Protokoll der Sitzung vom 14.12.2010

Mehrere Sachverständige haben in der Anhörung am 11. November die Einbeziehung des Bruttoinlandsproduktes, noch dazu mit einem Gewicht von 45 vom Hundert, für sachlich falsch erklärt. Das BIP ist eine Zahl, die Auskunft über die Wirtschaftsentwicklung gibt. Gerade in der heutigen Zeit von Niedriglöhnen und ausländischen Lohndrückern hält die Einkommensentwicklung leider nicht mehr mit der Wirtschaftsentwicklung Schritt.

Nicht ausreichend berücksichtigt wird von Ihnen die Entwicklung der Zahlungen an ALG II-Empfänger. Richtig wäre hier eine Gewichtung gewesen, die dem Anteil der Hartz-IV-Bezieher in Sachsen entspricht.

Ihr Modell ist nicht nur für den interessierten Bürger undurchsichtig, sondern auch rechtlich problematisch, weil die Kennzahlen bisher gar nicht als Vergleich vorliegen und man als Abgeordneter heute deshalb gar nicht genau weiß, worüber man eigentlich konkret abstimmt. So fehlen entsprechende Angaben zu den Kosten in diesem Punkt im Entwurf völlig, obwohl das eigentlich vorgeschrieben ist.

Selbst wenn Sie, Herr Piwarz, als einer der Redner der Koalition uns irgendetwas vorgerechnet haben, so ist das für den normalen Bürger im Lande, aber selbst für viele Abgeordnete hier im Hause nicht sofort nachvollziehbar bzw. nicht nachprüfbar.

(Christian Piwarz, CDU: Was?)

Im Gesetzentwurf selbst fehlen solche Zahlen übrigens völlig. Dabei wäre es doch denkbar gewesen, unter der Rubrik „D. Kosten“ eine Modellrechnung, zum Beispiel mit den von Ihnen zitierten Zahlen für 2009, anzufügen. Dass das nicht geschehen ist, ist wiederum ein Indiz für die mangelnde handwerkliche Arbeit an diesem Gesetzentwurf.

Herumgedrückt haben Sie sich bei der „Reform“ – wenn man das so nennen kann – vor einem speziellen Problem, das in der Öffentlichkeit zwar weniger diskutiert wird, aber viel mehr auf den Prüfstand gehörte als die Grundentschädigung. Ich spreche hier von der steuerfreien Aufwandspauschale, die in der Anhörung ebenfalls – aus unserer Sicht als NPD zu Recht – für eine längere Diskussion gesorgt hat, obwohl sie gar nicht Gegenstand des vorliegenden Gesetzentwurfs ist.

Keine Probleme sieht die NPD-Fraktion dagegen mit der jährlichen Bekanntgabe der neuen Höhe der Grundentschädigung durch den Landtagspräsidenten. Ich denke, dass der Präsident hier ein hohes Maß an Transparenz an den Tag legen sollte und die neuen Zahlen von ihm nicht nur im Sächsischen Amtsblatt verkündet werden, sondern zum Beispiel auch ganz offen auf der Internetpräsenz des Landtages. Es muss für jeden Bürger möglich sein, zumindest die Höhe der aktuellen Abgeordnetendiäten zu erfahren, wenn er schon nicht richtig die Indexkennzahlen nachprüfen kann.

Meine Damen und Herren! Der Entwurf, den die Koalition hier vorgelegt hat, ist Flickwerk, ohne wirkliche Substanz, außerdem möglicherweise rechtlich, vor allem aber moralisch fragwürdig, und wird deshalb von der NPD-Fraktion abgelehnt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, gibt es weiteren Aussprachebedarf? – Für die Koalition Herr Zastrow, bitte. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Tischendorf, das, was Sie vorhin gesagt haben, verstehe ich nicht ganz. Sie werfen uns vor, dass

wir diesen Gesetzentwurf „im Eiltempo“, „nach Gutsherrenmanier“ durch das Parlament peitschten. Dann verstehe ich aber nicht, wieso ganz, ganz viele Abgeordnete aus der gesamten Opposition – neue Abgeordnete, auch Ihrer Fraktion – verschiedene Abgeordnete der Koalition auf den Gängen immer wieder darum gebeten haben: „Bitte, macht es möglichst schnell! Wir können nicht mehr warten!“ Dieses Signal haben wir bekommen.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich als Vertreter der Koalition will nicht die Verantwortung dafür übernehmen, dass es einen Versorgungsfall gibt und wir dann ein Versorgungswerk haben, das nicht funktioniert. Es gehört zur Verantwortung für dieses Haus dazu, dass man das erkennt und dann auch handelt. Das hat mit „Durchpeitschen“ nichts zu tun. Das machen wir auch im Interesse Ihrer eigenen neuen Abgeordneten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Zastrow, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Herr Dr. Hahn.

