Protokoll der Sitzung vom 30.09.2010

Herr Gansel, hören Sie doch zu!

(Zuruf von der SPD: Aber er versteht sie nicht!)

Das ist klar, aber es wäre zumindest den Versuch wert, einmal hinzuhören.

70 % der Jugendlichen stimmen voll oder teilweise der Aussage zu, dass Deutschland vor allem gut ausgebildete Fachkräfte aufnehmen sollte.

(Zuruf von der NPD: Was ist das für eine? Das kenne ich nicht!)

Das zeigt, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die überwiegende große Zahl der Menschen in Sachsen einerseits traditionsbewusst ist, aber auf der anderen Seite auch weltoffen und tolerant. Das wird auch so bleiben und insofern möchte ich Ihnen sagen, mit Ihrer Debatte haben Sie tatsächlich eine Scheindebatte geführt, die mit der Realität in Sachsen nichts zu tun hat.

Danke.

(Beifall bei der CDU, der FDP, der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister Ulbig. – Wie ich sehe, wird noch einmal das Wort gewünscht. Herr Abg. Gansel, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da der Innenminister sich weigert, auf die bundespolitische Dimension der Überfremdung einzugehen, sondern den Blick ausschließlich auf Sachsen gerichtet hat, möchte ich einige wenige sachsenspezifische Daten nennen.

Erst vor Kurzem war in der „Sächsischen Zeitung“ zu lesen, dass der Anteil der Menschen mit „Migrationshintergrund“ in Leipzig bereits bei 8,4 % liegt. Wenn Sie sich einmal die Mühe machen und bestimmte Straßenzüge im Leipziger Osten aufsuchen würden, dann wüssten Sie, dass wir dort mittlerweile ein Klein-Istanbul haben. Dort können selbst Sie sich nicht mehr in Mitteleuropa fühlen. – So viel erst einmal zur Überfremdungssituation in Leipzig.

Zweitens ist auch bekannt – das hat sogar der MDR vor eineinhalb Jahren bekannt gemacht –, dass in Leipzig seit vielen Jahren ein sogenannter Deutsch-Syrer, ein islami

scher Hassprediger, sein Unwesen treibt, der ungestraft zum Mord an Ungläubigen aufrufen darf. Unseren diesbezüglichen Antrag, diesen Hassprediger aus Sachsen abzuschieben, – –

Bitte zum Schluss kommen.

– hat die Staatsregierung verweigert. Jetzt fehlt mir leider die Redezeit. Man könnte noch viele – –

(Unruhe im Saal – Mehrere Zurufe)

Herr Gansel, ich habe Ihnen das Wort entzogen. Die Redezeit ist abgelaufen. Meine Damen und Herren! Ich kann keine weiteren Wortmeldungen sehen. Diese Debatte ist abgeschlossen und damit dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 2

1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Einführung öffentlicher Petitionen per Internet beim Sächsischen Landtag

Drucksache 5/3704, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die Einreicherin, die Fraktion DIE LINKE. Frau Abg. Bonk. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuhörer an den Empfangsgeräten! Wenn es beim Sächsischen Landtag die Möglichkeit der Online-Petition gibt, warum gibt es dann nicht die der Massenpetition im Internet? Meine Fraktion will nicht länger warten und macht dem Parlament hier den Vorschlag, das Medium Internet künftig für mehr direkte Bürgerkommunikation und -beteiligung zu nutzen. Es kann für mehr Beteiligung auf keinen Kanal verzichtet werden. Die Nutzung des Internets entspricht dem gewachsenen Kommunikationsstandard der Gesellschaft. Längst ist das Internet dabei, wichtigstes Medium der Lebensorganisation zu werden. Das Internet muss mehr genutzt werden – auch für politische Beteiligung.

Mit unserem Gesetzentwurf unterbreiten wir deshalb einen Vorschlag, der erstmalig die Online-Petitionen insgesamt, wie sie auch beim Petitionsausschuss schon praktiziert werden, auf eine gesetzliche Grundlage stellt. Was wir vermissen, ist die Möglichkeit der Mitzeichnung, der Unterstützung einer Petition. Dies ist beim entsprechenden Onlineangebot des Bundestages schon lange gut gepflegte Praxis. Diese zeigt: Erst der Mitzeichnungsbutton ermöglicht es vielen, sich einem Thema anzuschließen, und die für das Internet so typische, schneeballartige Weitergabe von Informationen in Netzwerken. Was dort

geschieht, ist nichts anderes als Meinungsbildung. Auch wenn nicht die direkte Veränderung einer Lage durch eine Petition erreicht werden kann, so kann doch eine Öffentlichkeit für ein Thema sensibilisiert werden.

