Jetzt hätte ja die Möglichkeit bestanden, zumindest auf Bundesebene das einzufordern, was die Familien hier in Sachsen brauchen. Dem sind Sie überhaupt nicht gerecht geworden. Ganz im Gegenteil. Jetzt mit einer Friseurin zu begründen, warum Kinder aus armen Familien nur so wenig Elterngeld bekommen sollen, ist wirklich absurd. Es ist auch unseriös. Ich kann nur sagen, wenn wir zu dem Lohnabstandsgebot kommen, dass die Bundesregierung in Größenordnungen den Niedriglohnsektor mit 1,3 Millionen Euro Aufstockern subventioniert. Davon haben Sie jetzt gar nicht gesprochen. Wir können auch nicht sagen, dass das Land immer ärmer wird. Ganz im Gegenteil. Das Deutsche Institut für Wirtschaft sagt auch, dass die oberen Zehntausend in den letzten Jahren immer reicher geworden sind. Lassen Sie uns doch endlich gemeinsam dafür kämpfen, dass diejenigen, die es wirklich brauchen, davon etwas abbekommen. Die Familien mit Kindern sind oft die armen Familien mit Kindern.
Nun zu einigen Aspekten des Antrages, zuerst zum Elterngeld. Ich kann auch nur sagen, ich empfinde es als höchst skandalös. Die geplante ersatzlose Streichung des Elterngeldes für ALG-II-Empfänger ist besonders unsozial. Denn diese Streichung betrifft überproportional die finanziell schwächeren Mütter und Väter, insbesondere eben auch die Alleinerziehenden, von denen Sie gerade
gesprochen haben und von denen wir auch wissen, dass es genau die Gruppe ist, die am meisten von Armut betroffen ist.
Diese Streichung verstärkt die Ungerechtigkeit zwischen Familien verschiedener sozialer Herkunft. Es wird aber auch die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern verschärft, denn unbezahlte Betreuungsarbeit wird traditionell immer noch eher von Frauen geleistet.
Noch eine dieser Absurditäten: Für die ALG-IIBezieherinnen und -Bezieher wird die Betreuungsarbeit mit der Streichung des Elterngeldes nun zur gänzlich unbezahlten Arbeit, während dieselbe Arbeit für Erwerbstätige mit einer Summe von bis zu 1 800 Euro aus Steuermitteln finanziert wird. Wo ist das jetzt gerecht? Warum wird diese Erziehungsarbeit unterschiedlich honoriert? Damit wird der Betreuungsarbeit von Hilfeempfängern keinerlei Anerkennung gewährt.
Ein weiteres Argument für die Kürzungen – und das ist besonders absurd – war auch, weil es den Anreiz mindere, Erwerbsarbeit aufzunehmen. Aber andererseits lässt es sich die Bundesregierung 1 800 Euro kosten, damit andere ihre Erwerbsarbeit zumindest für eine gewisse Zeit aufgeben.
Die Krönung des Ganzen ist, dass dieses Mindestelterngeld für nichterwerbstätige Partnerinnen, also Hausfrauen, von 300 Euro beibehalten werden soll. Das ist eine Ungerechtigkeit. Wenn es nämlich gesellschaftlich erwünscht und politisch gewollt ist, dass Kleinkinder im ersten Lebensjahr primär von Vätern und Müttern betreut werden, dann müssen auch alle, die dies tun, eine finanzielle Unterstützung für diese Arbeit erhalten, egal welchen sozialen Status sie haben.
Und im Übrigen nicht nur für die Sicherung des Lebensstandards, sondern auch mit Beratung, Begleitung und Kompetenzvermittlung.
Skandalös ist die Praxis aber auch bei Familien bzw. Kindern und Jugendlichen in anderen Bereichen. Zum einen möchte ich die Stigmatisierung bestimmter Familien anbringen. So wird latent mit Vorurteilen gegenüber bestimmten Erwerbslosen gespielt. Das führt am Ende zu einer billigen Lösung für ein billiges Vorurteil. Denn die sogenannten zusätzlichen Leistungen für Familien wurden teilweise an anderer Stelle weggenommen bzw. einfach nur umverteilt; was zum Beispiel als neue Leistung daherkommt, ist das Paket Schulbedarfe.
