Das Auswärtige Amt hat darauf hingewiesen, dass die Bundesrepublik Deutschland beim nächsten Nuklearen Sicherheitsgipfel im Jahr 2012 über die Umsetzung der Rückführung des Kernmaterials Rechenschaft ablegen muss. Hierbei ist nicht nur der Freistaat Sachsen in der Pflicht, sondern die Bundesrepublik Deutschland ist in der Pflicht.
In Vorbereitung des Transportes wurde auf Bundesebene ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches die Schadlosigkeit der Verwertung des Kernmaterials sowie die gesamte Situation in der russischen Wiederaufbereitungsanlage Majak untersuchen sollte. Ergebnis des Gutachtens ist, dass keine den gesetzlichen Regelungen des Atomgesetzes entgegensprechenden Erkenntnisse vorliegen.
Bereits seit 2009 verhandelte die Bundesrepublik Deutschland unter Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie mit der Regierung der Russischen Föderation bezüglich des erforderlichen Abschlusses eines Regierungsabkommens für die Rückführung des Materials. Dabei sollte inhaltlich über die Zusammenarbeit bei der Einfuhr von bestrahlten Kernbrennstoffen in die Russische Föderation eine Übereinkunft erzielt werden.
Bis zum 30.11.2010 musste der Freistaat Sachsen davon ausgehen, dass das seit Längerem unterschriftsreife Regierungsabkommen unterzeichnet würde. Bereits im Sommer dieses Jahres wurde dieser Akt nur noch als Formalie bezeichnet und dem Freistaat Sachsen signalisiert, die Vorbereitungen für die Ausfuhr des Kernmaterials vornehmen zu können.
Auf der Grundlage dieser Sachlage hat sich der Freistaat Sachsen bereit erklärt, die Finanzierung der Rückführung zu übernehmen. Die Kosten hierzu sind im Haushalt eingestellt. Die internationale Vereinbarung, das vorliegende Gutachten und das unterschriftsreife Regierungsabkommen sind für den Freistaat Sachsen eine eindeutige
Rechtsgrundlage für die weitere Verarbeitung und Einlagerung des sächsischen Kernmaterials in Majak. Auf dieser Grundlage erfolgte die Vorbereitung für einen Transport nach Russland.
Die Entscheidung der Bundesregierung, das Regierungsabkommen zunächst nicht zu unterzeichnen und somit eine Ausfuhr des Kernbrennstoffes zu stoppen, wurde dem SMWK erst am 30.11.2010 telefonisch mitgeteilt. Weitere Einzelheiten hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bislang nicht preisgegeben. Dies erscheint aufgrund der Gewichtung dieses Sachverhaltes unverständlich.
Die Kommunikation zwischen Bundesministerium und SMWK erscheint sicherlich allen verbesserungswürdig. Insoweit möchten wir das SMWK hiermit auffordern, dieses Kommunikationsdefizit aufzuklären und eine Stellungnahme des Bundesministeriums zu diesem Sachverhalt zu verlangen. Die Gründe, die Herrn Bundesminister zu dieser Entscheidung bewegt haben, sind sicherlich für alle Abgeordneten sowie für unsere Bürgerinnen und Bürger interessant.
Die Landesregierung ist nunmehr bemüht, mit dem Bundesministerium über die weitere Vorgehensweise eine Einigung zu erzielen. An dieser Stelle darf nicht unerwähnt bleiben, dass diese nunmehr veränderte Situation für den Freistaat einen finanziellen Verlust darstellen kann. Auch hier wird der Freistaat seine Verpflichtungen gegenüber dem Bund wahrnehmen und klären, inwieweit sich der Bund an den eventuell zusätzlich entstehenden Kosten beteiligt.
Herr Lichdi, aufgrund Ihrer öffentlichen Darstellung zu dem erklärten Transportstopp des Herrn Minister Röttgen erhärtet sich der Eindruck, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit habe eine rechtswidrige Handlung der sächsischen Landesregierung gestoppt. Ihre Interviews sind zwar sehr ausschweifend, aber eine eindeutige Stellungnahme zu den tatsächlichen rechtlichen Gegebenheiten und Rahmenbedingungen dieses Transportes lassen Sie vermissen. Stattdessen unterstellen Sie der Landesregierung des Freistaates Unfähigkeit zur Organisation der Beseitigung von radioaktiven Altlasten.
