Dieses Gesetz bestimmt also, dass Beamtinnen und Beamten des Freistaates Sachsen, der Gemeinden, der Gemeindeverbände, der Landkreise sowie der der Aufsicht des Freistaates Sachsen unterstehenden Körperschaften, Anstalten des öffentlichen Rechts, aber auch Richterinnen und Richtern des Freistaates Sachsen, Mitgliedern der Staatsregierung sowie einem bestimmten Kreis von Versorgungsempfängern und Anwärtern jährlich eine Sonderzahlung gewährt wird, die quasi fester Bezügebestandteil ist. Die Höhe selbiger Sonderzahlung schwankt je nach der Ebene, die man erreicht hat, zwischen 1 025 Euro jährlich im Einfachen und Mittleren
Dienst über 1 200 Euro im Gehobenen Dienst bis zu 1 800 Euro für die höheren und höchsten Besoldungsgruppen bzw. die Mitglieder der Staatsregierung.
Gegen diese beabsichtigte Streichung der Sonderzahlung, auch Weihnachtsgeld genannt, laufen nun, seit der Plan bekannt wurde, die betroffenen sächsischen Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter etc. Sturm. Waschkörbeweise erreichten den Sächsischen Landtag, seine Fraktionen und Abgeordneten und wahrscheinlich auch die Staatsregierung Protestschreiben der Betroffenen. Sie gipfelten in dem Vorwurf, dass die beabsichtigte Streichung der Sonderzahlung für Beamte, Richter und Versorgungsempfänger – ich zitiere – „Besoldungsraub auf dem Gesetzeswege“ sei. Das hat im Grunde genommen auch heute ein Teil der Beamten vor dem Landtag zum Ausdruck gebracht und mit entsprechenden symbolischen Handlungen gegenüber den Abgeordneten dokumentiert.
Dieser Vorwurf ist im Grunde starker Tobak, aber letztlich muss man den rebellierenden Beamtinnen und Beamten recht geben. Das zeigt ein historischer Rückblick über das Zustandekommen und den Charakter dieser Sonderzahlung.
Zustande kam nämlich das sogenannte Weihnachtsgeld in den Sechziger- und Siebzigerjahren, als in der alten Bundesrepublik noch ein einheitliches Bundesbesoldungsrecht als unantastbar galt. Es kam als Äquivalent für den Verzicht auf ursprünglich vorgesehene Bezügeerhöhungen, im konkreten Fall auf den Verzicht der Beamtenschaft selbst auf eine an sich vorgesehene und beanspruchbare Besoldungserhöhung um 8,4 %. Anstelle der Erhöhung des Besoldungsgrundbetrages wurde also dieses Weihnachtsgeld gezahlt, das damit auch fester Bestandteil der Bezüge wurde.
Als es dann schrittweise zur Öffnung der bundeseinheitlichen Besoldung kam und diese, was offensichtlich kein Zufall war, mit der Übertragung der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder im Bereich der Sonderzahlungen begann, machte mit dem schon erwähnten Sächsischen Gesetz über die Gewährung einer Sonderzahlung der Freistaat Sachsen von der ihm nunmehr eingeräumten Gesetzgebungskompetenz Gebrauch. Das Gesetz trat am 6. Januar 2004 in Kraft.
Obgleich es hier seinerzeit um eine im Verhältnis zum jetzigen Vorhaben moderate Absenkung der Sonderbezüge ging, lehnten schon damals nahezu alle Beamten- und berufsständischen Vertretungen dieses Vorhaben unter Verweis auf seine verfassungsrechtliche Fragwürdigkeit zum einen und auf die fehlende soziale Rechtfertigung und seine demotivierende Wirkung auf die hiesigen Beamtinnen und Beamten sowie Richterinnen und Richter zum anderen ausdrücklich ab – nachzulesen in den damaligen Gesetzgebungsgrundlagen und gespickt mit entsprechenden Protestschreiben vom Sächsischen Beamtenbund über die Gewerkschaft der Polizei, den Sächsischen Richterverein bis hin zum Bund der Forstleute. Alle verwiesen schon damals darauf, dass die seinerzeit ge
planten Kürzungen im bundesweiten Vergleich zu einem weiteren Wettbewerbsnachteil für den öffentlichen Dienst des Freistaates Sachsen führen und auch im Bereich der sächsischen Kommunen problematische Auswirkungen haben würden. Die Probleme bei der Gewinnung qualifizierten Personals und die Abwanderung vorhandenen Personals in die alten Bundesländer würden weiter verstärkt. Genau das ist ja auch eingetreten.
