Möchte noch jemand die verbliebene Redezeit nutzen? – Dies ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren, damit ist diese Regierungserklärung beendet.
Ich darf nun das Ergebnis der Wahl eines Mitgliedes des Sächsischen Landtages für das Kuratorium der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen bekannt geben. Abgegebene Stimmscheine: 168, ungültige Stimmscheine: keine. Die im Wahlvorschlag aufgeführte Kandidatin Annekatrin Klepsch erzielte 86 Jastimmen, 9 Neinstimmen und 33 Enthaltungen. Damit ist Frau Klepsch durch den
2. Aktuelle Debatte: Staatsregierung muss Winterschlaf beenden: Sachsen braucht ein Soforthilfeprogramm für kommunale Straßen. Bedarfsgerechten Winterdienst für die Kommunen ermöglichen!
Die Staatsregierung hat zuerst um das Wort gebeten, danach folgen CDU- und FDP-Fraktion, DIE LINKE, SPD, GRÜNE und die NPD. Frau Staatsministerin, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das Jahr 2011 ist erst wenige Wochen alt, aber um einige unerfreuliche und unappetitliche Erfahrungen reicher. Die jüngsten Vorkommnisse rund um das Thema Dioxin in Futter- und Lebensmitteln haben auch mir ganz persönlich den Appetit verdorben.
Was hier, von einem einzigen Betrieb in SchleswigHolstein ausgehend, mit Futtermitteln und der nachfolgenden Kette, auch mit Lebensmitteln, gemacht wurde, ist unverantwortlich und kriminell, das sage ich ganz deutlich.
Es gefährdet Mensch und Tier, es verunsichert Verbraucher, missbraucht Vertrauen und es bringt eine ganze Branche in Verruf. Aber – das ist mir zu Beginn dieser Debatte wichtig herauszustellen – wir als Verbraucher in
Sachsen waren keiner unmittelbaren Gefahr ausgesetzt. Die Kontroll- und Überwachungsmechanismen haben gut funktioniert.
Was bedeutet das ganz konkret? Lassen Sie mich dies schlaglichtartig nochmals aufzeigen. In der aktuellen Dioxinkrise wurden von einem schleswig-holsteinischen Futterhersteller technische Mischfettsäuren mit unzulässig hohem Dioxin ausgeliefert, und ich sage auch hier noch einmal: Hier begann die Sauerei, denn technische Fette haben in unserer Lebensmittelkette nichts zu suchen.
Über mehrere Zwischenstationen gelangten mutmaßlich dioxinbelastete Futtermittelchargen auch an sächsische Tierhaltungsbetriebe. Noch am 30.12.2010 wurden die beiden betroffenen Betriebe informiert. Gleichzeitig wurden als wichtige Maßnahme die Futtermittel ebenfalls gesperrt. Am 3. Januar 2011 waren unsere Kontrolleure vor Ort, haben Proben entnommen und mutmaßlich betroffene Tierbestände offiziell gesperrt. Am Freitag, dem 7. Januar 2011, übermittelte dann Sachsen-Anhalt endlich Untersuchungsergebnisse zu den angeschuldigten, mutmaßlich dioxinbelasteten Futtermittelchargen, die zu uns nach Sachsen geliefert wurden. Danach waren in den
untersuchten Proben keine Überschreitungen der zulässigen Dioxinhöchstwerte in den Futtermitteln festzustellen. Am Sonntag, dem 09.01.2011, informierte die Landesuntersuchungsanstalt, dass in repräsentativen Proben mutmaßlich dioxinbelasteter Masthähnchen lediglich Dioxingehalte deutlich unterhalb der Höchstwerte vorhanden waren, und mir – dies sage ich an dieser Stelle – fiel ein Stein vom Herzen.
Daraufhin wurden alle in diesem Zusammenhang von den zuständigen sächsischen Behörden veranlassten Maßnahmen gegenüber betroffenen sächsischen Unternehmen aufgehoben. – So weit noch einmal der Rückblick auf das Geschehen bei uns in Sachsen. Die zuständigen Behörden auf Landes- und Kommunalebene waren während der ganzen Zeit vor Ort präsent, haben auf Hochtouren geprüft und sich letzten Endes gegenseitig informiert, um die notwendigen Schritte zum Schutz unserer Verbraucher sicherzustellen. Dafür an dieser Stelle nochmals meinen Dank an die Mitarbeiter vor Ort!
Ich habe es an gleicher Stelle auch in meiner Fachregierungserklärung vor einem halben Jahr bereits betont: Die amtliche Lebensmittelüberwachung in Sachsen arbeitet hervorragend für unsere Verbraucher in Sachsen. Das ist kein Eigenlob, das ich als Verbraucherschutzministerin kraft Amtes verkünden muss. Nein, dies belegt auch der Verbraucherschutzindex der bundesdeutschen Verbraucherzentrale. Regelmäßig belegen wir in Sachsen Spitzenplätze und jährlich kontrollieren wir 62,4 % der sächsischen Lebensmittelunternehmen.
