Protokoll der Sitzung vom 01.09.2010

Herr Morlok, Sie haben doch deren Forderungspapier bekommen. Lesen Sie es doch! Es geht bei den meisten Unternehmen tatsächlich um die Existenz. Viele haben tatsächlich schwere Zeiten erlebt, sind jetzt am Markt und durch eine Naturkatastrophe wieder in ihrer Existenz bedroht. Das betrifft das Textilunternehmen Damino in Großschönau, den Zelthersteller Yeti in Görlitz oder fit in Hirschfelde. Es geht um mehr als 2 000 Arbeitsplätze, es geht um 400 Betriebe. Dafür reicht kein Darlehensprogramm, sondern da müssen Sie konkret etwas tun.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wir haben dieselbe Situation doch aus den Kommunen gehört. Entschuldigung, die 5 Millionen Euro sind lächerlich. Das ist lächerlich. Sie haben doch selber die Schadenshöhe beziffert, aber Sie antworten den Kommunen mit einer Soforthilfe in Höhe von 5 Millionen Euro. Sie machen sich damit lächerlich.

Jetzt reden wir doch einmal über das Geld. Wir fordern doch nicht ohne Grund mindestens 100 Millionen Euro in einem Sonderprogramm, und wir sagen, dass das Geld vorhanden ist. Die 445 Millionen Euro, die von der Flut 2002 da sind, sind gebunden, aber noch nicht projektiert. Das heißt, es ist eine politische Willensentscheidung, was man mit dem Geld macht. Nun steht ein Bundesgesetz dagegen. Ja, was haben Sie denn getan, um mit den Bundesländern zu reden, damit Sie dieses Geld umwidmen können, damit Sie es nutzen können? Das haben Sie nicht getan.

Und dann können wir auch noch über die 72 Millionen Euro Zinsen sprechen, die bisher angelaufen sind. Warum nutzen Sie nicht die Spielräume, die Sie haben? Man kann der Opposition nicht vorwerfen, dass sie Geld fordere, das nicht vorhanden ist. Wir sagen Ihnen doch, woher Sie das Geld nehmen können.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Nur – das sage ich Ihnen auch –, bei Ihnen weiß eben die linke Hand nicht, was die rechte tut. Bei der Bürgermeisterkonferenz erklärte der Staatssekretär des Innenministe

riums, dass man sich in Berlin um die Umwidmung kümmere und dass man schauen wolle, welche Spielräume es für die 445 Millionen Euro gebe. Sofort sagt das Umweltministerium: Nein, macht das nicht, denn wir wollen ja das Geld für unsere Deichsanierung haben! – Und jetzt gibt es noch einen dritten Weg, den der Herr Ministerpräsident aufgezeigt hat. Er hat nämlich in seinem Brief an die Bundeskanzlerin lediglich von der Verschiebung der Frist 2013 gesprochen. Er hat darum gebeten, dass das Gesetz nicht 2013 ausläuft.

Das sind also drei verschiedene Wege. Was machen Sie denn nun konkret? Können Sie sich in der Regierung einigen? Aber bitte nicht auf dem Rücken der Betroffenen!

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Mein Eindruck ist: Ihnen geht es nicht um die Menschen, Ihnen geht es nicht um die Betroffenen. Sie haben nur ein einziges Ziel: billig davonzukommen!

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der Linksfraktion: Richtig! – Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Sie sehen das immer nur unter dem Finanzgesichtspunkt. Sie sehen hinter den Leuten schon die Haushaltsstellen, die sie kosten. Ich sage: Das ist zynisch!

(Beifall bei der SPD)

Natürlich gehören Aufarbeitung und Information dazu. Wir müssen weiter die Frage diskutieren, ob die richtigen Konsequenzen aus 2002 gezogen wurden und welche Konsequenzen man aus der jetzigen Flut ziehen muss. Dabei gehört es dazu, dass man auch die Pegelstände der Nebenflüsse berücksichtigt. Denn die Bürgermeister in der Sächsischen Schweiz wurden nicht von der Elbe überrascht, sondern von den Nebenflüssen.

Wir müssen über die Informationssysteme reden. Wie ich gehört habe, haben die einen per SMS eine Information bekommen, während die anderen auf das Fax gewartet haben.

