Weise auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Unabhängigkeit der Datenschutzbehörden reagiert. Gegenstand der Entscheidungen des EuGH waren Regelungen, wonach die Kontrollstellen, deren Aufgabe in der Überwachung der Verarbeitung personengebundener Daten durch nicht öffentliche Stellen lag, staatlicher Aufsicht unterstellt waren. Dies wurde vom EuGH als Verstoß gegen europarechtliche Vorschriften eingeschätzt.
Darauf haben wir im Freistaat Sachsen reagiert. Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Sächsischen Datenschutzgesetzes wurde bereits 2011 die hier von den Antragstellern zitierte Rechtsprechung des EuGH zu Artikel 28 EU-Datenschutzrichtlinie umgesetzt. Die
bisherige Einschränkung der Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten durch die Rechts- und Fachaufsicht ist damit entfallen. Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist dies zur Umsetzung des Urteils auch ausreichend.
Nein, Herr Bartl hat genug geredet und jetzt rede ich.
Damals haben wir auch über die Frage der Streichung der Dienstaufsicht durch den Präsidenten des Sächsischen Landtages diskutiert. § 75 Abs. 4 des Sächsischen Datenschutzgesetzes regelt ausdrücklich, dass der Datenschutzbeauftragte in der Ausübung seines Amtes unabhängig, weisungsfrei und nur dem Gesetz unterworfen ist. Er untersteht der Dienstaufsicht des Präsidenten des Landtages nur, insoweit seine Unabhängigkeit dadurch nicht beeinträchtigt wird.
Der Europäische Gerichtshof hat das Merkmal „völlige Unabhängigkeit“ sehr weit ausgelegt. Er hat sich dabei an den Regelungen bezüglich des Europäischen Datenschutzbeauftragten orientiert. Nach seiner Auffassung umfasst die Unabhängigkeit auch den Schutz vor mittelbaren Beeinträchtigungen. Offen ist hierbei – und das ist nicht entschieden worden – wie der Begriff „mittelbar“ auszulegen ist. Ob hierzu auch die Dienstaufsicht – zumal in der vorliegenden abgeschwächten Form – gehört, ist völlig offen. Dies ergibt sich auch nicht aus dem vorliegenden Entwurf der neuen EU-Datenschutzrichtlinie.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Regelungen schützen in ausreichender Weise die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten und bedürfen deshalb keiner Ergänzung. Ich meine, dass die Nichtanwesenheit des Datenschutzbeauftragten als auch seines Stellvertreters deutlich macht, wie bedeutend man diesen Gesetzesantrag einschätzt.
Zum Abschluss möchte ich auf die vorgeschlagene Struktur eingehen. Der Gesetzentwurf sieht die Schaffung einer Anstalt des öffentlichen Rechts vor. Auch das lehnen wir ab. Zum einen wird dadurch ein höherer verwaltungsorganisatorischer Aufwand geschaffen. Zum anderen – dies ist aus unserer Sicht noch wichtiger – würde durch die Schaffung einer Landeskontrollstelle das personelle Element, nämlich der Datenschutzbeauftragte persönlich, zurückgenommen. Um aber dem Datenschutz, insbesondere in der Öffentlichkeit, ausreichend Geltung zu verschaffen, sollte auch künftig ein Datenschutzbeauftragter als Gesicht des Datenschutzes vorhanden sein.
Aus den genannten Gründen werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen.
Ich danke Ihnen.
Ja, verehrter Herr Präsident, ich möchte eine Erklärung zu meinem Abstimmungsverhalten abgeben.
Ich habe diesem Gesetz zähneknirschend zugestimmt. Eine Koalition verpflichtet einen nun einmal, seine eigene Meinung nicht immer lupenrein vertreten zu können.
Ich habe nichts dagegen, wenn Automaten arbeiten. Aber ich denke an die Waschorgien, die Autofetischisten an Sonntagnachmittagen durchführen werden. Das widerstrebt mir. Man kann seine Zeit so einteilen, dass man am Sonntag frei hat. Dafür hat man sechs übrige Tage in der Woche.
