Protokoll der Sitzung vom 17.12.2010

Bitte.

Wenn ich Sie also richtig verstanden habe, behaupten Sie nicht mehr, dass es ein Zwischenlager sei?

Herr Kollege Brangs, ich denke, ich habe die Frage ausreichend beantwortet. Vielleicht erwägen Sie noch einmal den Inhalt meiner Aussage. Vielleicht kommen Sie dann zu anderen Ergebnissen.

(Christian Piwarz, CDU: Es war ja auch so schwer zu verstehen!)

Frau Prof. Dr. Freifrau von Schorlemer, ich möchte Sie persönlich ansprechen: Sie sind hier als Quereinsteigerin mit gewissen Vorschusslorbeeren gestartet und haben sich bisher einen gewissen Respekt bei der Opposition bewahrt. Ich frage Sie: Ist Ihnen bewusst, an welchem Spiel Sie sich hier beteiligen? Wie kann es sein, dass Sie an der Vertuschung und Verschleierung dieses Transports teilnehmen? Haben Sie wahrgenommen, was Sie unterschrieben haben?

Ich frage Sie: Wer hat Ihnen was in Ihrem Staatsministerium erzählt? Oder haben Sie sich für diese Fragen überhaupt nicht interessiert? Stehen Sie so stark unter Druck, wenn Sie Ihren Parteifreund Röttgen für seine richtige Entscheidung derart ungebührlich angreifen? Ich sage Ihnen: Sie stärken bei mir das Vertrauen in ihre persönliche Integrität nicht, wenn Sie mir im Juli 2010 antworten, dass der Bestimmungsort des Atomtransports, wie es heißt, aus Sicherungs- und Sicherheitsgründen der Vertraulichkeit unterliege.

Frau Staatsministerin, Sie haben die verfassungsrechtliche Pflicht, Abgeordnete wahrheitsgemäß und vollständig zu unterrichten, und diese Pflicht haben Sie verletzt; denn im September 2010 hat das Bundesamt für Strahlenschutz den Endverbleibsort Majak im Südural ganz offen und selbstverständlich genannt. Ich frage Sie: Hat jetzt etwa das Bundesamt für Strahlenschutz eine Vertraulichkeitspflicht gebrochen? Entsprechende Vorwürfe habe ich von Ihnen nicht gehört. Es wird eben schon so sein, dass Sie die sächsische Öffentlichkeit im Unklaren lassen wollten.

Vielleicht sollten Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen, was Ihr Bundesumweltminister, bekanntermaßen ein Atomkraftbefürworter, am 6. Dezember gesagt hat – Zitat Röttgen –: "Voraussetzung wäre der Nachweis, dass die Brennelemente in der russischen Anlage Majak schadlos verwertet werden.

(Christian Piwarz, CDU: Was?)

Die vorliegenden Unterlagen ließen dazu aber eine endgültige Aussage nicht zu." Dies ist eine diplomatischfreundliche Formulierung für den Sachverhalt, dass eine schadlose Verwertung in Majak eben nicht möglich ist. Herr Röttgen hat zudem nach Presseberichten gesagt, dass er nicht daran glaube, dass die Voraussetzungen für eine

schadlose Verwertung in absehbarer Zeit geschaffen werden könnten. Dies ist schon deshalb nicht möglich, weil die uralte Wiederaufarbeitungsanlage in Majak aus dem Jahr 1977, in der der sächsische Atommüll verarbeitet werden soll, überhaupt nicht in Betrieb ist. Die Brennelemente würden direkt in ein Zwischennasslager gebracht werden und dort erst einmal auf unbestimmte Zeit liegen bleiben.

Wir wissen aus dem Gutachten der GRS vom April 2010 recht gut über die Verhältnisse in Majak Bescheid. Die Tageszeitung "taz" hat dieses Gutachten – dankenswerterweise, muss ich sagen – Anfang Dezember veröffentlicht. Es war im Juni 2009 vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegeben worden und auch der Sächsischen Staatsregierung bekannt. Trotzdem haben Sie weder Landtag noch Öffentlichkeit über seinen Inhalt unterrichtet und mich selbst noch am 26. November im Umweltausschuss auf die Bundesebene verwiesen, obwohl es Ihnen bekannt war.

