Auch hier haben wir uns darauf verständigt, keine Aussprache zu dem Gesetzentwurf durchzuführen. Bleibt es dabei? – Ich habe keinen Widerspruch feststellen können. Dann stimmen wir ab auf der Grundlage der genannten Beschlussempfehlung des Ausschusses. Änderungsanträge liegen nicht vor.
Ich darf Sie jetzt um Aufmerksamkeit zur Abstimmung über die Überschrift bitten. Ich bitte um die DafürStimmen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmen dagegen und Stimmenthaltungen ist der Überschrift mit Mehrheit zugestimmt worden.
Ich rufe auf Artikel 1 mit Fußnote und bitte hier um die Dafür-Stimmen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei zahlreichen Stimmenthaltungen und wenigen Stimmen dagegen ist dem Artikel 1 und der Fußnote mit Mehrheit zugestimmt worden.
Wir kommen zur Abstimmung über Artikel 2, Inkrafttreten. Auch hier bitte ich um die Dafür-Stimmen. – Danke
sehr. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Danke. Bei Stimmen dagegen und zahlreichen Stimmenthaltungen ist dem Artikel 2 mit Mehrheit zugestimmt worden.
Meine Damen und Herren! Ich komme nun zur Schlussabstimmung und bitte um Ihr Handzeichen, wenn Sie dem Entwurf zustimmen wollen. – Vielen Dank. Wer möchte nicht zustimmen? – Danke sehr. Wer enthält sich? – Vielen Dank. Auch hier ist dasselbe Abstimmungsverhalten festzustellen: Bei Stimmen dagegen und Stimmenthaltungen ist dem Gesetzentwurf mit Mehrheit entsprochen worden. Damit ist dieser als Gesetz beschlossen und auch dieser Tagesordnungspunkt wäre fast beendet, wenn wir nicht noch über die Eilausfertigung des Gesetzes zu beschließen hätten. Wer ist dafür? – Wer enthält sich? – Bei Stimmen dagegen ist der Eilausfertigung mit Mehrheit zugestimmt worden und jetzt ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.
2. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Einführung eines Tages des Erinnerns und Gedenkens an die Befreiung vom Nationalsozialismus und die Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Europa am 8. Mai 1945 (Tag der Befreiung)
Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache nach unserer Geschäftsordnung erteilt. Die Reihenfolge hierzu in der ersten Runde: DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht.
Wir beginnen mit der Aussprache und ich erteile der Fraktion DIE LINKE das Wort. Herr Abg. Dr. Külow, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gewiss ein Zufall, aber einer mit hoher Symbolkraft, dass wir uns ausgerechnet am heutigen Weltfriedenstag mit dem Gesetzentwurf zum Gedenken an den 8. Mai 1945 befassen. Bekanntlich erinnert der jährlich am 1. September begangene Antikriegstag an den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, der mit dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 erfolgte.
In der Bundesrepublik wird dieser Tag immerhin seit 1957 gewürdigt, als der Deutsche Gewerkschaftsbund unter dem Motto „Nie wieder Krieg“ zu friedenspolitischen Aktivitäten aufrief. Auch heute gibt es wie jedes Jahr bundesweit zahlreiche Kundgebungen, Mahnwachen und Protestaktionen gegen Krieg und Militarismus, denen sich DIE LINKE verbunden fühlt bzw. die von uns politisch unterstützt werden.
Ganz in diesem Sinne möchte ich den Bogen zum 29. April 2010 schlagen, als unsere Fraktion wenige Tage vor dem 65. Jahrestag der Befreiung der Völker Europas vom Hitlerfaschismus den heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf einbrachte. Die seinerzeit vorgebrachten Argumente haben aus der Sicht der Linksfraktion nichts an Aktualität und Bedeutung eingebüßt. Ganz im Gegenteil: Die europa- und weltweit begangenen Feierlichkeiten im Umfeld des 8. Mai 2010 verdeutlichen, dass die Einführung eines gesetzlichen Tages des Erinnerns und Gedenkens an die Befreiung vom Nationalsozialismus und die Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Europa am 8. Mai 1945 weiterhin auf der Tagesordnung steht. Ich will nur daran erinnern, dass neben zahlreichen ausländischen Staats- und Regierungschefs auch die Bundeskanzlerin an der Militärparade in Moskau am 9. Mai teilnahm.
In Sachsen wurde dieses welthistorischen Datums von Bürgerinnen und Bürgern ganz unterschiedlicher politischer Prägung und religiösen Bekenntnisses in einer Vielzahl von Veranstaltungen gedacht, die alle in dem Vermächtnis mündeten, eine Wiederholung der damaligen Schreckenszeit mit aller Kraft zu verhindern. Das ist ein Auftrag der Geschichte an uns alle.
