Protokoll der Sitzung vom 30.09.2010

Sie haben mit Ihrem Atomkraftausstieg eine Entwicklung verhindert, als in Europa und auf der restlichen Welt durchaus neue Atomkraftwerke gebaut wurden. Wenn die Angaben stimmen, dass wir ab 2050 ein Drittel der Energie einkaufen müssen, dann haben Sie eine entscheidende Aktie daran.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie eine weitere Zwischenfrage zu, Kollege Heidan?

Hier gilt aber die Zeit; ich möchte nur darauf aufmerksam machen. – Ja, Herr Lichdi.

Vielen Dank. Ich habe Sie also richtig verstanden: Sie plädieren dafür, dass diese Lücke von einem Drittel des Strombedarfs im Jahr 2050 – nach Deutschland zu importieren – dadurch geschlossen werden solle, dass man neue Atomkraftwerke auch in Sachsen baut. Habe ich Sie da richtig verstanden?

Sie haben wahrscheinlich heute Morgen meinen Ausführungen nicht aufmerksam zugehört. Heute Morgen habe ich von einem vernünftigen Energiemix gesprochen. Dazu gehören Atomstrom als Brückentechnologie und auch die Kohlenkraftwerke. Wenn es bessere technologische Lösungen gibt, dann soll das so sein. Sie aber machen mit Ihrer Diskussion einen Popanz für die Atomkraftwerke auf, was nicht sachgerecht ist. Neue Atomkraftwerke werden nämlich auf der Welt gebaut, und weil das in Deutschland nicht möglich ist, ist diese Technologie nach außen gedrungen.

(Oh-Rufe von den GRÜNEN – Zuruf von der Linksfraktion: Spionage!)

Herr Kollege Heidan, wollen Sie weitere Zwischenfragen beantworten?

Nein, ich mache hier keinen Dialog mit Herrn Lichdi. Das können wir gern zu vorgerückter Stunde an anderer Stelle tun.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Wir haben heute in der Aktuellen Debatte über eine sichere und bezahlbare Energieversorgung in Sachsen, die auf Antrag der Koalition stattgefunden hat, ausführlich diskutiert. Deshalb möchte ich mich noch einmal kurz zu dem Tohuwabohu des vorliegenden Antrages äußern.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Was?)

Allein die Überschrift liest sich wie eine Wunschliste eines Kindes zum Weihnachtsfest, passt aber nicht zu den Forderungen im Antrag. Ich kann es nicht richtig deuten. Herr Lichdi, Sie hatten es jetzt zwar noch einmal vorgetragen, aber Ihre drei Punkte sind für mich nicht erklärbar. Erstens verlangen Sie eine Novelle zur Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Nein! – Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Ganz im Gegenteil!)

und fordern dann in Punkt 2, dass das abgelehnt wird.

Im dritten Punkt soll bei Nichtbefassung des Bundes zur Novelle dann noch die Staatsregierung eine Klage erheben. Diese Wechselwirkung sollten Sie vielleicht noch einmal in der zweiten Runde erklären; das versteht kein Mensch hier in diesem Saal. Zumindest ist es von der Antragstellung her nicht erklärlich, worauf Sie hinaus wollen.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das ist aber schlecht für die Demokratie, wenn es keiner versteht!)

Ich sage es an dieser Stelle noch einmal: Unsere Fraktion hält den nunmehr vorliegenden Kompromiss zur Laufzeitverlängerung für tragfähig und energiepolitisch sinnvoll. Die Verlängerung sichert uns in Deutschland die Wettbewerbsfähigkeit mit anderen europäischen Ländern, insbesondere mit dem Nachbarland Frankreich. Herr Lichdi, schauen Sie mal dorthin, was in den letzten Jahren gebaut wurde. Es waren keine Kohlenkraftwerke; es waren andere Kraftwerke.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Die sind alle älter!)

Gleichwohl setzen wir auf den Ausbau der Nutzung von erneuerbaren Energien in Sachsen. Die vielen Initiativen bis hin zu Verbundinitiativen zur erneuerbaren Energie sind ein Beweis dafür, dass es uns mit dieser Zielstellung der stärkeren Nutzung erneuerbarer Energien auch wirklich ernst ist.

Nicht das Fordern immer unrealistischer anmutender Zielstellungen, sondern das tatsächliche Umsetzen des in Sachsen Machbaren ist die Grundlage der Energiepolitik in diesem Land und Aufgabe dieser Regierungskoalition.

