Protokoll der Sitzung vom 04.11.2010

Die erste Anmerkung betrifft Sie, Kollegin Schütz. Sie sagen: Der Staat muss sparen. Dass es ein unausgewogenes Sparen ist und Ihnen das gerade an dieser Stelle einfällt, während Sie etwas früher Steuererleichterungen für das Hotel- und Gaststättengewerbe beschlossen haben, ist Ihnen dabei wohl nicht eingefallen?

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Wenn mein Kollege Krauß aus der CDU sagt, dass, wer arbeiten geht, dafür nicht auch noch bestraft werden soll, dann unterstellt das in gewisser Weise, dass Menschen nur deshalb arbeiten gehen, weil sie dabei Geld verdienen. Dass Arbeit viel mehr als Geldverdienen ist, dass es Selbstbestätigung und Anerkennung bietet, fällt dabei völlig unter den Tisch. Das ist eine Sichtweise, die man hier nicht unwidersprochen vertreten kann.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Ich möchte noch das Bildungspaket ansprechen. Die Vorrednerinnen sind darauf schon eingegangen. Wenn ein Kind zum Beispiel die Lernförderung in Anspruch nehmen will, dann muss der Bedarf zuerst von der Schule bestätigt werden, danach wird er vom Jobcenter bewilligt. Denken Sie – erstens – an die Bürokratie, die damit verbunden ist. Wieso erfolgt – zweitens – die Bewilligung vom Jobcenter? Wir haben viele Möglichkeiten in der Kinder- und Jugendhilfe, wo das viel besser gemacht werden könnte und die in der Fläche überall vorhanden sind, die Sie aber im Haushalt kürzen. Jetzt soll das Jobcenter einspringen und diese Bedarfe bestätigen. Das ist ein Weg, den ich nicht nachvollziehen kann.

Ich habe den Eindruck, dass Sachsen ein bisschen darauf spekuliert, dass der Bund bestimmte Leistungen übernimmt und Sie deshalb im Haushalt in der Lage sind, im Kinder- und Jugendbereich auf Kosten des Bundes zu sparen. Es ist bloß die Frage, ob diese Rechnung aufgehen wird. Wenn ich nämlich mit der Bildungskarte Angebote abrufen will, aber keine Angebote im Bereich der Jugendhilfe mehr finde, dann nützt mir die Bildungskarte gar nichts.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Für die NPD-Fraktion spricht jetzt Herr Petzold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es lässt sich heute schon sagen, wer die Hauptleidtragenden des Sparpakets der Bundesregierung sein werden. Anhand der Punkte Elterngeld und Heizkostenzuschuss lässt sich die Lage beschreiben.

Die Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Bezieher wird fast 50 000 Alleinerziehende und fast 85 000 Paarhaushalte in der BRD treffen. Betroffen werden vor allem Mütter sein. Diese Zahlen lassen sich aus den Daten des Statistischen Bundesamtes ableiten.

Wie die Antragstellerin richtig feststellt, trifft die gesamte Problematik in besonderem Maße auf die neuen Bundesländer zu. Dass die Bundesregierung den Beziehern von höheren Einkommen geringe Einschnitte zumuten will, liegt auf der Hand. Von den insgesamt rund 600 Millionen Euro, die am Elterngeld eingespart werden, sind Eltern mit einem Nettoeinkommen von mehr als 2 100 Euro lediglich mit etwa 15 Millionen Euro beteiligt.

Es trifft wieder einmal vor allem die Ärmsten unter unseren Landsleuten, darunter nicht nur Hartz-IV-Bezieher, sondern auch die sogenannten Aufstocker. Das ist ein sozialpolitischer Skandal erster Güte.

Im gesamten Bundeshaushalt ist eine Einsparung von rund 80 Milliarden Euro bis 2014 vorgesehen. Davon sollen allein im Sozialhaushalt 30 Milliarden Euro eingespart werden. Halten wir uns demgegenüber vor Augen, dass beispielsweise die Banken durch die angedachte Finanztransaktionssteuer nur zu etwa 6 Milliarden Euro an der Stabilisierung des Haushalts beteiligt sein sollen. Selbst dieser bescheidene Betrag wird nun von der EU unterlaufen.

Die Politik der sozialen Kälte setzt sich nahtlos fort, wenn man an die Streichung des Heizkostenzuschusses für Wohngeldempfänger denkt. In der BRD bezogen im Jahr 2009 etwa 800 000 Geringverdiener Wohngeld. Zum 31.12.2009 wurden in Sachsen rund 82 000 reine Wohngeldhaushalte registriert. In mehr als 22 000 davon leben Kinder.

Dies ist auch der potenziell von der Streichung betroffene Personenkreis. Erinnern wir uns daran, dass erst am 1. Januar 2009 im Zuge der Wohngeldreform die Heizkosten wegen gestiegener Energiepreise in das Wohngeld einbezogen wurden.

