Aber welche praktische Bedeutung für die Verteilung der tatsächlichen Haushaltsmacht – wenn man dieses Wort hier so verwenden darf – ist von einer solchen Einschränkung, bitte schön, zu erwarten? Ich wage die Behauptung: So gut wie gar keine; denn in unserer Form von parlamentarischer Demokratie tanzt sowieso kaum ein Abgeordneter einer Regierungsfraktion aus der Reihe. Damit stehen alle Entscheidungen, zum Beispiel auch über die Umwidmungen im Haushalt, von vornherein fest. Sie werden genauso gefällt, wie es der Block von Regierung und Mehrheitsfraktionen im Parlament vorher intern vereinbart hat. Die parlamentarische Auseinandersetzung mag dann zwar noch öffentlichkeitswirksam sein, sie ist aber praktisch nie ergebnisoffen. Im Endeffekt hat sie kaum mehr als eine demokratische Alibifunktion. Zu einer tatsächlichen Ausübung des parlamentarischen Budgetrechtes würde sie erst dann werden, wenn Abgeordnete der Regierungsfraktionen in der Lage wären, einem Änderungsantrag der Opposition zuzustimmen, wie es Artikel 38 Grundgesetz und Artikel 39 der Sächsischen Verfassung vorschreiben.
Aber auch die sogenannte politische Korrektheit macht die Wahrnehmung des Budgetrechts und auch des sonstigen Gesetzgebungsrechts des Parlaments oder des Landtages illusorisch. Dazu gehört vor allem die Tabuisierung jedweder Kritik am demokratie- und grundgesetzwidrigen Einfluss der in gar keiner Weise demokratisch legitimierten EU-Kommission auf unseren Haushalt. Es ist schon vorgekommen, dass der Landtag für beliebige nachträgliche Umschichtungen im Haushalt, Einbringung neuer Haushaltstitel oder für andere Angelegenheiten eine Blankovollmacht ausgestellt hat, nur weil das sogenannte Operationelle Programm für EU-Strukturfonds zum Zeitpunkt des Haushaltsbeschlusses noch nicht von Brüssel genehmigt war.
Auch die heilige Kuh des sogenannten vertikalen Gleichmäßigkeitsgrundsatzes im kommunalen Finanzausgleich spricht dem parlamentarischen Budgetrecht Hohn. Ausgerechnet über eine der wichtigsten haushaltspolitischen
Fragen überhaupt, nämlich die Aufteilung der Gesamtfinanzmasse auf Land und Kommunen, darf hier bei uns im Landtag nicht einmal gesprochen werden. Jede Erwähnung dieser Frage seitens unserer Fraktion wurde bisher durch eine Schweigemauer der sogenannten demokratischen Fraktionen rigoros abgeblockt.
Meine Damen und Herren! Diese Beispiele machen deutlich, dass nicht nur strukturelle Defizite im Haushalt selbst sind, die der Wahrnehmung des Budgetrechts des Parlaments im Wege stehen, sondern in viel höherem Maße Defizite des parlamentarischen Systems und der bei uns vorherrschenden politischen Unkultur der Political Correctness.
Für die NPD-Fraktion sprach der Abg. Schimmer. Besteht bei der Staatsregierung Redebedarf? – Das ist nicht der Fall. Wir sind am Ende der ersten Runde angelangt und treten in die zweite Runde ein. Das Wort nimmt für die einbringende CDUFraktion der Kollege Rohwer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass wir einen Rechnungshof haben, der nicht nur seine Prüffunktion wahrnimmt, sondern auch das Parlament berät. Es ist gut, dass der Rechnungshof um seinen Präsidenten, Prof. Binus, diese Aufgabe der Beratung ernst und gewissenhaft angeht.
Es ist auch gut, dass wir heute über die wichtige Beratende Äußerung des Rechnungshofes zum Thema „Transparenz, Haushaltsflexibilisierung, Budgetrecht Schritte zu einer neuen Haushaltsgeneration“ diskutieren. Zunächst geht mein Dank an den Sächsischen Rechnungshof, der mit der Beratenden Äußerung dazu beiträgt, unseren Haushalt zu optimieren und Schwachstellen aufzuzeigen.
Gleich die ersten beiden Wörter im Titel der Beratenden Äußerung des Sächsischen Rechnungshofes – Transparenz und Haushaltsflexibilität – zeigen die Schwachstellen des Haushaltsentwurfes auf. Nach Meinung des Rechnungshofes fehle es an Transparenz. Die Haushaltsflexibilisierung wird in einem zu großen Maße betrieben, heißt es in den Ausführungen.