(Beifall bei der CDU)

So darf man auch die Forderung verstehen, die unseren Wirtschaftsminister Herrn Morlok zu der Aussage gebracht hat, die Laufzeitverlängerung nicht in der ursprünglich vorgelegten Form mittragen zu wollen. Sachsen setzt auf einen ausgewogenen und versorgungstechnisch stabilen Energiemix – ich hatte es heute Vormittag schon betont –, in dem unsere heimische Braunkohle eine wichtige Rolle spielt. Sie sichert Arbeitsplätze in der Lausitz und ermöglicht es darüber hinaus, die Energieversorgung mit einem einheimischen Energieträger unter Nutzung neuester Technologien klimafreundlich sicherzustellen.

Die Meldungen aus den letzten Tagen haben mich sehr erfreut, dass es der Bergakademie Freiberg gelungen ist, die heimische Braunkohle zu verflüssigen, um Treibmittel daraus zu produzieren. Auch das ist etwas Erfreuliches. Man darf natürlich nicht zu technologiefeindlich sein und schon vorher in bestimmten Rastern denken, wie es die GRÜNEN machen. Da ist auch eine Nachbesserung des bisherigen Kompromisses ein Erfolg für die Sicherung der sächsischen Energieversorgung und die Arbeitsplätze in der Braunkohle. Warum, liebe Kollegen der GRÜNEN, sollten wir diesen guten und tragfähigen Kompromiss wegen ideologischer Engstirnigkeit aufs Spiel setzen?

Kernkraft wird über einen gewissen Zeitraum auch mit Blick auf die Sicherung unserer Grundlast – das ist ja immer wieder das Thema – erforderlicher Bestandteil in der Energieversorgung in Deutschland bleiben. Das halte nicht nur ich für vernünftig, sondern das halten wir als Fraktion für eine vernünftige Alternative. Gleichwohl ist der Ausbau der erneuerbaren Energien durch eine solche Entscheidung überhaupt nicht gefährdet. Die politischen Zielsetzungen wurden nicht geändert.

Inwieweit Stadtwerke betroffen sind, kann ich wirklich nicht erkennen und ich möchte Sie herzlich bitten, unsachliche Begründungen und Horrorszenarien, wie sie in Ihrem Antrag vorkommen, künftig eventuell zu vermeiden. Ich jedenfalls kann es nicht nachvollziehen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Wir haben in Deutschland das Gesetz über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien – Herr Lichdi, das dürfte Ihnen bekannt sein; ich lasse keine Zwischenfrage zu – für das öffentliche Netz, das sogenannte Stromeinspeisungsgesetz. Dieses regelt klar, dass der von Ihnen beschriebene, in den Anlagen von Stadtwerken produzierte Strom eingespeist und vergütet wird. Wo sehen Sie also das Problem?

Die Frage der Quersubventionierung im Bereich der Stadtwerke als Argument anzuführen halte ich für noch abenteuerlicher. Statt Transparenz in der Preisgestaltung wollen Sie Hallenbäder und eventuell eine Buslinie durch hohe Strompreise finanzieren und halten dies auch noch gegenüber dem Endverbraucher für fair. Ich halte das für intransparent und die Aufsichtsbehörden werden dagegen vorgehen. Das wird mit uns nicht zu machen sein.

Zudem führt es zur Verzerrung der öffentlichen Haushalte. Sie wissen, wir werden in kürzester Zeit die Doppikverfahren in allen sächsischen Kommunen haben. Deshalb lehnen wir diese Quersubventionierungen, die in Ihrem Antrag beschrieben sind, ab. Im Übrigen wird es Sie nicht verwundern, dass wir auch Ihren Antrag ablehnen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Das war Herr Heidan für die CDU-Fraktion. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Dr. Runge. Frau Dr. Runge, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lediglich in einem Kritikpunkt an dem Antrag der GRÜNEN muss ich Herrn Heidan recht geben,

(Frank Heidan, CDU: Das ist wenigstens schon mal was!)

weil in der Tat eine semantische Stufenverwechslung zwischen der Überschrift und dem Inhalt des Antrages vorliegt. Das ist bei den GRÜNEN schon öfter mal passiert.

