Protokoll der Sitzung vom 01.09.2010

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir fahren in der allgemeinen Aussprache fort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nun Frau Jähnigen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Staatsregierung schlägt dem Landtag vor, den sächsischen Beamtinnen und Beamten die Sonderzuweisung ab 2011 pauschal über alle Gehaltsgruppen hinweg zu streichen. Das hat erhebliche Folgen für die Betroffenen sowie für die öffentliche Hand.

Erstens. Die jährlichen Sonderzahlungen tragen dazu bei, dass unsere sächsischen Beamten der Besoldungsgruppe A nicht unter dem Ostschnitt bezahlt werden. Fallen sie weg, würden Sachsens Beamte unter dem Ostschnitt besoldet, zwischen 0,2 % für Gehaltsgruppe A 16 und bis zu 0,66 % für Gehaltsgruppe A 6. Diese Auswirkungen müssen wir ernst nehmen. Sachsen steht mit seinen Nachbarländern im Wettbewerb – Herr Zastrow, es geht um Wettbewerb und nicht um „FDP hilft sich selbst“ – um die Gewinnung motivierter und kompetenter Beamtinnen und Beamten.

Zweitens. Ein Wegfall der Sonderzahlungen trifft Beamtinnen und Beamte des einfachen, mittleren und gehobenen Dienstes härter als im höheren Dienst. Der „Durchschnittsbeamte“ meines Vorredners hilft dabei gar nicht. Wir müssen schon genauer hinschauen. Während die Anzahl der Sonderzahlungen beispielsweise für die Besoldungsgruppe A 9 4 % ausmacht, sind es bei A 15 und A 16 ungefähr 2,5 %. Für die härtesten Fälle – Unverheiratete ohne Kinder in den Gruppen A 3 bis A 5 – ergeben sich deutliche Einkommensverluste von 4,5 bis 4,8 % des Jahreseinkommens. Sie liegen also gerade unter der Unzulässigkeitsgrenze von 5 %.

Stark betroffen sind von den Kürzungen, die Sie planen, die unteren und mittleren Besoldungsgruppen, die wichtige öffentliche Dienste absichern, zum Beispiel die Bediensteten im Polizeivollzugsdienst, – –

(Unruhe im Saal)

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, Ihre Gespräche einzustellen oder, wenn diese unbedingt sein müssen, den Plenarsaal zu verlassen. – Frau Jähnigen, Sie dürfen bitte fortfahren.

– die im jetzigen Besoldungsgefüge schon geringere Sonderzahlungen erhalten als die höheren Gehaltsstufen. Wir wissen, dass es einige sehr hart treffen kann, besonders hart, und wir meinen, es ist wichtig, ja, es steht im Interesse des öffentlichen Wohls,

dass diese Beamtinnen und Beamten mit ihren Familien nicht an den Grenzen des Existenzminimums balancieren müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Verbunden mit der Debatte um die Sonderzahlungen stoßen wir auf das leidige Problem, dass Sachsen immer noch kein eigenes Besoldungsrecht hat. Dieses braucht der Freistaat dringend, um seinem Personal klare Perspektiven zu geben. Dabei geht es übrigens um mehr als nur um Besoldung und Sonderzahlungen. Es müssen endlich auch diejenigen Beamtinnen und Beamten honoriert und im Gesetz gleichgestellt werden, die in homosexuellen Partnerschaften gemeinsam Kinder erziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Deshalb wird unsere Fraktion dem Punkt 2 des Antrags der Linken zustimmen. Wir teilen Ihre Forderung nach einem klar geregelten Besoldungsgesetz.

Punkt 1 Ihres Antrags müssen wir GRÜNEN ablehnen. Grund ist nicht, dass wir mit Ihnen über das reflexartige und sympathieheischend anmutende Bekenntnis zum Berufsbeamtentum mit seinen althergebrachten Grundsätzen an dieser Stelle streiten wollen. Diese Grundsatzfragen stehen hier nicht zum Beschluss. Aber wir halten den heutigen Tag schlichtweg für viel zu früh für eine Festlegung zum Erhalt aller Sonderzahlungen für alle Gruppen in der Beamtenschaft.

Wir wollen den Beamtinnen und Beamten keine Blankoversprechungen machen, die wir nicht mit Sicherheit halten können. Gegen solche Politik der Päckchen ohne Inhalte haben sie zu Recht heute vor dem Landtag protestiert.