Aus gegebenem Anlass möchte ich Ihnen einige Informationen aus der Praxis des Bundestages mit dem Mitzeichnungsbutton übermitteln, um einen gangbaren Weg auch für eine sächsische Lösung vorzustellen.

Sehr geehrte Frau Kollegin Bonk! Bevor Sie das tun, möchte ich mich bitte noch einmal an die Damen und Herren Abgeordneten wenden – heute sind es ausgerechnet die der Einreicherin –, der Rednerin ihre entsprechende respektvolle Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Unter der Homepage epetition.bundestag.de kann man seit Oktober 2008 Online-Petitionen einreichen. Hierfür ist eine Registrierung mit persönlichen Daten sowie Passwort und Nutzernamen notwendig. Alle Daten unterliegen hierbei den gängigen Datenschutzregelungen.

Bei öffentlichen Petitionen können nur Name, Vorname und Bundesland eingesehen werden. Der Nutzer entscheidet sich selbst für eine einzelne oder für eine öffentliche Petition. Öffentliche Petitionen haben dabei den Vorteil, dass diese durch ebenso registrierte Nutzer mitgezeichnet werden können.

Seit Oktober 2008 gibt es dieses Formular beim Deutschen Bundestag, mit dessen Hilfe man die Petition auch bequem per Internet einreichen kann. Dabei ist das Verfahren dreigliedrig:

Erstens. Der Petent reicht seine Petition ein. Dabei wird geprüft, ob es sich um ein Anliegen von allgemeinem Interesse handelt.

Zweitens. Nach der Veröffentlichung erscheint die Petition auf der Internetseite des Bundestages und kann durch andere unterzeichnet werden. Ebenso möglich sind Diskussionen und Kommentare zum Petitionsinhalt bzw. Anliegen durch registrierte Nutzer. Die Frist hierfür beträgt drei Wochen.

Drittens. Anschließend wird die Petition durch den Bundestag beraten. Hierbei wird entschieden, wie mit dem Anliegen verfahren wird. Es können beispielsweise Stellungnahmen bei der Bundesregierung eingeholt werden. Das Anliegen kann aber auch an andere Stellen, wie Gremien der EU, verwiesen werden. Die Entscheidung kann auf den Internetseiten öffentlich als PDF-Datei abgerufen werden.

Es gibt dort auch ein Quorum. Wenn mehr als 50 000 Unterstützer und Unterzeichner gesammelt werden konnten, wird der Petent oder die Petentin durch den zuständigen Ausschuss des Deutschen Bundestages öffentlich angehört. Hiervon kann abgesehen werden, wenn der Ausschuss das mit einer Zweidrittelmehrheit beschließt.

Um deutlich zu machen, welche Veränderungen es in der Diskussion und in der Nutzung gebracht hat, will ich es mit einigen Zahlen untersetzen. 2009 gingen etwa 18 000 Petitionen beim Deutschen Bundestag ein. Davon wurden 6 700 online eingereicht, das heißt rund jede dritte Petition. Mehr als 500 000 Menschen sind als Nutzer registriert. Monatlich besuchen etwa 3,4 Millionen Menschen die Internetseite der E-Petition. 1,6 Millionen Menschen haben als Person Petitionen unterzeichnet.

Am häufigsten gibt es Petitionen zu den Themen Arbeit und Rente. Zunehmend sind aber auch andere Thematiken wie zum Beispiel der Bereich Internet und Netzpolitik vertreten. Politiker fordern inzwischen eine Diskussion über die Anzahl der Quoren, welche für eine öffentliche Anhörung nötig sind. Außerdem wird gefordert, dass bestimmte Themen auch im Plenarsaal debattiert werden sollen.