Dabei arbeiten wir sehr erfolgreich an einem risikobasierten Grundsatz. Aber – das haben auch die jüngsten Ergebnisse gezeigt – die beste Kontrolle in Sachsen nützt wenig, wenn länderübergreifend Futtermittel und Lebensmittel gehandelt werden, die Kontrollen aber länderbezogen erfolgen. Deshalb war die gestrige Sonderkonferenz der Verbraucherschutz- und Agrarminister in Berlin so wichtig und vor allem auch richtungweisend – übrigens seit 2001 zum zweiten Mal in dieser Konstellation –, mit ambitionierten Zielen und vor allen Dingen auch mit einem ambitionierten Zeitplan. Von ihr geht das Signal aus, dass Bund und Länder gemeinsam an einem Strang ziehen, und zwar in dieselbe Richtung.
Kurz zu den wichtigsten Ergebnissen: Die Hersteller von Futtermitteln müssen künftig eine Zulassung beantragen, die an strenge Auflagen geknüpft ist. Die Produktion von Futterfetten und technischen Fetten soll getrennt werden, und Futtermittelfirmen müssen eine Haftpflichtversicherung für Betriebe und Produkte bzw. eine gleichwertige Absicherung abschließen. Auf einer möglichst EU-weiten Liste sollen Futtermittel und Rohstoffe stehen. Die Futtermittelunternehmer sollen zu Risikokontrollen verpflichtet werden. Alle Ergebnisse sollen an die Behörden weitergeleitet werden, und auch private Labore müssen bedenkliche Mengen an Behörden melden. Die Rückverfolgung belasteter Lebens- und Futtermittel soll erleichtert werden. Diesen Punkt habe ich auch für Sachsen in die Diskussion eingebracht.
Die Futtermittelüberwachung soll wie die Lebensmittelkontrolle am Risiko orientiert werden: Wer verdächtig ist, wird stärker kontrolliert. Die Kontrollen der Länder werden von dritter Seite unter die Lupe genommen. Dabei wirkt der Bund mit, und geplant ist ein Frühwarnsystem für Dioxin. Alle Daten über das Gift in Lebens- und Futtermitteln sollen gesammelt werden. Die Länder prüfen Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften und die Bundesregierung prüft schwerere Strafen bei Verstößen in der Lebensmittelkette, und schließlich: Die Behörden müssen überhöhte Grenzwerte und Rechtsverstöße bei Lebensmittelkontrollen umgehend veröffentlichen. Dazu soll das Verbraucherinformationsgesetz geändert werden. Für den Verbraucher wird eine neue Informationsquelle geschaffen. Die Länder richten die Internetplattform www.lebensmittelwarnung.de ein. Ich setze darauf, dass mit diesen zusätzlichen Maßnahmen der Schutz der Verbraucher weiter gestärkt wird.
Klar ist aber auch: Kriminelle Energie wird sich selbst durch noch so viele Aktionspläne nicht vermeiden lassen. Der gesamte Maßnahmenplan wird in Kürze auch im Internet auf der Seite der Verbraucherschutzministerkonferenz einzusehen sein; denn zurzeit liegt nur die vorläufige Fassung vor, die ich Ihnen auch zur Verfügung gestellt habe.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die amtliche Futtermittelkontrolle wurde in das Ministerium für Soziales und Verbraucherschutz eingegliedert, und die damit einhergehende Verzahnung von Futtermittel- und Lebensmittelkontrolle war eine richtige Entscheidung; denn Futter- und Lebensmittel bilden eine Kette – unsere Lebensmittelkette; ich sage immer: vom Korn bis zum Ei. So war es auch für alle Akteure im konkreten Fall möglich, schnell und koordiniert zu reagieren. Das ist ein Erfolg, und in diesem Zusammenhang danke ich sowohl meinem Kollegen Frank Kupfer, der gerade zu Tisch ist – guten Appetit! –, für die gute Zusammenarbeit der letzten Wochen, als auch der Wahlkreisabgeordneten Frau Hannelore Dietzschold, die sich sehr um die Betriebe in ihrem Wahlkreis gekümmert hat.
Meine Damen und Herren! Es ist unsere Aufgabe, die Futtermittel- und Lebensmittelkontrollen stetig zu optimieren, und wir sorgen zunehmend für Transparenz, die den Verbraucher zu einem aktiven Teilnehmer am Marktgeschehen macht – vor allem mündig und kompetent. Er soll entscheiden können, und das setzt ein Mindestmaß an Informationen voraus. Deshalb habe ich mich auf der gestrigen Konferenz auch für die bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln stark gemacht.
