, in seinem Interview irgendwelche Regeln – verfassungsrechtliche, vielleicht menschliche – übergangen hat.
Nein, sehr gut! Wenn Sie der Meinung sind, dass er die Regeln nicht übergangen hat, dann gehe ich davon aus, dass er sich als Ministerpräsident verfassungsgemäß auch in der Öffentlichkeit geäußert hat.
Ich gehe davon aus, dass die Äußerungen, die der Ministerpräsident gemacht hat, im Rahmen des verfassungsrechtlich Möglichen sind; er die Fragen der Demokratie – ich weiß zwar nicht, warum Sie so aufgeregt sind – in
keinster Weise beschnitten hat, weil ihm das überhaupt nicht zustehen würde und er als Ministerpräsident klug genug ist, dies nicht tun.
Lieber Herr Kollege Schiemann, stimmen Sie mir zu, dass es verfassungsrechtlich zulässig sein kann, dass jemand eine Meinung zur Demokratie äußert, die in der Sache hoch problematisch ist, und dass man sich als Landtag dann dazu äußern muss?
Man kann sich in vielen Angelegenheiten zu problematischen Themen äußern, und es ist sicherlich legitim, dass man sich auch im Landtag damit befasst.
Ich möchte aber für meine Fraktion deutlich machen und fragen, ob es wirklich ein Angriff auf die Demokratie ist, was der Ministerpräsident geäußert hat.
Ich glaube nicht, dass wir ein Untersuchungsausschuss sind, der sich mit einem Artikel des Ministerpräsidenten zu befassen hat.
Frau Antje Hermenau hat zu Recht auf die Rede des Bundestagspräsidenten hingewiesen, der in seiner wegweisenden Rede hier in Dresden zum 20-jährigen Bestehen des Sächsischen Landtages deutlich gemacht hat – ich darf zitieren, Herr Präsident –: „Und sosehr sich nicht erst nach den allerjüngsten Erfahrungen, aber auch unter Berücksichtigung der allerjüngsten Erfahrungen empfiehlt, dass Regierungen im Umgang mit Großprojekten der Versuchung besser widerstehen sollten, dies als Nachweis ihrer überlegenen Kraft gegenüber dem Volk zu nutzen – denn seit 20 Jahren wissen wir ja nun verlässlich: Am Ende siegt immer das Volk –, so sehr empfehle ich mit gleichem Ernst Demonstranten im Umgang mit Großprojekten, dies nicht für Kraftproben mit dem Rechtsstaat zu missbrauchen. Denn dieser Rechtsstaat ist die Voraussetzung für die Wahrnehmung der Grundrechte, von denen wir zu Recht Gebrauch machen.“
Für die CDU-Fraktion sprach Herr Kollege Schiemann. – Als Nächster in der Rednerrunde ergreift die Fraktion DIE LINKE das Wort mit Herrn Abg. Prof. Besier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich sind die „Focus“-Einlassungen des sächsischen Ministerpräsidenten zu den Massendemonstrationen gegen das umstrittene Bahnprojekt „Stuttgart 21“ mehr als unglücklich. Das ist eine kleine Eselei und man muss sich fragen, Herr Ministerpräsident, wie es in Ihrer Staatskanzlei aussieht, dass Sie da keiner gebremst hat. Helmut Kohl hätte so jemanden gefeuert.
Der sonst so vorsichtige Politiker – Sie sind ja sonst tatsächlich eher zurückhaltend; das hat Frau Hermenau schon erwähnt – hat mit wenigen Sätzen offenbart – und das haben wir immer schon geahnt –, wie dünn der demokratische Firnis in seinem Denken noch ist.