Im Haushaltsgesetz geht es um die Zahlungen ab 2011. Wir wollen und müssen in den Haushaltsberatungen des Landtags genau rechnen und abwägen, wie wir insbesondere der Situation in den weniger gut dotierten Besoldungsgruppen gerecht werden. Dann werden wir das dafür notwendige Geld für den öffentlichen Dienst abwägen mit dem Geld, das in Sachsen für zentrale öffentliche Ausgaben wie Jugendpauschale, freie Schulen, Gleichstellungsarbeit und Mobilitätsticket gebraucht wird.

Diese Entscheidung dürfen wir heute nicht vorwegnehmen. Wir werden uns aber in den Haushaltsverhandlungen und bei den hoffentlich bald beginnenden Beratungen für ein neues Besoldungsrecht besonders für die Interessen der unteren und mittleren Besoldungsgruppen einsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als nächster Redner spricht der Abg. Delle für die NPDFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt im Zuge der Konsolidierung des sächsischen Haushalts vertretbare und nicht

vertretbare Maßnahmen. Zu den nicht vertretbaren Maßnahmen der Sächsischen Staatsregierung zählen beispielsweise die Kürzungen im Bereich des ÖPNV, die Einsparungen im Bereich der Gesundheitsversorgung, der Stellenabbau bei der Polizei oder die einseitige Lastenverschiebung auf die Kommunen.

Zu den Maßnahmen, die vertretbar wären, zu denen aber die Staatsregierung nicht bereit ist, würden beispielsweise eine Streichung der Mittel für Asylbetrüger, für neomarxistische Umerziehungsprogramme im Zeichen des Gender Mainstreaming, oder für den Inlandsgeheimdienst namens Verfassungsschutz zählen.

(Beifall bei der NPD – Oh-Rufe von den GRÜNEN)

Eine durchaus vertretbare, von der Staatsregierung geplante Maßnahme ist nach Ansicht der NPD-Fraktion die im vorliegenden Antrag vorgesehene Streichung der Sonderzahlung für Beamte, Richter und sonstige Versorgungsempfänger des Freistaates Sachsen.

Unserer Meinung nach steht der Antrag der Linken mal wieder unter dem von den Linken sattsam bekannten Motto „Gelder verteilen, wo keine mehr vorhanden sind“. Zudem ist er nichts anderes als Ausdruck schnöder Klientelpolitik, stellen Angehörige des öffentlichen Dienstes bekanntlich eine gewichtige Gruppe in der Wähler- und Anhängerschaft der sächsischen Linkspartei dar.

Wenn es aber für die um die Wohlfahrt unseres Landes eminent wichtige Aufgabe der Haushaltssolidität geht, dürfen weder ideologische Befindlichkeiten noch allzu durchsichtige Ergebenheitsadressen in Richtung bestimmter Bevölkerungsgruppen, die einem eben aus wahltaktischen Gründen besonders wichtig erscheinen, eine herausragende Rolle spielen. Die Beamtenschaft Sachsens ist eine überaus lautstarke Gruppe, die die Abgeordneten des Sächsischen Landtags in letzter Zeit – ich nenne es mal so – bearbeitet hat.

Natürlich, meine Damen und Herren, ist es immer schmerzhaft, wenn es darum geht, sich von liebgewonnenen Annehmlichkeiten zu verabschieden. Doch im Gegensatz zu existenzgefährdenden Einschnitten bei der Förderung von sächsischen Unternehmen, bei Armen und Alten, die ohnehin teilweise schon am Hungertuch nagen, oder bei Krankenhäusern, die eine umfassende Gesundheitsvorsorge leisten müssen, ist die Aufhebung des Sächsischen Sonderzahlungsgesetzes definitiv kein finanzieller Vernichtungsschlag. Denn diese Jahressonderzulagen sind Zulagen zur normalen Besoldung, die auch hier in Sachsen nicht gerade so ausfällt, dass man davon am Existenzminimum leben müsste.

Wenn DIE LINKE nun schreibt, eine Streichung dieser Zulage sei verfassungsrechtlich unzulässig, da sie die Garantie der Institution Berufsbeamtentum nach Artikel 33 Abs. 5 Grundgesetz angreife, so ist das eine – ich möchte es so nennen – hanebüchene Behauptung, die jeder halbwegs begabte Jurist mit Leichtigkeit zerpflü

cken könnte, weil die Einstellung einer Sonderzahlung die Beamtenschaft mit Sicherheit nicht an den Rand des Abgrunds führt oder sie als Institution infrage stellt.

