Um es klar zu sagen, Herr Ministerpräsident: Ich persönlich brauche keinen Begleittross der Medien, wenn ich mir vor Ort ein Bild über die Schäden mache und mit den betroffenen Menschen sprechen will. Aber wie Sie auf dem Rücken der Hochwasseropfer hier Parteipolitik betrieben haben, war schlichtweg unanständig.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor acht Jahren hatten wir einen sehr schwachen Innenminister, aber mit Georg Milbradt zumindest einen tatkräftigen Ministerpräsidenten. 2010 haben wir einen blassen Innenminister und dazu noch einen halbherzig agierenden Regierungschef.
Herr Tillich, vielleicht hätten Sie gut daran getan, Herrn Milbradt mit der Leitung des Krisenstabes zu beauftragen. Den vom Hochwasser Betroffenen wäre mit Sicherheit eine ganze Menge an Pannen erspart geblieben.
Erstens. Sofortiges Auflegen eines Hochwasserhilfefonds aus zusätzlichen Landesmitteln, der direkte Finanzzuschüsse für Betroffene vorsieht und ein Volumen von deutlich über 100 Millionen Euro haben muss.
Zweitens. Wir fordern die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission, die dem Parlament bis zum Jahresende einen Bericht über die Hochwasserschäden, die aufgetretenen Kommunikationsmängel bei der Warnung der Bevölkerung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Verbesserung des Hochwasserschutzes vorlegt. Der Ministerpräsident hat eben gerade angekündigt, es soll eine Kommission geben. Ich hatte das gestern auf der Pressekonferenz schon gefordert. Die Frage ist, ob die Leitung durch einen ehemaligen Ministerialbeamten dieser Regierung wirklich unabhängig ist. Das müssen wir in der Endkonsequenz abwarten.
Drittens. Der Freistaat Sachsen muss schnellstmöglich eine Bundesratsinitiative zur Einführung einer Elementarschadenspflichtversicherung auf den Weg bringen. Hätte man diese Versicherung bereits als Konsequenz aus der Flut von 2002 eingeführt, wäre vielen Menschen das jetzige Gezerre um Darlehen, Hilfen und Zuschüsse erspart geblieben.
Frau Präsidentin! Herr Ministerpräsident! Werte Mitglieder der Staatsregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Nachdem wir von der Linksfraktion eine ganze Menge Nörgelei und Besserwisserei gehört haben, muss ich immerhin eines für bemerkenswert herausstreichen, weil ich es dem Georg Milbradt gönne, unserem Altministerpräsidenten, auch wenn es manchmal ein paar Jahre dauert, noch eine Leistung von Herrn Hahn anerkannt zu bekommen.
Zur Regierungserklärung: Herr Ministerpräsident, vielen Dank für diese Regierungserklärung. Vielen Dank für das Handeln in der außergewöhnlichen Situation im August.
Diese Regierungserklärung ermöglicht uns heute, in einer Debatte eine erste politische Bewertung vorzunehmen.
Auch im Namen unserer CDU-Fraktion darf ich zunächst unser Mitgefühl ausdrücken, was die Angehörigen der Toten, was alle Menschen betrifft, deren Alltag urplötzlich von einer Minute zur anderen gestört wurde, wo viel Hab und Gut verlorengegangen ist. Auch dort liegt unser Mitgefühl.
Wofür diese Debatte gut geeignet ist: allen ein herzliches Dankeschön zu sagen, die die Aufgabe haben, Leben zu schützen und Leben zu retten. Ich nenne das Landeshochwasserzentrum, den Verwaltungsstab im Innenministerium, die Katastrophenschutzstäbe in den Regionen vor Ort, aber auch das Handeln von Landräten, Bürgermeistern, Oberbürgermeistern, der Feuerwehr in unserem Land, Rettungsdienste, Technisches Hilfswerk und Polizei. Schließlich seien auch Nachbarn erwähnt, von deren Leistung sonst niemand erfährt. Allen ein herzliches Dankeschön für diesen Einsatz.