Nunmehr, da die Zahlung gänzlich gestrichen werden soll, sind all diese Effekte in Potenz zu befürchten. Die völlige Streichung empfinden die Betroffenen umso mehr geradezu als eine Verhöhnung, als sie just erst jetzt, nämlich Anfang Januar 2010, nach 20 Jahren Besoldungsverzicht im Verhältnis zu ihren Kollegen in den alten Ländern auf 100 % West der Grundbesoldung gekommen sind. Gerade jetzt haben sie die 100 % erreicht.
Das Leben ist konkret, und ich komme Ihnen deshalb trotz der vorgerückten Stunde mit einem konkreten Beispiel. Ich zitiere aus einem Schreiben einer Rechtspflegerin eines Amtsgerichtes hier im Freistaat Sachsen. Dieses Schreiben haben nach meiner Überzeugung alle Abgeordneten dieses Hohen Hauses bekommen. Ein Teil von Ihnen wird es gelesen haben.
Darin heißt es: „Ich bin 35 Jahre alt und arbeite beim Amtsgericht als Rechtspflegerin. Ich bin Beamtin des Freistaates seit 17 Jahren, und Sie“ – gemeint sind wir – „wollen mir meine jährliche Sonderzahlung streichen ohne stichhaltige Begründung. Zuerst wurde das Urlaubsgeld gestrichen. Okay. Dann gab es die Erhöhung der Bezüge erst am 01.01.2010. Okay. Nun soll die Sonderzahlung gestrichen werden. Ganz und gar nicht okay.“
Weiter im Schreiben der Rechtspflegerin: „Auch ich muss mein Leben finanzieren, obwohl ich nach Ihrem Willen im nächsten Jahr weniger bekommen soll als vor der Erhöhung auf 100 % im Januar dieses Jahres. Die Streichung der Sonderzahlung führt dazu, dass vergleichbare sächsische Beamte nur noch 91,6 % eines Bundesbeamten besoldet werden. Vor der Föderalismusreform bekam ich wenigstens 92,5 % der Bezüge der alten Bundesländer.“
Also 2003. – Die Rechtspflegerin schließlich: „Ich habe mittlerweile das Gefühl, von Ihnen“ – wieder wir gemeint – „und meinem Dienstherrn, dem Freistaat Sachsen, nur noch als Kostenfaktor gesehen zu werden. Ich bin sehr stolz, Sächsin zu sein, und ich lebe und arbeite gern in Sachsen. Leider muss ich nun auch die Möglichkeit in Erwägung ziehen, in ein anderes Bundesland zu gehen, das seine Mitarbeiter besser behandelt und bezahlt. Sie“ – die Abgeordneten dieses Hauses – „und der Freistaat Sachsen erweisen sich mir gegenüber nicht als zuverlässige Partner.“
Sie können es nun drehen und wenden, wie Sie wollen, meine Damen und Herren, die Frau hat recht. Wir können auch nicht mit dem profanen Argument kommen, dass die sächsischen Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter auf dem berühmten relativ hohen Niveau lamentieren. Denn wenn man sich die Besoldungsgruppen einmal ansieht, ist die übergroße Mehrheit der sächsi
schen Beamtinnen und Beamten in den unteren Besoldungsgruppen, die teilweise über Jahre in den Eingangsämtern verharren und kaum Zugang zu Beförderungsämtern haben.
Trotz der Abgabe bestimmter Grundrechte, die nur im Beamtenverhältnis vorhanden ist, was sie auch nach wie vor hinnehmen – Streikrecht, Tariffreiheit, auch Meinungsfreiheit –, trotz unzähliger Überstunden, trotz Streichungen und trotz Mehrarbeitsleistungen soll ihnen jetzt gewissermaßen erneut eine Senkung von diesen 100 % auf 91 % zugemutet werden.