In meiner Jugend haben die Machthaber einmal die Losung geprägt: „Ohne Gott und Sonnenschein fahren wir die Ernte ein!“ – Wo sie geblieben sind, hat die Geschichte gezeigt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 22 Jahre nach dem ruhmlosen Untergang der DDR und der Auflösung ihres perfiden Geheimdienstes, des Schildes und Schwertes der angeblichen Partei der Arbeiterklasse, ist die Beschäftigung mit diesem Kapitel der Freiheitsberaubung unseres Volkes unter kommunistischen Vorzeichen noch keineswegs zu einer Quantité négligeable geworden, wie es die Historiker zu sagen pflegen.
Infolge des Mantels des Schweigens aus Angst und Feigheit, der 45 Jahre lang über dieser Periode unserer Geschichte ausgebreitet war, werden wir wohl noch über eine lange Zeit immer wieder neue, schlimme Tatsachen zur Kenntnis nehmen müssen von dem, was zwischen 1945 und 1990 geschehen ist.
Dabei denke ich an die jüngst bekannt gewordenen Fälle von Zwangsarbeit politischer Häftlinge des Zuchthauses Waldheim, die Möbel für Ikea herstellen mussten. In der Frauenstrafanstalt Hoheneck soll Bettwäsche für westliche Handelsketten gefertigt worden sein. Im Zuchthaus Cottbus waren es Kameras für Pentacon. Im berüchtigten Stasiknast Bautzen II mussten nach Berichten ehemaliger politischer Häftlinge als Zuarbeit für das Sachsenwerk in Dresden teilweise unter gefährlichen Bedingungen Spulen für Elektromotoren gewickelt werden. In Bautzen II inhaftierte Frauen arbeiteten für den Textilbetrieb Frottana und den Schreibwarenhersteller „Markant“.
Deshalb wird es jedem Stasiopfer bitter aufstoßen, wenn er zur Kenntnis nehmen muss, dass das über 1 000 Seiten starke Standardwerk unter dem Titel „Die Bildung des Freistaates Sachsen“ von einem Stasispitzel verfasst wurde. Dieser Michael Richter alias „IM Thomas“ soll nun in dem aus Steuermitteln finanzierten Sorbischen Institut Bautzen Unterschlupf gefunden haben. Auf solche „Fachleute“ dürften die Sorben keinen Wert legen. Der Freistaat sollte auf sie verzichten, nachdem schon das Hannah-Arendt-Institut durch sie in Verruf gebracht worden ist.
Wie schon gesagt, das schlimme Erbe des Kraken Stasi wird uns lange weiter beschäftigen. Das bestätigt auch die immer noch wachsende Zahl von Auskunftsanträgen, die im I. Quartal dieses Jahres um ein Drittel höher lag als im Vorjahr. Deshalb ist es sehr gut, dass dieses Hohe Haus im Mai vergangenen Jahres mit Lutz Rathenow einen neuen Landesbeauftragten eingesetzt hat. In der Person von Roland Jahn hat auch der Bundestag einen neuen Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen gewählt. Dass der erste Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde Joachim Gauck heute Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland ist, kann von seiner Symbolkraft her gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Die gegenwärtig aus unterschiedlichen politischen Interessen in Berlin losgetretene Debatte über eine vorzeitige Auflösung der Stasi-Unterlagenbehörde wird deshalb von meiner Fraktion abgelehnt. Viel mehr unterstützen wir die Vereinbarung der Innenminister von Sachsen, SachsenAnhalt und Thüringen, die sich vor drei Tagen für den Erhalt der Stasi-Unterlagenbehörde und ihrer Außenstellen bis mindestens 2019 ausgesprochen haben.
Ich bin dem Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich ausdrücklich dankbar für seine gestrige Presseerklärung, in der es heißt: „Es ist selbstverständlich, dass wir diese Unterlagen so lange zugänglich machen, wie der Bedarf besteht, und das vor Ort. Unseren Bürgerinnen und Bürgern soll auch in den kommenden Jahren Einsicht in die Akten der Staatssicherheit der ehemaligen DDR gewährt werden. Das gehört zur Aufarbeitung dazu und folgt keinem Kalender.“ Warum ausgerechnet Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse sich an die Spitze der Bewegung setzt, die die Auflösung der Stasi
Unterlagenbehörde fordert, muss mir jemand von der SPD erklären.
