Protokoll der Sitzung vom 17.12.2010

Warum ist nun aber der schnelle Transport des Rossendorfer Kernbrennstoffmaterials nach Russland eine Sparbüchse? Das russische Programm kommt Sachsen eben preiswerter als die Lagerung der Brennstäbe in Ahaus für viele Jahrzehnte; denn nur 2011 sollen die kostengünstigen Bedingungen in Russland gelten. Zu gut sei das Angebot aus Russland, um darauf zu verzichten – so klingt es aus dem Wissenschaftsministerium; und ich denke – Herr König kommt aus dem Finanzministerium –, es ist klar, dass Finanzbeamte zuallererst natürlich immer die Geldfrage im Blick haben.

(Stephan Meyer, CDU: Das sind übrigens unsere Gelder!)

Eine Regierungsvereinbarung zwischen Russland und Deutschland wurde nicht unterzeichnet. Was nun tatsächlich fehlt, ist die Genehmigung von Bundesumweltminister Norbert Röttgen. Er hat völlig zu Recht die Reißleine gezogen und den Transport nicht genehmigt – vorerst. Die Betonung liegt auf "vorerst", mit folgender Begründung – das, Frau von Schorlemer und Herr Meyer, sollten Sie sich doch einmal genauer durchlesen –: Das Atomkombinat Majak in der Region Tscheljabinsk als Zielort des Transportes sei eine militärische Anlage und nicht in Betrieb.

Ob er mit dieser Begründung nun gelogen hat oder nicht, sei dahingestellt. Auf jeden Fall hat Röttgen damit recht, wenn er sagt, in Majak sei eine schadlose Verwertung dieses Materials nicht garantiert. Das aber, Frau von Schorlemer und Herr Meyer, ist für die Erteilung einer Transportgenehmigung atomrechtlich nach deutschem Atomgesetz vorgeschrieben. Herr Röttgen hat nichts anderes getan als das, was im Gutachten sehr ausführlich und detailliert beschrieben worden ist: nach den Regeln deutschen Atomrechtes geprüft und festgestellt, es wäre keine schadlose Verwertung in Majak möglich.

Ich bitte Sie: Wenn Sie einen solchen Vorgang einleiten, sollten Sie Ihre Juristen im Hause zunächst einmal daran setzen, zu prüfen, welche Bedingungen vom deutschen Atomrecht für einen solchen Transport überhaupt erfüllt sein müssen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte.

Frau Dr. Stange, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Runge, ist Ihnen eine Position der Internationalen Atomenergiebehörde zu dem Stopp des Transportes nach Majak bekannt? Denn nach meinem Kenntnisstand obliegt der gesamte Vertrag der Kontrolle der Internationalen Atomenergiebehörde.

Dr. Monika Runge DIE LINKE: Ich bitte, jetzt die Zeit anzuhalten. – Es ist doch so, dass internationale Vereinbarungen niemals deutsches Atomrecht brechen können. Unsere Minister in Deutschland müssen sich doch an das geltende Atomrecht halten. Das hat damit nichts zu tun. – Ich möchte fortfahren.

Sie gestatten keine Zwischenfrage?

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Nein. – Frau von Schorlemer, insofern haben Sie sich im Ton vergriffen, wenn Sie jetzt Herrn Röttgen Ungebührlichkeit vorwerfen oder sagen, dass es unerhört sei, was Röttgen gemacht habe. Nein! Er hat nichts anderes gemacht, als geltendes Atomrecht umgesetzt. Ich bitte Sie, das wirklich zur Kenntnis zu nehmen.

Vom manischen Sparzwang getrieben, hat sich die sächsische Regierung in keiner Weise um die Bedingungen vor Ort geschert, denn das gesamte Gebiet – das wurde in dem Gutachten ausführlich dargestellt – ist verstrahlt. Dort wurden zwischen den Jahren 1949 und 1956 etwa 76 Millionen Kubikmeter flüssigen Atommülls in die Flüsse geleitet. Die Hochwasser verbreiteten die gefährliche Fracht auf die Wälder und die Umgebung. Zu Recht steht in diesem Gutachten, dass 500 000 Menschen verstrahlt und 25 000 Quadratkilometer kontaminiert sind.