Wir sind davon überzeugt, dass hiermit der Nachweis erbracht werden konnte, dass die Landesregierung unter Beachtung aller nationalen wie internationalen Gesetze und Verträge ihren Verpflichtungen zu jeder Zeit nachgekommen ist. Die weitere Vorgehensweise wird nunmehr auf Bundesebene bestimmt.
Die NPD-Fraktion möchte nicht sprechen. Ich schaue noch einmal in die Fraktionen. Gibt es noch Redebedarf? – Ich frage die Staatsregierung. – Es gibt keinen Redebedarf. Dann erhält
jetzt die Fraktion GRÜNE das Schlusswort. Herr Lichdi, möchten Sie das Schlusswort halten? Die Staatsregierung möchte nicht sprechen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der Auffassung, dass die geplanten Transporte von radioaktiven, aus dem früheren Zentralinstitut für Kernforschung stammenden Materialien in das Herkunftsland Russland nicht zu verantworten seien. Sie fordert die Staatsregierung auf, auf den geplanten Transport zu verzichten, da die Wiederaufbereitungsanlage Majak nach derzeitigem Kenntnisstand nicht sicher sei.
In den letzten Tagen wurde dazu viel in der Presse berichtet. Daher möchte ich die Gelegenheit nutzen, einiges aus der Sicht der Staatsregierung klarzustellen.
Meine Damen und Herren! Die Staatsregierung befürwortet die Rückführung des Kernmaterials in das Ursprungsland, die Russische Föderation, und die in diesem Kontext geplanten drei Transporte. Lassen Sie mich im Folgenden die wesentlichen Punkte ausführen.
Erstens. Die Rückführung ist international geboten. Die Rückführung ist keine rein sächsische Angelegenheit, sondern sie ist Teil der Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft um die Verbesserung der weltweiten Proliferationssicherheit von hoch angereicherten Kernbrennstoffen. Die Rückführung steht in einem internationalen Kontext der Nichtverbreitung, und sie genießt entsprechende Unterstützung durch die Regierungschefs, insbesondere der USA. Das lässt sich auch daran ablesen, dass die USA bereit sind, die Charterkosten für den konkreten Schiffstransport mit einem Spezialschiff von der Bundesrepublik Deutschland in die Russische Föderation zu übernehmen.
Der vom Freistaat beabsichtigte Rücktransport soll im Rahmen des bereits erwähnten, 2004 zwischen der Russischen Föderation und den USA geschlossenen Abkommens zur Kooperation, das sogenannte RRRFRAbkommen, stattfinden. Dieses Abkommen zielt auf die weltweite Verbesserung der Nichtverbreitung nuklearer Materialien, das heißt den Schutz vor einem verantwortungslosen und missbräuchlichen Umgang mit Kernmaterial durch Dritte. Es sieht die Rückführung in das jeweilige Ursprungsland, entweder die USA oder die Russische Föderation, vor.
Dieses RRRFR-Programm nutzten in der Vergangenheit 15 Staaten, darunter alle ehemaligen europäischen Ostblockstaaten, einige ehemalige Sowjetrepubliken, darüber hinaus auch Vietnam und Libyen. Nur China und Nordkorea beteiligten sich nicht. Polen, Libyen, Serbien, Usbekistan – sie alle haben dieses Abkommen bereits genutzt und für den Rücktransport in die Ursprungsländer gesorgt. Auch Sachsen ist gewillt, sich hieran zu beteiligen.
Die Internationale Atomenergie-Agentur in Wien unterstützt die Rückführung in die Russische Föderation. Maßgeblich sind hier insbesondere die IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von spaltbarem Material. Je mehr Staaten über fortgeschrittene Nukleartechnologien verfügen, umso größer ist die Gefahr, dass sie in die Hände von Unbefugten gelangen. Nuklearterrorismus zählt ohne Zweifel zu den Gefahren des 21. Jahrhunderts. Darauf hat die Internationale Atomenergiebehörde mehrfach hingewiesen.
Auch das Auswärtige Amt hat wiederholt auf die Wichtigkeit des Vorhabens hingewiesen und auch gegebenenfalls zu befürchtende internationale Probleme erwähnt, falls sich Deutschland nicht selbst am internationalen Rückführungsprogramm beteiligt.