Herr Kollege Zastrow, Sie haben soeben auf die Eile angespielt. Es gab bei der Altersversorgung bzw. beim Versorgungswerk in der Tat einen Termin, auf den auch immer wieder hingewiesen worden ist. Warum haben Sie dann nicht gemeinsam mit uns dieses Problemfeld fraktionsübergreifend geregelt und auf eine völlige Neuregelung der Diäten, wie Sie sie mit diesem Gesetz vollziehen, verzichtet? Das wäre konsensfähig gewesen.

Zwei Gründe: Erstens gehört für uns als Koalition das eine mit dem anderen zwingend zusammen.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Was?)

Man muss beides miteinander betrachten. Deswegen haben wir es genauso gemacht. Wenn wir die Frage der Abgeordnetenversorgung anpacken, dann packen wir sie einmal an, und wir machen es richtig. Stückwerk wird es mit uns nicht geben – ganz klar.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Lachen bei den LINKEN)

Das Zweite. Lieber Kollege Hahn, 2004 habe ich Sie kennengelernt. Ich kenne auch Ihre Fraktion. Ich weiß es genau: Wir können mit Ihnen diskutieren. Wir können mit Ihnen reden. Wir können Ihr Angebot, einen Konsens zu finden, annehmen. Am Ende stimmen Sie sowieso dagegen. Das ist immer dasselbe. Am Ende werden Sie dagegen sein.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Nein!)

Sobald ein Journalist auf der Tribüne sitzt, werden Sie dagegen sein. Deswegen brauchen wir mit Ihnen über diese Sache überhaupt nicht zu reden, meine Damen und Herren.

(Robert Clemen, CDU: Genauso ist das! – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Ach!)

Und Sie sprechen – wie soeben wieder – mit gespaltener Zunge. Sonst hätte hier Ihr Kollege Tischendorf wenigstens sagen müssen, dass die Neuregelung auch im Interesse Ihrer Kollegen liegt und dass es genug Kollegen gegeben hat, die uns bestürmt haben, dass wir es unbedingt noch in diesem Jahr hinkriegen sollten. Wir haben es gemacht. Jetzt werden wir dafür vorgeführt. Das finde ich ziemlich unfair, lieber Kollege Tischendorf.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Andreas Storr, NPD: Von der NPD war es niemand, der darum gebeten hat!)

Herr Zastrow, Sie gestatten noch eine Zwischenfrage?

Danke, Kollege Zastrow, dass Sie das jetzt wieder angesprochen haben. Könnte es sein, dass die, die Sie angesprochen haben, das bereits im Frühsommer gesagt haben, dass wir eine Lösung finden müssen und dass gerade Kollegen meiner Fraktion gesagt haben, wir müssen gemeinsam an einer Lösung arbeiten? Hier darf es keines Streits über die Fraktionen hinweg geben. Könnte es sein, dass das nicht erst Mitte Oktober war, als Sie den Gesetzentwurf eingereicht haben, 14 Tage später, als Sie ihn veröffentlicht haben? War es nicht so, dass Kolleginnen und Kollegen gesagt haben, wir müssen gemeinsam an einer Lösung im Interesse aller Abgeordneten arbeiten?

(Zurufe von der CDU)

Vielleicht darf ich Ihnen eines verraten – und ich glaube, damit spreche ich einigen aus der Koalition aus dem Herzen: Gehen Sie einmal allein über den Gang bei den LINKEN und treffen Sie einen Abgeordneten. Ich garantiere Ihnen, was der Ihnen sagt. Das können Sie ruhig zugeben. Sie können es ruhig zugeben: Hintenherum reden Sie ganz anders als hier im Parlament.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf von der NPD: Nennen Sie doch mal Namen!)

Mit Ihnen spricht ja keiner. Das wissen Sie ja.

(Lachen bei der CDU)

Da haben Sie ein Problem, das weiß ich.

Herr Zastrow, noch eine Zwischenfrage?

Zunächst Herr Tischendorf.

Herr Zastrow, ich nehme ernst, was Sie sagen. Sie haben gesagt, hintenherum reden sie anders über die Diätenerhöhung als jetzt. Wann habe ich denn außer heute im Sächsischen Landtag das letzte Mal zu diesem Abgeordnetengesetz geredet – weder in der Öffentlichkeit noch sonst irgendwo? Sie werden nichts davon finden. Also bleiben Sie dabei, ich habe heute dazu gesprochen.

War das Ihre Frage, Herr Tischendorf?

Ja, wann ich hintenherum etwas gesagt haben soll.

Herr Tischendorf, Sie haben mich ganz genau verstanden. Sie selbst haben dazu nichts gesagt, nichts in der Diskussion in der eigenen Fraktion, die Sie hinter verschlossenen Türen führen, die wir aber auf den Gängen mitbekommen. Das hätten Sie machen können. Sie haben mich schon richtig verstanden.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Wann war denn das?)

Herr Zastrow, eine weitere Zwischenfrage?

Herr Storr, bitte.