Fast noch abenteuerlicher wird es, wenn die Linksfraktion suggeriert, eine Streichung der Sonderzahlung könne dazu führen, dass Beamte ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit verlieren, die zur Erfüllung ihrer vom Grundgesetz vorgeschriebenen Aufgabe, nämlich im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu führen, notwendig sei.

Habe ich Sie da richtig verstanden, meine Damen und Herren hier auf der linken Seite? Sie unterstellen also, dass Beamte dazu nicht mehr in der Lage sind, wenn diese Sonderzahlung wegfällt. Sie unterstellen in diesem Fall, dass sie fast schon zwangsläufig korrupt werden und sich ungesetzlich verhalten. Das ist – mit Verlaub gesagt – ein schönes Bild, das Sie da von unseren sächsischen Beamten haben.

Nein, meine Damen und Herren von der linken Seite, Ihr Antrag ist substanzlos und folgt schlichtweg falschen Vorstellungen. Er ist nicht von Verantwortung gegenüber unserem Land geleitet, sondern von knallharter Interessenpolitik. Wenn Sie demnächst wieder einmal einen Antrag vorlegen sollten, der sich um wirkliche soziale Schieflagen kümmert, dann werden wir diesem Antrag gern zustimmen. Dem heutigen Antrag können wir allerdings nicht zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Ich frage die Staatsregierung, ob sie das Wort ergreifen möchte.

(Unruhe im Saal)

Die Staatsregierung kann jederzeit das Wort ergreifen. – Herr Staatsminister Prof. Unland, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die hier vorgetragenen Bedenken sind nicht neu. Sie entsprechen im Wesentlichen den Einwänden der Interessenverbände im Anhörungsverfahren.

Die Staatsregierung hat diese Einwände ernst genommen und abgewogen. Die Bewertung durch die Verbände ist jedoch einseitig zugunsten ihrer zu vertretenden Interessen. Diese Einseitigkeit darf sich Politik nicht zu eigen machen. Politik muss stets das Ganze im Blick behalten.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Sie muss beispielsweise mittel- und langfristig die Rahmenbedingungen im Freistaat Sachsen berücksichtigen. Dazu gehören zum Beispiel die demografische Entwicklung und die sich daraus ergebenden Einnahmensituationen oder die zurückgehenden Solidarpaktmittel. Das werden wir morgen noch einmal intensiv diskutieren. Ich

spreche hier noch nicht einmal über die Folgen der Wirtschaftskrise. Viele Menschen in unserem Land mussten deutliche Gehaltseinbußen hinnehmen. Diesen Herausforderungen können wir nicht mit Besitzstandsdenken begegnen.

Der Bundesgesetzgeber wollte den Ländern mit Blick auf regional unterschiedliche Bedingungen differenzierte Lösungen gestatten. Deshalb hat er den Ländern im Rahmen der Föderalismusreform die Kompetenz für das Besoldungs- und Versorgungsrecht übertragen. Bei der Neustrukturierung des Bezahlungssystems für Beamte können deshalb bisherige Sonderelemente entfallen. Dabei wahrt die Staatsregierung die amtsangemessene Alimentation.

Entgegen der von den Verbänden und der hier geäußerten Auffassung liegt in der Streichung kein Verstoß gegen den Alimentationsgrundsatz vor; denn die angemessene Alimentation muss immer im Bezug zu den allgemeinen Lebensverhältnissen stehen. Diese sind im Freistaat für die nächste Zeit durch relativ hohe Arbeitslosigkeit, insbesondere im Vergleich zu den alten Ländern, und ein niedrigeres Lohnniveau außerhalb des öffentlichen Dienstes geprägt. Eine Abkopplung der Beamten würde in der Bevölkerung nicht verstanden werden.

Mit Blick auf die Vorzüge des Beamtentums darf erwartet werden, dass dieses einen Teil der Gesamtlast mitträgt.

(Klaus Bartl, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, sicher.

Danke schön. – Herr Staatsminister, Sie sagen, die Beamten müssten das hinnehmen wegen der Kopplung an die allgemeine Entwicklung. Weshalb sieht denn der Haushaltsansatz dann steigende Ministergehälter vor?

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)