Protokoll der Sitzung vom 19.01.2011

„Drittens. Die Staatsregierung erstellt keine Prognosen zur zeitlichen Verfügbarkeit der Erdölvorräte. Viertens. Der Staatsregierung liegen diesbezüglich keine statistischen Daten vor.“

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Ha!)

„Fünftens. Vor dem Hintergrund der Preisvolatilität erstellt die Staatsregierung keine Prognosen hinsichtlich der Verfügbarkeit von billigem Erdöl und Erdgas.“ Und so weiter und so fort in diesem Stil.

(Holger Zastrow, FDP: Gute, richtige Antwort! Genau so!)

Verantwortliche, für- und vorsorgliche Wirtschaftspolitik für Sachsen sieht anders aus.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Bitte kommen Sie zum Ende.

Die Redezeit ist zu Ende, meine Damen und Herren.

Herr Minister, lassen Sie mich das Gesagte in einem abschließenden Satz kurz zusammenfassen: Der wirtschaftliche Aufschwung kam ohne das Zutun der Staatsregierung. Für die nächste Krise tragen Sie mit Ihrer Politik des Unterlassens eine große Portion Verantwortung.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Die NPDFraktion; Herr Abg. Delle, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn Politiker nicht mehr weiterwissen, dann schmeißen sie gern mit Vokabeln wie Innovation und Tradition um sich, um letztendlich ihre eigene Ratlosigkeit zu verbergen. Genau dies war auch bei der heutigen Fachregierungserklärung von Herrn Morlok der Fall. Doch weder war die sächsische Wirtschaftspolitik unter seiner Ägide besonders innovativ, noch fühlte sie sich in irgendeiner Art und Weise den großen wirtschaftspolitischen Traditionen des Freistaates verbunden.

Gehört haben wir letztendlich nur Schönredereien und Ankündigungsrhetorik, aber ich werde und muss in meiner Rede doch den Finger in die eine oder andere Wunde legen; denn ganz so rosig, wie es uns der Herr Minister weismachen will, sieht es in Sachsen nicht aus.

Meine Damen und Herren! Auch unter einem Wirtschaftsminister Morlok wird jene verhängnisvolle Leuchtturmpolitik fortgeführt, die dafür verantwortlich ist, dass zwar einige exportorientierte Branchen und Unternehmen in den drei Großstädten Sachsens massiv subventioniert werden, andererseits aber die ländlichen Regionen Sachsens mittlerweile fast vollkommen deindustrialisiert sowie wirtschaftlich ausgeblutet und abgehängt sind. Gerade traditionsreiche sächsische Wirtschaftsbranchen haben unter der Leuchtturmpolitik der Staatsregierung besonders zu leiden. Als Beispiele möchte ich hier nur die mittlerweile kaum mehr existente Textilindustrie im Vogtland und der Oberlausitz nennen sowie das erzgebirgische Kunsthandwerk, das durch den Dumpingwettbewerb mit chinesischen Produktpiraten bedroht wird.

(Tino Günther, FDP: Was?)

Sie haben das selbst schon beklagt.

Genauso wenig, wie man die aktuelle Sparpolitik aus dem Hause Morlok als traditionsverbunden bezeichnen kann, genauso wenig ist sie innovativ. Ganz im Gegenteil, sie ist nichts anderes als der x-te Aufguss des alten Konzepts vom liberalen Nachtwächterstaat, das in den USA und Großbritannien gerade krachend gescheitert ist.

Im Grunde genommen betreibt Wirtschaftsminister Morlok überhaupt keine Wirtschaftspolitik, sondern nur eine Sparpolitik, die zu allem Überdruss weder eine Strategie noch eine Vision verfolgt. Das beste Beispiel dafür, meine Damen und Herren, sind die massiven Streichungen im ÖPNV, die Herr Morlok im Einzelplan 07 des Doppelhaushaltes für die Jahre 2011/2012 durchgesetzt hat und die man nach Auffassung der NPDFraktion schlichtweg als wirtschaftspolitischen Offenbarungseid des Ministers bezeichnen muss.

