Protokoll der Sitzung vom 20.01.2011

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Immerhin! – Jürgen Gansel, NPD: Staatsvermögen statt Steuergelder! – Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Bei einer adäquaten Verteidigung gegen die erhobenen Vorwürfe würde das Privatvermögen der Beklagten durch deren eigene Anwaltskosten wahrscheinlich so weit geschmälert, dass das Finanzministerium nicht einmal mehr seine eigenen Anwaltskosten vollstrecken könnte. Die Erlangung eines Betrages zum Schadensausgleich erscheint vor diesem Hintergrund als äußerst unwahrscheinlich.

Im Ergebnis ist deshalb festzuhalten: Mit Klagen gegen die sechs ehemaligen Kreditausschussmitglieder würde der Freistaat Sachsen schlechtem Geld gutes Geld hinterherwerfen. Das Geld, das für die Prozesse aufgewandt werden müsste, würde an anderer Stelle fehlen.

(Zuruf des Abg. Klaus Tischendorf, DIE LINKE)

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN regen nun an, die Prozesse um ihrer selbst willen zu führen. Das Streben nach Gerechtigkeit verstehe ich nur zu gut.

Ich gestehe gern ein, dass ich innerlich gerungen habe, da auch mein Gerechtigkeitsgefühl die Entscheidung, nicht zu klagen, zunächst infrage stellte. Vorsorglich flächendeckend jeden ohne Abwägung der Prozessrisiken sowie der Kosten und der möglichen Erträge zu verklagen ist aber nicht nur zu teuer, sondern für meine Funktion auch verantwortungslos. Als Finanzminister trage ich jedoch die Verantwortung. Das heißt, ich habe zu rechnen und abzuwägen, und die Rechnung ist eindeutig: Der Freistaat kann bei einer Klage gegen die Verwaltungsräte nur verlieren. Deshalb war die Entscheidung richtig.

Ich bitte deshalb um Ablehnung des Antrages.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Aha!)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Meine Damen und Herren, ich habe seitens der Fraktionen keine Wortmeldungen zur Aussprache mehr gesehen. Wir können damit zum Schlusswort kommen. – Frau Hermenau, einen ganz kleinen Moment, es gibt noch eine Kurzintervention. Herr Schimmer, bitte

Ja, ich würde gern vom Mittel der Kurzintervention Gebrauch machen. – Herr Prof. Unland hat eben einen großen Romantitel angeführt, "Schuld und Sühne" von Dostojewski, und ich glaube auch, dass wir es uns in dieser Frage nicht zu leicht machen sollten, dass wir nicht nur Rechtsanwaltskosten gegeneinander aufrechnen, sondern auch das Bedürfnis des Volkes in Rechnung stellen sollten, dass man die Verantwortlichen für die Finanzkrise ermittelt; denn wir dürfen nicht vergessen: Im Jahr 2008 stand das ganze Finanzsystem noch kurz davor zusammenzubrechen, und ich denke, dass jeder Bürger das Recht auf eine juristische Aufarbeitung dieser Finanzkrise hat; es geht wirklich nicht nur um Rechtsanwaltskosten. – Besten Dank.

(Beifall bei der NPD)

Herr Staatsminister, möchten Sie erwidern? – Dies ist nicht der Fall. Wir kommen zum Schlusswort. Frau Abg. Hermenau, bitte; Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Herr Prof. Unland, beim Schadenersatz gibt es zwei Aspekte. Sie haben immer nur einen betont: dass der Geschädigte ein Recht auf eine materielle Wiedergutmachung habe, und das müsse dann auch wahrscheinlich eintreten, wenn man klagt. Das war in etwa Ihre Argumentation. Aber wenn derjenige, der den Schaden verursacht hat – von mir aus in materiell vertretbarem Rahmen, also keine Existenzvernichtung, aber trotzdem empfindlich –, persönlich zur Kasse gebeten wird, dann ist das eine größere Lektion