Wir müssen darüber sprechen, wie das Krisenmanagement im SMI selbst läuft. Das Deutsche Rote Kreuz in Freital ist Träger einer Katastrophenschutzrettungsgruppe, die sowohl Wasser- als auch Luftrettung macht. Diese Gruppe ist aber weder in Alarmbereitschaft versetzt worden, noch wurde sie für die Rettung in den Hochwassergebieten angefordert. Die Verantwortlichen in Freital haben dann aus der Presse erfahren, dass Luftrettungseinheiten aus Hessen in Görlitz die Menschen aus den Wassermassen gezogen haben. Dazu haben wir schon ein paar Fragen.

Wir können gern über die Konsequenzen sprechen, gern auch über die Fragen der Pflichtversicherung. Ich kenne die europarechtlichen Bedenken, aber ich denke, an dieser Stelle muss man sagen, dass wir Lösungen organisieren

und schauen müssen, dass man also nicht vorzeitig sagt: Das geht sowieso nicht!

Es geht auch darum, dass wir generelle Lösungen finden, weil die Zahl der Katastrophen zunehmen wird. Alle Redner vor mir haben schon gesagt, dass wir uns wohl sicher sein müssen, dass das keine Einzelfälle sind, dass sich die Abstände zwischen den Wetterkapriolen verringern und ihre Ausmaße zunehmen.

Aber dann ist es umso wichtiger, dass wir Regelungen finden, die dann auch allgemein funktionieren und eben nicht von einer Katastrophe zur anderen individuell angepasst werden. Ich verstehe sehr wohl, dass die Menschen in der Region um Großenhain genau schauen, wie in den jetzt von der Flut betroffenen Regionen geholfen wird. Es muss schon darum gehen, dass wir tatsächlich transparente und nachvollziehbare Hilfeleistungen gewähren. Dabei reicht auch in diesem Falle ein Darlehensprogramm nicht aus, sondern hier geht es darum, dass wir uns auf weitere Krisenszenarien vorbereiten.

Insgesamt müssen wir uns vergegenwärtigen, dass es, selbst wenn wir uns jetzt schon mitten in den Haushaltsverhandlungen befinden, bei der konkreten Hilfe nicht um eine Haushaltsstelle, um eine Nummer geht, sondern immer um Menschen. Diese Menschen wollen Vertrauen in den Freistaat haben – Vertrauen, dass ihnen geholfen wird, und zwar nicht als Ersatz für eine Versicherung. Sie wollen wissen, dass ein Freistaat an ihrer Seite steht, der vor allen Dingen auch weiß, wie man hilft, und der sich nicht aus der Verantwortung stiehlt und hinter Darlehensprogrammen versteckt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Die FDP-Fraktion, bitte; Herr Abg. Zastrow.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In Sachen außergewöhnliche Naturereignisse meint es das Schicksal offenbar leider nicht besonders gut mit unserem Freistaat. Umso mehr möchte ich mich natürlich auch im Namen der FDP-Fraktion sehr herzlich bei den Helfern von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten, Katastrophenschutz und den vielen Ehrenamtlichen bedanken. Ohne ihren professionellen Einsatz wäre mit Sicherheit noch viel Schlimmeres in den Katastrophengebieten passiert.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Danken möchte ich auch der Sächsischen Staatsregierung.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Wofür?)

Ich tue das ganz bewusst und auch gleich zu Beginn meiner Ausführungen. Wenn man bedenkt, dass die Sächsische Staatsregierung bereits wenige Stunden nach der Katastrophe und zu einer Zeit, als beispielsweise in Ostritz das Wasser noch meterhoch in den Straßen gestanden hat, erste Hilfsprogramme zur Schadensbeseitigung

und zum Wiederaufbau in den betroffenen Gebieten verabschiedet hat, dann ist das eine ungeheuer große Geschwindigkeit und eine Tatsache, der man als Parlamentarier einfach nur Respekt zollen kann. Vielen Dank dafür!