Christoph Dieckmann hat sich am 21. Oktober auf der Sachsenseite der „Zeit“ in einer Glosse dazu geäußert – Donsbach, der Ihrer Partei nahe steht, wenn nicht gleich Mitglied ist, hat jetzt nachgelegt: Das apodiktische Gebaren nicht erst dieses Ministerpräsidenten und seiner Staatspartei, die Gehorsamsbereitschaft des sächsischen Wahlbürgers, die Waldschlößchenbrücke und andere Großtaten nach diesem Handlungsmodell, das Missverständnis der wirtschaftsfrommen Motivation und ihre tiefe Sehnsucht, die Westler endlich auch einmal belehren zu können – das alles hat Dieckmann aufgespießt. Natürlich konnte er sich auch den Hinweis auf den Rat des Kreises Kamenz nicht verkneifen.
Ich bin der Meinung, Sie sind mit dieser Glosse eines der bekanntesten Journalisten aus dem östlichen Deutschland gestraft genug; dazu ist eigentlich nichts mehr zu sagen. Ich bin nur der Meinung, es handelt sich gar nicht um ein Ostphänomen, sondern um einen gesamtdeutschen Reflex der CDU, den wir schon seit den späten Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts kennen. Sie sind eben eine Pantoffelpartei,
fühlen sich stets bedroht, wenn sich die Bundesbürger wieder einmal ihrer oft vergessenen Fähigkeit zum Selbstdenken und Selbsthandeln besinnen.
Hier kommen die GRÜNEN ins Spiel, die als witzige „Antipartei-Partei“ mit ihren kreativen Aktionen die Biedermänner immer wieder aus der Reserve gelockt haben und den ganzen Abscheu der CDU-Granden auf sich zogen.
Ja, das geht so weiter. – Vor allem für CDU-Politiker, bin ich ganz zuversichtlich, waren GRÜNE wie Joschka Fischer mit ihrem Auftreten und ihren unkonventionellen
Manieren immer eine unverschämte Frechheit, ein unerhörter Einbruch in ihre so sorgfältig eingehegte Gartenzwergkultur.
Da hinein gehört das Ganze. Die Stammtischgesinnung etwa eines Alfred Dregger und seine unverwüstlichen Feindbilder wurden von den GRÜNEN immer bestens bedient. Unvergessen ist Joschka Fischers Ausspruch – das gehört ja zur Parlamentsgeschichte – gegenüber dem Bundestagsvizepräsidenten Richard Stücklen, der ihn gerade aus der Sitzung ausgeschlossen hatte: „Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch, mit Verlaub!“
Insofern ist es nur konsequent, dass diese Debatte auf Antrag der GRÜNEN stattfindet. Dafür bedanken wir uns; auch im Namen meiner Fraktion tue ich das. Allerdings – auch das muss gesagt werden –: Eine solche erfrischende Tradition ist immer auch bleibende Verpflichtung, und daran möchte ich Sie ebenfalls erinnern.
Ich meinerseits habe eigentlich keine Lust, nun weiterhin auf den Ministerpräsidenten einzuprügeln oder über die kleine, noch heile CDU-Welt in der sächsischen Provinz zu spotten.
Das tiefe Erschrecken über das Wiedererstehen des bürgergesellschaftlichen Engagements wird Sie auch ereilen – den Vorgeschmack haben Sie gestern schon erlebt. Es geht weiter, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Für die Fraktion DIE LINKE sprach Herr Prof. Besier. – Als Nächste spricht die SPD-Fraktion mit Herrn Kollegen Dulig.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass man sich an dieser Stelle erst einmal bei dem Ministerpräsidenten entschuldigen muss. Dass die GRÜNEN es wagen, eine solche Debatte hier anzuzetteln, finde ich schon ein starkes Stück, und ich will mich an dieser Stelle ganz klar auch hier bekennen: Herr Tillich, Sie sind für mich ein lupenreiner Demokrat.
Die GRÜNEN erwecken mit dieser Debatte ja regelrecht den Eindruck, als würden Sie so tun, als würde Ihnen das Land gehören; als würden Sie so tun, als ob die Menschen Ihre Untertanen wären; als würden Sie sich hier ein Parlament halten. Ich denke, das ist nur der Neid der GRÜNEN, dass sie nicht eingeladen werden,
wenn die Ministerien Umgehungsstraßen einweihen oder Investitionen feiern. Das ist der Neid, weil da nur die