Protokoll der Sitzung vom 19.01.2011

Frau Giegengack.

Herr Colditz, ich wollte gern auf den Punkt eingehen, den Sie gerade beendet hatten. Sie haben auf den Schulnetzplan abgestellt, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich erwähnte es in meiner Rede vorhin auch schon. Das Kultusministerium erteilte zweimal eine Ausnahmegenehmigung, obwohl bereits die Mittelschule Kreischa nicht mehr im Schulnetzplan stand. Also scheint das Ministerium doch Gründe dafür gehabt zu haben und angesichts der Antwort des Ministeriums – –

(Zuruf von der CDU: Frage!)

auf die Frage von Frau Stange ist es auch der Abgleich mit dem Schulnetzplan – –

Ihre Frage, bitte!

Wieso kommen Sie dann zu der Auffassung, dass der Schulnetzplan jetzt auf einmal eine Rolle spielt, obwohl er zwei Jahre überhaupt keine Rolle gespielt hat?

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE)

Frau Giegengack, diese Ausnahmegenehmigungen haben nicht grundsätzlich den Entschluss des Kreistages infrage gestellt. Es ging um Ausnahmetatbestände im Einzelfall zur Klassenbildung

und nicht um die generelle Frage zur Schulstruktur in Kreischa bzw. zum Erhalt des Schulstandortes. Aber Sie geben mir das Stichwort zu dem, was ich jetzt noch anschließen will und wo ich weiterhin durchaus Handlungsbedarf sehe.

Frau Stange hat schon völlig zu Recht gesagt, das Unwort des Jahres lautet „alternativlos“ und „Alternativlosigkeit“. Ich denke, man sollte dieses Wort nicht leichtfertig gebrauchen. Alternativlos ist meines Erachtens auch die jetzt eingetretene Situation in Kreischa durchaus nicht. Wenn sich die Entscheidungsträger, und zwar die tatsächlich zuständigen Entscheidungsträger, finden und letztlich gemeinsam und unter Beachtung rechtsstaatlicher Vorgaben eine Lösung finden, dann ist die Situation nicht perspektiv- oder alternativlos.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Diese Entscheidungsträger – ich will den schwarzen Peter jetzt nicht weiterleiten, aber wir müssen ganz einfach gerade im Sinne der emotionalen Beladung dieses Themas auch deutlich benennen, wo Handlungsmöglichkeiten bestehen und wo nicht –, diese Entscheidungsträger haben die jetzt eingetretene Situation letztlich zu verantworten. Es ist ihre Verantwortung, den Weg aus dieser scheinbaren Sackgasse heraus zu suchen und auch zu finden.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Das war der alte Kreistag!)

Ich habe schon angesprochen, dass der Moratoriumsbeschluss nicht ausreicht, um des Problems Herr zu werden, weil er – wie gesagt – in Kollision mit bereits vorhandenen und getroffenen Entscheidungen stünde, insbesondere auch mit Gerichtsentscheidungen, die im Raum stehen. Die Verständigung, die ich gerade ansprach, ist allerdings alternativlos, wenn es tatsächlich um das Wohl der Kinder und nicht um das Recht-haben-Müssen um jeden Preis geht.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Abg. Annekathrin Giegengack, GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Colditz. – Für die Fraktion FDP spricht Herr Bläsner. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diskussionen über Schulschließungen und -standorte sind immer emotionsgeladen, weil sie oft über die Entwicklung eines ganzen Ortes entscheiden. Das trifft für alle Schulen, die in Sachsen geschlossen wurden, zu. Es trifft im Besonderen auch für Kreischa zu.