Die Bundesregierung behauptet, der Heizkostenzuschuss sei aufgrund gesunkener Energiepreise überflüssig geworden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Antwort der Sächsischen Staatsregierung auf eine Kleine Anfrage des NPD-Abgeordneten Arne Schimmer brachte es an den Tag. Ich zitiere aus der Drucksache 5/3190: „Nach der amtlichen Statistik verteuerten sich die Haushaltsenergien Strom, Gas und Heizöl im Juli 2010 gegenüber dem Juli des Vorjahres insgesamt um 3,4 %. Im Einzelnen war es bei Strom ein Anstieg von 6,2 % und bei den Heizölen von 24,0 %, bei den Gasen hingegen ein Rückgang von minus 2,4 %.“

Der Deutsche Mieterbund sieht das genauso. Demnach liege zum Beispiel der Ölpreis mit 34 % über dem vom 01.01.2009. Zudem ist überhaupt noch nicht abzusehen, wie die Energiekosten in den nächsten Jahren steigen werden. Die NPD-Fraktion wird dem Antrag zustimmen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Damit war dies die erste Runde der allgemeinen Aussprache. Ich frage die Staatsregierung, ob sie das Wort ergreifen möchte. – Das kann ich noch nicht erkennen. Daher eröffne ich eine zweite Runde. Frau Neukirch? – Weitere Abgeordnete der Fraktionen? – Das kann ich nicht erkennen. Nun die Staatsregierung; Frau Staatsministerin Clauß, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Sie können sich sicher

sein: Auch ohne diesen Antrag mit der Aufforderung setzen wir uns bereits auf Bundesebene für die Neuregelung des SGB II und des SGB XII ein. Herr Kollege Dr. Pellmann – wo ist er? nicht da –, was Ihren Antrag betrifft, so ging es darum, noch einmal eine Bundesratsinitiative zur Neubemessung zu starten. Dafür haben wir uns natürlich nicht eingesetzt.

Frau Bundesministerin von der Leyen hat nun einen Gesetzentwurf erarbeitet und vorgelegt, und diesem stimme ich grundsätzlich zu: neue Regelsätze, transparente Berechnungsgrundlagen, Anpassungen, Neuregelung der Erwerbstätigenfreibeträge und vor allem das Bildungspaket mit mehr Bildungschancen für Kinder und Jugendliche. Hierbei sollen nicht nur die Kinder in der Grundsicherung berücksichtigt werden, sondern auch Kinder, die den Kinderzuschlag erhalten. Dazu soll das Bundeskindergeldgesetz entsprechend geändert werden.

Im Bereich der Kosten für die Unterkunft sollen die Länder künftig die Landkreise und kreisfreien Städte zu einer Satzungsregelung ermächtigen können. Aber man muss die Neuregelung des SGB II im Ganzen sehen und darf sich nicht nur einige Rosinen herauspicken; denn bei mancher Übereinstimmung mit Ihrem Antrag, sehr geehrte Damen und Herren von der SPD-Fraktion, hat Ihrer doch eine gewisse Schieflage. Ihre Forderung, den Wegfall der Anrechnungsfreiheit des Mindestelterngeldes beim Arbeitslosengeld II und beim Kinderzuschlag zu verhindern, hört sich wohl gut an. Sie lässt sich in der politischen Diskussion und in den Medien sehr wohl gut verkaufen, sie ist aber so eine Rosine.

Aufgrund der Finanzsituation hat der Bund privilegierte Zahlungen auf den Prüfstand gestellt. Eine dieser privilegierten Zahlungen ist, Eltern mit Bezug von Arbeitslosengeld zusätzlich zu den existenzsichernden Leistungen in den ersten zwölf Lebensmonaten des Kindes monatlich 300 Euro extra bereitzustellen. Mit der geplanten Anrechnung des Elterngeldes wird zugleich dem bisher nicht berücksichtigten Subsidiaritätsprinzip wieder Rechnung getragen.

Ich betone aber ausdrücklich: Es handelt sich um eine Anrechnung, nicht um eine Abschaffung, wie sie auch von vielen gefordert wird. Hinzu kommt, dass bei Vermögenden mit einem Einzeleinkommen von über 250 000 Euro der Anspruch auf Elterngeld ganz gestrichen werden soll. – So viel zum Gesamtzusammenhang in Ihrer ersten Forderung.

Zur zweiten Forderung, den Heizkostenzuschuss im Rahmen des Wohngeldgesetzes weiterhin zu gewähren, ist festzuhalten: Dieser wurde nach der jetzigen Regelung nur einmalig in 2009 geleistet. Der Grund – wir haben es schon gehört – lag darin, dass wegen der gestiegenen Mineralölkosten ein Puffer gewährt wurde.