Meine Damen und Herren! Auslöser unserer heutigen Debatte ist der alljährliche Tätigkeitsbericht des Sächsischen Landesbeauftragten für den Zeitraum vom 1. Juli 2010 bis 30. Juni 2011. Nach dem Ende der verdienstvollen Tätigkeit von Michael Beleites als Landesbeauftragter wurde die Behörde ab Dezember 2010 bis Mai 2011 durch seine Stellvertreterin Frau Dr. Nancy Aris
bis zum Amtsantritt von Lutz Rathenow kommissarisch geleitet. Auch als Lutz Rathenow schwer erkrankte, lag der Hauptteil der Arbeit der Behörde wieder bei Frau Dr. Aris, der an dieser Stelle wie auch ihren Mitarbeitern herzlich Dank gesagt werden soll.
Wie der Bericht ausführlich beschreibt, konzentrierte sich die Arbeit der mit vier Mitarbeitern kleinsten Behörde des Freistaates auf die Beratung von Bürgern, die trotz politisch begründeter Haftstrafen noch nicht rehabilitiert worden sind und folglich auch noch nicht die Opferrente für Haftopfer beantragen konnten. Die hohe Zahl von Beratung Suchenden wird auf das gestiegene öffentliche Interesse an der Aufarbeitung der DDR-Geschichte im Allgemeinen und einer wieder breiter gewordenen Diskussion in den Medien zurückgeführt. Die nicht abreißen wollende Berichterstattung über das Agieren ehemaliger Stasimitarbeiter im benachbarten Bundesland Brandenburg in Politik und öffentlichen Ämtern trägt dazu bei, dass das Thema Staatssicherheit in der öffentlichen Debatte wachgehalten wird.
Ein weiteres, in diesem Umfang neues Phänomen ist die oft telefonische, aber auch persönliche Vorsprache von Menschen, die aufgrund einer Unterbringung in Jugendwerkhöfen und Spezialkinderheimen eine Schädigung erfahren haben. Wir haben heute in der Aktuellen Debatte schon viele schlimme Dinge erfahren. Häufig ist es nicht allein die Suche nach Akten, um das eigene Schicksal zu verstehen, sondern auch die Suche nach Anerkennung für die erfahrenen Leiden und die Hoffnung auf eine Entschädigung. Die diesbezüglichen Erwartungen sind groß und die Unklarheit, wie die möglichen gesetzlichen Regelungen beschaffen sein werden, belastet diese Menschen sehr. Neben der persönlichen Beratungstätigkeit widmete sich der Landesbeauftragte auch der Öffentlichkeitsarbeit und der politischen Bildung an Schulen, um unsere Jugend mit unserer jüngsten Vergangenheit vertrauter zu machen.
Dass der Geschichtsunterricht über die DDR an einigen Schulen noch zu wünschen übrig lässt bzw. von einigen Lehrern lustlos und wenig überzeugend vermittelt wird, kann man zuweilen bei Schülergesprächen im Landtag feststellen. Das ist wohl auch noch Teil unseres Erbes aus dem Volksbildungsministerium der Margot Honecker, die im Gegensatz zu vielen Stasiopfern heute in Chile eine gute Rente bezieht und Gift und Galle auf das wiedervereinigte Deutschland spuckt.
Meine Damen und Herren! Vom jüdischen Friedensnobelpreisträger und Holocaust-Überlebenden Elie Wiesel stammt der Ausspruch: „Die Vergangenheit können wir nicht mehr ändern, aber wenn wir uns erinnern, haben wir die Kraft, die Zukunft zu gestalten.“
Im Namen der CDU-Fraktion bitte ich den Landesbeauftragten und sein Team, sich an diesem Leitspruch zu orientieren, und danke für die geleistete Arbeit. Dazu wünsche ich besonders Ihnen, lieber Lutz Rathenow, beste Gesundheit.
Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie um Zustimmung zur Beschlussempfehlung, die der Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss am 25. April 2012 einstimmig angenommen hat.
Ich danke Ihnen.
Ich bin dagegen, dass die Sitzung fortgesetzt wird.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war ein Tag der Schande, der 13. August vor 50 Jahren,
ein Tag, an den sich die Älteren unter uns – ich war damals 16 Jahre alt –nur ungern und wenn, dann mit Verbitterung und Abscheu erinnern. Die Partei der Arbeiterklasse ließ den Teil des deutschen Volkes, den sie auf Weisung der Sowjetführung beherrschen durfte, einfach einmauern, damit er ihr nicht davonlief. Immerhin hatten bis zu diesem Zeitpunkt 3,5 Millionen Menschen dem real existierenden Sozialismus den Rücken gekehrt und einem nicht risikofreien Leben in Freiheit jenseits der Zonengrenze den Vorzug gegeben.