für alle Politiker und Beamten in diesem Land, als man sich je denken konnte, und ich denke, darauf kommt es an.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Mir ist bereits bei der Haushaltsberatung aufgefallen, wie zutiefst unpolitisch viele finanzpolitische Argumentationen hier vorgetragen worden sind. Jetzt ist mir das wieder aufgefallen. Das ist kurzsichtiges politisches Handeln, weil eine Demokratie doch von ihren Bürgern lebt, und zwar von Bürgern, die für die Demokratie motiviert sind und in ihr eine aktive Rolle einnehmen; und wenn solche Dinge geschehen und nicht behoben werden, dann schädigen Sie im langfristigen Sinne genau diesen wertvollen Kraftimpuls der Bürgerschaft in einer Demokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Ich finde diesen Preis politisch viel zu hoch, den Sie versucht haben, mit einem, wie ich finde, Scheinargument finanziell und materiell zu widerlegen. Sie haben das doch bestimmt im Kabinett besprochen und wahrscheinlich auch beschlossen. Sie haben jetzt die Position des Finanzministers vorgetragen. Lassen wir es einmal in der kleinen Schachtel. Aber ein Kabinett in einem Freistaat muss doch auch eine politische Entscheidung treffen, und dass das nicht geschehen ist, erschüttert mich, es empört mich auch, und ich denke, dass es eben sehr wesentlich ist, welches Handeln und Nichthandeln die Politiker an den Tag legen, da dies die Verhaltensmaßstäbe in einer Demokratie immer noch prägt. Wir mögen nicht die höchste Reputation haben, trotzdem setzen wir im Guten wie im Schlechten Maßstäbe für öffentliches und privates Handeln.

Es gibt jetzt viel Sorge um die Euro-Stabilität. Auch da haben in der Kette von Herrn Waigel bis zu Herrn Eichel viele versagt, jeder in der Frage, die er in seiner Zeit beantworten musste. Aber am Ende stehen wir nun vor der Frage, ob wir Europa überhaupt noch wollen, und es gibt wirklich dümmliche Zuspitzungen bis hin zu: Die Deutschen sind nicht die Zahlmeister der EU. Dort stehen wir jetzt. Das ist das Ergebnis von nicht politischem Handeln aus fiskalischen oder anderen Gründen. Ich denke, dass es wichtig ist, dort Ordnung hineinzubringen, und Sie, Herr Prof. Schmalfuß, haben auch nur von einer finanzpolitischen Entscheidung gesprochen, die zu treffen sei. Das ist zutiefst unpolitisch!

(Zuruf des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Das Wesentliche wäre gewesen bzw. ist noch die Entscheidung zur Stärkung unserer Demokratie; und wenn die Liberalen in diesem Land das nicht begreifen, dann gute Nacht, Marie!

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Wir können mit der Abstimmungsrunde beginnen. Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD

mit der Drucksachennummer 5/4716 vor. Soll dieser noch eingebracht werden? – Das ist der Fall. Herr Pecher, Sie haben das Wort; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gern die Gelegenheit nutzen, noch einmal klarzumachen, warum wir diesen Änderungsantrag eingebracht haben.

Ich denke, dass es – auch im Zusammenhang mit dem, was Frau Hermenau zum Thema ausgeführt hat, was man gegenüber der Bevölkerung zum Ausdruck bringt – wichtig ist, dass die nach unserer Auffassung rechtlich verantwortlichen Konstrukteure dieser Bank in diesen Bereich einbezogen sind. Deshalb haben wir den Zeitraum auf die Zeit seit 1999 gelegt, als die Kernentscheidung gefallen ist, die – das hat Kollege Bartl ebenfalls hier aufgeführt, und es ist auch meine Überzeugung – gegen jegliche Gesetze des öffentlichen Kreditwesens und Aufträge usw. verstoßen hat. Daher die Zeit von 1999 bis 2007.