Nun ist es richtig, dass die GRS zu dem Ergebnis kommt, Transport und Wiederaufarbeitung in Majak seien vertretbar, und daran halten Sie sich auch fest. Allerdings widerspricht das Gutachten selbst dieser Schlussfolgerung in massiver Weise. Die GRS ist eben selbst Teil des atomarindustriellen Komplexes, der daran interessiert ist, einen Entsorgungsweg nach Russland zu öffnen, und dafür sollen Sie den Türöffner machen.

In der Wiederaufarbeitungsanlage RT 1 aus dem Jahre 1977 in Majak wird seit 2006 auch HEU und LEU, also hoch und niedrig angereichertes Uran, wiederaufgearbeitet. Nach der Anlieferung per Bahn sollen die Brennelemente erst einmal fünf bis sieben Jahre in einem Nasslager liegen. Dann sollen Uranylnitrit sowie Neptunium und Plutonium abgetrennt werden. Das Plutonium mit einer sehr hohen Anreicherung von 98 % wird für die Produktion von MOX-Brennelementen verwendet.

Auch der GRS ist der genaue Durchsatz der Anlage nicht bekannt. Er sei aber wohl gering und die Anlage nicht ausgelastet. Dies liege an den hohen Kosten. Derzeit sei die Anlage für ungewisse Zeit außer Betrieb – nachzulesen auf Seite 29 des GRS-Gutachtens. Die Russen wollen also mit dem sächsischen Atommüll ihre Anlage wieder flott machen. Zudem – jetzt wird es interessant – sei die Erlaubnis zur Einleitung flüssiger Abfälle in das TetschaFlusssystem – wie es heißt – eingeschränkt worden. Seit dem Bau der sowjetischen Atomwaffenfabrik in Majak im Jahre 1946 wurden nämlich die radioaktiven Abfälle am Anfang vollständig, später eingeschränkt, einfach in die umgebenden Flüsse und Seen eingeleitet.

Das Entscheidende ist aber, dass dies bis heute so erfolgt – ich zitiere Seite 27 des GRS-Berichtes –: "Durch eine Reihe von technologisch-organisatorischen Optimierungen konnten die Einleitungen von mittel- und schwachradioaktiven Flüssigabfällen reduziert werden. Insbesondere sollen die bei der Wiederaufarbeitung anfallenden Abfälle um die Hälfte reduziert werden. Eine Anlage zum Verdampfen und anschließenden Zementieren von mittelra

dioaktiven Flüssigabfällen ist in Planung. Sie würde es ermöglichen, die Einleitung von Flüssigabfällen in den Karatschai-See und den Staroje-Boloto-See zu beenden."

„Reduzieren“ „sollen“, „könnte“, „würde“. Sicherheit vor Strahlen steht in Majak im Konjunktiv, meine Damen und Herren, und basiert allein auf Hoffnungen und Erwartungen. Die Anlage ist eben nicht sicher. Es gibt eben keine geschlossenen Kreisläufe und damit keine schadlose Verwertung der Aufarbeitungsabfälle in Majak.

Wer sich mit dem Ort Majak beschäftigt hat, der weiß, dass dies ein Ort ist, in dem massive Atomunfälle stattgefunden werden. Ich erwähne nur den Kyschtym-Unfall von 1957, der erst Ende der Achtzigerjahre bekannt wurde und von vielen mit dem Tschernobyl-GAU verglichen wird. Es wurden dort 250 000 Menschen verstrahlt. Diese Menschen, 7 500, haben Strahlendosen zwischen 35 und 1 700 Millisievert erhalten. Die Strahlenschutzdosis liegt in Deutschland für exponierte Personen bei 20 Millisievert, und deshalb sage ich Ihnen: Es ist absolut unverantwortlich, es ist unmoralisch und unvorstellbar, dass wir diesen unseren sächsischen Atommüll in diese lecke Anlage und damit den Menschen vor die Füße werfen. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Herr Abg. Meyer, CDU Fraktion; bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Lichdi, jetzt hatten Sie ja wieder Gelegenheit, sich hier im Landtag zu präsentieren. Aber das sind wir ja von Ihnen gewohnt.