Im Übrigen will ich ausdrücklich sagen: Es geht uns keineswegs darum, dass wir uns vordergründig für die Beamtinnen und Beamten in die Bresche werfen wollen und uns jetzt gewissermaßen für Richterinnen und Richter und Beamte stark machen wollen. Sie wissen ganz genau – –
Nein. – Sie wissen ganz genau, Herr Zastrow, und wir sagen: Es kalkuliert die Staatsregierung und kalkuliert die Koalition. Wenn Sie in diesem Jahr, mit 2011 beginnend, die Sonderzuwendung für die Beamtinnen und Beamten streichen, müssen Sie in den Tarifverhandlungen 2012 generell im öffentlichen Dienst an die Sonderzahlungen heran. Denn das ist der Kernbereich der Verfassungsgerichtssprechung, dass Beamtinnen und Beamte auf Dauer nie schlechter bezahlt werden dürfen als vergleichbare Bedienstete im öffentlichen Dienst. Das heißt im Klartext: Jetzt trifft es die Beamtinnen und Beamten und im Jahr 2012 betrifft es den gesamten öffentlichen Dienst. Siehe Urteil vom 27. September 2005, Abstandsgebot, Angleichungsverpflichtung etc. pp. Das ist einfach verfassungsrechtlich die Konsequenz.
Wenn wir schon bei den verfassungsrechtlichen Schieflagen dieser vorgesehenen Regelung im Haushaltsbegleitgesetz sind: Die Staatsregierung ist dreist genug, in die Begründung zu Artikel 27 ganz unverblümt aufzunehmen, dass die – Zitat – „geringe Wirtschaftskraft des Freistaates“ und – wieder Zitat – „die durch das grundgesetzliche Neuverschuldungsverbot in Verbindung mit der prognostizierten langfristigen Einnahmeentwicklung im Freistaat Sachsen erforderliche nachhaltige Anpassung sämtlicher Ausgaben“ die Ursache und die Notwendigkeit begründen.
Das ist in sofern verblüffend, als es zu den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Artikel 33 Abs. 5 respektive zur gesetzlichen Garantie der Institution des Berufsbeamtentums gehört, dass Beamten insbesondere keine Sonderopfer zum Zwecke der Konsolidierung des öffentlichen Haushalts auferlegt werden dürfen. Das ist Kernbereich der Verfassungsgerichtssprechung zur Problematik Besoldungsrecht. Man darf Beamten zu keinem Zeitpunkt zum Zwecke der Konsolidierung des öffentlichen Haushalts Sonderopfer auferlegen. Nachzulesen in den Leitsätzen des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 27.09.2005. Das Aktenzeichen
gebe ich Ihnen auch. Für die Interessierten unter uns: 2 BVR 13 87 aus 2002. Einkommenseinbußen, die wie hier ausweislich der Gesetzesbegründung zur Erhaltung eines ausgeglichenen Haushalts dienen bzw. einen Beitrag dazu leisten sollen, sind deshalb offensichtlich verfassungswidrig.
Gerade auf diese signifikante Verletzung des Alimentationsgrundsatzes machen die protestierenden Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter und ihre Berufsverbände aufmerksam. Das haben sie heute auch vor dem Landtag getan. Im Übrigen verweisen sie darauf, dass mit Ausnahme des Landes Brandenburg, das sich, auch wenn dort Rot-Rot regiert, die Finger dabei verbrennen wird – das sage ich auch als Mitglied der Partei DIE LINKE, wohl wissend, dass wir dort mitregieren –, kein anderes Land dieses Streichen der Sonderzahlung beabsichtigt. Ein Teil der Länder, wie Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein, zahlt nach wie vor. Die übrigen, das heißt Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Thüringen und das Saarland, haben beispielsweise diese Sonderzahlungen, zum Teil im Zuge der dortigen Dienstrechtsreformen, in die normalen Ausstattungen, also in das monatliche Grundgehalt der Beamten integriert. Genau diesen Weg wollen wir gehen.