Der Öffentliche Personennahverkehr war bisher in Sachsen auch in der Fläche noch einigermaßen präsent – und dies bei bemerkenswert hohen Kostendeckungsgraden. Nicht nur volkswirtschaftliche Folgen, sondern auch die soziale Funktion, die der ÖPNV für unser von Abwanderung und Überalterung geprägtes Land erfüllt, sind kaum zu unterschätzen; denn für viele Bürgerinnen und Bürger im ländlichen Raum Sachsens, die kaum Auto besitzen, ist der ÖPNV nun einmal die letzte Möglichkeit, mobil zu bleiben.

Mit der Kürzung fast aller Investitionen und Betriebsmittel beim ÖPNV, die in Sachsen massive Streckenstilllegungen und Angebotskürzungen nach sich ziehen wird, hat der Wirtschaftsminister die Axt an eine der zentralen volkswirtschaftlichen Säulen gelegt, auf denen der Freistaat ruht. Manchmal hat man fast den Eindruck, als ob der Wirtschaftsminister mit seiner Kahlschlagpolitik an einem groß angelegten Schildbürgerstreich arbeitet; denn

während der sächsische Nahverkehr kaputtgespart wird, sollen gleichzeitig der City-Tunnel fertiggestellt und jährlich 50 Millionen Euro vom ÖPNV in das Leipziger Milliardenloch umgeschaufelt werden. Wegen der Mittelkürzungen beim ÖPNV fehlt nun aber das Geld, um den City-Tunnel mit S-Bahn-Linien an das Leipziger Umland und die Landkreise Leipzig sowie Nordsachsen anzubinden, was den Nutzwert dieses Milliardenprojekts schon weit vor seiner Fertigstellung wesentlich minimiert.

Dieses Beispiel zeigt ganz klar: Der sächsischen Wirtschafts- und Verkehrspolitik fehlt jeder innere Kompass, und Herr Morlok scheint noch nicht einmal realisiert zu haben, dass Sachsen ein Flächenland ist, das dringend – wirklich dringend – auf einen funktionierenden ÖPNV angewiesen ist.

Die Schocktherapie hat dabei zwei Seiten: Einerseits soll der Öffentliche Personennahverkehr zusammengestrichen werden, auf der anderen Seite möchte Herr Morlok Sachsen zum Beispiel zum Experimentierfeld für Monster-Lkws, sogenannte Gigaliner, machen. Diese bis zu 25 Meter langen Monster, die Überholmanöver auf den Autobahnen und anderen Straßen deutlich riskanter als bisher machen werden, dürften aber schnell in zu engen Kurven oder an Brücken stranden.

Zudem vergisst der Wirtschaftsminister bei seinen hochfliegenden Plänen, dass Sachsen wahrlich kein Gigalinertaugliches Straßennetz hat, sondern gerade nach diesem Winter viele sächsische Straßen endgültig zu Schlaglochpisten verkommen sind, die erst mit hohem finanziellem Aufwand wieder zusammengeflickt werden müssen, und man froh sein muss, allein mit dem Pkw unbeschadet von Punkt A zu Punkt B zu gelangen. Nein, Herr Morlok, über dieses Straßennetz können wahrlich keine Vierundvierzigtonner rollen. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.

Aber es ist bezeichnend, dass Minister Morlok zwar verkehrspolitische Narreteien wie die Gigaliner fördern möchte, sich aber offensichtlich weniger Gedanken darüber macht, wie man Sachsens Wirtschaft in der Breite, in der Allgemeinheit wieder ankurbeln könnte. Ganz im Gegenteil: Hier wurde durch die Streichung des Förderprogramms "Regionales Wachstum" ein katastrophales Fehlsignal ausgesandt, das zeigt, dass die Staatsregierung ernsthaft davon ausgeht, dass der Freistaat allein von einer starken Exportwirtschaft leben kann.

Im Umkehrschluss bedeutet dies natürlich – das muss man den Menschen im Lande auch sagen –, dass unser Konjunkturzyklus und damit auch unsere Steuereinnahmen noch stärker von den Wirtschaftsentwicklungen in China, Indien oder auch den USA abhängig werden. Herr Morlok, Ihnen und der gesamten Staatsregierung sei es noch einmal ins Stammbuch geschrieben: Der Großteil der Arbeitsplätze und der Steuereinnahmen in Sachsen hängt nach wie vor – zum Glück – von den kleinen und mittleren Unternehmen ab, und eben nicht von einigen exportorientierten – und auch noch zumeist subventionierten – Großunternehmen.