(Leichte Heiterkeit)

Insofern wünschte ich mir auch bei den Titeln der Anträge Konsistenz mit den Forderungen in den Anträgen.

Noch einmal zurück, Herr Heidan. Sie haben offensichtlich immer noch nicht verstanden – ich hoffe, dass es Herr Morlok verstanden hat und Herr Tillich, der nicht anwesend ist –, dass diese Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke zuungunsten der Braunkohleverstromung, zuungunsten der erneuerbaren Energien und zuungunsten der Stadtwerke laufen wird.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie das immer noch nicht geschnallt haben, tut es mir leid. Insofern ist die Aufforderung in dem Antrag, dass Sie sich stark machen sollen, dass die Novellierung des Atomgesetzes im Bundesrat verhandelt wird und die Länder damit überhaupt ein Mitspracherecht darüber bekommen, völlig gerechtfertigt. DIE LINKE unterstützt genau diese Forderung, dass der Bundesrat und vor allem die Länder – Herr Lichdi hat es ausführlich begründet – wegen ihrer Zuständigkeit für die Atomaufsicht und auch, was die Kostenbelastung angeht, einfach in diesen Entscheidungsprozess eingebunden werden sollen. Was ist denn das für ein Demokratieverständnis?

Zweitens fordert der Antrag der GRÜNEN die sächsische Regierung auf, dann auch konsequent im Bundesrat dagegen zu stimmen. Ich denke, Sie wollen sächsische Interessen vertreten? Zumindest dachte ich immer, dass Sie das tun wollen. Na, dann machen Sie das einmal

schleunigst, denn bisher haben Sie genau diese Debatte verpennt – einfach verpennt! –,

(Beifall bei der Linksfraktion, den GRÜNEN und des Abg. Holger Mann, SPD)

weil Sie in dieser Frage nicht kompetent und regierungsfähig sind.

Zum dritten Punkt, der hier gefordert wird: Selbstverständlich muss man, wenn die Bundesländer in ihrem Mitsprache- und Entscheidungsrecht im Bundesrat ausgebremst werden, tatsächlich Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erheben, und dann sprechen die Verfassungsrichter das Urteil. Das wird alles verzögern – selbstverständlich wird es wieder ein Jahr dauern, bis ein Urteil vorliegt –, aber es könnte Klarheit darüber schaffen, dass die Länder hier einfach nicht ausgebremst werden können.

Es ist Politik nach Gutsherrenart, die Frau Merkel in diesem wahnsinnigen Atomdeal praktiziert; denn es ist ein Förderfondsvertrag. Wenn man es genau liest, Herr Lichdi, ist doch auffällig, dass die Summe, wie viel eigentlich von den Extraprofiten der Atomkraftbetreiber abgeschöpft werden soll, im Energiekonzept gar nicht mehr auftaucht, weil so viele Klauseln und Begrenzungen für die Abschöpfung der Extragewinne in diesem Vertrag enthalten sind, dass selbst die Bundesregierung überhaupt nicht weiß, was sie von den Atomkraftbetreibern abkassieren kann und wie dieser Förderfonds in welcher Größenordnung ausgestattet sein soll.

Dieser Förderfonds soll extra dafür eingerichtet werden, den Anteil erneuerbarer Energien auszubauen und entsprechende Forschung zu betreiben. Mittlerweile soll sogar die CCS-Technologie – hört, hört! – aus diesem Fonds gefördert werden. Das steht auch im Energiekonzept.

Kurz und gut, Herr Heidan, wenn Sie etwas für sächsische Interessen tun wollen, dann bringen Sie Ihre Regierung auf Trab! Erstens soll sie dafür kämpfen, dass die Entscheidung über die Verlängerung der Laufzeiten im Bundesrat fällt. Zweitens soll sie sich dafür einsetzen, dass die Novelle des Atomgesetzes abgelehnt wird. Anderenfalls würde die Braunkohleverstromung mit ihrer Grundlastfähigkeit überflüssig gemacht. Das ist das Programm!

Sie fordern dazu auf, sich die Länder um uns herum anzuschauen. Diese haben angeblich Atomkraftwerke gebaut. Das stimmt so nicht. In einigen Ländern wurde zwar groß verkündet: „Ja, wir kehren zur Atomkraft zurück!“ Aber wie ich gelesen habe, sind im Moment europaweit nur zwei oder drei Atomkraftwerke im Bau,

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Seit Jahren!)