Wir wollen überhaupt nicht, dass generell ein Bogen um diese Berufsgruppe gemacht wird. Aber wir wollen, dass dann die Sonderzahlungen im Zuge der gesamten Dienstrechtsreform insgesamt beachtet und in das Grundgehalt der Beamten integriert werden.
Die Behauptung der Staatsregierung, die Sonderzahlungen seien auch in den meisten anderen Ländern weggefallen, wie es in der Gesetzesbegründung heißt, ist also mithin schlichtweg falsch. Sie ist bewusst irreführend. Hier droht riesiger Ärger. Hier drohen kostspielige rechtliche Auseinandersetzungen. Hier drohen Frust und Kompetenzverlust durch Abwanderung in Kernbereichen des öffentlichen Dienstes.
Deshalb meinen wir, das können wir nicht in der allgemeinen Haushaltsdebatte erledigen. Das ist eine sehr bedeutsame Baustelle, und dem Freistaat Sachsen, den Abgeordneten dieses Hohen Hauses, letztlich der Staatsregierung und den Kommunen wird es fürchterlich auf die Füße fallen, wenn sie den öffentlichen Dienst gewissermaßen als einen der Bereiche verstehen, auf die jetzt die gesamten Versäumnisse und Fehler, die an anderer Stelle gemacht worden sind, abgeladen werden sollen.
Damit ist der Antrag eingebracht. – Ich erteile als nächstem Redner Herrn Krasselt für die CDU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gleich vorab: Die Koalition wird den Antrag der Linksfraktion ablehnen.
Der Vorschlag der Staatsregierung ist zunächst ein Vorschlag. Der Haushalt – Sie haben es erwähnt – wird morgen erst eingebracht und wir werden das im Gesamtzusammenhang zu debattieren haben. Wir haben gerade diese Problematik zu bewerten, zu beurteilen und letztlich darüber zu entscheiden.
Ich will aber einige grundsätzliche Gedanken voranstellen. Ein ausgeglichener Haushalt sollte nicht als Makel aufgefasst werden, sondern er ist aus meiner Sicht die vornehmste Aufgabe politischen Handelns.
Verantwortliches Handeln, meine Damen und Herren, sollte davon ausgehen, dass mit den Einnahmen, die wir im Wesentlichen aus Steuereinnahmen unserer Bürger reglementieren, auch die Ausgaben bestritten werden, und nicht mit zusätzlichen Schulden.
Die so erzielten Einnahmen werden im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben – ich denke, das ist gut und richtig so, denken Sie an die großen Bereiche Bildung, Sozialausgaben, Infrastruktur und Löhne und Gehälter für die sächsischen Bediensteten –, aber nicht durch zusätzliche Schuldenaufnahme. Ich bitte Sie, ganz sachlich zu bedenken: Zusätzliche Schulden bedeuten Zinsen und zumindest Zinsen stehen im nächsten Haushalt als Ausgabenmöglichkeit nicht mehr zur Verfügung.
Dass Thüringen und Nordrhein-Westfalen hierbei einen völlig anderen Weg gehen, ist deren Sache, das sollte uns kein Vorbild sein. Insbesondere die jungen Mitglieder unserer Gesellschaft werden es uns danken, wenn wir eine verantwortungsvolle Finanzpolitik auch in Zukunft betreiben.
Der Grundsatz, dass Staat und Bundesländer mit den ihnen über Steuern zustehenden Einnahmen auch ihre Ausgaben bestreiten, soll Grundlage der Politik sein. Sachsen hat hier eine Vorbildrolle und wir sollten erreichen, dass andere Bundesländer dieser Vorbildrolle nacheifern.
Jetzt noch zu den ganz konkreten Fakten: Sachsen erwirtschaftet derzeit etwa 75 bis 80 % des Bruttosozialprodukts vergleichbarer Westländer. Die meisten Beschäftig
ten des nicht öffentlichen Wirtschaftsektors sehen das auch auf ihren Lohn- und Gehaltsstreifen. Daraus ergeben sich zum Teil auch recht deutlich niedrigere Lebenshaltungskosten in Sachsen im Vergleich zu diesen Ländern. Ich bitte, dies zumindest zu bedenken.