Wir fragen uns auch – das wurde vorhin schon einmal angesprochen –, ob die konkreten Bedarfe von Kindern und Jugendlichen tatsächlich empirisch belastbar ermittelt wurden, wie es der Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes war. Schauen wir uns den Regelsatz an, der für die Erwachsenen aufgestellt worden ist, sieht man, dass in dieser Referenzgruppe lediglich 20 % Erwerbstätige waren. Es waren aber 40 % Rentner, es waren 20 % Arbeitslose, 15 % Studierende usw. Was vom Bundesverfas
sungsgericht beauftragt war, nämlich die Herausnahme der verdeckt Armen, ist nicht geschehen. Sie haben weiterhin in der Referenzgruppe ihren Platz gefunden. Das heißt, der größte Teil der Referenzgruppe sind HartzIV-Bezieher, Aufstocker usw.
Man muss sagen, dass die Berechnungen für Familien mit Kindern zum Teil auf sehr niedrigen Fallzahlen beruhen. Daher gibt es dafür auch keine verlässlichen Aussagen über die wirklichen Ausgaben, die notwendig sind.
Konkret heißt das zum Beispiel: Die Teilhabe ist nach der Bundesregierung für Kinder aus armen Familien nicht vorgesehen in Bereichen wie Kino, Theater, Schwimmbad, Museum, Zoo. Das sind viele Ausgaben, die für Kinder notwendig sind und die sich arme Familien – das hat Herr Krauß schon gesagt – gar nicht leisten können. Das zeigt auch die Erhebung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes dazu. Wenn es aber so ist, dass sich die armen Familien das nicht leisten können, dann kann man das auch nicht einbeziehen, wenn man den realen Bedarf von Kindern für den Regelbedarf ausrechnen will.
Aber auch andere Berechnungsgrundlagen scheinen sehr fragwürdig, zum Beispiel ausgewogene und ausreichende Ernährung ist nach wie vor nicht in dieser Regelberechnung enthalten. Ernährung ist mehr als nur ein warmes Schulessen. Das wurde vorhin bereits angesprochen. 6 Euro für Windeln im Monat ist derart am Leben vorbei, dass ich mich frage, wie es diese armen Familien tatsächlich schaffen, ihre Kinder ausstatten zu können. Dazu hätte ich gern eine Antwort.
Chipkarten und Gutscheine bleiben als weitere Kriterien. Sie gaukeln nämlich eine Absicherung vor, die gar nicht erbracht wird. Überlegen Sie doch einmal selbst, was Sie mit Ihren Kindern, Ihren Enkeln oder vielleicht Neffen und Nichten am Wochenende so unternehmen. Meinen Sie, 10 Euro im Monat reichen tatsächlich für Sport, Spiel, Kultur, Geselligkeit und außerschulische Bildung? Davon ist nicht einmal die Musikschule im Monat zu bezahlen. Die veranschlagten 10 Euro reichen also vorn und hinten nicht. Außerdem muss jede Leistung wahrscheinlich auch noch einzeln beantragt werden. Das ist mehr Stigmatisierung und nicht der angemahnte gleichberechtigte Zugang zu Bildung und Kultur für jedes Kind.
Zum anderen ist die geplante Chipkarte äußerst bürokratisch und datenschutzrechtlich bedenklich. Denn niemand sagt, wer die Daten der Kinder dann tatsächlich einsehen kann und wo diese Daten am Ende landen. So entstehen gläserne Minderjährige. Das ist kein besonderer Schutz für Kinder.
Fazit: Schluss mit billigen Vorurteilen! Eltern, die mit Geld nicht umgehen können oder die Bedürfnisse Ihrer Kinder vernachlässigen, gibt es in allen Gesellschaftsschichten. Die Entmündigung erwerbsloser Eltern ist aber
nicht nur unredlich, sondern auch schädlich sowohl für deren Selbstbestimmungsrecht als auch für die Zukunft.