Durch solche Maßnahmen wie die Streichung des Förderprogramms "Regionales Wachstum" wird die Dauermisere der sächsischen Binnenwirtschaft noch vertieft und es wird weiterhin dafür gesorgt, dass der vielbeschworene Aufschwung nur nicht bei den kleinen und mittleren Unternehmen – und damit auch endlich bei den meisten Beschäftigten – ankommen könnte.

Der Wirtschaftsminister betreibt eben eine konsequente Politik für Großkonzerne und gegen kleine Unternehmen – was auch am neuen Sächsischen Ladenöffnungsgesetz deutlich wird. Die nun zulässige Sonntagsöffnung von Videotheken und Autowaschanlagen ist mit Blick auf die Strukturen in beiden speziellen Branchen auch aus Sicht der NPD nachvollziehbar. Die Entscheidung, nun aber auch noch einen fünften verkaufsoffenen Sonntag einzuräumen, ist eine von vielen Kampfansagen an den kleinen, selbstständigen Einzelhändler, der keine Möglichkeit hat, seinen Kunden eine Sieben-Tage-Woche zu bieten, und wird den Konzentrationsprozess im Einzelhandel noch weiter beschleunigen.

Das von der Staatsregierung trotz schwerwiegender verfassungsrechtlicher Bedenken durchgepeitschte Ladenöffnungsgesetz ist außerdem eminent familienfeindlich und mutet den – zumeist weiblichen – Angestellten im Einzelhandel Arbeitszeiten zu, die sich sicherlich negativ auf deren Familienleben auswirken dürften. Stellt man sich in der FDP eigentlich trotz der Sarrazin-Debatte nie die Frage, wie das Land zu Kindern kommen kann und welche Art von Arbeitsplätzen junge Eltern brauchen, damit sie sich um ihre Familien kümmern bzw. überhaupt eine Familie gründen können? Offensichtlich nicht; denn das, was der Wirtschaftsminister als Reform der Ladenöffnungszeiten verkauft, ist im tiefsten Grunde familien- und kinderfeindlich. Aber es passt in diese konsequent gegen die abhängig Beschäftigten in unserem Land gerichtete politische Linie des Wirtschaftsministers; denn Herr Morlok will ja nicht nur die Ladenöffnungszeiten, sondern auch das Zuwanderungsrecht liberalisieren und die Mindestverdienstgrenzen für die Niederlassung ausländischer Arbeitnehmer von 66 000 Euro auf nunmehr 30 000 Euro senken.

Diese Forderung erhebt der Wirtschaftsminister vor dem Hintergrund der bereits beschlossenen EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit, die ja am 1. Mai dieses Jahres droht. Die Einführung der vollen EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit, die ausgerechnet immer wieder von der Sächsischen Staatsregierung in den vergangenen Jahren gefordert wurde, wird aber dem Grenzland Sachsen und seinem Arbeitsmarkt schwersten Schaden zufügen.

(Beifall bei der NPD)

Sachsen hat von allen deutschen Bundesländern mit 566 Kilometern die mit Abstand längsten Außengrenzen zu den beiden europäischen Staaten Polen und Tschechien. Die räumliche Nähe Sachsens zu diesen beiden Ländern macht daher den Freistaat für Billiglöhner – auch aus Osteuropa – hoch attraktiv, und die permanente Propaganda der Staatsregierung für die Arbeitnehmerfrei

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich noch kurz auf das Thema Tourismuspolitik eingehen. Es ist ein sehr wichtiges Thema, welches der Herr Staatsminister auch bestens erwähnt hat.

zügigkeit zeigt, dass man sich eben nicht den Interessen der Sachsen verbunden fühlt, sondern dass einseitig die Interessen der Wirtschaft gegen die Interessen der überwältigenden Mehrheit der Sachsen vertreten werden.