Zu Ihrer dritten Forderung. Nach den bisherigen Vorstellungen soll das Teilhabe- und Bildungspaket über die Jobcenter umgesetzt werden. Die vor einigen Wochen noch sehr straff gefasste Auffassung scheint noch entwicklungsfähig. Das finde ich gut. Der aktuelle Entwurf

sieht vor, dass sich die Kommunen dieser Aufgaben annehmen können, und ich denke, hier wird sich im parlamentarischen Verfahren auch noch einiges bewegen. Zudem hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur praktischen Umsetzung der Bildungsguthaben einen Beirat unter Beteiligung der Länder gegründet. Dieser wird sich mit der technischen Umsetzung der Bildungskarte im Detail beschäftigen. Das ist der richtige Weg, und damit dürfte auch die Diskussion um die Supernanny vom Arbeitsamt versachlicht werden.

Ihre vierte Forderung wurde im Entwurf ebenfalls bereits bedacht, denn die Neuregelung zum SGB II und SGB XII sowie zum Bundeskindergeldgesetz berücksichtigt auch Kinder aus Familien mit kleinen Einkommen. In diesen Leistungen werden Bedarfe bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten. Entsprechende Regelungen sind auch im Bundeskindergeldgesetz für Empfänger des Kinderzuschlages vorgesehen. Somit bekommen diese das Schulbasispaket: die Lernförderung, das Mittagessen und die außerschulische Bildung.

Was mich allerdings sehr nachdenklich stimmt, ist Folgendes: Aus den Reihen der SPD gibt es, zumindest auf Bundesebene, vermehrt Stimmen, den unter Zeitdruck stehenden Gesetzentwurf in Tauschgeschäften politisch zu verhandeln. Das ist nicht sachgerecht. Wenden Sie sich mit Ihrem Anliegen doch bitte an die eigene Bundespartei und machen Sie deutlich, dass es für das Wohl unserer Kinder keine Tauschgeschäfte geben darf!

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Koalition jedenfalls hat ihre Aufgaben gemacht, und wir als Staatsregierung werden uns selbstverständlich in das weitere Verfahren einbringen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Schlusswort für die SPD-Fraktion hält Frau Neukirch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei Frau Clauß habe ich jetzt zumindest festgestellt, dass wir überhaupt nicht so weit auseinander liegen, wie es die vorherigen Diskussionen zwischen den Koalitionsfraktionen und uns ein wenig vorgegaukelt haben. Daher denke ich, die Richtung ist eigentlich klar. Dass es schwierige Verhandlungen auf Bundesebene sind, ist uns bewusst.

Frau Schütz, wir müssen alle Familien in den Blick nehmen. Auf den Unterschied hatte ich bereits hingewiesen. In Sachsen wird bei allen Familien gekürzt und auf Bundesebene werden Leistungen vorrangig bei Familien

gestrichen, die jetzt bereits auf Sozialleistungen angewiesen sind. Diesen Unterschied hatte ich erwähnt. Aber wenn es wirklich um konstruktive Vorschläge geht und nicht nur um den rhetorischen Austausch, dann möchte ich wirklich gern in die Richtung gehen, wie es Frau Clauß angedeutet hat: das Teilhabepaket so umzusetzen, dass die Kinder- und Jugendhilfestrukturen insgesamt gestärkt und nicht 148 Millionen Euro in den Verwaltungsaufbau bei den Jobcentern gesteckt werden. Wenn es dahin gehen könnte, dann wären wir uns einig, und es hätten alle Familien in Sachsen etwas davon, weil die Kinder- und Jugendhilfe für alle Kinder und Jugendlichen zugänglich ist.

(Allgemeine Unruhe im Saal)

Zu den Heizkosten. Von der Einführung des Heizkostenzuschusses am 01.01.2009 bis heute ist der Ölpreis um 34 % gestiegen. Ich weiß nicht, welche Statistiken bei Ihnen dahinter stehen. Als Argument für die Kürzungen kann das wirklich nicht herhalten.

Zu den Zahlen. Es gibt eine Anfrage im Bundestag. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort Auskunft über die Auswirkungen des Sparpaketes für den Freistaat Sachsen gegeben. Es war eine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. Ich empfehle allen, sie zu lesen. Darin stehen die Zahlen, wie viele Haushalte betroffen sein werden.

Ich habe auch schon geahnt, dass man mit sachlichen Argumenten hier nicht so viel Erfolg landen kann. Deshalb habe ich mir extra ein Finanzargument für Sie aufgehoben. Ich habe zusammengerechnet: Es werden über dieses Sparpaket der Bundesregierung 300 Millionen Euro weniger nach Sachsen fließen. Natürlich werden diese nicht bei den SGB-II-Empfängern ankommen. Sie können in Sachsen auch nicht ausgegeben werden. Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist Sachsen bei diesem Sparpaket ein Spartopf, und es liegt doch sicherlich im Interesse der Staatsregierung, das zu vermeiden und die Einsparungen zulasten sächsischer Familien zu verhindern.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/4006 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei keiner Stimmenthaltung und zahlreichen Dafür-Stimmen ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Qualitätsstandards der Musikschulen im Freistaat Sachsen langfristig sichern