Diesem Anliegen dient dieser Gesetzentwurf, und ich hoffe und erwarte auch, dass man sich dieses Themas annimmt – ungeachtet dessen, dass die NPD-Fraktion der Einreicher dieses Gesetzentwurfes ist.
Meine Damen und Herren! Es ist vom Präsidium vorgeschlagen, diesen soeben eingebrachten Gesetzentwurf an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss zu überweisen.
Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Überweisung beschlossen. Ich beende den Tagesordnungspunkt. Wir gehen jetzt in eine Mittagspause. Ich schlage vor, dass wir uns 13:30 Uhr hier wieder treffen.
Meine Damen und Herren! Es ist jetzt 13:30 Uhr. Ich würde gern mit der Sitzung fortfahren. Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt eröffne, möchte ich darauf hinweisen, dass es vonseiten der NPD-Fraktion einen Einspruch gegen einen Ordnungsruf gibt, das heißt, dass wir das heute als Tagesordnungspunkt 13 ergänzen müssen.
Es spricht zuerst die einreichende Fraktion. Das ist die SPD. Es folgen in der ersten Runde CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile nun der SPD-Fraktion das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Nichts über uns ohne uns“ – so lautete das Motto bei der Erarbeitung der UN-Behindertenrechtskonvention. Das Motto der Staatsregierung bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention lautet offenbar: „Wer nichts macht, kann auch nichts falsch machen.“ Mit der Beantwortung der Fragen auf die Große Anfrage meiner Fraktion – die Beantwortung war übrigens sehr spärlich, und es gab in einigen Fällen überhaupt keine Antworten – stellt sich die Staatsregierung ein Armutszeugnis aus. Besonders traurig ist dabei nicht nur das deutlich zu erkennende Desinteresse am Thema, was gerade auch sehr schön im Plenum dokumentiert ist,
sondern vor allem auch die Unkenntnis des Vertragswerkes. Statt die Begriffe, die den Geist dieser UNBehindertenrechtskonvention atmen, nämlich Chancengleichheit, Empowerment oder Inklusion, zu verwenden und damit zu zeigen, dass Sie diese Resolution verstanden haben, setzen Sie dem interessierten Leser folgende Sätze vor – ich zitiere aus den Antworten der Staatsregierung –: „Das SMS beabsichtigt, mit Vertretern der anderen Staatsministerien und der Staatskanzlei sowie dem Beauftragten der Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen diejenigen Handlungsfelder zu identifizieren, welche für die Belange von Menschen mit Behinderungen wichtig sind.“ Falls Sie immer noch am Identifizieren sind, um welche Politikfelder es sich da handeln könnte, kann ich Ihnen das mit einem Satz sagen: Es sind alle.
Wir erfahren beim Lesen der Antworten auf die Große Anfrage des Weiteren von großen Anstrengungen der Staatsregierung, dass nämlich der Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen Informationsveranstaltungen besucht oder auch Pressemitteilungen herausgibt. Dieses Engagement freut mich natürlich sehr, aber es ist nicht das Ihre. Es ist auch nicht die Aufgabe eines Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen, die Versäumnisse der Staatsregierung auszugleichen. Dazu hat er übrigens mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit gar nicht die Zeit.
Des Weiteren schreiben Sie in Ihren Antworten: „Die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen können auch im Rahmen von Städtebaumaßnahmen berücksichtigt werden.“ Das ist leider nicht korrekt, denn sie können nicht berücksichtigt werden – sie müssen es. Wenn Sie das noch nicht verstanden haben, dann haben Sie den völkerrechtlich bindenden Charakter dieses Dokuments noch nicht begriffen.
Andere Bundesländer sind in dem Verständnisprozess schon ein paar Schritte weiter. Zum Beispiel hat im März dieses Jahres die Regierung von Rheinland-Pfalz einen Aktionsplan verabschiedet. Wir erinnern uns, dass es am 20. Mai dieses Jahres einen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gab, in dem auch solch ein Plan verlangt wurde. Dieser Antrag wurde von den Abgeordneten von CDU und FDP ohne überzeugende Begründung abgelehnt. Der Aktionsplan von Rheinland-Pfalz sollte für uns eine Vorbildfunktion besitzen. Er umfasst 200 Maßnahmen und betrifft alle Ministerien, weil gute Politik für Menschen mit Behinderungen eben weitaus mehr ist als nur Sozialpolitik.
Bei der Lektüre des 66-seitigen Planes bin ich auf einen Begriff gestoßen, den ich in Ihrer Politik auch vermisse: Es war der Begriff „Vision“. Diesen Begriff habe ich im Zusammenhang mit Politik für Menschen mit Behinderung von der Staatsregierung noch nicht gehört. Ich frage
mich manchmal, und ich möchte Sie das direkt fragen, liebe Mitglieder der Staatsregierung: Denken Sie bei Ihrer täglichen Arbeit eigentlich noch darüber nach, in welcher Gesellschaft Sie einmal leben wollen, oder ordnen Sie inzwischen auch Ihr Wertesystem schon haushalterischen Zwängen unter?
