In der Vergangenheit hatten wichtige Aspekte im Zusammenhang mit der Haushaltsaufstellung bereits für parlamentarische Diskussionen gesorgt; etwa zur Haushaltsdebatte der Jahre 2005/2006 mit zahlreichen Auszeiten und umfangreichen Ankündigungen, den juristischen Weg vor den Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen zu gehen.
Zu diesem Zeitpunkt wurde die parlamentarische Debatte geführt über die Überdehnung von Flexibilisierungsinstrumenten, das Ausufern verbindlicher Haushaltsvermerke sowie Deckungsvermerke und geschlossene Deckungsringe.
Die vorgenannten Maßnahmen gingen bereits zum damaligen Zeitpunkt zulasten der parlamentarischen Kontrolle der Abgeordneten des Sächsischen Landtages. Der Ein
satz der vorgenannten Instrumente führte zu einem verwaltungsfreundlicheren Haushalt. Aber für die Abgeordneten des Sächsischen Landtages wird der Haushalt wesentlich intransparenter. Darüber hinaus wurden in der Vergangenheit Wirtschaftsermächtigungen mit unabsehbaren Folgen eingegangen.
Meine Damen und Herren! Im Kern gingen die skizzierten Maßnahmen im Rahmen der bisherigen Haushaltsaufstellung in Richtung einer freiwilligen Balanceverschiebung von der Legislative hin zur Exekutive.
Alle Forderungen und Vorschläge der damaligen Opposition zur Kurskorrektur in der Haushaltsaufstellung hin zu mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit wurden von der damaligen CDU/SPD-Koalition ignoriert.
Ich erinnere mich deshalb gut an die geführte Diskussion, weil auch die FDP-Fraktion einen Großteil dieser Kritiken und Anregungen teilte. Im Ergebnis der parlamentarischen Beratungen wurden keine größeren Änderungen beschlossen, die zu mehr Transparenz und größerer Nachvollziehbarkeit führten. Keine Fraktion des Sächsischen Landtages zog vor den Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen.
Vor diesem Hintergrund wurden auch die Doppelhaushalte für die Jahre 2007/2008 und 2009/2010 beschlossen. Mit seiner Beratenden Äußerung hat der Präsident des Sächsischen Rechnungshofes, Herr Prof. Dr. Karl-Heinz Binus, im Sommer dieses Jahres kurz vor der Beratung des ersten Doppelhaushaltes einer Koalition mit FDPBeteiligung die damaligen Bedenken und Anregungen zur Haushaltsaufstellung sozusagen amtlich beglaubigt.
Meine Damen und Herren! Wir haben die Anregungen und Verbesserungsvorschläge des Sächsischen Rechnungshofes gemeinsam mit unserem Koalitionspartner aufgegriffen und beauftragen die Sächsische Staatsregierung, notwendige Veränderungen etappenweise umzusetzen – im ersten Punkt die kurzfristig möglichen und im zweiten Punkt bis zur Aufstellung des nächsten Doppelhaushaltes 2013/2014 diejenigen, die mehr Zeit erfordern.
Meine Damen und Herren! Niemand war im Übrigen gehindert, die parlamentarische Initiative zu ergreifen. Doch außer der CDU/FDP-Koalition reagierte nur die SPD-Fraktion. Sie begnügte sich aber mit einer Anhörung. Der FDP-Fraktion geht es nicht um Aufrechnung früherer Versäumnisse. Wir wollen Veränderungen.
Diese erforderlichen Veränderungen bekommen wir jetzt. Deshalb danken wir dem Sächsischen Rechnungshof für seine Beratende Äußerung und ausdrücklich unserem Koalitionspartner, dass er sich gemeinsam mit uns dieser Problematik stellt.
Es ist bekannt, dass der Freistaat Sachsen als finanzpolitischer Musterknabe gehandelt wird. Aber dass diese Einschätzung völlig unverhofft auch noch von einem unverdächtigen Wissenschaftler bestätigt wird, ist besonders erfreulich. Das vom Deutschen Gewerkschaftsbund vorgestellte Vesper-Gutachten
bescheinigt dem Land – ich zitiere – „außerordentlich günstige finanzwirtschaftliche Lage“, sogar so günstig, dass sich für den Autor die Frage ergibt – Zitat –, „ob der Freistaat tatsächlich so eine restriktive Linie wie im Doppelhaushalt geplant, fahren sollte“.
Meine Damen und Herren! Lassen wir Frage und Antwort vorerst dahingestellt. Das wird noch ein spannender Streit im Rahmen der Haushaltsdiskussion.