Lassen Sie mich am Anfang meiner Rede feststellen, dass auch unsere Fraktion intensiv darüber diskutiert hat. Wir haben Gespräche geführt. Wir sind erst einmal froh, dass die beiden 5. Klassen nicht aufgelöst werden und sie das 5. Schuljahr gemeinsam beenden können. Das war die einzig richtige Entscheidung: Sie, Herr Staatsminister

Prof. Dr. Wöller, haben nicht nach dem Wortlaut des Urteils, sondern letztlich im Sinne der Kinder entschieden.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

In dieser schwierigen Situation, die von Unsicherheit, Emotionen und Frust geprägt war, mussten die Kinder im Mittelpunkt einer solchen Entscheidung stehen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zum Fall Kreischa komme, möchte ich ein paar allgemeine Worte zu den Schulschließungen verlieren. Für uns als FDP ist das Thema Schulschließung, seitdem wir im Landtag sitzen – zuerst als Oppositionspartei und nun in der Regierung –, ein wichtiges Anliegen. Beispielsweise hat die veränderte Bildungsempfehlung neben den vielen bildungspolitischen Zielen natürlich den Effekt, dass Mittelschulstandorte gestärkt werden.

Wir haben die Haushaltsverhandlungen zum Doppelhaushalt 2011/2012 genutzt, um einen Schutzschirm über unsere Mittelschulen im ländlichen Raum aufzuspannen. Das gilt ab dem Schuljahr 2011/2012. Für vier Schuljahre lang wird von Mitwirkungsentzügen bei Mittelschulen im ländlichen Raum abgesehen, sofern die Schülerzahl mehr als 20 beträgt. Eine erneute Schulschließungswelle wird es aufgrund des politischen Willens von CDU und FDP nicht geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Kultusministerium hat im Frühjahr 2010 bereits einen Bescheid zur Schließung der Mittelschule Kreischa verschickt und die Mitwirkung für die Einrichtung der 5. Klassen widerrufen. Grundlage dafür war der Beschluss des Trägers der Schulnetzplanung – der damalige Weißeritzkreis. Er hat in einer sehr harten Abstimmung zugunsten von Bannewitz und zuungunsten von Kreischa entschieden. Ich sage an dieser Stelle ganz klar – auch wenn man es sich anders wünschen würde –: Wir konnten in bestehende Beschlüsse aufgrund des Schulmoratoriums nicht eingreifen. Diese Entscheidung ist in der Vergangenheit getroffen worden. Frau Stange, Sie sagten es: Deswegen sind auch die Mittelschulen in Bad Elster und Seifhennersdorf nicht umfasst.

Frau Dr. Stange, ich möchte auch daran erinnern, dass die harten Auflagen im Rahmen der Schulnetzplanung zu einer Zeit erfolgten, in der auch die SPD Regierungsverantwortung trug. Es gab Mitwirkungsentzüge bei dieser Schule. Zwei Klassen sind in der Mittelschule Kreischa bereits nicht mehr existent.

Herr Bläsner, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Dr. Stange, bitte.

Herr Bläsner, ist Ihnen bekannt, dass das Kultusministerium die Fördermittel

daran gebunden hat, dass die Schulnetzpläne vom Kultusministerium genehmigt werden und vor diesem Hintergrund eine Reihe von Landkreisen geradezu gezwungen wurden, Schulen zur Schließung in ihre Schulnetzplanung aufzunehmen?

Das ist mir bekannt. Die FDP hatte das meines Erachtens thematisiert.

Es handelte sich teilweise um sehr harte Genehmigungsauflagen. Ich bestreite nicht, dass das Verfahren schwierig war. Das war auch für die Verantwortungsträger und Landkreise vor Ort der Fall. Das bestreite ich nicht.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß, dass die Rettung von vielen Mittelschulen in ganz Sachsen für die hier zur Debatte stehende Mittelschule Kreischa kein besonderer Trost ist. Ich habe vollstes Verständnis für das Engagement und den Protest für Kreischa.

Meine sehr geehrten Damen und Herren der Opposition! Es ist natürlich Ihr Recht – manchmal Ihre Pflicht –, einzelne Fälle zu thematisieren. Wenn man einmal nachdenkt und in sich geht, muss man schauen, ob es in jedem Fall in die richtige Richtung geht. Ich habe vollstes Verständnis für den Protest und den Kampf für diese Schule.