Nachdem er noch auf einer Pressekonferenz zwei Monate vorher lauthals erklärt hatte: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen“, ließ Walter Ulbricht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Tausende NVA-Soldaten, Polizisten und Mitglieder der Betriebskampfgruppen in
und um Berlin zusammenziehen, um den sogenannten antifaschistischen Schutzwall von fast 170 Kilometern Länge rings um die Berliner Westsektoren zu errichten. Die im Umkreis von Berlin stationierten, zahlenmäßig starken Verbände der Roten Armee wurden in höchste Alarmbereitschaft versetzt.
Da die innerdeutsche Grenze von fast 1 400 Kilometern Länge bereits vorher befestigt worden war, bestand nunmehr für die 17 Millionen Bewohner der DDR keinerlei Möglichkeit mehr, das „Paradies der Werktätigen“ zu verlassen, ohne ein tödliches Risiko einzugehen. Ungefähr 75 000 Menschen, die es trotzdem versuchten, wurden wegen sogenannter Republikflucht – damals ein Staatsverbrechen – verurteilt, wofür Freiheitsstrafe bis zu acht Jahren drohte. Dennoch: 5 075 Menschen gelang trotzdem die Flucht,
darunter immerhin 575 Grenzsoldaten, die die Gelegenheit nutzten, dem SED-Staat den Rücken zu kehren. Zwischen 136 und 245 Menschen – die genaue Zahl ist nicht bekannt – bezahlten den Wunsch nach Freiheit mit ihrem Leben und wurden bei Fluchtversuchen an der Berliner Mauer erschossen. Insgesamt verloren an den mit teuflischer Fantasie perfektionierten innerdeutschen Grenzanlagen über 1 000 Menschen ihr Leben, erschossen durch Grenzsoldaten und automatische Schutzanlagen oder zerfetzt durch heimtückisch verlegte Minen – wohlgemerkt: Angehörige des eigenen Volkes, das die SED beglücken wollte.
Der für die DDR-Grenzsoldaten geltende rigorose Schießbefehl, den bestellte Winkeladvokaten bei den Prozessen gegen die Mauerschützen und ihre Auftraggeber wiederholt infrage stellen wollten, machte die perfide Menschenfeindlichkeit des SED-Regimes besonders deutlich. Deshalb sollten uns jedwede SozialismusExperimente in Zukunft erspart bleiben. Nationalsozialismus und real existierender Sozialismus haben in Deutschland genug Schaden angerichtet.
Die Erinnerung an den 13. August 1961 sollte uns deshalb Mahnung sein, den Wert der 1989 errungenen Freiheit stärker zu schätzen und die freiheitlich demokratische Grundordnung gegen ihre extremistischen Feinde von Links und Rechts noch entschlossener zu verteidigen.
Ich danke Ihnen.
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestern hatte ich zwei 9. Klassen aus der Mittelschule meiner Heimatstadt im Landtag zu Besuch. In der Fragestunde wurde ich gefragt, wann ich wieder einmal im Landtag sprechen würde. Darauf antwortete ich: morgen, und zwar zum Thema „50 Jahre Mauerbau“. Darauf sagte einer der Jugendlichen: „Warum
reden Sie über ein solches Thema? Das war doch vor 50 Jahren. Wen interessiert das heute noch?“
Darauf antwortete ich ihm mit einem Spruch von Elie Wiesel, dem jüdischen Friedensnobelpreisträger und Überlebenden der Konzentrationslager von Auschwitz und Buchenwald:
„Die Vergangenheit können wir nicht ändern, aber wenn wir uns erinnern, haben wir die Kraft, die Zukunft zu gestalten!“
Ich denke, dieser Spruch von einem, der Unfreiheit auf extreme Weise erlebt hat, sollte uns weiterhin helfen, unsere Geschichte zu betrachten und aus ihr zu lernen. Deswegen bin ich etwas traurig, dass die politische Bildung an unseren Schulen nicht so erfolgreich ist, wie sie es sein sollte, und insbesondere den jungen Menschen nicht vermittelt, was in der Vergangenheit gewesen ist, damit sie Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit mehr schätzen. Von daher muss mehr getan werden. Ich schließe mich auch der Kritik des Vorsitzenden der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter, an, der sagte: „Hier ist noch mehr zu tun!“
Deswegen kann ich es überhaupt nicht verstehen, dass das Hannah-Arendt-Institut, dessen Gründungsväter sich vorgenommen hatten, die Geschichte der beiden deutschen Diktaturen zu studieren und zu durchleuchten, bzw. seine Leitung jetzt der Meinung ist, dass zur DDR genug gesagt worden sei und man sich jetzt wieder der Geschichte des Nationalsozialismus widme.