Allerdings müssen immer beide Seiten ein und derselben Medaille betrachtet werden. So ist es unumgänglich, sich die vergangenen Haushalte vor Augen zu führen, denn diese haben wir hier in diesem Parlament beschlossen. Eine hohe Haushaltsflexibilität war vonnöten. Nach meiner festen Überzeugung ist sie in Aufbaujahren – und der Aufbau unseres Landes ist noch nicht beendet – an vielen Stellen richtig und wichtig.
Jedoch kam sie in der Größe, wie wir als Parlament sie beschlossen haben, nie in vollem Umfang zur Anwendung, sondern nach meiner festen Überzeugung in einem benötigten Maße. Man kann sich auf der einen Seite den Haushaltsplan, wie wir ihn beschlossen haben, anschauen. Man muss aber auch einen Blick in die Haushaltsrech
nung werfen. Dann sehen Sie, wie das Geld, welches der Landtag beschlossen hat, durch die Legislative, die Regierung, in der Tat ausgegeben worden ist.
Dieser Mühe habe ich mich natürlich auch unterzogen. Bei einigen Rednern hatte ich den Eindruck, dass sie sich dieser Mühe nicht unterzogen haben. Sie könnten dann erkennen, dass die Regierung in jedem Falle die vom Parlament beschlossenen haushaltspolitischen Leitlinien eingehalten hat. Ein zu starrer Haushalt würde zu Stockungen und hohen bürokratischen Hürden führen.
Des Weiteren ist es vollkommen richtig, dass die Transparenz des Haushalts an oberster Stelle zu stehen hat; denn ansonsten kommt es zu der in unserem Antrag und vom Sächsischen Rechnungshof angemahnten ernsthaften Gefährdung des Budgetrechts des Gesetzgebers, verbunden mit eingeschränkter Steuerungs- und Kontrollfähigkeit.
Zusammenfassend kann es deshalb nur heißen: Flexibilität in einem ausgewogenen Maß ja und Intransparenz nein. Es gilt, eine Balance zwischen Haushaltsflexibilität und Transparenz zu finden. Das ist in der Tat keine leichte Aufgabe, die mit großem Augenmaß unter ein Dach zu bringen ist.
Genau dort setzt der Antrag der Koalitionsfraktionen an, indem wir sagen: In einer Partnerschaft zwischen Koalitionsfraktionen und der von ihnen getragenen Regierung muss es möglich sein, dass die Regierung auf die Beratende Äußerung des Rechnungshofes als Erste reagieren kann, indem sie selbst Vorschläge ins Parlament einbringt, um Veränderungen vorzunehmen.
Ja, Frau Hermenau, das kann auch ein größerer Stapel sein. Wir werden sehen, was die Ergänzungsvorlage diesmal bringt. Die Abgeordneten haben in der Vergangenheit ja eher selten in die Ergänzungsvorlage geschaut, weil sie Haushaltstechnik umfasst hat und nicht in dem Maße haushaltsrelevant war, wie es vielleicht vermutet wird. – Das ist der erste Schritt.
Dann ist das Parlament spätestens im Dezember selbst an der Reihe, seine Möglichkeiten zu nutzen; denn wir sind der Haushaltsgesetzgeber – das ist schon mehrfach ausgeführt worden – und das werden wir als Parlament auch tun.
In einem dritten Schritt wird es um den Doppelhaushalt 2013/2014 gehen, wobei wir es in der Tat für richtig finden, die Anhörung, die die SPD zur Beratenden Äußerung beantragt hat, im Januar zu platzieren, um damit bereits die Diskussion für den nächsten Doppelhaushalt 2013/2014 zu beginnen.
Um weiterhin eine ausgewogene Flexibilität und volle Transparenz im Haushalt zu garantieren, bitte ich dem Antrag der Koalitionsfraktionen zuzustimmen.
Ein letztes Wort zum Haushaltsresteverfahren, weil das hier in der Debatte angesprochen worden ist: Ja, das Haushaltsresteverfahren hat in der Gesamtsumme einen Höchststand erreicht. Aber, Kollege Scheel, wir haben es im Haushalts- und Finanzausschuss besprochen: Das hat auch seine Gründe.
Zum einen hatten wir im letzten Haushaltsresteverfahren, Herr Kollege Scheel, keine Übertragbarkeiten von Konjunkturpaket-II-Mitteln in dem Maße wie diesmal gehabt. Diese müssen übertragen werden, sonst können die Investitionen nicht abfließen. Die KP-II-Mittel sind genau dafür da. Dieses Haushaltesresteverfahren von 2009 zu 2010 hat deshalb stattgefunden.
