Protokoll der Sitzung vom 03.11.2010

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich übernehme jetzt einen Redebeitrag meiner Kollegin Schüßler, die aus gesundheitlichen Gründen leider nicht mehr an unserer Plenarsitzung teilnehmen kann.

Aber nun zum Gesetz selbst. Ein verbesserter Betreuungsschlüssel, keine Zugangsbeschränkungen und gesicherte Vor- und Nachbereitungszeiten würden ohne Frage einen Fortschritt darstellen. Wir werden dem Gesetzentwurf der SPD somit auch zustimmen.

Der Pferdefuß, wenn man es so nennen will, steht allerdings schon in der Begründung des Antrages: „Die Hauptlast der Kosten der durch den Gesetzentwurf ausgebrachten Verbesserungen der frühkindlichen Bildung trägt der Freistaat. Für die Kommunen werden sich – ich verkürze einmal – Mehrkosten ergeben, die durch Regelungen dieses Gesetzes gegebenenfalls noch erhöht werden.“ Außerdem wird sehr richtig erkannt, dass das benötigte Personal für die geänderten Betreuungsschlüssel gar nicht zur Verfügung steht. Man sieht die Lösung in einer schrittweisen Absenkung sowie – das dürfte nicht unproblematisch sein – in einer Aufweichung des Qualifikationsniveaus. Ich erinnere mich noch gut an die Forderung, dass am besten alle Erzieherinnen einen akademischen Abschluss haben sollten. Wir haben diesen Ideen schon immer skeptisch gegenübergestanden.

Hier formuliert die SPD – ich zitiere erneut –: „Zur Deckung des steigenden Bedarfs sind gegebenenfalls weitere Qualifikationen anzuerkennen.“ Welche bitte?

Auf das grundsätzliche Problem aus unserer Sicht – die Notwendigkeit der frühkindlichen Fremdbetreuung, der die jungen Eltern aus wirtschaftlichen Gründen ausgesetzt sind – sind Frau Schüßler und ich bereits mehrfach eingegangen.

Aus der Anhörung zum vorliegenden Gesetzentwurf ist mir vor allem Frau Antje Kräuter mit ihrer Forderung „Ohne Bindung keine Bildung“ in Erinnerung. Die sicheren Bindungen, also stabile Eltern-Kind-Bindungen in den ersten Lebensjahren nehmen demnach ab. Die unsicheren Bindungen – sprich die der Fremdbetreuung – nehmen immer weiter zu.

Gleichzeitig ist ein Anstieg von psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen sowie von Entwicklungs- und insbesondere Sprachentwicklungsstörungen, aber auch von emotionalen Störungen zu beobachten.

Wir sollten uns wirklich fragen, ob die viel gepriesene Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die ich sowieso nur für einen Mythos halte, wichtiger ist als die gesunde Entwicklung unserer Kinder.

Die NPD-Fraktion steht prinzipiell für ein Familienbild, nach dem Betreuung und Erziehung zuvörderst Aufgabe der Eltern sind; so steht es auch im Grundgesetz. Wer die klassische Familie als überkommen ansieht – wie viele der Ihren hier im Hause –, wer Traditionen als Korsett empfindet und Korsett dann als etwas Einengendes und nicht als etwas Stabilisierendes definiert, der wird in der sogenannten Vereinbarkeit von Beruf und Familie eben auch nur die Entwicklungschancen der Eltern und nicht die Bedürfnisse der Kinder sehen.

Wenn nun schon Fremdbetreuung, dann aber möglichst individuell und in kleinen Gruppen. In diesem Sinne ist der vorliegende Gesetzentwurf mit der Absenkung des Betreuungsschlüssels durchaus auf dem richtigen Weg, auch wenn ich sehr gespannt bin, ob und wie der Freistaat, aber ebenfalls die Kommunen und die Eltern die Kosten tragen können oder wollen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es weiteren Redebedarf seitens der Abgeordneten? – Den kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung? – Herr Staatsminister Prof. Dr. Wöller, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kindertageseinrichtungen im Freistaat Sachsen sind eine pädagogische Erfolgsgeschichte. Seit sie mit dem Ersten Sächsischen Kindertagesstättengesetz von 1991 auf eine neue Rechtsbasis gestellt und der Kinder- und Jugendhilfe zugeordnet

worden sind, hat sich hier eine erstaunliche Entwicklung vollzogen.

Für erhebliche Turbulenzen haben in den Neunzigerjahren die großen, demografisch bedingten Einschnitte gesorgt. Seit 2001 haben wir ständig steigende Kinderzahlen in den Einrichtungen und in der Tagespflege zu verzeichnen, deren Betreuung auch finanziert werden musste. Inhaltlich gab es seit 2004 mit der Entwicklung und Implementierung des Bildungsplanes, mit der Einführung des Schulvorbereitungsjahres, mit der Einführung einer gesetzlich fixierten Untersuchung im vierten Lebensjahr und mit der Entwicklung vieler begleitender Regelungen zur Qualitätsentwicklung der pädagogischen Arbeit, auf die ich hier nicht im Detail eingehen kann und will, eine inhaltliche Weiterentwicklung hin zu einem Bildungsbereich, der sich bundesweit sehen lassen kann, eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen an die neuen Aufgaben, die insbesondere der Sächsische Bildungsplan stellt.

Nun legt die SPD-Fraktion einen ambitionierten Gesetzentwurf vor, mit dem für die nächsten Jahre Verpflichtungen eingegangen werden sollen, die für die Kommunal- wie gleichermaßen für die Landesfinanzen erhebliche Auswirkungen haben würden.