Mit anderen Worten: Die Rückführung von Forschungsreaktorbrennelementen sowjetischer Herkunft besitzt erhebliche außenpolitische Bedeutung, was zuletzt auch auf dem Nuklearen Sicherheitsgipfel im April 2010 in Washington zum Ausdruck kam. Daran haben 47 Staatenvertreter, darunter auch der US-Präsident und die deutsche Kanzlerin, teilgenommen. Auch die Rückführung der in Ahaus lagernden Brennelemente aus Rossendorf war ein Thema bei diesem amerikanischen Sicherheitsgipfel. Das Auswärtige Amt hat darauf hingewiesen, dass die Bundesrepublik Deutschland beim nächsten Nuklearen Sicherheitsgipfel 2012 wird berichten müssen, wie sie dieses Vorhaben – unser Vorhaben des Rücktransports – denn umgesetzt habe.
Diese kurz skizzierte internationale Einbindung, meine Damen und Herren, ist für unser Handeln wesentlich. Der Freistaat Sachsen bzw. die Bundesrepublik Deutschland beteiligen sich an diesem Programm, um das nukleare Nichtverbreitungsregime aktiv zu unterstützen und Kritikern nicht das Argument zu liefern, von anderen Staaten etwas zu fordern, was man selbst nicht bereit ist zu leisten.
Würden wir nicht aktiv an diesem breit genutzten internationalen Rückführungsprogramm mitwirken, dann würden wir uns dem Vorwurf aussetzen, auch Maßnahmen zur Verhinderung der nuklearen Unsicherheit im eigenen Land verhindert zu haben.
Wir müssten uns also rechtfertigen. Ein Rückzug der Bundesrepublik Deutschland bzw. Sachsens aus dem Kreis dieser durch das RRRFR-Programm angesprochenen Staaten würde international – auch das wird klar
signalisiert – größte Aufmerksamkeit erwecken und auch auf Unverständnis stoßen. – So weit zum internationalen Hintergrund, vor dem sich die Rückführung in die Russische Föderation vollzieht bzw. vollziehen soll.
Zum zweiten Punkt. Die Rückführung ist sachlich gerechtfertigt, da sie dauerhaft, kontrolliert, wiederverwertend und endgültig die gesicherte Entsorgung des Kernmaterials ermöglicht, meine Damen und Herren. Es handelt sich bei den zurückzuführenden Brennelementen um hoch angereichertes, unbestrahltes Kernmaterial aus Forschungsreaktoren. Gegenstand des für den 1. Dezember geplanten Abschlusses des Abkommens zwischen der Regierung der Russischen Föderation und der Bundesrepublik Deutschland über die Zusammenarbeit bei der Einfuhr von bestrahltem Kernbrennstoff aus einem Forschungsreaktor in die Russische Föderation sind die vorübergehende Lagerung und die anschließende Aufarbeitung.
Das Material soll in Russland verbleiben. Es soll wiederaufgearbeitet und das resultierende Uran abgereichert werden, das heißt, auf eine niedrigere Anreicherung konvertiert werden, und es soll anschließend zur Herstellung von Brennelementen für zivile Kernkraftwerke genutzt werden. Die Internationale Atomenergie-Agentur überwacht das Material bei Verladung, Transport und Verarbeitung nach den dafür gültigen internationalen Bestimmungen.
Ziel ist es also, das radioaktive, grundsätzlich kernwaffenfähige Material aus Rossendorf einer zivilen Weiternutzung, das heißt dem Wirtschaftskreislauf, weitgehend wieder zuzuführen. Es wird auf diese Weise zuverlässig der Möglichkeit nichtziviler Nutzung und auch gerade dem Zugriff von Unbefugten, durch Dritte entzogen.
Es handelt sich also nicht um Atommüll, Herr Abg. Lichdi, aus einem normalen Atomkraftwerk, der in Russland „verklappt“ werden soll. Es handelt sich stattdessen um Material, das wesentlich höher angereichert ist und deswegen fachgerecht behandelt bzw. entsorgt werden muss. Majak als Zielort wird folglich auch nicht als Mülldeponie behandelt, und es steht auch nicht zu befürchten, dass Majak zur Blaupause für den künftigen Umgang mit radioaktiven Stoffen werden könnte.