Es ist also eine Aufgabe, den Regelsatz anzuheben, und zwar in Bargeld. Kinder werden derzeit je nach Erwerbssituation ihrer Eltern höchst ungleich finanziell gewürdigt. Angemessen ist aus unserer Sicht eine Art Kindergrundsicherung.
Aber natürlich bedarf es auch eines öffentlichen Bildungs- und Erziehungssystems, das zum einen kostenfrei ist und zum anderen niemanden zurücklässt, weder Kinder noch Eltern, und qualitativ hochwertig ist. Wer sich ernsthaft für Bildung einsetzen möchte, der muss sich des Problems annehmen, dass immer mehr Teile des Bildungssystems schleichend privatisiert werden und von den Eltern aus eigener Tasche finanziert werden müssen. Gäbe es Lern- und Lehrmittelfreiheit, gäbe es kostenloses gesundes Schulessen und mehr individuelle schulische Förderung, würde sich die Frage nach dem Schulpaket gar nicht mehr stellen. Im Übrigen würden davon alle profitieren, auch die von Ihnen vorhin angesprochenen Niedrigverdiener und Geringverdiener.
Zum Schluss muss sich die Bundesregierung natürlich auch fragen lassen, ob sie weiß, was mit den knappen Kassen der Kommunen und der Länder überhaupt noch zu finanzieren ist. Ein flächendeckendes Angebot für Kultur, Bildung und Sport ist in bestimmten Bereichen sowohl in Städten als auch in Gemeinden gar nicht mehr vorhanden.
Die Fraktion DIE LINKE hat im Bundestag einen Antrag eingebracht für Maßnahmen zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenz- und Teilhabeminimums. Teil dessen ist eine Kommission, die dieses menschenwürdige Existenzminimum gemeinsam erarbeiten soll, nämlich einen realitätsnahen und existenzsichernden Grundsicherungsregelsatz für Kinder. Diese Kommission soll sich zusammensetzen aus Abgeordneten, Sachverständigen, Personen des allgemeinen öffentlichen Interesses, aber eben auch aus Betroffenen. Sie soll öffentlich tagen und eine Debatte beinhalten und anregen, die uns hier im Landtag auch sehr gut tun würde, nämlich: Was braucht der Mensch für ein Leben in Würde? Heute haben Sie die Möglichkeit, dem Antrag der SPD zuzustimmen und einen ersten Beitrag zu leisten.
Frau Schütz ist die nächste Rednerin in der allgemeinen Aussprache für die FDP-Fraktion. Frau Schütz, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, herzlichen Dank! Sehr geehrte Abgeordnete! Zuerst an die SPD-Fraktion gerichtet: Ist Ihnen eigentlich nichts mehr zu plump und als Titel des Antrages zu wählen „Situation von Familien in Sachsen verbessern“?
Entweder ist das wirklich Ihr Bild oder Sie schüren hier wieder eine Erwartungshaltung, die so nicht funktioniert.
Ihr Titel hätte heißen müssen „Situation von Familien mit Sozialbezug in Sachsen verbessern“. Denn der Antrag enthält in keiner Weise eine Aussage dazu, wie Sie die Situation der Familien verbessern wollen, die das bezahlen. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: So geht es nicht!
Weitere Vorworte zu diesem Antrag möchte ich mir sparen. Ich möchte sofort bei den einzelnen Punkten einsteigen.
Der Bund muss sparen. Zum einen, um die aus dem Konjunkturpaket resultierenden Defizite zu reduzieren, zum anderen aber auch die Vorgaben der Schuldenbremse zu beachten. Um beide Vorgaben einzuhalten, muss der Bund seine Ausgaben kürzen oder seine Einnahmen erhöhen. Der erste Weg ist für uns dabei deutlich der sinnvollere, und dabei gibt es eine Vielzahl von länderübergreifenden empirischen Untersuchungen, die nachweisen, dass Konsolidierungsversuche, die vorwiegend Ausgabenkürzungen umfassen, wesentlich erfolgreicher sind.
