Protokoll der Sitzung vom 29.09.2010

Jeder Versuch, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hinsichtlich ihrer Programmvielfalt, hinsichtlich ihres Agierens im Netz oder hinsichtlich der Sendeformate einzuschränken, bedeutet letztlich immer nur, ihre Reichweite und ihre Akzeptanz bei unterschiedlichen Nutzergruppen einzuschränken. Es bedeutet, den öffentlichrechtlichen Anstalten bewusst Fesseln anzulegen. Es bedeutet, den Stellenwert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu verringern und damit zugleich den Marktanteil des privaten, des kommerziellen Rundfunks zu erhöhen. Wer immer dies tut, betreibt das Geschäft der privaten Medienkonzerne. Das muss man deutlich sagen.

Dazu gehört es dann auch, dass Sie außerdem noch dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Geldhahn zudrehen. Zu verlangen, dass die Rundfunkgebühren auf ein Drittel des bisherigen Niveaus, also von knapp 18 Euro auf knapp 6 Euro sinken sollen und zugleich den Anstalten andere Einnahmen, zum Beispiel aus Werbung, völlig zu verbieten, das ist nichts anderes als das Zudrehen des

Geldhahns, und zwar in besonders plumper Form. Es geht Ihnen nicht um Werbefreiheit, es geht Ihnen um die finanzielle Erdrosselung. Die NPD biedert sich in diesem Antrag in unglaublicher Art und Weise bei den privaten Medienkonzernen an.

(Jürgen Gansel, NPD: Es geht um Gebührenzahlerentlastung, aber das verstehen Sie nicht!)

Das ist es doch, was in Wahrheit hinter Ihrem Antrag steckt. Wobei ich im konkreten Falle davon ausgehe, dass auch diesen privaten Medien die Unterstützung durch die Nazis und ihre Anbiederung eher peinlich sein dürfte.

Mit uns ist das nicht zu machen. Wir haben auch kein Verständnis für Hetzkampagnen gegen den öffentlichrechtlichen Rundfunk. Wir sind für einen vielfältigen, interessanten und ausreichend finanzierten öffentlichrechtlichen Rundfunk. Grundversorgung ist für uns mehr als ein unterfinanzierter Einheitssender nach dem Gusto der NPD. Das schließt für uns ein, dass dieser natürlich sorgsam und wirtschaftlich mit den Rundfunkgebühren der Bürgerinnen und Bürger umgehen muss. Dafür sind wir immer eingetreten.

Meine Dame, meine Herren von der NPD, Sie werden von uns nicht ernsthaft erwarten, dass wir diesem Antrag zustimmen. Wir werden das natürlich nicht tun. Wir werden den Antrag ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Gibt es weitere Wortmeldungen in der ersten Runde der allgemeinen Aussprache? – Das kann ich nicht erkennen. Staatsregierung? – Nicht gewünscht. Damit würden wir zur zweiten Runde kommen. NPD-Fraktion? – Herr Gansel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Neubert, ich kann Ihnen versichern, dass wir bei der Abfassung unseres Antrages weder an den Volksempfänger noch an den Großdeutschen Rundfunk gedacht haben. Aber Sie hatten während Ihres Redebeitrages wahrscheinlich den „Schwarzen Kanal“ oder die „Aktuelle Kamera“ im Kopf.

Ich möchte noch einmal auf unseren Antrag eingehen und einige Aspekte anführen, die die Stoßrichtung unseres Antrages untermauern.

Die GEZ als Supermeldebehörde ist eine Bedrohung für die Bürgerrechte, worauf nicht nur Datenschützer unentwegt hinweisen. Zur Datenschutzproblematik sei nur kurz Andreas Schurig zitiert, der am 2. Juli zur Gebühreneintreibung durch die GEZ erklärte: „Ein neues Gebührenmodell ist notwendig. Es ist aber enttäuschend, dass keine grundlegende und grundrechtschonende Änderung angestrebt wird. Würde der Staatsvertragsentwurf so umgesetzt, würde die GEZ damit faktisch zur Supermeldebehörde.“ Im Klartext bedeutet das, dass die GEZ, gewis

sermaßen das aggressive Inkassoinstitut von ARD, ZDF und Deutschlandradio, mit dem neuen System über eine riesige Datenbank verfügen würde, deren Datenmenge über den Inhalt der offiziellen Melderegister hinausginge. Auf diesen enormen Datenbestand hätte nach aktueller Rechtslage bundesweit jeder Sachbearbeiter der GEZ Zugriff.