Die Monitoringstelle des Deutschen Instituts für Menschenrechte, welche den Prozess der Umsetzung als überparteilicher Partner überwacht, betonte in ihrer jüngsten Publikation die Bedeutung von Aktions- und Maßnahmenplänen. Nun frage ich: Wo bleibt der Plan für Sachsen? Wo bleibt der Plan für die Umsetzung des Artikels 24 für die Inklusion an Schulen? Wo bleibt der Plan für ein neues Heimgesetz? Wo bleibt der Plan für inklusive Kulturräume? Wo ist eigentlich im Haushalt das Geld für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention versteckt? Ich konnte es leider nicht finden, ich bin in diesem Bereich nur auf Kürzungen gestoßen. Steuereinnahmen hin oder her, manchmal habe ich bei Ihnen das Gefühl, man könnte Ihnen einen Goldesel vor das Ministerium stellen und Sie würden das Geld immer noch nicht für die Belange von Menschen mit Behinderung ausgeben.
Ich möchte Ihnen an dieser Stelle in aller Deutlichkeit sagen, weil ich den Eindruck habe, dass viele von Ihnen das noch nicht erkannt haben: Die UN-Behindertenrechtskonvention ist kein Wunschzettel, den man beliebig erfüllen oder auch beiseite legen kann. Die Inhalte dieses Vertragswerkes sind justiziabel. Das heißt, wir haben es hier nicht mit einem beliebigen Referenzdokument zu tun, sondern die Konvention besitzt den Rang eines Bundesgesetzes. Das bedeutet auch, Sie verstoßen gegen geltendes Recht, wenn Sie sich diesem Thema weiter verschließen.
Das Vertragswerk ist seinem Wesen nach ein normatives, und genau da wird es für die Staatsregierung bereits problematisch. Mit Ihrer jahrelang entwickelten Weil-daseben-so-ist-Mentalität haben Sie, so scheint es mir, den Sinn für das Normative verloren. Es gibt sicherlich Reden in diesem Hause, bei denen es der Opposition großen Spaß macht, auf der Regierung herumzuhacken. Ich muss Ihnen gestehen, mir macht es bei diesem Thema überhaupt keinen Spaß. Ich würde viel lieber hier stehen und sagen: Liebe Staatsregierung, ich danke Ihnen für Ihr vorbildliches Engagement bei der Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention.
Das kann ich leider nicht tun, denn alles, was ich von Ihnen zu diesem Thema bisher gehört habe, waren Lippenbekenntnisse oder Barmherzigkeitsargumentationen. Deswegen möchte ich Ihnen abschließend zu diesem Thema noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Gleiche Teilhabe, meine Damen und Herren, ist kein Akt der Barmherzigkeit, gleiche Teilhabe ist ein Menschenrecht.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird Sie sicherlich nicht verwundern, dass ich zu einer doch erheblich anderen Einschätzung komme. Dass Opposition Fehler sucht und sieht, ist richtig. Das ist ihr Auftrag. Aber ich denke, es wäre zeitweilig doch angemessen, auch einmal die einen oder anderen Erfolge zu benennen. Das ist leider nicht passiert.
Ich sage das nicht, weil wir diese Erfolge genannt haben müssen. Die ganze Debatte würde dadurch glaubwürdiger. Wir beschäftigen uns nach einem halben Jahr erneut mit der Behindertenpolitik in der Bundesrepublik Deutschland bzw. im Freistaat Sachsen, sie ist heute Tagesordnungspunkt. Kernthema wie damals: die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung, am 26. März 2009 durch die Bundesrepublik für verbindlich erklärt.
Heute stehen dabei die Große Anfrage der SPD-Fraktion und die Antwort der Staatsregierung darauf im Zentrum der Debatte. Lassen Sie mich gleich eingangs feststellen, dass alle Abgeordneten, so sie diese Anfrage und die Beantwortung noch nicht gelesen haben, dies tun sollten; denn im Unterschied zu Frau Kliese komme ich zu der Auffassung, sie gibt doch ein Bild über den Stand der Behindertenpolitik in Sachsen.
Noch immer sind Menschen mit Behinderung nicht dort in der Gesellschaft angekommen, wo sie die UNKonvention zu Recht sehen will. Ich denke, darin haben wir sofort wieder Konsens. Das ist auch kein Vorwurf – ich möchte das nicht als Vorwurf verstanden wissen –, nur eine Feststellung. Natürlich handelt es sich bei der Inklusion, der Teilhabe von Menschen mit Behinderung, um einen fortlaufenden, nie endenden Prozess. Sehr häufig baut noch immer Unkenntnis in der Gesellschaft Vorbehalte gegenüber Menschen mit Behinderung auf. Obwohl diese überhaupt nicht so gemeint sind, wirken sie aber genauso. So hoffe ich sehr, dass die heutige Debatte nicht nur Vorwürfe bringt, sondern dazu führen kann, solche Hürden weiter abzubauen oder wenigstens zu verkleinern.