Noch heute dienen Gewässer in dieser Umgebung des einstigen sowjetischen Atomkombinats als Endlager. Die sowjetische Hinterlassenschaft in Bezug auf den Umgang mit der Atomtechnologie ist wahrhaft keine Sternstunde der Menschheit. Diese Hinterlassenschaft ist bis heute nicht aufgearbeitet. Daher sind die Transporte des Materials aus Rossendorf in ein ökologisches Katastrophengebiet politisch und ethisch nicht zu verantworten, und zwar nicht nur vorerst, wie das Röttgen macht, sondern dauerhaft und generell.

Insofern stimmt die Fraktion DIE LINKE für den Antrag der GRÜNEN; denn es wäre, Frau von Schorlemer, kaum möglich gewesen, diese Kernbrennstäbe über einen deutschen Hafen per Schiff nach Russland zu transportieren. Die Städte der vorgesehenen Häfen wie Bremerhaven, Hamburg und Lübeck haben sich allesamt gegen diesen Transport ausgesprochen.

Zum anderen hat Herr Röttgen auch auf die angeheizte Atmosphäre im Umgang mit den kürzlich stattgefundenen Castor-Transporten in Deutschland Rücksicht genommen. Er wollte ganz sicherlich nicht noch einmal eine solch große Auseinandersetzung provozieren. Im Kern also Zustimmung zum Antrag der GRÜNEN.

Frau von Schorlemmer, machen Sie Ihre Hausaufgaben! Sie bewegen sich hier nicht in einem Wissenschaftsbetrieb einer Universität oder Hochschule,

(Widerspruch bei der CDU – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

sondern im politischen Raum. Das ist durchaus etwas anderes,

(Christian Piwarz, CDU: Diese Belehrung steht Ihnen nicht zu!)

als Wissenschaft zu betreiben. Kurz und gut: Zustimmung zum Antrag der GRÜNEN.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Die SPD-Fraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Gegenstand, den uns die GRÜNEN mit ihrem Antrag vorlegen, ist kein einfacher. Er ist kein einfacher, weil er inhaltlich schwierig zu bewerten ist und es eine Thematik ist, die vor allen Dingen Experten zu durchsteigen und zu bewerten haben. Er ist aber auch kein einfacher Gegenstand, weil die Informationslage dazu im Parlament keine gute ist.

Dass das Gutachten, auf das im Plenum mehrfach rekurriert wurde, über die „taz“ veröffentlicht wurde und nicht im damit betrauten Ausschuss – also weder dem Umweltausschuss noch dem Ausschuss, in den es wohl gehört hätte –, zeichnet kein gutes Bild über die Informationspolitik sowohl der Staatsregierung als auch des BMU.

Von daher können wir von der SPD-Fraktion der amtierenden Staatsregierung nur raten, mehr Transparenz in dieses Verfahren um diesen Transport zu bringen, so wie es in unserer Regierungszeit mit dem Transport von Rossendorf ins Zwischenlager Ahaus passiert ist. Es ist wichtig, den entsprechenden Ausschuss damit zu befassen, umfangreich zu informieren und sich die Position der Internationalen Atomenergiebehörde einzuholen.

Insofern ist vor allen Dingen eines wichtig, nämlich die Position zwischen CDU-Bundesumweltministerium und dem von der CDU eingesetzten sächsischen Wissenschaftsministerium zu klären, um eine einheitliche Position der verantwortlichen Regierungsinstitution zu haben.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Erst dann ist, glaube ich, eine ordentliche Bewertung dieses Prozesses möglich.

Aber auch an Herrn Lichdi und die einbringende Fraktion will ich eines richten: Mir persönlich ist nicht verständlich – Herr Lichdi, Sie sind Rechtsanwalt –, wieso Sie immer noch einen Transport von einem nicht genehmigten Zwischenlager Rossendorf in ein genehmigtes Zwischenlager Ahaus bestreiten.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Ihnen wie uns allen muss daran gelegen sein, dass eine Staatsregierung an Rechtslagen gebunden ist. Diese hat sie damals erfüllt.