Mit der Einbringung ihres Gesetzentwurfs möchte DIE LINKE einen Beitrag dafür leisten, dass wir in Sachsen dieser gemeinsamen historischen Verantwortung künftig noch besser gerecht werden, und dazu eignet sich kein Tag besser als der 8. Mai. Man kann die berühmte Rede von Richard von Weizsäcker vom 8. Mai 1985 zum 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges in Europa und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in diesem Zusammenhang nicht oft genug zitieren: „Der 8. Mai ist für uns vor allem ein Tag der Erinnerung an das, was Menschen erleiden mussten. Er ist zugleich ein Tag des Nachdenkens über den Gang unserer Geschichte. Je ehrlicher wir ihn begehen, desto freier sind wir, uns seinen Folgen verantwortlich zu stellen.“
Einige Abschnitte später folgt dann diejenige Redepassage, mit der der damalige Bundespräsident in besonderer Weise Geschichte schreiben sollte und die heute fester Bestandteil der nationalen Erinnerungskultur in der Bundesrepublik Deutschland ist: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“
Er setzte nur wenige Sätze später in geradezu apodiktischer Weise eine Feststellung hinzu, die bis heute für Teile der politischen Elite keinesfalls Allgemeingut ist: „Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen.“
Diese Schonungslosigkeit und Offenheit, mit der von Weizsäcker in seiner Rede die Ursachen, die zum Krieg, zum Holocaust, zur Vertreibung von Völkern und zum geteilten Europa führten, analysierte und daraus Konsequenzen für die Gegenwart zog, war bis dahin für eine öffentliche Rede eines bundesdeutschen Staatsoberhaupts ohne Beispiel. Noch heute, ein Vierteljahrhundert später, nötigt diese Klarheit Weizsäckers auch uns großen Respekt und Anerkennung ab.
(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Martin Dulig, SPD, und Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)
In seiner Ansprache erinnerte von Weizsäcker auch an die historische Begegnung amerikanischer und sowjetischer Soldaten an der Elbe im April 1945. In diesem Jahr haben wieder rund 20 000 Torgauerinnen und Torgauer und ihre Gäste des Jahrestages dieses großartigen Handschlages zwischen den Soldaten der USA und der Sowjetunion gedacht. Die beiden siegreichen Armeen begegneten sich in Deutschland auf dem Territorium des heutigen Sachsens. Auch diesen Umstand wollen wir mit unserer heutigen parlamentarischen Initiative würdigen.
Die historische Begegnung an der Elbe war im Übrigen nicht nur Anlass für gleichlautende Presseerklärungen der Regierungen in London, Moskau und Washington. Dieser legendäre 25. April 1945 war bekanntlich auch der erste Tag der Gründungskonferenz der Vereinten Nationen im Opernhaus in San Francisco. In ihrer Resolution 59/26, verabschiedet auf der 59. Plenarsitzung am 22. November 2004, erklärte die UNO – ich zitiere – „den 8. und 9. Mai zu Tagen des Gedenkens und der Versöhnung und bittet alle Mitgliedsstaaten, Organisationen des Systems der Vereinten Nationen, nicht staatliche Organisationen und Einzelpersonen, jedes Jahr zu Ehren aller Opfer des Zweiten Weltkrieges entweder einen oder beide Tage in gebührender Weise zu begehen.“
Ganz im Sinne und ganz im Geiste dieser UN-Resolution versteht DIE LINKE ihren Gesetzentwurf. Wir haben mit dieser parlamentarischen Initiative zugleich auch aktuelle Bestrebungen in anderen Bundesländern aufgegriffen. Zum Beispiel haben sich in Berlin die beiden Regierungsparteien auf eine gemeinsame Bundesratsinitiative geeinigt, dass der 8. Mai zum nationalen Gedenktag erklärt werden soll.
Leider fand sich für unsere hier nochmals dargelegte Argumentation im zuständigen Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss, der sich zweimal mit dem Thema beschäftigte, keine Mehrheit. Zumindest SPD und GRÜNE bekundeten aber erfreulicherweise eine gewisse Aufgeschlossenheit gegenüber unserem Anliegen und machten dabei berechtigterweise darauf aufmerksam, dass wir mit der ursprünglich beantragten Änderung des § 2 des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage im Freistaat Sachsen eine Einordnung des 8. Mai als Trauertag vorgenommen hatten. Das war allerdings mitnichten unsere Absicht.