Ich will das überhaupt nicht gegeneinander ausspielen. Beide Diktaturen sind schlimme Diktaturen, die Deutschlands Vergangenheit geprägt haben. Ich glaube, 45 Jahre SED-Diktatur bzw. sowjetische Besatzungszeit sind noch nicht ausreichend untersucht und studiert worden. Hier ist noch viel mehr zu tun,
auch wenn wir schon weiter sind als unser Nachbarland Brandenburg, in dem man bekannterweise heute noch große Probleme hat, weil man diese Vergangenheitsbewältigung lange Zeit aufgeschoben hat.
Ja.
Das verbindet uns!
Ich bin völlig Ihrer Meinung, Herr Jurk. Das betrifft im Übrigen auch das Schicksal der Vertriebenen und Flüchtlinge aus dem Osten Deutschlands, aus den Gebieten, die heute nicht mehr zu Deutschland gehören, sondern zu Polen und zu Tschechien. Diese furchtbaren Flüchtlingsschicksale sind letztlich auch eine Folge dessen,
was die Nationalsozialisten im Jahr 1933 begonnen und 1945 zu einem schlimmen Ende geführt haben.
Ich möchte noch einmal auf unser Nachbarland Brandenburg zu sprechen kommen, weil ich von der politischen Bildung gesprochen habe. Sachsen ist natürlich schon einen großen Schritt weiter. In Brandenburg beginnt Ulrike Poppe als Stasi-Beauftragte erst jetzt damit, dieses Problem zu klären.
Es ist dann auch nicht gut, wenn der Ministerpräsident dieses Landes meint, die Aufarbeitung der DDRVergangenheit könnte abgeschlossen werden, weil es nur die Leute gegenseitig aufbringt. Ich meine, wenn man Verhältnisse und Geschehnisse unter den Teppich kehrt, dann kommen sie irgendwann einmal wieder ans Tageslicht und schlagen schlimme Wunden.
Deswegen sollten wir nicht nationalsozialistische Geschichte und Geschichte des Kommunismus oder Sozialismus oder der sowjetischen Besatzung gegen sie ausspielen. Beides ist wichtig, und es sollte weiter studiert werden. Deswegen sollte auch das Hannah-Arendt-Institut dem Auftrag seiner Gründungsväter weiterhin folgen, die Geschichte der deutschen Diktaturen aufzuarbeiten und letztlich auch miteinander zu vergleichen, ohne sie gleichzusetzen.
Ich danke Ihnen.
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich vom Thema der heutigen Aktuellen Debatte erfuhr, habe ich mich darüber gefreut. Ich dachte zuerst, es wäre ein Antrag der Koalitionsfraktionen, aber es war ein Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Darüber habe ich mich auch gefreut; erinnerte ich mich doch, dass zum Zeitpunkt der Euro-Einführung der Außenminister Deutschlands Joschka Fischer hieß.
Ich möchte mich in den mir zur Verfügung stehenden 5 Minuten Redezeit nicht mit Ihnen streiten über den Eurorettungsfonds, EFSF, über den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM oder die sogenannten Eurobonds. Das überlasse ich den nachfolgenden Debattenrednern – sofern sie etwas davon verstehen sollten –
bzw. besser den Experten der Troika Europäische Zentralbank, EU-Kommission und Internationaler Währungsfonds. Im Falle einer Umschuldung sollten auf jeden Fall die Banken einbezogen werden.