Welche Themen bzw. welche Petitionen erreichten eine besondere Aufmerksamkeit? 186 000 Unterschriften erreichte eine Petition des Deutschen Hebammenverbandes, davon 105 000 online. 134 000 Unterstützer erhielt die Petition einer Privatperson, die sich gegen die Sperrung von Internetseiten richtete. Es fand hierzu auch eine öffentliche Anhörung statt. Eine weitere prominente Petition, die auch zu einer entscheidenden öffentlichen Diskussion führte, war die zur Bekämpfung der Missstände der Generation Praktikum. Sie erhielt 60 000 Unter

schriften und zog die entsprechenden Diskussionen in den Foren nach sich.

Die Massenpetition beim Bundestag stellt also im Moment ein beachtliches Forum politischer Meinungsbildung im Internet dar. In Bezug auf die Meinungsbildung bei Landesthemen im Freistaat Sachsen kann deshalb darauf beim Landtag nicht verzichtet werden.

Natürlich dürfen die Möglichkeiten politischer Beteiligung durch das Netz nicht bei den Petitionen enden. Um das Bild zu erweitern, möchte ich auf einige Praxen verweisen, die ergänzend oder aufbauend auf den OnlinePetitionen bereits Anwendung finden. Es versteht sich, dass hier nur auf eine sehr kleine Auswahl eingegangen werden kann.

Campact, dieses Internetprojekt, versucht, soziale und politische Prozesse zu bündeln und per Internet zu organisieren und zu verbreiten. Derzeit sind bis zu 288 000 Menschen verbunden. Wichtige Themen sind gegenwärtig der Protest gegen die Verlängerung der Atomkraftwerkslaufzeiten durch die Bundesregierung sowie eine Kampagne gegen den umstrittenen Neubau des Stuttgarter Hauptbahnhofes. Campact nutzt die Strukturen des Web 2.0, um die Menschen zu mobilisieren, vor allem Facebook und Twitter. Es verknüpft diese Mobilisierung, diese Kommunikation mit dem Element der OnlinePetition beim Deutschen Bundestag.

Facebook- oder allgemeine soziale Netzwerknutzer haben meist entscheidende Macht gegenüber Konzernen, deren Manager wissen, dass viele junge Nutzer auch Konsumenten sind. Die Firma Nestlé hatte den Unmut von Greenpeace und Dutzender Nutzer sozialer Netzwerke auf sich gezogen, indem sie Palmöl einer Firma bezog, welche zum Anbau der Pflanzen große Mengen des Regenwaldes vernichten ließ. Zum Protest wurde ein Video veröffentlicht, das sich rasch verbreitete. Außerdem gab es Diskussionen auf der Seite von Facebook und Nestlé.

Ich möchte außerdem auf die Proteste gegen Internetsperren und Zensur im Internet verweisen, die unter dem Twitterpseudonym Zensursula bekannt geworden sind und in entsprechenden Online-Petitionen mündeten.

Es sind auch Landesprojekte bekannt wie zum Beispiel in Brandenburg, wo es ein Portal gibt, welches direkte Kommunikation zwischen Bürgern und Politikern herstellt. Vordergründig geht es um das Richten von Beschwerden und Anliegen. Die Kommune teilt dem Beschwerdesteller dann den Bearbeitungsstand in Form eines Ampelsystems mit.

Im wissenschaftlichen Umfeld der Netzbeteiligung werden deren Grundlagen und Auswirkungen diskutiert. Es besteht dort auch die These der digitalen Spaltung. Politisches Interesse und gesellschaftliches Engagement hängen stark mit den sozio-strukturellen Bedingungen zusammen und sind auch durch das Internet nicht auszugleichen. Dennoch erschließt sich für immer mehr Menschen eine Welt, die sie sonst nur aus dem Fernsehen,

von Wahlplakaten oder der Kundgebung auf dem Marktplatz kannten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Medium Internet muss für mehr politische Beteiligung genutzt werden. Gruppenpetitionen sind in der Vergangenheit eine gesetzlich vorgesehene Möglichkeit beim Sächsischen Landtag gewesen. Es wird Zeit, dies endlich auch im Internetangebot –

Bitte zum Schluss kommen.

– des Sächsischen Landtages zu verankern.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion und vereinzelt bei den GRÜNEN)