Protokoll der Sitzung vom 17.12.2010

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Herr Meyer?

Bitte, Herr Lichdi.

Sehr geehrter Kollege Meyer, meine Argumentationslinie verläuft ja nicht so, dass ich bestreite, dass die GRS am Schluss zu diesem Gutachten kommt, sondern meine Argumentationslinie besteht darin, dass wir sagen – –

(Christian Piwarz, CDU: Wo ist die Frage? – Weitere Zurufe von der CDU: Die Frage!)

Habe ich jetzt die Gelegenheit, meine Frage zu stellen, Frau Präsidentin, oder habe ich sie nicht?

Herr Lichdi, – –

Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass meine Argumentationslinie eben nicht bestreitet, dass angeblich eine schadlose Verwertung vorliegt, sondern sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass diese Schlussfolgerungen des GRS-Gutachtens nicht durch die Ausführungen, die dortselbst getätigt werden, getragen werden?

Herr Lichdi, das Gutachten ist sehr komplex, sehr umfangreich. Es setzt sich mit allen Tatbeständen auseinander und bewertet diesen komplexen Zusammenhang. Die Bewertung habe ich gerade vorgetragen, und diese teile ich, nachdem ich dieses Gutachten studiert habe.

(Einzelbeifall bei der CDU)

Sie sind sicherlich auch kein Naturwissenschaftler; ich auch nicht. Demzufolge ist dieses unabhängige Gutachten, welches die ganze Situation wirklich differenziert betrachtet, eine gute Entscheidungsgrundlage.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Hahn?

Nein, jetzt möchte ich gern erst einmal weitermachen. – Bisher haben Sie von den GRÜNEN nicht erkennen lassen, wofür Sie stehen und wie Sie mit dem bereits eingesetzten Kernmaterial umgehen wollen. Das ist nämlich aus meiner Sicht das Verantwortungslose und weit entfernt von umweltpolitischer Realpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Die Endlagerung von Kernmaterial mit höherem Spaltstoffanteil ist jedoch im Hinblick auf eine dauerhafte Gewährleistung und Nachweisführung der Unterkritikalität in der Nach-Betriebsführungsphase des Endlagers schwierig und erfordert einen erhöhten technischen Aufwand. Somit erscheint es aus technischen Gründen als auch aus ökonomischer Sicht der Rückgewinnung und Verarbeitung zu niedrig angereichertem Brennstoff geeigneter als eine Endlagerung des Seuchenmaterials.

Genau aus diesen Gründen findet das Anliegen und Handeln der Sächsischen Staatsregierung unsere volle Unterstützung. Bundesminister Röttgen sollte seine Zustimmung zur Ausfuhr gegenüber dem Bundeswirtschaftsministerium erteilen.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: In welcher Partei war der noch mal?)

Die Grenzwerte befinden sich in der Verantwortung des Freistaates Sachsen, und wenn Sachsen nicht frei entscheiden kann, so sollte aus unserer Sicht der Bund die Brennstäbe und deren Entsorgung übernehmen.

Auch Atomexperten sehen die derzeitige Situation als problematisch an. So hält es beispielsweise der HarvardForscher Matthew Bunn, welcher Berichte zur weltweiten Verbreitung von Bombenstoffen herausgibt, in der "Leipziger Volkszeitung" vom 15. Dezember 2010 für wünschenswert für die ganze Welt, wenn Deutschland seine Position ändert und das Material doch zur Wiederaufbereitung nach Majak schickt.

Der Antrag der GRÜNEN ist von Substanzlosigkeit geprägt, da weder die Beschlussvorlage noch die Begründung konkrete alternative Handlungsvorschläge vorsehen. Es ist vielmehr der Versuch der GRÜNEN, auf populistische Weise Herrn Lichdis Hobby in den Landtag zu bringen und es hier ausleben zu lassen, und es zeigt, wie wenig realpolitisch sich grüne Politik darstellt. Schon der Begriff Atommüll ist irreführend und falsch, da es sich um Material handelt, welches im Wirtschaftskreislauf weitergenutzt werden kann. Aber das Wort Müll, Herr Lichdi, scheint ja zu Ihrem begrenzten Hauptwortschatz zu gehören. Das haben wir ja schon an vielen Stellen hier im Hohen Hause zu hören bekommen.

(Beifall und leichte Heiterkeit bei der CDU)

Für die Zukunft möchte ich noch anmerken, dass die Zuständigkeit im Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst liegt und dort auch die parlamentarische Befassung mit dieser Problematik im Ausschuss für Wissenschaft Kultur, Hochschule und Medien und nicht im Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft hätte erfolgen sollen; aber das ist eine reine Formalie.

Wir werden jedenfalls dem Antrag aus den von mir genannten Gründen der Substanzlosigkeit nicht zustimmen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Fraktion DIE LINKE. – Möchten Sie eine Kurzintervention machen?