Der erste Bericht des Staatsministeriums der Finanzen an den neu eingerichteten Stabilitätsrat – ebenfalls vor wenigen Tagen dem Haushalts- und Finanzausschuss zur Information zugeleitet – bestätigt gerade diese Sichtweise.
Meine Damen und Herren! Die Frage, die in diesem Zusammenhang gestellt werden muss, ist, ob nicht die vorgenannten Erfolge erst dadurch möglich wurden, weil der Haushaltsvollzug im Freistaat Sachsen flexibler gehandhabt wurde als in anderen Bundesländern. Diese Frage, meine Damen und Herren, müssen wir uns stellen.
An einem Beispiel, dem Paragrafen Sonstige Ermächtigungen und Regelungen, Absatz 3, wird dieser Sachverhalt deutlich. Diese Bürgschaftsermächtigung von bis zu 1,75 Milliarden Euro pro Jahr zieht sich in unveränderter Höhe durch alle sächsischen Haushalte bereits lange vor 2005. Auch im aktuellen Entwurf taucht sie wieder auf. Doch nur einmal hatte sie konkrete Folgen. Ende 2007 wurde dieser Passus genutzt, um kurzfristig die Bürgschaft einzurichten, die den Verkauf der Landesbank Sachsen überhaupt erst ermöglichte. Genau dabei erwies sich die von mir genannte Haushaltsflexibilität auch aus heutiger Sicht als ein kaum zu überschätzender Vorteil.
Meine Damen und Herren! Die Transparenz und Nachvollziehbarkeit eines Haushaltes ist und bleibt auch in Zukunft ein ständiger Abwägungsprozess zwischen den Rechten des Sächsischen Landtages sowie der von der Mehrheit des Parlaments getragenen Staatsregierung und deren Handlungsfähigkeit durch einen flexiblen Haushalt.
Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund meiner Ausführungen bitte ich um Zustimmung zum Antrag der CDU/FDP-Koalition.
Für die FDP-Fraktion sprach Herr Prof. Schmalfuß. Als Nächster spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Kollege Scheel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich muss schon sagen, Herr Prof. Schmalfuß, dass Sie ausgerechnet die Frage der Garantie zur Sachsen LB hier als Beweismittel anführen
für die Richtigkeit der Flexibilisierungsmaßnahmen, erschüttert mich. Denn auch Sie müssten mitbekommen haben, dass der Verfassungsgerichtshof gesagt hat, dass gerade dieses Handeln nicht mit der Verfassung des Freistaates Sachsen konform geht, dass dieses Handeln nicht hätte stattfinden dürfen.
Natürlich ist das, was wir an Flexibilisierung in unserem Haushalt haben, das Ergebnis von 20 Jahren sächsischer Haushaltspolitik. Natürlich ist das ein Ergebnis von 20 Jahren Aufbauleistung im Freistaat Sachsen, wo sich auch das eine oder andere „Gewohnheitsrecht“, wie es der Rechnungshof genannt hat, entwickelt und über die Jahre ausgeweitet hat, so ein bisschen nach dem Motto: Gib den kleinen Finger und irgendwann ist der Unterarm ausgerissen.
Das, was stattgefunden hat, ist in der Tat ein Übermaß an Flexibilisierung in unserem Haushaltsplan. Dieses Übermaß macht sich fest – und der Rechnungshof legt das sehr eindrücklich dar –, wie viele Titelgruppierungen wir haben. Man muss sich einmal vorstellen, dass 45 % aller Haushaltstitel in Gruppierungen zusammengefasst sind. Das heißt, sie sind gegenseitig mehr oder weniger deckungsfähig. Damit ist – und auch das stellt der Rechnungshof klar – der Tatbestand der Ausnahme dieser Titelgruppierungen nicht mehr gegeben, sondern es ist der Regelfall geworden.
Gleichzeitig haben wir 43 % Kopplungsvermerke, das heißt: Einnahmen sind mit Ausgaben gekoppelt. Das bedeutet: Wenn am Ende mehr Einnahmen reinkommen, steigt automatisch auch der Ausgabenansatz. Das ist nicht im Sinne eines klaren und wahren Haushaltes, wie es in den Haushaltsgrundsätzen festgehalten ist.
Wir haben mittlerweile den Umstand zu verzeichnen, dass nur noch 16 % unserer Haushaltstitel ohne einen Vermerk sind. Bei 16 % ist sozusagen klar, was eigentlich Aufgabe des Landtages ist: Sag, was für eine Aufgabe es ist, und sag, wie viel Geld herein kommt. 16 % sind nach diesem
Prinzip gestrickt, alles andere ist irgendwie mit einem anderen zusammen deckungsfähig, in Deckungsringen gekoppelt oder in Titelgruppen gruppiert.