(Beifall der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Vor allen Dingen stellt sich mir aber die Frage: Was ist die Alternative, die Sie mit diesem Antrag in der Debatte beschreiben? Die Überbringung nach Ahaus haben Sie kritisiert und bestritten. Die Rückführung des Materials nach Rossendorf – das habe ich jetzt in der Debatte mitbekommen – ist auch nicht Ihr Weg, und den Transport ins Ausland bestreiten Sie ebenso.

Ich kann mir vorstellen, dass Sie das Verständnis haben, dass das Material regelmäßig von einem Lager in das andere Lager transportiert wird, aber das ist sicherlich nicht der Weg.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Was uns fehlt, ist die Alternative zu Ihrem Antrag. Was Ihnen und der Staatsregierung aber sicher sein kann, ist, dass die SPD-Fraktion kein Interesse an einem Aufbau einer Atomindustrie – auch nicht am Aufbau eines Zwischenlagers in Sachsen – hat. Das überlassen wir gern dem AK AKW der CDU-Fraktion, namentlich Herrn Heidan und Herrn Lehmann.

(Beifall der Abg. Aline Fiedler, SPD)

Es tut mir leid, aber die Äußerungen im Plenum legten das zuletzt regelmäßig nahe.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Christian Piwarz, CDU: Lange geprobt!)

Ich erinnere daran: Sie haben uns in dieser und in der letzten Legislaturperiode Ihre Pläne zur Neueinrichtung von Atomkraftwerken in Deutschland vorgestellt. Dazu gehört natürlich auch die Entsorgungsfrage.

Wir von der SPD verlangen eine von der Internationalen Atomenergiebehörde genehmigte Endlagerung oder Aufbereitung des Materials. Das ist unser Anspruch.

Die aktuelle Situation, die der Bundesumweltminister ausgelöst hat, nämlich dass der Transport jetzt nicht stattfindet, gibt Ihnen von der Staatsregierung die Möglichkeit, die Dinge zu klären und uns die Informationen zu übermitteln. Insofern hat sich der Antrag in weiten Teilen erledigt. Er ist aber inhaltlich berechtigt, weil der Vorgang noch einmal zu prüfen ist. Wir werden uns deshalb bei der Abstimmung zum Antrag der GRÜNEN, da er zeitlich unbefristet formuliert ist, enthalten. Wir sind aber gespannt auf weitere Informationen in den Ausschüssen und von der Staatsregierung.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Die FDP-Fraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Sächsische Staatsregierung ist durch die Entscheidung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bezüglich des geplanten Atommülltransportes aktuell nicht mehr federführend.

Unbestritten liegt die grundsätzliche Verantwortung für das kernfähige Material beim Freistaat Sachsen. Seitens der Landesregierung wurden alle internationalen und nationalen rechtlichen Voraussetzungen im Zuge des geplanten Transports beachtet. Die Rückführung von hoch angereicherten Brennelementen basiert auf einem im Jahr 2004 zwischen der Russischen Föderation und den USA geschlossenen Abkommen zur Rückführung dieses Materials in die Russische Föderation.

Ziel dieses Abkommens ist die Unterbindung der unkontrollierten Weiterverbreitung und Weitergabe von Kernmaterial an unberechtigte Dritte, der Missbrauch im Umgang mit Kernmaterial durch Dritte. Die Verbreitung von kernwaffenfähigem Material soll damit unter Mitwirkung der Staatengemeinschaft unterbunden werden. An dieser Stelle sei erwähnt, dass selbst während des Sicherheitsgipfels im April 2010 in Washington die Vorbereitung und Durchführung dieses Transports thematisiert wurde. Das zeigt Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, die enorme Bedeutung dieser Transportvorbereitung.

Das Auswärtige Amt hat darauf hingewiesen, dass die Bundesrepublik Deutschland beim nächsten Nuklearen Sicherheitsgipfel im Jahr 2012 über die Umsetzung der Rückführung des Kernmaterials Rechenschaft ablegen muss. Hierbei ist nicht nur der Freistaat Sachsen in der Pflicht, sondern die Bundesrepublik Deutschland ist in der Pflicht.