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die jüngsten Schadensereignisse haben es wieder einmal gezeigt: Sachsen ist nun einmal ein besonders gefährdetes Gebiet. Das ist Sachsen schon sehr lange – mein Kollege Flath hat das vorhin schon in dieser Richtung ausgeführt – und übrigens nicht erst, seit man das Wort „Klimawandel“ kennt. Wer sich die Mühe macht und beispielsweise einmal in ein beliebiges Lexikon über sächsische Geschichte schaut, wird erkennen, dass es in Sachsen immer wieder Naturkatastrophen gegeben hat. Es wird ja meistens so getan, als wenn das Augusthochwasser von 2002 ein singuläres Ereignis gewesen sei, als wenn es so etwas beispielsweise an der Weißeritz oder auch im Müglitztal nie zuvor gegeben habe. Wer sich ein wenig auskennt, weiß, dass das eben kein singuläres Ereignis gewesen ist, sondern dass es auch in jüngerer Geschichte immer wieder ganz, ganz schlimme Verwüstungen gerade an der Weißeritz und im Müglitztal gegeben hat. Ich will nur daran erinnern, dass es beispielsweise 1897, 1927, 1954, 1957, 1958 – damals also ganz kurz hintereinander – ähnliche Verwüstungen wie 2002 gegeben hat.

Dass die Natur ab und zu verrückt spielt, gehört nun einmal seit Generationen zu unserem Leben hier in Sachsen. Deswegen ist es wichtig, dass wir – die Politik, aber auch jeder Bürger – aus den vergangenen Katastrophen lernen.

Die aktuellen Ereignisse zeigen eben auch, dass der Freistaat Sachsen aus den Ereignissen der Vergangenheit gelernt hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Auch wenn noch nicht alle Hochwasserschutzmaßnahmen umgesetzt sind, sind wir uns doch, denke ich, in einer Sache einig, nämlich darin, dass es ein Segen gewesen ist, dass der Freistaat Sachsen seit 2002 mehr als alle anderen Bundesländer in Deutschland in moderne Schutzmaßnahmen investiert hat. 351 Maßnahmenkomplexe wurden damals beschlossen. 72 Projekte sind inzwischen realisiert, 41 befinden sich im Bau, 238 Vorhaben sind in der Planungs- bzw. in der Genehmigungsphase und rund 400 Millionen Euro sind bereits verbaut. Ich glaube, am Ende werden wir auf Hochwasserschutzmaßnahmen im Wert von ungefähr 1 Milliarde Euro kommen. Das ist eine herausragende Leistung. Dafür haben wir auch die Solidarität anderer Bundesländer empfangen,

(Beifall bei der FDP und der CDU)

indem sie uns Mittel für den Hilfsfonds, den Martin Dulig vorhin angesprochen hat, zur Verfügung gestellt haben. Ich finde es schofelig, und ich finde es auch zynisch, so zu tun, als ob dieses Geld einfach so verfügbar wäre. Ich frage mich, liebe Kollegen von der SPD, was Sie denjeni

gen erzählen wollen, die beim nächsten Hochwasser irgendwo anders in Sachsen betroffen sind, die dann absaufen? Wollen Sie ihnen dann erklären: Wir konnten die Schutzmaßnahmen, die schon geplant waren, in Ihrer Region nicht umsetzen, weil die Mittel aus dem Hilfsfonds 2010 woanders für Direkthilfen ausgegeben werden?

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Das ist unanständig, so kann man keine Politik machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Dulig.

Sind Sie der Meinung, dass weiterhin die Erfüllung der Aufgabe des Hochwasserschutzes nur mit den Geldern aus 2002 möglich ist, oder ist es eine dauerhafte Aufgabe bzw. eine Aufgabe auch ohne diese Mittel aus dem Jahr 2002?

Das ist eine dauerhafte Aufgabe, das ist ganz klar. Das werden Sie auch im nächsten Doppelhaushalt sehen, in dem der Freistaat Sachsen – übrigens bevor diese Katastrophe passiert ist, also bereits vor dem Sommer – festgelegt hat, weiterhin enorme Summen für den Hochwasserschutz bereitzustellen. Deswegen ist das eine Daueraufgabe, sehr richtig. Aber ich bin sehr froh, dass wir damals die Solidarität vieler anderer Länder erfahren haben, und denen sind wir Rechenschaft schuldig. Daran müssen wir uns halten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Ich will trotzdem in die Runde fragen: Was wäre denn gewesen, wenn der Freistaat Sachsen damals, nach der Katastrophe 2002, die Prioritäten nicht derart gesetzt hätte? – Ich kann mich noch daran erinnern, dass es an vielen Stellen immer wieder Unkenrufe gegeben hat, dass man sich gerade in Zeiten knapper Kassen diese Ausgaben für den Hochwasserschutz vielleicht doch hätte sparen können. Ich wüsste nicht, wie wir dann heute diskutiert hätten. Ich bin mir sicher, dass die Folgen der jüngsten Ereignisse wesentlich dramatischer gewesen wären.