Protokoll der Sitzung vom 03.11.2010

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Herr Storr, ich habe das so richtig verstanden: Sie haben also von Leiharbeiter-Sklavenhandel gesprochen? In Ihrem Redebeitrag hatten Sie ursprünglich eine vergleichsweise Betrachtung, dann haben Sie das aber als solches postuliert. Ich halte das für nicht hinnehmbar und erteile Ihnen deswegen einen Ordnungsruf.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und der FDP)

Ich frage nun die Fraktion CDU? – Die Fraktion DIE LINKE? – Herr Abg. Kind, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Diese Debatte, die uns zu später Stunde die NPD denkt hier ans Knie nageln zu müssen, können wir uns von der Seite her wirklich sparen.

(Jürgen Gansel, NPD: Sie können ja wieder Platz nehmen und die Debatte verkürzen!)

Da die Stunde relativ weit fortgeschritten ist – ich hätte sonst etwas länger ausgeholt, Sie können das aber schriftlich einfordern, wenn Sie wollen –, würde ich Ihnen eine Auflistung machen, inwieweit die Gesellschaft, die verschiedenen Parlamente – und in diesem Bereich hauptsächlich unsere Partei, aber auch die SPD, in letzter Zeit kommt auch die Regierungskoalition darauf, sich mit diesem Thema zu beschäftigen – Initiativen hervorgebracht haben, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Dazu brauchen wir Ihre halbklugen Hinweise kein bisschen.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Sie sind der deutschen Sprache scheinbar nicht ganz mächtig, obwohl Sie sich immer als die DeutschNationaldemokraten verstehen. Sie schreiben davon, die Leiharbeit stoppen zu wollen. Dann schreiben Sie irgendeinen Antrag zusammen, bei dem Sie die Hälfte irgendwoher klauen. Bei Erstens ist nichts Neues dabei, bei Zweitens ist auch nichts Neues dabei. Bei Viertens widersprechen Sie sich zu Erstens, denn da soll auf einmal die

Leiharbeit ins Arbeitnehmerentsendegesetz aufgenommen werden, obwohl Sie die doch im Antragstext ganz stoppen wollten. Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie wollen, dann können Sie auch versuchen, Forderungen aufzumachen. Aber Ihre Argumentation ist plump, einfach und unzeitgemäß. Ich denke, mehr Beachtung bedarf dieser Antrag nicht.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD und der FDP)

Das war Herr Abg. Kind für die LINKE. – SPD? – Keine Wortmeldung. FDP? – Herr Abg. Hauschild, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich müsste man die Rede zu Protokoll geben, aber so können wir es auch nicht durchgehen lassen.

Ich möchte zuerst ein paar Sachen richtigstellen, damit wir hier auf einer sachlichen Grundlage diskutieren können.

Die NPD spricht von einem Missbrauch der Leiharbeit und der Ausbeutung von Arbeitnehmern. Das ist nicht nur überspitzt, sondern entspricht einfach nicht den Tatsachen. Ein flächendeckender Missbrauch der Zeitarbeit, um Löhne zu drücken, lässt sich nicht feststellen. Tatsache ist, dass Leiharbeiter verstärkt als Hilfsarbeiter eingesetzt werden. Sie machen gut ein Drittel der Arbeitnehmer in diesem Segment aus. Es ist klar, dass dafür keine Löhne wie für Spitzenkräfte gezahlt werden können. Das Lohnniveau in diesem Segment ist vergleichsweise niedrig.

Es ist auch nicht richtig, dass Zeitarbeit flächendeckend dazu missbraucht wird, Arbeitnehmer zu unmenschlichen Bedingungen einzustellen. Sicher, es gibt schwarze Schafe. Das möchte ich hier gar nicht wegdiskutieren. Überwiegend ist es jedoch so, dass durch das Instrument der Zeitarbeit gering Qualifizierte Arbeit gefunden haben. Diese Arbeit ist in der Regel Vollzeit und die Arbeitnehmer werden für die Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Sozialversicherung angemeldet. Dies ist allemal eine Verbesserung für die Beschäftigten gegenüber der Arbeitslosigkeit.

Es wird behauptet, die Zeitarbeit verdränge sogenannte reguläre Arbeit. Auch das ist nicht richtig. Die Zahlen einer aktuellen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln zeigen, dass Zeitarbeit keine Jobs verdrängt, sondern neue Jobs schafft.

Kurzum: Die Zeitarbeit ist durchaus ein geeignetes arbeitsmarktpolitisches Instrument. Es hilft Unternehmen, flexibel auf die Auftragslage zu reagieren. Aber auch die Arbeitnehmer profitieren. Einigen gelingt darüber der Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt. Anderen gelingt eine dauerhafte Anstellung.

Das heißt nicht, dass wir nicht darüber nachdenken sollten, ob man den Rahmen für die Zeitarbeit besser gestalten könnte. Die vorgeschlagenen Maßnahmen jedoch würden zu weniger Beschäftigung, zu weniger Flexibilität für die Unternehmen führen.