Je häufiger die Betroffenen im Fokus des öffentlichen Interesses stehen, umso besser wird man mit dieser Thematik in der Bevölkerung umgehen können. Ich gehe davon aus – das hat sich schon am Anfang gezeigt –, dass es bezüglich der Bewertung und der Umsetzung der UNKonvention zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen natürlich deutliche Unterschiede geben wird. Aber dass wir darüber diskutieren, ist wichtig für die gesamte Gesellschaft und erst recht für die behinderten Menschen.
Im Kern geht es um die weitestgehend selbstbestimmte, gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am ganz
normalen Leben. Das ist leicht gesagt, und dagegen wird auch kein Nichtbehinderter etwas einwenden wollen. Aber so einfach ist es eben nicht. Behinderungen bauen bisweilen für die Betroffenen unüberwindbare Hürden auf, die es gilt, weitmöglichst zu beseitigen.
In der Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion wird zum Teil – ich sage bewusst: zum Teil – sehr dezidiert darauf geantwortet, wie weit es schon gelungen ist, Hürden zur Teilhabe am Leben für Menschen mit Behinderung abzubauen und zu verkleinern, wie dieser Weg weiter beschritten werden soll und wo es noch erheblichen Nachholbedarf gibt. Auch das wird deutlich gesagt.
Zu Recht müssen wir als Landtag darauf drängen, die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung immer besser zu ermöglichen und schneller umzusetzen. Dabei ist es völlig normal, dass die Oppositionsfraktionen auf ein höheres Tempo drängen, als es die Regierungsfraktionen für machbar halten. Dennoch habe ich die Hoffnung, dass wir uns bei Weg und Ziel im Großen und Ganzen einig sind.
Noch existiert der Doppelhaushalt 2011/2012 nur als Entwurf. Aber erstmals – ich bitte Sie, genau hinzuhören – sind für 2011 3 Millionen Euro und für 2012 5 Millionen Euro besonders für die schnellere und bessere Umsetzung der UN-Konvention eingesetzt. Ich denke, das ist ein besonderes Engagement des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz; denn damit ist ein klares Signal gesetzt. Man kann über die Höhe der Summen streiten, aber es ist ein Signal gesetzt, und auf diesem sollte man in Zukunft aufbauen.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich an dieser Stelle – neben völlig berechtigten Forderungen – aber auch feststellen, dass es eine ganze Reihe von Leistungen gibt, die sich sehen lassen können und die auf eine engagierte Sozialpolitik im Freistaat zurückgehen.
Ich habe vor Kurzem erst die Werkstatt in Langenau, die gerade modernisiert worden ist, besuchen können. Ich denke, vielen wird es ähnlich gehen; dann wissen Sie, wovon ich spreche. Denken Sie an Beratungs- und Früherkennungssysteme, an die Leistungen des Kommunalen Sozialverbandes und vieles mehr. Wir sollten bei allem, was wir noch zu tun haben, zumindest nicht vergessen, was schon getan worden ist.
Selbstbestimmte Teilhabe am Leben heißt insbesondere Teilhabe am Arbeitsleben. Im Mai haben wir hier darüber diskutiert, wie es gelingen kann, geeignete Mitarbeiter aus Werkstätten für behinderte Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.
Am 3. Dezember 2009 wurde unter Federführung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz die Allianz für Beschäftigung gegründet. Die unterschiedlichsten Akteure sind eingebunden, dieses wichtige Ziel zu erreichen; denn Teilhabe am Arbeitsmarkt ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um Teilhabe am Leben zu erreichen.
Noch gibt es gerade aus der Wirtschaft vornehmlich bei kleineren Betrieben erhebliche Vorbehalte, behinderte Menschen zu beschäftigen. Häufig sind mangelnde Kenntnis der Leistungsfähigkeit, der Leistungsbereitschaft und des Könnens behinderter Menschen sowie mangelnde Kenntnis der Fördermöglichkeiten und Bestimmungen des Arbeitsrechts Ursachen dafür.
In wenigen Wochen wird sich die von mir genannte Allianz erneut zusammenfinden, um festzustellen, welche Ergebnisse im letzten Jahr erreicht wurden, welcher Weg weiter beschritten wird und wie genau diese Hemmnisse weiter abgebaut werden können. Die maßgeblichen Ministerien sind in diesen Prozess eingebunden.
Auch eine vor wenigen Wochen in der Außenstelle des kommunalen Sozialverbandes in Chemnitz abgehaltene Diskussionsrunde hat sich diesem Thema gewidmet. Insbesondere die Arbeitsagenturen als wichtige Glieder in dieser Kette haben hier ihre Unterstützung zugesagt.