Dasselbe gilt auch für die EU-Mittel, die wir nicht verfallen lassen wollen, denn wir wollen sie weiterhin in der Höhe, wie wir sie mit der EU verhandeln konnten, zur Ausgabe bringen. Das heißt wiederum, dass 700 Millionen Euro Landesmittel im Haushaltsresteverfahren übrig bleiben. Gerade darüber hat der Haushalts- und Finanzausschuss intensiv diskutiert, wie dies zurückgeführt werden kann. Ich denke, dass der Haushalts- und Finanzausschuss auch deswegen seinen Vor-Ort-Termin im Finanzministerium vereinbart hat. Wenn dieser wahrgenommen wurde, dann sollten wir noch einmal über das Haushaltsresteverfahren im Haushalts- und Finanzausschuss diskutieren.
Vielen Dank. – Ist Ihnen denn auch aufgefallen, dass der Rechnungshof schon im letzten Jahr, als es um 2,4 Milliarden Euro ging, kritisiert hat, dass sich auch die Höhe der Landesmittel exponentiell einfach erhöht und dass wir mit 700 Millionen Euro auch dort einen der höheren Stände erreicht haben, nicht den Höchststand, aber einen der höheren Stände?
Ja, das ist mir aufgefallen, aber aus diesem Grunde diskutiert der Haushalts- und Finanzausschuss das Haushaltsresteverfahren derzeit intensiver.
Herr Kollege Scheel, Sie sind der Vorsitzende des Haushalts- und Finanzausschusses und wissen das. Ich möchte davor warnen, dass die Haushälter diese haushaltstechnische Debatte, die es ja letztendlich ist, hier weiter im Plenum führen. Berechtigterweise geht der Haushalts- und Finanzausschuss in diesem Jahr einen anderen Weg zum Haushaltsresteverfahren.
Am Ende der Diskussion zum Haushaltsresteverfahren müssten wir insbesondere auch noch einmal darüber nachdenken, ob Beträge von beispielsweise 38,31 Euro übertragen werden sollten oder ob es da nicht eine Bagatellgrenze geben kann. Das alles sind Dinge, die im Haushalts- und Finanzausschuss zu bereden sind, aber mit der Beratenden Äußerung des Rechnungshofes heute erst einmal relativ wenig zu tun haben. Deswegen habe ich dies an das Ende meiner Ausführungen gestellt; ich wollte es hiermit klarstellen.
Für die CDU-Fraktion sprach Herr Kollege Rohwer. Gibt es bei der miteinbringenden Fraktion, der FDP, einen zweiten Redebedarf? – Das ist nicht der Fall. Gibt es bei der Linksfraktion Redebedarf? – Besteht Redebedarf aus den Reihen der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Ich bitte die Staatsregierung, das Wort zu nehmen. Bitte, Herr Finanzminister, Herr Staatsminister Prof. Unland.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Grundsatzfrage, die in den Beratenden Äußerungen des Rechnungshofes angesprochen wird, ist: Wie viel Flexibilität möchte der Landesgesetzgeber der Verwaltung im Haushaltsvollzug einräumen? Diese Frage muss letztlich der Landtag entscheiden.
Als Finanzminister kann ich nur die Bitte äußern, eine gewisse Flexibilität für die Staatsverwaltung zu gewährleisten, und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens, die Staatsregierung muss auf unvorhersehbare Entwicklungen reagieren können und zweitens, die Flexibilität ermöglicht, die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Mittel zu erhöhen. Ein typisches Beispiel sind die Baumaßnahmen. Durch Deckungs- und Übertragungsvermerke wird der Verwaltung mehr Handlungsfreiheit gegeben. Sie kann damit zügiger und situationsbezogen beispielsweise auf Bauverzögerungen oder sich unterschiedlich entwickelnde Baubedarfe reagieren.
Die Äußerungen des Rechnungshofes bestätigen, dass das bisherige Verfahren der Staatsregierung gesetzeskonform ist. Die Diskussion ist daher keine Frage der Rechtmäßigkeit, sondern eine Frage der Zweckmäßigkeit. Welcher Weg gewählt wird, bestimmt der Landtag. Ziel sollte ein sachgerechter Mittelweg sein, der dem Zielkonflikt zwischen Budgetrecht auf der einen Seite und dem flexiblen Verwaltungshandeln auf der anderen Seite gerecht wird.
Die derzeitigen parlamentarischen Beratungen zum Haushalt bieten den geeigneten Rahmen, um diese Frage
anzugehen. Finanzministerium und Fachressorts stehen Ihnen, den Abgeordneten, für eine ergebnisoffene Diskussion zur Verfügung. Die Staatsregierung wird mit der Ergänzungsvorlage erste Vorschläge zur Bereinigung von Haushaltsvermerken vorschlagen.