Gerade Kreischa ist ein Fall, der mir Bauchschmerzen bereitet, wenn ich darüber nachdenke, was in den vergangenen fünf Jahren geschehen ist. Teilweise, das ist zumindest mein Eindruck, muss man aufpassen, dass man die Kinder nicht instrumentalisiert und falsche Hoffnungen weckt. Angefangen hat alles mit dem Schulnetzplan, der im Jahr 2006 beschlossen wurde. Damals – ich glaube, in einer geheimen Abstimmung – fiel das Ergebnis sehr knapp aus. Der Beschluss des Trägers der Schulnetzplanung wurde nicht vollzogen. Man hat sich in Sicherheit gewogen. Das ist klar. Man hat sich vielleicht falsche Hoffnungen gemacht – nachvollziehbare Hoffnungen. Es ist nicht optimal verlaufen. Das ist richtig.

Herr Bläsner, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Dr. Hahn, bitte.

Herr Kollege Bläsner! Sehen Sie, nachdem Sie die Entscheidung des alten Weißeritzkreises dargestellt haben, eine Möglichkeit zur Lösung des durchaus schwierigen Problems? Sowohl die Regierung als auch die Opposition sollten ein Interesse daran haben, dass der neue Kreistag einen neuen Schulnetzplan beschließt, in dem der Mittelschulstandort Kreischa enthalten ist? Sind Sie persönlich bereit, sich gemeinsam mit mir dafür einzusetzen?

Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Hahn! Wir haben eine bestehende Rechtssituation.

Wir haben den Bescheid vorliegen. Er ist auf der Grundlage des derzeit existierenden Schulnetzplanes getroffen worden. Der Bescheid ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Das Hauptsacheverfahren ist noch anhängig. Darauf fußt der Bescheid.

Ich komme im Laufe meiner Rede noch auf einmal getroffene Entscheidungen und wie damit umzugehen ist zu sprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Frühjahr 2010 gab es den Bescheid. Anfang August gab es ein Urteil des Verwaltungsgerichtes, das beschlossen hat, dass die beiden 5. Klassen in Kreischa eingerichtet werden sollen. War dies ein erneutes Hoffnungszeichen? Ich habe zu diesem Zeitpunkt auch Hoffnungen geschöpft. Wenn das Gericht so urteilt, wird es seine Gründe haben. Das Oberverwaltungsgericht hat klar dargestellt, dass die Schülerzahl, die damals die Einrichtung der 5. Klassen ermöglicht hat, sich offensichtlich als falsch herausgestellt hat. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses OVG war es, das das Schulhalbjahr ins Spiel gebracht hat: einen Termin, den man im Interesse der Kinder nicht umsetzen konnte und nicht umgesetzt hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle mir die Frage, ob die Politik weitere – unter Umständen falsche – Hoffnungen wecken sollte? Wir haben eine Entscheidung vorliegen, die im Einzelfall sehr schmerzhaft ist. Sie ist nicht ganz ohne Probleme. Aber wir haben eine Entscheidung.

(André Hahn, DIE LINKE: Man kann doch falsche korrigieren!)

Ich möchte grundsätzlich sagen, wie das Thema getroffener Entscheidungen zu behandeln ist. Diese Entscheidung steht im Raum. Frau Meiwald, Sie haben vorhin das Damoklesschwert angesprochen. Es besteht seit Jahren in Kreischa die Situation, dass dieses Damoklesschwert über der Schule schwebt. Die Frage ist, ob wir mit einem heutigen Beschluss vorschnell reagieren und falsche Hoffnungen wecken? Vielleicht sollten wir zu einer schmerzhaften Entscheidung stehen?

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren! Das war Herr Bläsner für die FDP-Fraktion. Für die NPD-Fraktion spricht nun die Abg. Schüßler. Frau Schüßler, Sie haben das Wort.