Aber wir haben als Verbraucher auch die Verantwortung, den Wert eines Lebensmittels immer wieder zu erkennen und vor allem auch zu schätzen;
denn Lebensmittel fallen nicht wie Manna vom Himmel, sie wachsen nicht in Supermarktregalen; und wenn sie dennoch als reiche Ernte auf unserem Teller landen, dann sollten wir dies nicht vergessen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Sachsen reagiert schnell, Sachsen optimiert ständig die Kontrollen und deren Auswertung im Interesse unserer sächsischen Verbraucher. Sachsen ist im Verbraucherschutz gut aufgestellt. Aber Gutes kann immer noch besser werden, und daran arbeiten wir. Dabei zähle ich auf Sie.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kriminelle Machenschaften sind und bleiben nicht tolerierbar und werden auch durch unsere sächsischen Lebensmittelkontrolleure streng verfolgt. Aktuell sind im Freistaat Sachsen über 170 Kontrolleure im Einsatz. Der Zusatz von Giftstoffen aus der Fettherstellung ist hoch kriminell und kann bis zu 25 000 Euro Geldstrafe kosten oder eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren nach sich ziehen. Aber wir sollten in diesem Hohen Haus durchaus auch diskutieren: Könnten diese Strafen denn nicht höher sein?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie ist es denn in Sachsen? Ich komme zu einer kurzen Realitätsbeschreibung. Der sächsische Eierproduzent muss sich einer vierteljährlichen Kontrolle durch den Amtstierarzt unterwerfen. Die beprobten Dinge werden in der Landesuntersuchungsanstalt, LUA, untersucht. Zusätzlich möchte er, wenn er in die großen Supermarktketten kommen und gelistet werden möchte, eine sogenannte KAT-Prüfung vorweisen: Kontrollierte Alternative Tierhaltung. Hier wird wöchentlich von unabhängiger Stelle beprobt. Das ist eine zusätzliche Leistung der Privatwirtschaft.
Was ich allerdings auch ansprechen möchte, ist die Preisentwicklung unserer Lebensmittel. Schauen wir uns die Preise an, ganz besonders in den großen Ketten, Aldi, Lidl etc., dann sehen wir: Der Preis der Lebensmittel fällt und natürlich auch der Preis, den der Erzeuger für seine Produkte erzielen kann. In den letzten drei Jahren ist beispielsweise der Eierpreis um über 15 % gesunken. Damit stellt sich natürlich schon für den wirtschaftlich denkenden Menschen die Frage: Wie soll hier noch Qualität sichergestellt werden? Die aggressive Preissenkungspolitik der Discounter verschärft das Problem zusätzlich. Die Schraube drehen wir immer weiter herunter.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dafür gibt es eine Lösung. Sie heißt: der Verbraucher – das sind wir alle. Die Marktmacht und die Verantwortung des Verbrauchers liegen in seinem Portemonnaie, also bei uns allen. Die Eigenverantwortung eines jeden ist und bleibt natürlich auch weiterhin gefragt, und die Eigenverantwortung auch der Lebensmittelproduzenten muss sichergestellt sein. Die Frau Staatsministerin hat es angesprochen: Das bundesweite Portal www.lebensmittelwarnung.de wird wahrscheinlich im Frühjahr 2011 freigeschaltet. Dies ist ein Kooperationsprojekt der Bundesländer untereinander, und es zentralisiert endlich eine Übersicht über die aktuellen Entwicklungen im Lebensmittelbereich bei uns in Deutschland.
Vielleicht noch einen Blick über den Tellerrand hinaus. Schauen Sie sich, meine sehr verehrten Damen und Herren, den französischen Fernsehkanal TF1 an, so können Sie feststellen, dort wird öfter einmal über Brotpreise, Gemüsegüte und Fleischqualität berichtet und diskutiert bzw. ist dies Thema. Bei uns, im deutschen Fernsehen, findet bei Skandalen und überhöhten Preissteigerungen durchaus eine Berichterstattung statt; aber es findet immer wieder eine Skandalisierung dieses Themas statt. Zuletzt erst gestern gesehen: Phoenix nennt seine Aktuelle Stunde zu diesem Thema "Risiko Essen". Das impliziert, dass mit Essen ein Risiko verbunden ist, und das ist, wie die Frau Staatsministerin gut dargestellt hat, nicht der Fall.
Wir müssen also zu einer umfassenden Beschäftigung mit den Themen Essen und Trinken sowie Qualität in unseren Nahrungsmitteln kommen. Die vergangene ARDThemenwoche im letzten Jahr war hierbei ein guter Schritt. Ich würde mich allerdings freuen, wenn dem weitere Schritte folgten, vielleicht auch in unserem Mitteldeutschen Rundfunk.