Eines sei festgehalten. Bei allen diesen Rettungsdiensten geht es – einmal zusammengefasst – in allererster Linie darum, bei solchen außergewöhnlichen Naturereignissen Leben zu schützen und Leben zu retten. Wenn man sich die Bilder anschaut – Volker Bandmann hat das in der Fraktion noch einmal getan –, und wenn man die Gewalten sieht, die Wasser verursachen können, und wenn dann bis auf einige Unglücksfälle, die bei genauerem Hinschauen, glaube ich, nie gänzlich zu vermeiden oder zu verhindern sind: Es ist Großes geleistet worden. Wir wollen froh sein, dass in den Regionen, in denen vor allem auch durch das Brechen eines Staudammes noch etwas Unvorhergesehenes geschehen ist, indem es in ganz kurzer Zeit einen gewaltigen Anstieg der Pegelstände gegeben hat, das Leben dort geschützt worden ist. Das ist wirklich einen Dank wert.
Und nun zu dem Thema, um welches es heute vordergründig geht: um das Hab und Gut. Herr Ministerpräsident, ich möchte Ihnen persönlich, aber auch anderen Mitgliedern der Staatsregierung herzlich danken, dass Sie schon vor Ort waren, während noch nicht allen in diesem Hohen Haus richtig bewusst war, dass wir uns in einer Katastrophensituation befanden. Sie waren nicht wegen der schönen Bilder vor Ort – aus Ihren Worten, Herr Hahn, sprach ein gewisser Neid –, sondern einerseits, um denen zu danken, die sich um die Rettung gekümmert haben, und den Menschen Mut zuzusprechen, die Schaden erlitten haben, und andererseits, um sich einen Eindruck zu machen, wie groß in etwa der entstandene Schaden ist. Das ist die Voraussetzung dafür, um anschließend in der Verwaltung, die Gott sei Dank in aller Regel nicht von einem solchen Schadensereignis betroffen ist, schnelle Hilfsmaßnahmen einzuleiten. Das ist beispielgebend in den ersten Stunden und Tagen dieses Ereignisses geschehen. Dafür ein herzliches Dankeschön.
Weil Sie die Abgeordneten angesprochen haben, will ich erwähnen, dass unsere 58 Mitglieder alle einen Wahlkreis haben, weil sie direkt gewählt sind. Herr Hahn, es gibt auch zwei Wahlkreise, die von der Linksfraktion durch einzelne Abgeordnete gewonnen worden sind. Es ist, wenn auch vor dem Gesetz gleich, in solchen Situationen ein Unterschied, wie ich in einem Wahlkreis bekannt bin.
Mich kennen sie als Wahlkreisabgeordneten. Ich will von diesem Pult aus auch einmal den Abgeordneten danken – einige werden nachher in der Debatte zu Wort kommen –, die sich vor Ort bemüht haben, den Menschen zu helfen und vor allen Dingen den Kontakt zu den Verwaltungen zu halten,
und das in vielen Einzelfällen. Es wird nie darüber debattiert und steht auch nicht in der Zeitung, wo das gelungen ist. Was abgearbeitet ist, ist erledigt. Das hält man auch für selbstverständlich. Okay, verstehe ich. Was zum Schluss bleibt und auch heute in vielen Einzelbeispielen angeführt wurde, ist etwas anderes. Herr Hahn, Sie haben aus dem Brief einer Betroffenen zitiert. Es gibt Regionen, in denen das Hochwasser schlimmer war als 2002. Dass dort eine Betroffene sagt, sie hätte gehofft, dass ihr genauso wie damals geholfen wird, dafür habe ich Verständnis. Kein Verständnis habe ich für Sie, dass Sie das in der politischen Debatte benutzen, um aus Einzelfällen ein Versagen der Regierung konstruieren zu wollen.
Wir wissen alle ganz genau, dass es nicht möglich ist, wie manche behaupten, zukünftig solche außergewöhnlichen Ereignisse zu verhindern.
Man kann damit umgehen lernen. Als ehemaliger Umweltminister habe ich diese Hochwassertage sehr aufmerksam verfolgt. Mein Eindruck ist, dass vieles besser gelaufen ist als 2002. Wir haben daraus gelernt. Ich habe von Politikern, aber auch von Betroffenen, die das beobachtet haben, durchaus bestätigt bekommen, dass hier und da tatsächlich eine dämpfende Wirkung des Ereignisses durch unsere Maßnahmen im Hochwasserschutz feststellbar war. Auch das findet nicht in der Debatte statt, deshalb muss es heute mit angeführt werden.