Die Sächsische Staatsregierung unterstreicht mit der geplanten Rückführung des Kernmaterials aus dem Rossendorfer Forschungsreaktor ihr Verantwortungsbewusstsein – Herr Lichdi: Verantwortungsbewusstsein, ich hebe das noch einmal hervor – und die Unterstützung der Bundesregierung bei der Einhaltung des Internationalen Abkommens Corporation and Importation of Russian Original Research Nuclear Fuel to the Russian Federation.

(Allgemeine Heiterkeit und vereinzelt Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Bravo!)

Dazu soll unter internationaler Aufsicht die Aufarbeitung des Kernbrennstoffes und die Umarbeitung zu niedrig angereichertem Uran in Russland stattfinden. Mit diesem Abkommen soll der weltweiten Verbesserung der Proliferationssicherheit, also dem Schutz vor unberechtigtem und missbräuchlichem Umgang mit Kernmaterial, Rechnung getragen werden. Dabei hat insbesondere die Rückführung von Kernmaterial aus russischer, das heißt, sowjetischer Herkunft international erhebliche Bedeutung. Die Realisierung der Verbringung durch Sachsen soll eine – bewusst gesagt – temporäre Unterbringung der Brennstäbe in Ahaus zugunsten einer dauerhaften Lösung

in Majak bzw. der Weiterverwertung für die Reaktoren außerhalb von Majak beenden.

Nach dem unter Aufsicht der Internationalen Atomenergiebehörde stattfindenden Transport der Brennelemente zurück nach Russland soll das Kernmaterial in der Kernanlage Majak wiederaufbereitet werden. Diese Option nutzten bereits zahlreiche andere europäische Länder, die das Material aus der ehemaligen Sowjetunion bezogen hatten. Die notwendige Beförderungsgenehmigung für die Rossendorfer Brennelemente wurde vom Bundesamt für Strahlenschutz, das übrigens dem Bundesumweltministerium untersteht, bereits am 23. September 2010 erteilt und ist bis April 2011 befristet.

Das Handeln der Staats- und Bundesregierung sollte meines Erachtens unter folgenden Prämissen stattfinden:

Unter internationalen und außenpolitischen Gesichtspunkten sollten wir Verlässlichkeit demonstrieren und den Grundtenor der internationalen Abkommen "Sicherheit vor Verbreitung" einhalten.

(Beifall bei der CDU)

Die Realisierung des Transportes durch den Freistaat Sachsen sollte nach den bisherigen Grundsätzen dauerhaft, sicher und rechtskonform fortgesetzt werden. Wir sehen daher die Bundesregierung in der weiteren Handelsverpflichtung. Das der Entscheidung von Bundesumweltminister Dr. Röttgen zugrundeliegende Gutachten der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit zur Bewertung der weiteren Verbreitung von bestrahlten Brennelementen des Forschungsreaktors Rossendorf in der Russischen Föderation sieht unter dem Aspekt der schadlosen Verwertung nach § 9 a und § 1 Nummer 2 Atomgesetz keine Bedenken, Herr Lichdi. Ich möchte dies hier noch einmal hervorheben: Das Gutachten, das Sie zitiert haben, sieht keine Bedenken.

Es führt weiter aus, dass die bestehenden Umweltbelastungen durch das international eingeleitete Sanierungsprogramm zur Eingrenzung und Beseitigung der Folgen und radioaktiven Hinterlassenschaften die Folgen für die Umwelt deutlich reduziert hat. Diese Hinterlassenschaften resultieren aus Unfällen, welche Ende der Fünfzigerjahre geschehen sind und die Region belasten. Durch das internationale Engagement vor Ort wird ein Beitrag geleistet, um die Situation für die Menschen und die Umwelt zu verbessern. Außerdem ist das russische Regelwerksystem für radiologische Sicherheit und Strahlenschutz an den internationalen Anforderungen der Internationalen Atomenergiebehörde und der Europäischen Union angelehnt und unter maßgeblicher Mitwirkung westlicher Experten entstanden.