(Beifall bei der NPD)

Und als ob die Gefahren für den deutschen Arbeitsmarkt, die aus der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit resultieren, nicht schon groß genug wären, musste Herr Morlok in einem Interview dann noch einen drauflegen, indem er sagte, dass er die Tür für Zuwanderer nicht nur einen Spalt, sondern ganz weit öffnen möchte. Herr Morlok, mit Ihrer Forderung nach noch mehr Zuwanderung über die Arbeitnehmerfreizügigkeit hinaus werden Sie nur erreichen, dass die ohnehin schon beinharte Konkurrenz in dem leider dramatisch schnell wachsenden Niedriglohnbereich nochmals zunimmt und die Sächsinnen und Sachsen dabei auf der Strecke bleiben. Aber genau das möchte die FDP ja auch; Herr Herbst hat es vorhin noch einmal sinngemäß gesagt. Wir als NPD sagen dagegen ganz klar: Zuerst müssen die Sachsen einen Arbeitsplatz bekommen und dann alle anderen.

(Beifall bei der NPD)

Herr Morlok, verkünden Sie also bitte nicht ständig Ihren Zuwanderungsirrsinn, sondern kümmern Sie sich endlich einmal um die fast 240 000 Arbeitslosen in Sachsen und vergessen Sie nicht, dass allein im Dezember die Arbeitslosigkeit stark gestiegen ist!

(Holger Zastrow, FDP: Die Zahlen haben Sie auch! Na, na, na!)

Die nach wie vor hohe Arbeitslosenquote von über 11 % zeigt auch, dass Sie bei Ihrer eigentlichen und wichtigsten Aufgabe, der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, bisher grandios gescheitert sind. Wir als NPD werden Sie aber nicht an dem größenwahnsinnigen Bauprojekt CityTunnel oder Ihrer arbeitnehmerfeindlichen MultikultiPropaganda messen, sondern daran, inwieweit es Ihnen wirklich gelingt, möglichst viele Sachsen endlich wieder in Lohn und Brot zu bringen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Es ist nur noch sehr wenig Redezeit übrig. Hat noch jemand das Bedürfnis zu sprechen? Dann würde ich auch die Zeit bekannt geben. – Die FDP-Fraktion hat sich gemeldet: 2,11 Minuten. – Herr Abg. Günther, bitte.

In der Tourismuspolitik ist es so: Wer auf frischen Wind wartet, darf nicht verschnupft sein, wenn er kommt; und die neue Tourismusstrategie wird diesen Wind bringen. Sie hat einen Namen: "Tourismusstrategie 2020". Die Termine stehen, im Sommer werden wir fertig sein. Worum geht es? Trotz guter Zahlen im letzten Jahr stehen wir immer noch auf Platz 10 der 16 Bundesländer. Das ist uns nicht genug. Wir brauchen ein neues Konzept.

(Andreas Storr, NPD: Dann stell’ uns mal dein Konzept vor!)

Wir müssen aufhören, Tourismus spielen zu wollen, sehr geehrte Damen und Herren; denn Spielen ist das Experimentieren mit dem Zufall. Ein Konzept ist doch nur dann erfolgreich, wenn es sich auf ganz konkrete Bedingungen einstellt und reelle Marktchancen gedanklich vorwegnimmt.

Wer langfristig erfolgreich sein möchte, muss frühzeitig Strukturveränderungen vornehmen. Das tun wir. 68 000 Beschäftigte in der Tourismusbranche des Freistaates bilden einen wichtigen Beitrag in der sächsischen Wirtschaft. Sie arbeiten in allen Regionen Sachsen, auch in den 450 Kommunen, die eine gewisse Tourismusaffinität haben und eine Kurtaxe erheben könnten. Dies tun aber leider nur 24 Kommunen. Dabei sollten wir nach Europa schauen und das Tiroler Modell – als eines der besten in Europa – annehmen.

Da meine Zeit davonläuft, möchte ich nur noch erwähnen: Sachsens Stärke liegt in der natürlichen Vielfalt der Premiumangebote, die überall in Sachsen zu finden sind. "Stärken stärken" – von diesem klaren Wind unseres Wirtschaftsministers werden wir stärker profitieren als bisher, vor allem die Premiumangebote der Betriebe der Tourismuswirtschaft.

In diesem Sinne vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf von der SPD: Bravo!)