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Ja!)

Frau Dr. Runge, Sie können trotzdem schon nach vorn kommen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, vielen Dank! – Da nun zum wiederholten Male dieser etwas dümmliche Angriff geritten wurde, bin ich gern bereit, Ihnen Auskunft über die Position der GRÜNEN in Land und Bund zu diesen Fragen zu geben.

Erstens. Wir stehen dazu, dass wir im Jahr 2000 ein Moratorium für Gorleben verkündet haben. Wir halten darüber hinaus weiterhin diesen Ort für verbrannt, für nicht mehr möglich, nicht nur aus technischen Gründen, sondern schlicht und ergreifend, weil man die Menschen dort 30 bis 40 Jahre lang belogen hat. Deswegen ist dort eine Endlagerung aus unserer Sicht nicht mehr möglich.

(Aline Fiedler, CDU: Sondern?)

Zweitens. Ab dem Jahr 2000 hat Herr Trittin als damaliger Bundesumweltminister ein sogenanntes AK-Endprojekt in Auftrag gegeben.

(Unruhe bei der CDU)

Können Sie mal etwas leiser sein? Es ist wirklich schlimm.

Er hat Kriterien erarbeitet, wie und unter welchen Umständen ein Zwischenlager in Deutschland gesucht werden soll. Wir sind bereit, diesen Prozess zu führen; wir sind aber nicht bereit, diesen Prozess unter dem Umstand zu führen, dass der Atommüll, wie jetzt hier von der Bundesregierung geplant wird, verdreifacht wird.

Zum sächsischen Atommüll: Wir hatten uns gegen den Transport 2005 nach Ahaus ausgesprochen, weil er keinerlei Sicherheitsgewinn bringt. Wir sind jetzt der Auffassung, dass der Atommüll in Ahaus verbleiben sollte, bis eine sichere Endlagerung möglich ist. Diese Endlagerung sollte aus unserer Sicht in Deutschland stattfinden, weil wir es nicht verantworten können, unseren Müll anderen Menschen vor die Haustür zu kehren.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN – Zuruf von der CDU: Schizophrene Politik!)

Herr Lichdi, ich gehe davon aus, dass das eine Kurzintervention zu Herrn Meyer war. – Möchte der Herr Abg. Meyer darauf reagieren?

Nur ganz kurz: Ich habe das jetzt so verstanden, dass Herr Lichdi der Meinung ist, dass das Kernmaterial in Rossendorf besser aufgehoben wäre als jetzt im Zwischenlager Ahaus. Das halte ich schon für bedenklich.

Nein, umgekehrt. Das ist ein solcher Unsinn.

(Beifall und leichte Heiterkeit bei den LINKEN und den GRÜNEN – Heiterkeit der Abg. Dr. Monika Runge, DIE LINKE)

Frau Dr. Runge, möchten Sie noch eine Kurzintervention auf Herrn Lichdi machen? Nicht auf Herrn Meyer, sondern auf Herrn Lichdi?

Nein, ich habe nur spontan reagiert.

Hat nun noch jemand Redebedarf? – Dies ist nicht der Fall. Dann bitte, Frau Dr. Runge.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Richtig ist: Die PDS-Fraktion hatte 2004 in ihrem Antrag versucht, die Staatsregierung davon abzuhalten, die Kernbrennstäbe aus Rossendorf nach Ahaus zu transportieren, und dieser Transport war, wie wir heute wissen, nicht zwingend. Ich habe Herrn Lichdi so verstanden – und dem stimme ich zu –: Nun sind sie aber einmal in Ahaus, und dort sollten sie jetzt auch bleiben.

Was ist aber die Wahrheit im Zusammenhang mit dem Transport dieses Mülls nach Russland? Die Staatsregierung war bei der Aufstellung des Doppelhaushaltes motiviert, Sparbüchsen aufzutreiben, und sie wurde fündig. Zunächst einmal ist nichts dagegen zu sagen, dass man, wenn man einen Doppelhaushalt aufstellt, nach Sparbüchsen sucht. Dabei entdeckte sie das interessante international ausgehandelte Programm zum Rückbau russischer Forschungsreaktoren für verschiedene Länder der Welt. Mit diesem Programm sollen die Reste russischer Reaktoren in aller Welt eingesammelt werden, und hierzu zählen auch die Hinterlassenschaften in Rossendorf.

Nach diesem Abkommen zwischen Russland, den USA und der Internationalen Atomaufsichtsbehörde soll dieses gefährliche, vor allem waffenfähige Material vor dem Zugriff obskurer Händler und Terroristen gesichert

werden, und ich denke, das ist zunächst einmal ein sehr begrüßenswertes Ziel und Motiv.