Das kann kein Zustand auf Dauer sein. Auch hier müssen wir 20 Jahre nach der Deutschen Einheit, nachdem sozusagen die Aufbauleistungen mehr oder weniger abgeschlossen sind und wir uns gerade auf einem Konsolidierungspfad befinden, eingreifen. Wir müssen auf das notwendige Maß zusammenstreichen.
Wir haben 1 273 Übertragbarkeitsvermerke im nicht investiven Bereich. Für die, welche jetzt keine Fachleute sind: Übertragen werden dürfen normalerweise nur Ausgaben, die entweder investiv sind, oder zweckgebundene Einnahmen. Alles andere unterliegt eigentlich keiner Übertragung,
Sondern es muss besonders begründet werden. Bei 1 273 solcher Vermerke – 21 % sind das übrigens – kann man berechtigt davon ausgehen, dass der Nachweis der sparsamen und wirtschaftlichen Mittelverwendung nicht angetreten ist. Genau das kritisiert auch der Rechnungshof.
Was bedeutet das am Ende? Das bedeutet, dass der Haushaltsgrundsatz der sachlichen Bindung nicht mehr gegeben ist, weil der Zweck der Ausgabe nicht mehr klar erkennbar ist. Das bedeutet auch, dass der Grundsatz der Jährlichkeit des Haushaltes unterhöhlt wird. Ich spreche nur von den 2,8 Milliarden Euro übertragenen Haushaltsresten vom Jahr 2009 in das Jahr 2010 – ein neuer Rekord in Sachsen. Sicher sind auch eine Menge EU-Mittel dabei. Aber es ist ein neuer Rekord, wir können das festhalten. Der Rechnungshof hat das schon mit 2,4 Milliarden Euro kritisiert, wir sind drüber gegangen.
Auch das sorgt dafür, dass dieser Grundsatz der Jährlichkeit nicht mehr gegeben ist. Klarheit und Wahrheit lassen sich in diesem sächsischen Haushalt mehr und mehr vermissen. Dazu ein kurzes Zitat aus dem Fazit des Rechnungshofes, der beratenden Äußerung, die sehr verdienstvoll ist. Ich beginne sofort beim Fazit, erster Satz: „Nach Auffassung des Sächsischen Rechnungshofes wird das Budgetrecht des Landtages, bedingt durch die zunehmende haushaltsmäßige Intransparenz, zunehmend gefährdet.“ Und weiter: „Die dem Parlament vorgelegten Haushaltsentwürfe bieten aus unserer Sicht nur sehr eingeschränkt die Möglichkeit, bewusste Entscheidungen im Sinne einer Programmfunktion des Staatshaushaltsplanes zu treffen. Die haushaltsrechtliche Entscheidungsbefugnis wird zunehmend auf die Exekutive verlagert.“ Dazu auch noch ein letzter, sehr wichtiger Satz: „Andererseits wird durch die starke Kleinteiligkeit des Staatshaushaltsplanes eine nicht gegebene Transparenz vorgespiegelt.“
Dieses Fazit ist ein Armutszeugnis für die Staatsregierung, die solche Entwürfe vorlegt, aber natürlich auch für
Damit komme ich zu Ihnen, Herr Prof. Schmalfuß. Wenn Sie die großen Wächter der Einhaltung des Budgetrechts des Landtages sind, dann habe ich hier ein Beweismittel für Ihre Fähigkeiten, die Transparenz wieder herzustellen und den Landtag einzubinden. Ihr Staatsminister Sven Morlok, Einzelplan 07 – leider ist er gerade nicht da –, hat wirklich die Frechheit besessen, uns einen Haushalt mit einer Gruppierung vorzulegen, die Sie auf Seite 55 des Einzelplanes 07 nachlesen können. Dort steht: „Kosten für das Standort- und Tourismusmarketing, einschließlich Außenwirtschaft“. Es reicht schon nicht aus, dass man diese drei Dinge zusammenbringt, die nicht zusammengehören. Lustig ist, was darunter verstanden wird. Ich könnte Sie jetzt belustigen mit dem Verlesen der vielen Förderprogramme, die darin aufgehen. Hier zu glauben, dass der Haushaltsgesetzgeber noch weiß, worüber er beschließt, was enthalten ist und wohin welches Geld geht, ist illusorisch. Damit sind diese amtlich beglaubigten Bedenken der FDP, wie Sie das vorhin genannt haben, ad absurdum geführt, weil Ihr eigener Minister in seinem eigenen Haus das Gegenteil tut. Er weitet nämlich die Befugnisse der Staatsregierung aus, und das ist ein Skandal, lieber Herr Schmalfuß.