Sie fordern eine Regelung, nach der die Arbeitnehmer den gleichen Lohn erhalten wie die Stammbelegschaft. Es gibt zwei Tatsachen, die dagegen sprechen. Erstens sind Arbeiter der Stammbelegschaft produktiver als Leiharbeiter, da sie einfach besser eingearbeitet sind. Das schlägt sich auch im Lohn nieder. Zweitens müssen die Zeitarbeitsunternehmen auch in Phasen ohne Umsatz Lohn an die Arbeitnehmer zahlen. Es fallen also auch Kosten an, wenn die Arbeiter gar nicht verliehen werden. Auch das muss der Arbeitgeber in seiner Lohnkalkulation selbstverständlich bedenken. Wenn jetzt ein Zwang zur gleichen Entlohnung von Zeitarbeitnehmern und Stammbelegschaft bestünde, würde Leiharbeit aufgrund höherer Kosten unattraktiver. Ich befürchte sogar, dass das Ihr Anliegen ist. Ich lehne dies jedoch strikt ab. Ich hatte Ihnen bereits erläutert, welche positiven Beschäftigungseffekte die Zeitarbeit ausgelöst hat.

Sie fordern des Weiteren eine Sondersteuer für Unternehmen, die Leiharbeiter längere Zeit beschäftigen, sowie einen gesetzlichen Mindestlohn für die Zeitarbeitsbranche. Beide Maßnahmen hätten den eben beschriebenen Effekt. Sie würden die Leiharbeit verteuern und damit unattraktiver machen. Die Folge wäre, dass weniger Menschen Arbeit fänden und die Unternehmen einen Teil ihrer Flexibilität verlieren würden. Das ist Ihre Forderung, und damit ist Ihre Forderung vollkommen kontraproduktiv und abzulehnen.

Ich habe Ihnen dargelegt, welche Vorteile die Leiharbeit für Arbeitnehmer und Unternehmen bringt. Sie bringt die Menschen in Arbeit und erlaubt Unternehmen, flexibel zu reagieren.

Es ist deutlich geworden, dass Ihre Forderungen die derzeitige Situation durchweg verschlechtern würden. Dies lässt nur eine Ablehnung Ihres Antrages zu.

Zum Schluss noch ein Wort zum reißerischen Titel. Sie sprechen von Missbrauch, spielen aber selbst mit den Ängsten der Menschen, anstatt die Vorteile für die Arbeitnehmer und für den Standort Sachsen im Blick zu haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Gibt es weiteren Redebedarf? – Herr Schimmer, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Altkanzler Schröder von der „BILD“Zeitung danach gefragt wurde, wo Deutschland wohl heute ohne die sogenannten Arbeitsmarktreformen stünde, antwortete er mit der bemerkenswerten Aussage – ich zitiere –: „Genau, wo unsere Nachbarn stehen, die keine Reformen angepackt haben. Und dort, zum Beispiel in

Frankreich, müssen jetzt konservative Regierungen die notwendigen Einschnitte machen, mit dem Ergebnis, dass der Widerstand in der Bevölkerung noch viel größer ist. Insofern sollten die heute Regierenden froh und dankbar sein, dass wir damals das durchgesetzt haben, was sie selbst kaum hinbekommen hätten.“

Angesichts dieser äußerst offenherzigen Aussage des Altkanzlers liegt einem fast der alte Spruch „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“ auf den Lippen. Auf jeden Fall wirft das Schröder-Zitat ein bezeichnendes Schlaglicht darauf, wie gleichförmig die Politik in dieser Republik eigentlich abläuft, wie austauschbar die etablierten Parteien dieses Systems im Grunde sind und wie nahtlos die Übergänge trotz gelegentlicher Regierungswechsel verlaufen.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie heuchlerisch es doch ist, wenn sich ausgerechnet die SPD bei der Leiharbeit nun als Vorkämpferin für Arbeitnehmerrechte aufspielt, war es doch genau die SPD unter Kanzler Schröder, die dem Missbrauch dieser Leiharbeit Tür und Tor öffnete. Grundlage für die massive Ausweitung der Zeit- und Leiharbeit war schließlich das zu Zeiten von Rot-Grün am 1. Januar 2004 eingeführte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, auch Hartz I genannt, und hierbei insbesondere die im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz eingeführte Klausel, nach der vom Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ abgewichen werden kann, sofern dies in gesonderten Tarifverträgen für Zeitarbeiter festgeschrieben ist. In der Praxis hat diese Ausnahmeklausel drastische Auswirkungen, denn aus der Ausnahme ist die Regel geworden. Die große Mehrheit der Leiharbeiter wird nämlich nach einem solchen Sondertarif bezahlt und nicht gemäß dem sogenannten Gleichbehandlungsgrundsatz. Es waren also – das muss festgehalten werden – die GRÜNEN und die SPD, die der Dumpingkonkurrenz durch die Leiharbeit erst Tür und Tor geöffnet und es dadurch beispielsweise erst ermöglicht haben, dass sich Großkonzerne durch die Gründung eigener Leiharbeitsfirmen einen konzerninternen Niedriglohnsektor geschaffen haben.