Mit dem ROSTECHNADZOR und dem Scientific and Engineering Center for Nuclear and Radiation Safety wurden eine vom Anlagenbetreiber unabhängige und eine eigenständige Gutachterbehörde in Russland etabliert. Russland hat des Weiteren die Joint Convention on the Safety of Spent Fuel Management and on the Safety of Radiactive Waste der Internationalen Atomenergiebehörde

unterzeichnet und sich damit verpflichtet, alle drei Jahre einen Bericht zur Entsorgungssituation vorzulegen, an den Überprüfungskonferenzen teilzunehmen und sich den kritischen Fragen anderer Länder sowie der Bewertung im Rahmen der Konferenz zu stellen.

Als alternativer Entsorgungsweg im Vergleich zur Wiederaufbereitung der Brennelemente kämen eine weitere Zwischenlagerung im Behälterlager in Ahaus und die anschließende Entlagerung in Deutschland infrage. Hierzu ist jedoch anzumerken, dass zum einen in längerer Zeit in Deutschland kein Endlager für ausgediente Kernbrennstoffe zur Verfügung stehen wird. An dieser Stelle könnten wir deutlich weiter sein, wenn Ihre "Dagegen-Partei", Herr Lichdi, die Endlagererkundung in rot-grünen Zeiten nicht verzögert hätte.

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Wollten Sie eine Zwischenfrage stellen, Herr Lichdi?

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Ja!)

Ich führe noch kurz aus, danach kann Herr Lichdi gern eine Zwischenfrage stellen.

Die "Dagegen-Partei" ist hier keine hohle Phrase, sondern eine Tatsache; denn Sie waren bereits gegen die Zwischenlagerung des Kernmaterials in Ahaus und sind gegen die proliferationssichere Wiederaufbereitung in Majak – unter den von mir genannten Schlussfolgerungen des unabhängigen Gutachtens der GRS.

Gestatten Sie nun die Zwischenfrage?

Nun können Sie gern eine Zwischenfrage stellen, Herr Lichdi.

Vielen Dank, Herr Kollege Meyer. – Den Ausführungen, die Sie vor dem Angriff auf Rot-Grün gemacht haben, konnte ich entnehmen, dass Ihnen das GRS-Gutachten offensichtlich auch vorliegt; denn Sie haben Seite 5 zitiert. Ich gebe gern zu, diese russisch-englischen Ausdrücke sind sehr schwierig auszusprechen. Deshalb wollte ich fragen, nachdem Sie die Seiten 5 und 6 vorgetragen haben, ob Sie im Rahmen Ihrer Rede noch auf den von mir zitierten Komplex auf Seite 24 zu sprechen kommen, der – eingedenk dessen, dass das GRS-Gutachten am Schluss zu dem Ergebnis kommt, es ist eine schadlose Verwertung – beweist, dass eben genau dies nicht der Fall ist.

Das können Sie auf Seite 24 und im Zusammenhang mit Seite 27 nachlesen, wo die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle aus dieser RT-1-Anlage aufgeführt werden. Dort steht, dass die Wässer gereinigt werden. Aber drei Seiten weiter steht, diese Wässer werden vielleicht gereinigt, man versucht es, aber dann wird es eben doch – Entschuldigung, ich sage es einmal so – in den Ausguss gekippt. Werden Sie darauf noch im Rahmen Ihrer Rede

zu sprechen kommen, oder werden Sie nur die Teile zitieren, die vornehmlich angeblich für Ihre Position sprechen?

Herr Lichdi, es ist keine große Kunst, dieses Gutachten zu bekommen. Wenn man ein wenig mit dem Internet umgehen kann, hat man es mit zwei Mausklicks.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Ich gratuliere, ja!)

Ich habe es intensiv gelesen und natürlich auch die Gesamtbetrachtung angestellt. Die Gesamtbetrachtung spricht dafür, dass keine Bedenken geäußert werden. Wenn Sie die letzte Seite – es wird fett hervorgehoben – lesen, so spricht die Gesamtbetrachtung dafür, dass es keine Bedenken gibt. Das ist, denke ich, die entscheidende Aussage.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)