Ich finde es aber richtig, dass Sie sagen, es gibt nichts, was man nicht noch besser machen könnte. Wir werden genau unter die Lupe nehmen, wie die einzelnen Alarmwege eingehalten wurden. Ich will die sieben einzelnen Punkte nicht noch einmal anführen, aber wir müssen uns darauf konzentrieren, dass wir in Zukunft in Sachsen Maßnahme für Maßnahme abarbeiten. Kollegin Hermenau wird sicher den Klimawandel dafür verantwortlich machen. Man kann freilich auch auf Schulkenntnisse zurückgreifen und sich die Landkarte von Sachsen
anschauen. Dabei wird man feststellen, dass Sachsen ein Land ist, das außerordentlich von Hochwasser gefährdet ist, gelegentlich auch von Stürmen. Ich möchte heute noch einmal dafür werben, dass wir diese Ereignisse nicht vergessen und in richtiger Abwägung von Naturschutz und dem Schutz der Pflanzen- und Tierwelt, auch dem Menschen ein gewisses Recht auf Schutz einräumen, wenn wir die Anzahl unserer Flüsse und Bäche im Zusammenhang mit Extremereignissen anschauen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 7. August 2010 war eigentlich ein schöner Tag – nicht vom Wetter her, denn es hat geregnet, sondern weil viele gefeiert haben. An diesem Tag war Schulanfang. Andere haben den 60. Geburtstag eines Landrates gefeiert. Was uns dann am Abend an Informationen erreichte, zeigte schon, dass wir auf eine sehr dramatische Situation zusteuern. Denn wenn man hört, dass die Neiße, die einen normalen Pegelstand von 1,70 Meter hat, innerhalb kurzer Zeit auf 7,20 Meter anschwillt, muss einem klar sein, dass eine Katastrophe auf uns zurollt, die das bisher Gesehene in den Schatten stellt. Ich gebe Ihnen ja recht in der Aussage, die Sie uns gegenüber am Montag gemacht haben: dass die konkreten Ausmaße vor Ort mit dem vergleichbar sind, was wir bei der Flut 2002 erlebt haben. Ja, es ist regional begrenzt, aber es ist kein regionales Ereignis. Es muss weiterhin die Aufgabe von uns allen sein, uns mit dieser Sache zu beschäftigen und die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Ja, auch unser Mitgefühl gehört den Angehörigen, den Betroffenen. Auch unser Dank gilt all denjenigen, die tatkräftig mit angepackt haben und weiterhin anpacken. Jetzt geht es aber um die Frage, wie wir das Ereignis politisch bewerten. Sie haben dreimal in Ihrer Regierungserklärung gesagt, niemand soll wegen des Hochwassers in Existenznot geraten. Nur, ich sage Ihnen an dieser Stelle auch: Sie werden von uns kein Lob für Selbstverständlichkeiten erhalten. Was Sie getan haben, ist die Pflicht einer Regierung, nämlich zu schauen, inwieweit die Mittel und Möglichkeiten in den Ressorts genutzt werden können, um tatsächlich zu helfen. Aber ich sage Ihnen auch, dass Sie mit Ihrer Antwort, ein Darlehensprogramm aufzulegen, das Ziel nicht erreichen werden. Das können Sie mit den Betroffenen vor Ort diskutieren.
Frau Clauß war unterwegs und hat – die „Bild“ im Gepäck – einer Frau 1 500 Euro gegeben. Die Frau brauchte dieses Geld und hat es vor allem dafür genutzt, damit die Kinder weiter in die Schule gehen können. Nur, die Frau hat ihre gesamte Existenz verloren. Dabei reichen die 1 500 Euro nicht aus. Dann reicht auch die Aussage nicht aus, dann solle sie den Rest bitte über ein Darlehen machen. Das ist zynisch.
Ich sage Ihnen auch, es ist genauso zynisch, wenn wenige Tage nach der Hochwasserkatastrophe die Barauszahlung von Hilfsgeldern an Flutopfer mit den Worten abgelehnt wurde: Wenn wir jetzt ausgerechnet eine Ausnahme machen würden, dann kämen ja alle anderen auch, die irgendwann im Leben mal einen Unglücksfall erlebt haben. Diesen wahrhaft gemeinen Satz sprach übrigens Finanzminister Unland im MDR. Ich finde, das ist eine Sauerei.
Wir brauchen konkrete Hilfe. Sprechen Sie doch einmal mit den Leuten vor Ort und lassen Sie sich die Informationen nicht nur von Herrn Potemkin geben. Reden Sie doch mit den Unternehmen vor Ort. Fragen Sie die IHK und die Handwerkskammern in Ostsachsen direkt.