Es kann nicht sein, meine Damen und Herren, dass die Gewinne privatisiert und die Verluste auf den Steuerzahler abgewälzt werden.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir als an Lebenstagen drittältestes Mitglied dieses Hohen Hauses ein paar grundsätzliche Bemerkungen zum europäischen Einigungsprozess und seiner Krönung durch die Einführung einer gemeinsamen Währung.
Hören Sie einmal zu!
Als ich geboren wurde, ging der furchtbarste Krieg der Weltgeschichte zu Ende. Geprägt durch die Schrecken dieser Apokalypse, war es die Vision der Gründungsväter des europäischen Einigungsprozesses, dass die Länder Europas in Zukunft eine Gemeinschaft des Friedens, des Rechts, des Wohlstands und der sozialen Solidarität bilden sollten.
Ob man damals schon an eine gemeinsame Währung dachte, weiß ich nicht.
Vieles ist in den vergangenen Jahren in historisch relativ kurzer Zeit Wirklichkeit geworden. Wir haben seit 66 Jahren Frieden in Europa – während meines ganzen bisherigen Lebens. Davon konnten meine Vorfahren nur träumen.
Die Europäische Union besteht aus 27 Mitgliedsstaaten mit fast 500 Millionen Einwohnern. Sie ist trotz aller Schwierigkeiten eine Realität mit einer gemeinsamen Währung, die stärker als die internationale Leitwährung US-Dollar ist. Frau Kollegin Hermenau hat bereits darüber gesprochen.
Ich möchte nur daran erinnern, dass zum Beispiel die Inflationsrate des Euro bei 1,6 % liegt, während die durchschnittliche Inflationsrate der ach so gelobten D-Mark damals bei 2,9 % lag, also fast doppelt so hoch war.
Meine Damen und Herren! Nun ist dieser Euro infolge der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise, der finanz- und wirtschaftspolitischen Sünden einiger Mitgliedsländer, der Aktivitäten von Spekulanten und des verantwortungslosen Untergangsgeredes zahlreicher Politiker, Experten und Medien etwas ins Trudeln geraten. Ich finde, wenn man die Medien aufmerksam liest, dass gegenwärtig geradezu eine Medienjagd auf den Euro stattfindet. Zum Vergleich: Die USA werden in diesem Sommer die Schuldengrenze erreichen, das heißt, sie müssen sich etwas einfallen lassen, wie sie weiterkommen. Das ist eine wesentlich katastrophalere Situation, als wir sie in Europa haben.
Aber keiner spricht davon, dass der Dollar abgeschafft werden soll. Damit will ich daran erinnern, dass in der Wirtschaft 50 % Psychologie sind. Deshalb appelliere ich an Sie und an alle, insbesondere in Sachsen, etwas mehr Vertrauen zum Euro zu haben.
Auch ein Flugzeug stürzt nicht gleich ab, wenn vorübergehend Turbulenzen auftreten und eine intelligente Crew im Cockpit sitzt, zu der die Passagiere Vertrauen haben.
Der Euro verdient unser Vertrauen. Gestatten Sie mir ein paar Worte zu Griechenland, das heute von aller Welt kritisiert wird. Es stimmt, Griechenland hat beim EuroBeitritt geschummelt.
Es hat zu viele Staatsangestellte beschäftigt, die zu zeitig in Rente gehen. Aber ich glaube, die Mehrheit der Griechen hat den Ernst der Lage begriffen und bereitet sich auf eine lange Durststrecke vor. Die Regierung muss beginnen, ihr Tafelsilber zu verkaufen, das sie in Form von Häfen, Flugplätzen, Rüstungsbetrieben und Versorgungsunternehmen besitzt und das etwa 50 Milliarden Euro wert sein soll.
Aber, meine Damen und Herren, da die Europäische Union auch eine Schicksalsgemeinschaft ist, sollten wir die Griechen nicht im Regen stehen lassen.
Wenn auch viele von Ihnen nicht meine Meinung teilen, glaube ich, Europa, das gesamte Abendland, haben Griechenland mit seiner Kultur und Philosophie so unendlich viel zu verdanken, dass wir den Menschen in diesem Land nicht unsere Solidarität entziehen sollten.
Vielen Dank. Ich wollte eigentlich noch ein bedeutendes Zitat von Helmut Schmidt bringen,
aber ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in diesem Monat genau 21 Jahre her, dass der angestaute Volkszorn in den Bezirks- und Kreisstädten der untergegangenen DDR die Zentrale der Stasi stürmte und damit das offizielle Ende des verhassten Unterdrückungs- und Überwachungsapparates der Partei der Arbeiterklasse einleitete.