Herr Abg. Lichdi, es ist daher völlig unlauter, wenn Sie unter ständigem Hinweis auf Atommüll, so ja auch in der ersten Zeile der Begründung Ihres Antrages, der Staatsregierung das Werfen von Nebelkerzen vorwerfen. Tragen Sie doch selbst dazu bei, durch eine sachgerechte Argumentationsweise die entstandenen Nebelschwaden wieder zu beseitigen.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Eva Jähnigen, GRÜNE: Sie sind die Regierung, Sie müssen aufpassen!)
Auch eine billige Entsorgung, wie Sie sich in der Presse auszudrücken belieben, entbehrt jeglicher Grundlage, denn der Freistaat Sachsen muss erhebliche Aufwendun
Kurzfristig gesehen wäre eine Lagerung in Ahaus weitaus billiger, langfristig gesehen sind die Aufwendungen für die Rückführung jedoch gerechtfertigt. Nach Auslaufen der Zwischenlagergenehmigung in Ahaus, voraussichtlich spätestens im Jahr 2036, wird das Zwischenlager Ahaus schließen. Der Freistaat Sachsen müsste dann der Rücknahmeverpflichtung für seine dort eingelagerten Brennelemente nachkommen. Damit verbunden stellen sich zahlreiche Fragen wie zum Beispiel: Wie und wo soll dann das Kernmaterial gelagert werden? Braucht Sachsen dann ein eigenes Zwischenlager? Wann wird es ein Endlager für abgebrannte, hochangereicherte Brennelemente geben? Das sind Fragen, mit deren Beantwortung die Entscheidung über unabweisbare Kosten in bisher nicht überschaubarer Höhe verbunden ist.
Alternativ haben wir jetzt, und zwar in einem engen zeitlichen Korridor, die Gelegenheit, mit einem zugegebenermaßen hohen, aber überschaubaren Kostenaufwand eine sichere Entsorgung durchzuführen. Oder wollen wir, wollen Sie diese Probleme auf die künftigen Generationen abschieben? Noch einmal: Es geht nicht um eine billige Lösung, sondern um eine auf Sicherheit bedachte, verantwortungsvolle und auch langfristige Lösung im Interesse künftiger Generationen, Herr Lichdi.
Damit komme ich zum dritten und ebenfalls wesentlichen Punkt, meine Damen und Herren, der Sicherheit vor Ort. Nach Auffassung der Staatsregierung besteht im Rahmen des RRRFR-Abkommens kein Zweifel am sicheren Umgang mit dem Kernmaterial. Der Bund als Vertragspartner hat alle erforderlichen sicherheitstechnischen Überprüfungen durchführen lassen, und er hat selbst eine Begutachtung in Majak angefordert. Das bereits erwähnte Gutachten der Gesellschaft für Reaktorsicherheit wurde in der Sitzung des Bundestagsausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit am 1. Dezember den Bundestagsmitgliedern auch im Auftrag des Bundesumweltministeriums ausgehändigt. Es ist damit auch öffentlich.
Diverse Experten kommen zu dem Fazit, dass gegen eine Rückführung der bestrahlten Brennelemente aus dem Forschungsreaktor Rossendorf unter dem Aspekt der schadlosen Verwertung nach dem Atomgesetz keine Bedenken bestehen. Es heißt, durch den Rücktransport des Rossendorfer Material aus Ahaus in die Russische Föderation wird keine Gefahr für Leben, Gesundheit und Sachgüter hervorgerufen. Wieso kommt die Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu einer anderen Einschätzung? – Nun, sie bezieht sich in ihrem Antrag teilweise auf Ereignisse vor 40 Jahren. Das sind teilweise auch historische Betrachtungen von vor über 40 Jahren, zu Zeiten, als die kerntechnischen Anlagen noch einen deutlich niedrigeren Sicherheitsstandard aufwiesen als heute, und auch zu Zeiten, als das damalige politische System noch keine Transparenz gewährte.
Es liegt doch auf der Hand, meine Damen und Herren, dass die damalige Situation einschließlich der radioaktiven Belastungen eine seriöse wissenschaftliche sicherheitstechnische Prüfung und Bewertung der heute existierenden Situation in Majak nicht verhindern darf. In diesem Kontext wird man zur Kenntnis nehmen müssen bzw. können, –