Ein weiterer Kritikpunkt der NPD ist das Wuchern der öffentlich-rechtlichen Sender durch selbst genehmigte Internetauftritte. Genau wie Paul Kirchhof hat auch der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier ein Gefälligkeitsgutachten für die öffentlich-rechtlichen Sender erstellt, in dem er die Zulässigkeit der immer umfangreicheren Onlineauftritte von ARD und ZDF behauptet. Bislang wurde pro forma noch darauf geachtet, dass die im Internet präsentierten Informationen der Staatssender nicht „presseähnlich“ aufgemacht sind. Nach Auffassung Papiers hat aber nur als „presseähnlich“ zu gelten, was wie eine gedruckte Zeitung aussieht, also so gut wie nichts. Alles andere ist nach seiner Auffassung eine Art Rundfunk und falle damit auch unter den Grundversorgungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ kommentierte dies am 21. Juli dieses Jahres so: Dieser Auftrag „verkündet nichts anderes als einen totalen Machtanspruch, das Ende der freien Presse und die Herrschaft des Staatsjournalismus. Das Internet, die Presse werden zum Rundfunk und zu einer hoheitlichen Aufgabe erklärt.“ Das bedeutet, dass auch Personen ohne Internetanschluss für die Internetauftritte der Sender zur Kasse gebeten werden, genauso wie diejenigen, die gar keine Fernseh- und Radioberieselung durch die öffentlich-rechtlichen Institute wünschen.

Ein weiterer Kritikpunkt der NPD ist die erhebliche Mehrbelastung privater Unternehmen durch die Umsetzung des Kirchhof-Gutachtens. Viele Branchenvertreter laufen schon Sturm gegen die Gebührenabzocke und erwägen eine Verfassungsklage.

Ein Gebot der Vernunft – ich wiederhole es noch einmal – ist nach NPD-Auffassung die Forderung nach einer Zusammenlegung von ARD, ZDF und Deutschlandradio, um beträchtliche Einsparpotenziale zur Entlastung der Gebührenzahler freizulegen.

Die privaten Sender haben in den letzten Jahren massiv gespart, weil sie eben nicht an der öffentlich-rechtlichen Gebührenschraube drehen können. Der Verband Rundfunk und Telemedien der Privaten hat ein Einsparpotenzial von 1 Milliarde Euro bei ARD und ZDF errechnet,

aufgeteilt auf Sportrechteetat, Spielfilmbudget, Digitalkanäle und einen Einstellungsstopp. Denn ARD und ZDF reichen selbst 51 000 Mitarbeiter immer noch nicht aus.

Aus Sicht der NPD-Fraktion muss der Quasi-Staatsfunk endlich wieder auf seine eigentliche Aufgabe zurechtgestutzt werden, wie sie im § 11 des Staatsvertrages für Rundfunk und Telemedien niedergeschrieben ist. Danach haben sie „der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten.“ Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung – das ist die Reihenfolge nach dem Gesetz. Die heutige Programmwirklichkeit hat damit aber nichts mehr zu tun. Deshalb sind nach unserer Auffassung grundlegende Korrekturen im öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem vorzunehmen, das im letzten Jahr rund 7,26 Milliarden Euro an Gebühren einsackte.

Hiermit ist auch unser Änderungsantrag eingebracht, der vorsieht, auch Blinde, Sehbehinderte und Gehörlose von der Haushaltsabgabe zu befreien.

Ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der NPD)

Möchten die Fraktionen noch das Wort ergreifen? – Das kann ich nicht erkennen. Die Staatsregierung? – Auch nicht. Das Schlusswort für die NPD-Fraktion? – Auf das Schlusswort wird verzichtet. Der Änderungsantrag der NPD-Fraktion, Drucksache 5/3763 wurde schon eingebracht.

Meine Damen und Herren, ich lasse als Erstes über den Änderungsantrag der NPD-Fraktion abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist bei einigen Jastimmen der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt.

Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 5/3092 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Vielen Dank. Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Damit ist bei einigen Dafür-Stimmen mehrheitlich die Drucksache 5/3092 nicht beschlossen.

Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 11

1. Bericht des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa zur Lage des Jugendstrafvollzugs in Sachsen

Drucksache 5/2023, Unterrichtung durch das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Europa

Drucksache 5/3623, Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses

Falls seitens der Fraktionen dazu das Wort gewünscht wird, hat das Präsidium dafür eine Redezeit von 10 Minuten je Fraktion festgelegt. Ich frage Sie, ob dies gewünscht wird. – Ja, das wird gewünscht. Die Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich frage die CDU-Fraktion. – Das kann ich nicht erkennen. Die Fraktion DIE LINKE? – Sie möchte. Herr Bartl.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erstens. Das am 01.01.2008 in Kraft getretene Sächsische Jugendstrafvollzugsgesetz legt im § 114 fest, dass der zuständige Staatsminister in zweijährigen Abständen zur Lage des Jugendstrafvollzuges in Sachsen gegenüber dem Landtag berichten muss. Der 1. Bericht liegt vor, und wir haben uns bereits im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss für diesen durchaus substanziellen Bericht bedankt und tun das hier nochmals.

Zweitens. Der Beratung im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss war am 18. August eine Sachverständigenanhörung vorausgegangen, an der neben Theoretikern und Wissenschaftlern auch viele Praktiker teilgenommen hatten, und es hat sich gezeigt, dass sich in der Entwicklung des Jugendstrafvollzuges in Sachsen durchaus Positives entwickelt hat, aber auch, dass wir mit der Verwirklichung der Maßstäbe des Jugendstrafvollzugsgesetzes in Sachsen, das der vorausgegangene Landtag in diesem Hohen Hause erst vor zwei Jahren beschlossen hat, noch nicht am sicheren Ufer sind. Wir haben durchaus noch einen erheblichen Weg zu beschreiten.

Das hat, nebenbei bemerkt, auch der Staatsminister in der entsprechenden Stellungnahme vor dem Ausschuss so eingeschätzt. In der Beschlussempfehlung wird es wiedergegeben. Hier war von ihm selbst die Rede davon, dass die notwendigen Verbesserungen in personeller Richtung, in der Frage der Entwicklung des Behandlungsvollzuges und in der Struktur „eingeleitet sind“. Das ist der Stand, auf dem wir sind.

Nur – das ist es, was uns beschwert –: Ein erheblicher Anteil der im Bereich beabsichtigten Kürzungen bzw. Einsparungen für das Justizministerium wird die Stellen im Justizvollzug treffen. Dazu meinen wir, dass bei der momentanen Bestandsaufnahme allzumal der Jugendstrafvollzug keine weiteren Personaleinsparungen verträgt und dass dies auf keinen Fall geschehen kann. Im Gegenteil, wir müssen gerade auch in der JSA Regis-Breitingen die personellen Ausstattungen weiter verbessern.

Drittens. Wir sind der Auffassung, dass wir mit diesem Jugendstrafvollzugsgesetz einen Gesetzesbefehl haben, auch hinsichtlich der Frage, dass im Freistaat Sachsen ein bestimmter Anteil an Vollzug in offenen Formen sowie ein Vollzug in freien Formen errichtet werden soll. Durch die jetzt vorliegenden Haushaltsvorlagen und die entsprechenden Anträge ist unter anderem vorgesehen, dass in den nächsten zwei Jahren nichts in die beabsichtigte Entwicklung eines Vollzuges in freien Formen investiert werden würde. Ob man tatsächlich ein Gesetz zwei Jahre lang suspendieren und sagen kann, wir führen das 2014 oder 2015 weiter, das halten wir für sehr bedenklich, und wir haben auch dahin gehend Bedenken, dass das, was sich inzwischen positiv entwickelt hat, unter Umständen dadurch wieder unter die Räder gerät und wir letzten Endes von Neuem beginnen müssen.

Viertens. Es ist unbestritten, dass neben bestimmten Schatten in dem Bericht auch viel Licht ersichtlich wird, und wir meinen, dass gerade in der Entwicklung der Struktur an Bediensteten in der JSA Regis-Breitingen, in der Auffüllung der Erzieherinnen und Erzieher, in der Frage der Entwicklung von Sozialarbeitern im Jugendstrafbereich und auch von externen Therapeuten durchaus der richtige Weg beschritten worden ist.

Aus dieser Sicht werden wir dem Bericht zustimmen und bedanken uns für die bisherige Arbeit auch beim Staatsministerium.

Danke.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Mann spricht für die SPD-Fraktion als Nächster in der Reihenfolge der allgemeinen Aussprache.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich muss zunächst sagen, ich finde es etwas schade, dass weder die Staatsregierung noch die Regierungskoalition zu diesem 1. Bericht über den Jugendstrafvollzug sprechen will.

(Zuruf des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Das wissen Sie doch gar nicht.

(Zuruf des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Sie reden noch? Wenigstens etwas. Gut. Da freue ich mich schon drauf.

(Tino Günther, FDP: Wenigstens? Aber hallo! Da fehlt der Respekt!)