Allein zur geheimen Bespitzelung einer Bevölkerung von damals 16 Millionen beschäftigte die Stasi, das Schild und Schwert der Partei, ganze 189 000 Inoffizielle Mitarbeiter, genannt IM. Zum Vergleich: In unserem aufmüpfigen Nachbarland Polen waren es bei 40 Millionen Einwohnern nur 55 000 inoffizielle Denunzianten.
In ihrer Angst vor der eigenen Bevölkerung des Arbeiterund-Bauern-Staates hatte die SED durch die Stasi ein wirklich flächendeckendes Überwachungsnetz knüpfen lassen, unabhängig von einer vermeintlichen Bedrohungslage; denn laut empirischer Erhebung der BirthlerBehörde waren 90 % der Spitzel nicht auf sogenannte feindliche DDR-Bürger angesetzt, sondern auf Otto Normalverbraucher im real existierenden Sozialismus.
Wer wie ich einmal selbst in den Besitz einer Stasi-Akte gelangt ist, kann nur das kalte Grausen bekommen, wenn er lesen muss, was die angesetzten Spitzel alles erdichteten, um den vorgefassten Verdacht auf staatsfeindliche Hetze begründen zu helfen. In meinem Fall waren es immerhin neun Denunzianten, die mich zur Strecke bringen sollten.
Ich frage mich, meine Damen und Herren, ist es eine Verhöhnung unserer Demokratie und eine Provokation des Rechtsstaates, wenn sich heute Stasi-Generäle zu Kongressen versammeln und ungeniert ihre Memoiren veröffentlichen können,
um das angeblich friedenssichernde MfS verklären zu helfen? Tatsächlich sind nach der Wiedervereinigung im Ergebnis von etwa 100 000 Ermittlungsverfahren nur etwas mehr als 50 Personen wegen der Verbrechen an der innerdeutschen Grenze, Rechtsbeugung und MfS-Straftaten verurteilt worden. In dreiviertel der Fälle wurden lediglich Bewährungsstrafen verhängt und nur 46 Täter mussten eine Haftstrafe antreten.
Das wiedervereinigte Deutschland hat sich bei der Strafverfolgung von DDR-Unrecht konsequent an rechtsstaatliche Prinzipien gehalten. Wer hier von Siegerjustiz spricht, macht sich lächerlich.
Die längste Haftzeit, die ein Mitglied der abgewickelten DDR-Führung absitzen musste, waren die vier Jahre von Honeckers Nachfolger Egon Krenz, die er zumeist als Freigänger erduldete.
Bedauerlich ist, dass trotz des § 118 unserer Verfassung heute immer noch zwei überführte Stasi-Spitzel im Sächsischen Landtag sitzen. In Brandenburg sollen sogar sieben von 26 Abgeordneten der Linksfraktion für die Stasi gearbeitet haben. Aber das kann uns nicht trösten.
Wie dem auch sei, der Krake Stasi hat vor 21 Jahren sein Leben aushauchen müssen, aber seine Tentakeln reichen bis in die Gegenwart. Ich erinnere nur an den jüngst bekanntgewordenen Fall des Historikers Michael Richter, alias IM Thomas, Autor eines über 1 000-seitigen Standardwerkes über die friedliche Revolution in Sachsen und die Bildung des Freistaates. Bei so viel Gewissenlosigkeit verschlägt es einem die Sprache.
Der Sächsische Landtag hat im Juni 1992 gut daran getan, das Landesbeauftragtengesetz zu beschließen. Das war, wie die Geschichte gezeigt hat, eine wichtige und notwendige Entscheidung. In unserem Nachbarland Brandenburg, wo man die Auseinandersetzung mit der Stasi weniger ernst nahm oder besser 20 Jahre lang mit Absicht verdrängte, fliegen die Schatten der Vergangenheit jetzt dem Landtag wie Fetzen um die Ohren. Die neu ernannte Stasi-Beauftragte, die mutige Bürgerrechtlerin Ulrike
Poppe, hat eine Sisyphusarbeit zu bewältigen, um die sie nicht zu beneiden ist.