Hier sieht man es wieder einmal: Ob Schwarz, ob Rot, ob Grün, ob Gelb – stets fühlen sich die Regierenden in diesem Staat nicht etwa dem Volke gegenüber verpflichtet, sondern den einflussreichen Lobbys, und in diesem Fall eben den großen Konzernen, die mit Leiharbeit auf dem Rücken der Arbeitnehmer Kosten sparen, um im europa- oder gar weltweiten Verdrängungswettbewerb weiterhin hohe Profite erwirtschaften zu können.

Die NPD verfolgt hier einen ganz besonderen Ansatz. Wir sagen: Die Wirtschaft ist kein Selbstzweck, sondern dienender Teil des Ganzen. Den ordnungspolitischen Rahmen hat der Staat zu setzen, daher muss ein Eckpfeiler einer solidarischen Wirtschaftsordnung – freies Unternehmertum –, auch sozial verpflichtetes Unternehmertum sein. Genau das ist aber im Fall der Leiharbeit nicht mehr gegeben, weder aufseiten des Kundenbetriebes, noch aufseiten der Zeitarbeitsfirmen. Daher wollen wir hier

nicht nur kleine Nachbesserungen erreichen, sondern – ich sage das ganz bewusst – den geordneten Ausstieg aus diesem modernen Sklavenhandel organisieren.

Vor diesem Hintergrund der ab Mai 2011 auch für die mittel- und osteuropäischen Beitrittsländer der EU in Kraft tretenden Dienstleistungsfreiheit wird sich die Lage im Segment der Zeitarbeit noch einmal deutlich verschärfen; denn dann wird es auch für tschechische oder polnische Billigarbeiter möglich sein, nach Deutschland zu expandieren. Angesichts dieser Entwicklung haben sich die beiden Zeitarbeitsverbände zusammengeschlossen und setzen sich nun gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretungen für einen Mindestlohn sowie die Gleichbezahlung von Festangestellten und Leiharbeitern ein.

Daher kommt unser Antrag genau zur rechten Zeit, liegt er doch voll im derzeitigen Trend, den Firmen und Arbeitgeber in der Zeitarbeit vorgeben. Wir müssen angesichts der drohenden Entwicklung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gegen die weitere Zerstörung des Sozialstaates zusammenstehen.

Ihre Redezeit ist zu Ende, Herr Schimmer.

Deshalb bitte ich Sie: Schützen Sie unsere heimische Wirtschaft vor der Billigkonkurrenz aus dem Osten!

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Gibt es weiteren Redebedarf zum Antrag? – Dies ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung. – Das ist auch nicht der Fall. Somit bitte ich nun, das Schlusswort zu halten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Debatte war ja wieder einmal sehr spärlich. Interessant war die Nicht-Stellungnahme der LINKEN zu diesem Thema bzw. überhaupt der linken Parteien, die sich ja angeblich immer so sehr um Arbeitnehmerinteressen kümmern. Selbst wenn die Leiharbeit – was durchaus richtig ist – schon öfter hier im Landtag oder auch in anderen Landtagen zum Thema geworden ist, zeigt sich, dass das Problem weiter fortbesteht. Insofern kann man nicht genug darüber diskutieren, solange dieses Problem nicht gelöst worden ist.

Mein Lob durchaus an die FDP, nicht unbedingt inhaltlich, was die Argumentation betraf, aber dass sie sich zumindest bemüht hat, ihre Position hier noch einmal deutlich zu machen – wobei ich noch kurz auf einige Aspekte eingehen will.

Wir sind als NPD-Fraktion nicht etwa gegen Leiharbeit. Auch wir sehen Leiharbeit durchaus als sinnvolles Instrument an. Es geht aber hier um etwas ganz anderes. Dieser Antrag richtet sich nicht gegen Leiharbeit per se, sondern dagegen, dass Leiharbeit und Niedriglohn mehr

oder weniger Synonyme sind. Wenn beispielsweise gesagt wird, wenn man die Entlohnung für Leiharbeit erhöhen würde, sei die Leiharbeit für die Arbeitgeber nicht mehr attraktiv, dann halte ich das so für falsch.

Es ist zwar richtig, dass es sicher auch für Leiharbeitsverhältnisse gilt, dass dort möglicherweise beschäftigungslose Zeiten auftreten. Aber natürlich ist es so, und wer ein wenig die Preisgestaltung für Leiharbeit kennt, auch die Preise, die die Arbeitgeber zahlen müssen, der weiß, dass Leiharbeit durchaus auch für die Arbeitgeber relativ teuer ist. Das hat auch seine Berechtigung, da natürlich auch Vorteile damit verbunden und zum Beispiel Kündigungsfristen etc. nicht zu beachten sind. Insofern halte ich diese Behauptung, dass durch eine angemessene Vergütung von Leiharbeit diese unattraktiver werden würde, für falsch und vorgeschoben.

Wir sind der Meinung, dass in einem Staat, der sich Sozialstaat nennt, Arbeitsleistungen nicht leistungsgerecht entlohnt werden. Das halten wir für einen Skandal, und wir bitten deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)