Dieses Ziel hat sich auch die Bundesregierung aus CDU und FDP gesetzt, durch nachhaltiges Sparen nachhaltiges Wachstum zu ermöglichen. Es werden Anreize für die Aufnahme sozialversicherungspflichtiger Arbeit geschaffen. Das hat für uns Vorrang. Es werden leistungshemmende Steuererhöhungen vermieden, es wird in Bildung und Forschung investiert.
In den nächsten vier Jahren will der Bund seinen Haushalt um knapp 82 Milliarden Euro entlasten. 23 Milliarden Euro trägt der Bund selbst, die restlichen 59 Milliarden Euro schultern der Sozialbereich und die Unternehmen hälftig. Aber das muss natürlich insgesamt auch in Relationen gesehen werden. Der Sozialetat beträgt 173 Milliarden Euro, während Unternehmenszuschüsse nur ein Siebtel davon betragen. Diese beiden sollen – wie gesagt – hälftig den Restbetrag schultern.
Natürlich sind Einschnitte schmerzhaft, aber sicher nicht unverhältnismäßig, so wie Sie es hier darstellen. Kurzfristiges Denken, das später zulasten nachfolgender Generationen geht, bringt uns bei Haushaltsdebatten keinen Schritt weiter.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Einführung des Elterngeldes hatte die Intention, ein Anreiz für arbeitende Frauen zu sein, die zwar in Sozialkassen einzahlen, aber selbst aus Zeitmangel kinderlos bleiben. Mit dem Elterngeld sollen sie auch während ihrer Elternzeit abgesichert sein, um Miete, Lebensunterhalt oder Ausstattung für das Kind finanziell aufbringen zu können. Aber um diese Eltern, die ihr Elterngeld anteilig selbst erwirtschaften, geht es der SPD gar nicht.
Die Mütter, die Sozialleistungen beziehen, sind unserer Meinung nach abgesichert. Sie erhalten die Grundsicherung, Zusatzleistungen wie Miete und Heizung, Erstausstattung oder auch den Mehrbedarf für Alleinerziehende.
An Sie, Frau Neukirch, gerichtet, sage ich: Es ist schon erstaunlich, dass Sie heute schon wissen, wie viele Hartz
Das zeigt ganz deutlich, dass Sie überhaupt keine Anstrengungen unternehmen wollen, etwas für Arbeitsanreize zu tun. Sie zementieren die derzeitige Situation. Das ist Ihre Denkweise.
Auch die Kürzung des Heizkostenzuschusses für Wohngeldempfänger halte ich nicht für ungerechtfertigt. Der Heizkostenzuschuss wurde damals eingeführt, als die Energiekosten auf einem historisch hohen Stand waren. Die Situation hat sich aber entspannt. Die Kosten für Heizöl sind um 33 % gegenüber dem damaligen Vergleichswert gesunken, die Kosten für Gas um 25 %. Ich denke, hier darf und muss man den Mut haben, das auf das früher geltende Recht zurückzuführen. Aber die SPD traut sich diesen Weg nicht. Sie traut sich ihn nicht einmal in der Opposition, sondern nimmt auch hier wieder die Rolle des Allesversprechers ein. Sie sind damit ziemlich nahe bei den Kollegen der Linksfraktion.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Priorität auf Bundesebene hat die Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils, das soziale Korrekturen nach sich ziehen muss. 625 Millionen Euro werden allein für Bildungs- und Teilhabechancen der Kinder 2011 neu eingestellt. Ich hatte das im letzten Tagesordnungspunkt bereits genannt. Wie die Hilfe bei bedürftigen Kindern ankommt und wie die Strukturen vor Ort effektiv und unbürokratisch genutzt werden können, dazu sind nach wie vor alle Beteiligten im Gespräch. Hier – das darf ich Ihnen sagen – wird ein optimaler Weg gefunden werden.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich in vollem Umfang den Redebeiträgen meiner Kolleginnen aus der Opposition anschließen und werde deshalb darauf verzichten, alle Argumente noch einmal vorzutragen. Ich möchte nur einige wenige Anmerkungen machen.