Um dieses kleine handwerkliche Missgeschick zu heilen, möchte ich an dieser Stelle namens meiner Fraktion den Ihnen mit der Drucksache 5/3488 vorliegenden Änderungsantrag zu unserem Gesetzentwurf einbringen. Wir beantragen nunmehr dahin gehend die Änderung des Gesetzes über Sonn- und Feiertage in Sachsen, dass nach § 2a der § 2b in folgender Fassung eingefügt wird: „Der 8. Mai ist als Tag der Befreiung ein überörtlicher Tag der Erinnerung und des Gedenkens an die Befreiung vom Nationalsozialismus und die Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Europa.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kampf der Anti-Hitler-Koalition gegen das NS-Regime war nach dem Urteil des namhaften britischen Historikers Eric Hobsbowm „der Dreh- und Angelpunkt und das entscheidende Moment in der Geschichte des 20. Jahrhunderts“.
Ein würdiges Gedenken an den Tag der Befreiung als Schlüsseldatum dieser inzwischen ein Menschenalter zurückliegenden Epoche erscheint uns höchst zeitgemäß, nicht zuletzt deshalb, weil bald keine unmittelbaren Zeitzeugen mehr über die damaligen Ereignisse berichten können. Nicht zuletzt aus diesem Grunde bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.
Vielen Dank, Herr Dr. Külow. – Für die CDU-Fraktion nimmt das Wort Herr Abg. Schiemann. Herr Schiemann, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der 8. Mai ist historisch beschrieben der Tag der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches.
Das Deutsche Reich hat bedingungslos anerkannt, dass damit auch der Krieg beendet werden konnte. Für die Gegner des Nationalsozialismus war es auf jeden Fall eine Befreiung,
(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)
eine Befreiung von einer Diktatur, die unmenschlich war, die freiheitsentziehend, freiheitsberaubend und mörderisch war. Der Freistaat Sachsen wurde jedoch in der Mehrheit der Landesfläche nicht am 8. Mai frei. Am 16. April 1945 wurde die Stadt Plauen durch die amerikanischen Truppen befreit. Am 17. April 1945 wurde durch die amerikanischen Truppen die Stadt Zwickau frei von der Naziherrschaft. Am 18. April 1945 befreiten die amerikanischen Truppen die Stadt Leipzig. Am 25. April 1945 trafen sich russische und amerikanische Truppen an der Elbe in Strehla in der Nähe von Torgau. Erst am 8. Mai 1945 wurde die Oberlausitz vom Nationalsozialismus befreit. In der Landeshauptstadt Dresden geschah dies auch erst am 8. Mai. Gleichzeitig wurde das sinnlose Morden der Anhänger des nationalsozialistischen Regimes beendet. Dies war eine Befreiung für viele.
Dennoch gibt es bereits einen würdigen Gedenktag, der auf einen anderen Tag fällt. Der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog hat die Diskussion zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus angestoßen. Der nationale Gedenktag wurde am 3. Januar 1996 durch Proklamation des Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Roman Herzog, eingeführt und auf den 27. Januar festgelegt.
Am 27. Januar 1945 befreiten russische Soldaten die Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. In seiner Proklamation sagte Roman Herzog: „Die Erinnerung darf nicht enden, sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt.“
„Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert an alle Opfer einer beispiellosen Diktatur während der Zeit des Nationalsozialismus: Juden, Christen, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, Homosexuelle, politisch Andersdenkende sowie Männer und Frauen des Widerstandes, Wissenschaftler, Künstler, Journalisten, Kriegsgefangene und Deserteure, Greise und Kinder an der Front, Zwangsarbeiter sowie an die Millionen Menschen, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entrechtet, verfolgt, gequält oder ermordet wurden. Damit wurde ein nationaler Gedenktag festgelegt, der die Einmaligkeit dieses Völkermordes, des Krieges und für die Überlebenden die Erinnerung an ihre Befreiung von einer menschenunwürdigen, einer menschenverachtenden Diktatur beschreibt.
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, halten wir doch diesen nationalen Gedenktag fest, der ein nationaler Gedenktag ist, der der nächsten Generation, die die Verantwortung auf nationaler Ebene in Deutschland übernehmen wird, die Chance gibt, weiter erhobenen Hauptes, aber nie mehr zulassend, dass sich so etwas wiederholt, agieren zu können. Ich bitte Sie deshalb, keinen neuen Gedenktag einzuführen, der dann im Wettbewerb mit dem 27. Januar stehen würde. Ich bitte Sie deshalb: Halten Sie am 27. Januar als wichtigem nationalem Gedenktag fest.
Vielen Dank, Herr Schiemann. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Abg. Homann. – Herr Homann, Sie haben das Wort.