Während die Berechnungen in der Gesetzesbegründung für die Jahre 2011 bis 2016 insgesamt Mehrbelastungen in Höhe von 608,8 Millionen Euro prognostizieren, haben Berechnungen meines Hauses eine zu erwartende Mehrbelastung von mehr als 2,3 Milliarden Euro ergeben, die vom Freistaat – darauf haben Frau Kollegin Nicolaus und Frau Schütz hingewiesen – und von den Kommunen sowie von den Eltern getragen werden müssten. Da nützt auch der gut gemeinte Stufenplan nichts.

Mit diesem Gesetz würden wir ein erhebliches Haushaltsrisiko und eine unverantwortliche Mittelbindung eingehen. Wir sind uns im Ziel der Qualitätssicherung und -verbesserung einig. Wir sind uns auch darüber einig, dass weitere Qualitätsverbesserungen wünschenswert und anzustreben sind. Es wäre auch zumindest für die Mehrzahl der Forderungen wünschenswert, dass sie finanziell gestemmt werden könnten.

Aber bei allem Verständnis für das Wünschenswerte dürfen wir nicht das Machbare aus den Augen verlieren. In der Anhörung haben die Kommunalverbände das Gesetz klar und deutlich abgelehnt. Angesichts der aktuellen Finanzsituation in den Städten und Gemeinden ist mir diese Haltung mehr als verständlich.

Eines muss uns klar sein: Wenn wir die Aufgabe der Verbesserung der Rahmenbedingungen in Angriff nehmen, dann ist das nur im Konsens mit den Kommunen möglich, deren Pflichtaufgabe nicht nur das bedarfsgerechte Angebot an Kita-Plätzen ist, sondern eben auch ihre Finanzierung.

Wir werden die Verbesserung der Rahmenbedingungen mit Augenmaß weiter mit den Spitzenverbänden diskutieren, und wir werden die Erzieherinnen und Erzieher, die

Enormes leisten, unterstützen. Aber wir können nicht kurz vor der Haushaltsgesetzgebung ein Gesetz verabschieden, das in diesen Dimensionen nicht nur ungeplante, sondern schlicht nicht vorhandene Mittel bindet.

Dies festzustellen bedeutet nicht, sich der Erkenntnis zu verschließen, dass Investitionen in die Bildung grundsätzlich gut investiertes Geld sind.

(Zuruf der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Genau deshalb werden wir in einem gesonderten Verfahren mit den kommunalen Spitzenverbänden eine tragfähige Entwicklung weiter befördern. Ich bitte deshalb, wie es die Kolleginnen Nicolaus und Schütz schon getan haben, diesen Gesetzentwurf abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Meine Damen und Herren! Seitens der Fraktionen gibt es keine Wortmeldungen mehr. Wir können zur Abstimmung kommen. Zuvor frage ich noch Herrn Bläsner, ob er als Berichterstatter das Wort wünscht. – Das kann ich nicht feststellen.

Meine Damen und Herren! Aufgerufen ist das Gesetz zur Qualitätsverbesserung der frühkindlichen Bildung und

Entwicklung, Drucksache 5/2697, Gesetzentwurf der SPD-Fraktion. Wir stimmen über den Gesetzentwurf ab, Änderungsanträge liegen nicht vor.

Zunächst die Überschrift. Ich bitte um die DafürStimmen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Bei zahlreichen Stimmen dafür ist der Überschrift nicht entsprochen worden.

Ich rufe auf Artikel 1 Änderung des Sächsischen Gesetzes zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen. Ich bitte um die Dafür-Stimmen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Auch hier ist bei zahlreichen Stimmen dafür nicht die erforderliche Mehrheit erreicht.

Wir kommen zu Artikel 2 Inkrafttreten. Ich bitte um die Dafür-Stimmen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Auch hier bei zahlreichen Stimmen dafür nicht die erforderliche Mehrheit.

Meine Damen und Herren! Da alle Einzelbestimmungen des Gesetzentwurfes nicht die Mehrheit gefunden haben, erübrigt sich eine Abstimmung über den Gesetzentwurf als Ganzes. Damit ist der Tagesordnungspunkt 6 beendet.

Meine Damen und Herren! Zum

Tagesordnungspunkt 7

Die Interessen des Freistaates Sachsen und der Nachbarstaaten bei der Aufstellung des EU-Haushalts 2014 – 2020 wahren

Drucksache 5/3869, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Herr Piwarz, es ist der Antrag gestellt worden, diesen heute nicht zu verhandeln und zu vertagen.

(Christian Piwarz, CDU: Ja!)

Es möchte niemand widersprechen. Dann wird dem so gefolgt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Monopolpreise bei Strom und Gas u. a. durch verschärfte staatliche Kontrollen verhindern und Einrichtung einer Marktüberwachungsstelle für den Energiehandel an der Energiebörse Leipzig

Drucksache 5/3745, Antrag der Fraktion DIE LINKE, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Meine Damen und Herren! Die Fraktionen können wie folgt Stellung nehmen: DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile zunächst der Fraktion DIE LINKE als Einreicherin das Wort. Frau Dr. Runge, bitte; Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass ich diesen Antrag überhaupt ins Plenum gebracht habe,

(Robert Clemen, CDU: Das wundert uns alle! – Tino Günther, FDP: Das ist die Frage!)

hat natürlich etwas mit der Stellungnahme und mit der Antwort des Herrn Wirtschaftsministers Morlok zu tun.

Denn diese Stellungnahme ist für unsere Begriffe ein Skandal und eine Frechheit ohnegleichen.