Wir haben es etwas präzisiert, weil uns aus dem BÜNDNIS-90-Antrag nicht ganz klar war: Wer sind die jeweils verantwortlichen Mitglieder? Wir haben aus der Diskussion herausgehört, dass es um die sechs ging, die im Haushalts- und Finanzausschuss benannt worden sind. Wir finden, dass es alle sein sollten, die ordentlich, stellvertretend, aber auch beratend dort Verantwortung übernommen haben. Ich finde zum Beispiel, dass das Thema Herr Dr. Thode, der dort jede Sitzung begleitet und ganz massiv Einfluss genommen hat, nicht einfach ausgelassen werden sollte. Er hat ganz wesentlich Entscheidungen beeinflusst und interpretiert. Das ist ein Beispiel, warum wir diese Klarstellung wünschen.

Ich finde auch, dass man feststellen sollte: Wann ist überhaupt bei wem Verjährung eingetreten? Ich denke, dass es durchaus im Bereich des Möglichen liegt, dass auch aus dem Bereich 1999/2000 noch keine Verjährung eingetreten ist, weil bestimmte Entscheidungen von damals erst jetzt, in einem späteren Zeitraum, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Schäden führen werden. Das einmal festzustellen und damit festzuzurren ist, denke ich, wichtig.

Dann muss natürlich gegen diejenigen, bei denen man schuldhafte Pflichtverletzung nachweisen kann, vorgegangen werden. Ich finde, das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern im Freistaat Sachsen schlichtweg schuldig.

Ein Argument möchte ich noch entkräften, welches Herr Prof. Schmalfuß rein fiskalisch vorgebracht hat. Die Prüfung der Unterlagen, wer wann wo was entschieden hat und ob dabei eine schuldhafte Pflichtverletzung vorlag, kostet keine Million. Selbst wenn man sich nur auf den BÜNDNIS-90-Antrag bezieht, sind es nur sechs – und nicht 25 oder wie auch immer, und das kostet nicht Unsummen von Millionen, wie hier dargestellt worden ist.

Wenn wir, wie selbst ausgeführt, 20 Millionen Euro in die Hand nehmen in der vagen Hoffnung, dass wir aus der

D&O-Versicherung bei den Vorständen Geld zurückbekommen – Sie wissen genau wie ich, Herrn Weiss haben wir nicht zum Untersuchungsausschuss nach Sachsen bekommen, und Sie werden ihn auch nicht zu einem Verfahren nach Sachsen bekommen; Sie werden dort nie etwas holen können –, dann finde ich, dass man dann auch Geld in die Hand nehmen sollte, um der Gerechtigkeit Genüge zu tun und auch diejenigen, die Verantwortung in den Gremien übernommen haben, wie Sie alle gesagt haben, zur Rechenschaft ziehen sollte – wenn man es kann.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Vielen Dank, Herr Pecher. – Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Herr Abg. Rohwer, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte gegen diesen Antrag sprechen. Ich möchte nicht in jedem Detail auf den Antrag eingehen. Im Punkt 1 sind Dinge eingefordert, die die Staatsregierung längst getan hat und über die wir auch im Haushalts- und Finanzausschuss informiert worden sind.

Ich möchte aber den Punkt 2b zitieren: "Die Staatsregierung wird aufgefordert, den vom jeweiligen Beklagten einbringbaren Schadenersatzbetrag zu erlangen." Das ist eine Null-Forderung. Ich glaube, Herr Pecher, der hier gerade mit Schaum vor dem Mund formuliert hat, hat an dieser Stelle seine Konsequenz verloren; denn wie soll das funktionieren? Soll man sich dann irgendwie einmal einigen: Wie viel bist du bereit zu zahlen? Oder was?

Ich denke, die Staatsregierung hat deutlich gemacht, insbesondere der Finanzminister, dass sie alles wohl geprüft hat, ernsthaft und sehr kritisch, und dieser Antrag leider ins Leere geht.

Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Rohwer. – Es gibt eine weitere Wortmeldung Herr Lichdi, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Änderungsantrag der SPD Stellung nehmen. Wir haben als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kein Problem, die Prüfung auf alle Mitglieder auszudehnen, wie Sie es hier begehren. Nur ist unser Kenntnisstand nach der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses, dass das geprüft worden ist und dort die Risiken so eingeschätzt wurden – im Gegensatz zu den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses 2003 bis 2006 –, dass aus rechtlicher Sicht keine Erfolgsaussichten bestehen. So haben wir jedenfalls die HFA-Sitzung verstanden.

Herr Pecher, es wäre sicherlich sehr interessant, wenn sich der Haushalts- und Finanzausschuss vielleicht einmal die Rechtsanwaltsgutachten auf den Tisch ziehen würde,

um festzustellen, was denn im Einzelnen geprüft wurde. Ich vermute, dort werden wir noch die eine oder andere Überraschung erleben.

Wir haben uns bewusst auf den Zeitraum von 2003 bis 2006 und diese sechs Mitglieder beschränkt, weil hierzu die Rechtsfrage klar und unstreitig ist. Die Staatsregierung sagt richtig – Herr Unland hat es etwas unscharf, um es freundlich auszudrücken, dargestellt: Es ist eine klare Empfehlung, gegen sie Klage zu erheben. Das war das Ergebnis der Prüfung. Deswegen haben wir uns darauf beschränkt.

Zu Punkt 2. Diesen Punkt können wir wirklich nicht mittragen. Punkt 2 bleibt deutlich hinter unserem Antrag zurück. Sie verlangen eine Prüfung und dann, wenn die Prüfung etwas ergibt, die Klage. Die Prüfer haben wir gehabt. Jetzt ist die politische Entscheidung zu treffen: Wollen wir Klage erheben oder nicht? Deswegen können wir dem Änderungsantrag nicht zustimmen und werden uns der Stimme enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Herr Kollege Bartl, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sicherlich ein Problem dieses Parlaments, dass nur eine geringe Anzahl seiner Mitglieder durch die Art und Weise, wie die entsprechenden Anspruchsgrundlagen, Ermittlungsgrundlagen und Prüfgrundlagen zugänglich gemacht worden sind, wissen, was wer mit welchem Zweck und mit welcher Zielsetzung recherchiert hat.

Die meisten Abgeordneten waren nicht in der geheimen Sitzung. Die meisten von uns wissen nicht, was die Intention der beauftragten Anwälte war. Ich weiß zum Beispiel nicht, ob es Konkurrenzverhältnisse zwischen dem vorherigen Wirtschaftsberatungsgremium, das jetzt 40 Millionen Euro zahlen muss, und dem jetzt prüfenden gab. Wir wissen im Grunde genommen nicht, mit welcher Verlässlichkeit sich die dort vorgetragenen Positionen auf die genannten sechs Aufsichtsratsmitglieder beziehen. Das weiß ich wirklich nicht.

Ich weiß umgekehrt genauso wenig, ob es richtig und rechtens ist unter dem Aspekt, dass ich niemanden mit Verfahren überziehen will, zu denen ich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür habe, nun gegen jeden zu klagen, der in denkbarer Weise Mitglied oder Stellvertreter oder gar noch Beratender in einem Ausschuss war. Bei den Beratenden haben wir ein rechtliches Problem. Ich weiß nicht, ob es geht. Ich bin der Auffassung, dass das Gesetz den Rahmen über das öffentlich-rechtliche Kreditwesen gibt. Das bringt in die Verantwortung den Aufsichtsrat und die Mitglieder des Kreditausschusses und in gewisser Weise natürlich diejenigen, die für die Rechtsaufsicht zuständig sind.

Inwieweit jetzt der beratend Mitwirkende den Verantwortungskreis mit erfassen könnte, wäre für uns kompliziert