Protokoll der Sitzung vom 11.11.2009

Für die Stellvertreter wurden Herr Abg. Modschiedler und Herr Abg. Heidan gewählt. Auch hier frage ich, ob jemand die Wahl nicht annehmen will. – Das kann ich nicht sehen. Auch hier herzlichen Glückwunsch.

Herr Abg. Bartl hat nicht die erforderliche Stimmenzahl erreicht. Ich darf hier auf den bereits gemachten Hinweis zurückkommen und muss ihn nicht noch einmal wiederholen, Herr Tischendorf? – Gut. Dann unterbreche ich die Sitzung für 15 Minuten.

(Unterbrechung von 14:54 bis 15:12 Uhr)

Meine Damen und Herren! Ich frage nun die vorschlagsberechtigte Fraktion, ob ein zweiter Wahlgang für die nicht besetzten Sitze laut den Tagesordnungspunkten 2 und 3 durchgeführt werden soll. Herr Tischendorf, bitte.

Herr Präsident! Wir haben uns in der Auszeit mit den anderen demokratischen Fraktionen verständigt und werden heute noch einen Wahlvorschlag für die Wiederholungswahl einreichen.

Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, dass wir zunächst in der Tagesordnung fortfahren, damit Sie, Herr Tischendorf, uns Ihren Wahlvorschlag einreichen können. Wir werden

dann zu gegebener Zeit die Wahlen wiederholen. Erhebt sich hiergegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 4

Wahl von gesellschaftlich bedeutsamen Gruppen für die 4. Amtsperiode des MDR-Rundfunkrates (gemäß § 19 Abs. 3 des Staatsvertrages über den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) in Verbindung mit § 19 Abs. 1 Nr. 16 Staatsvertrag über den MDR)

Drucksache 5/328, Wahlvorschlag der Fraktion der CDU

Drucksache 5/329, Wahlvorschlag der Fraktion DIE LINKE

Gemäß § 19 Abs. 3 des MDR-Staatsvertrages bestimmt die gesetzgebende Körperschaft des jeweiligen Landes – hier der Sächsische Landtag – nach den Grundsätzen der Verhältniswahl nach dem Höchstzählverfahren d’Hondt für jeweils eine Amtsperiode des MDR-Rundfunkrates, welchen Organisationen und Gruppen, die sich fristgerecht beworben haben, ein Sitz im Rundfunkrat zusteht.

Vom Sächsischen Landtag sind gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 16 des Staatsvertrages auf diese Weise vier Sitze im Rundfunkrat des MDR zu besetzen. Ihnen liegen zu dieser Entscheidung der Wahlvorschlag der Fraktion der CDU, Drucksache 5/328, und der Wahlvorschlag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 5/329, vor.

Meine Damen und Herren, Sie kennen das Prozedere. Die Wahl findet nach den Bestimmungen unserer Geschäftsordnung geheim statt. Allerdings kann stattdessen durch Handzeichen abgestimmt werden, wenn kein Abgeordneter widerspricht. Ich frage Sie daher, ob jemand widerspricht, dass durch Handzeichen abgestimmt wird. – Das ist der Fall. Dann kommen wir zur geheimen Wahl.

Hierzu berufe ich aus den Reihen der Schriftführer eine Wahlkommission mit folgenden Mitgliedern des Landtages: für die Fraktion DIE LINKE Frau Roth als Leiterin, für die CDU-Fraktion Herr Abg. Colditz, für die SPDFraktion Frau Abg. Dr. Deicke, für die FDP-Fraktion Herr Abg. Hauschild, für die GRÜNE-Fraktion Herr Abg. Jennerjahn und für die NPD-Fraktion Frau Schüßler.

Meine Damen und Herren! Damit es nach der Wahlhandlung zu keiner längeren Pause kommt, schlage ich Ihnen vor, in der Tagesordnung fortzufahren und das Ergebnis später bekanntzugeben. Sind Sie damit einverstanden? – Vielen Dank. Ich übergebe nun das Wort an die Leiterin der Wahlkommission. Frau Abg. Roth, Sie haben das Wort; bitte schön.

Danke. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abgeordneten werden in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen und erhalten einen Stimmschein, auf dem entsprechend der angegebenen Drucksachen die Wahlvorschläge aufgeführt sind.

Wir führen die Wahl für den Sitz im Rundfunkrat des MDR durch. Jedes Mitglied des Landtages hat nur eine Stimme, mit der es sich für einen der Wahlvorschläge entscheiden kann. Stimmscheine, auf denen mehr als ein Wahlvorschlag angekreuzt ist, sind ungültig. Bitte kreuzen Sie also nur einen Wahlvorschlag an; das hat vorhin nicht bei allen geklappt.

Für die vom Landtag zu bestimmenden vier gesellschaftlich bedeutsamen Organisationen und Gruppen für die Besetzung je eines Sitzes im Rundfunkrat des MDR werden die für jeden Wahlvorschlag insgesamt abgegebenen Stimmen zusammengezählt und die Gesamtstimmzahl eines jeden Wahlvorschlages nacheinander so lange durch 1, 2, 3, 4 usw. geteilt, bis alle erforderlichen Höchstzahlen ermittelt sind. Jedem Wahlvorschlag wird dabei so oft in der Reihenfolge der Auflistung ein Sitz zugeteilt, wie auf ihn jeweils die höchste Teilungszahl (Höchstzahl) entfällt. Ich beginne mit dem Namensaufruf.

(Namensaufruf – Wahlhandlung)

Habe ich jemanden nicht aufgerufen? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Haben alle ihre Wahlscheine abgegeben? – Die Wahlhandlung ist abgeschlossen. Ich bitte nun die Wahlkommission, mit der Auszählung der Stimmen zu beginnen.

Meine Damen und Herren! Wir hatten uns darauf verständigt, dass wir, während die Stimmenauszählung erfolgt, in der Tagesordnung fortfahren. Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 8

Bekenntnis der Mitglieder der Staatsregierung zur uneingeschränkten Wahrung des Budgetrechts des Parlaments

Drucksache 5/281, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Sachsen LB-Pleite: Sicherstellung der Finanzhoheit des Landtags gegenüber der Staatsregierung – Verantwortliche in Regress nehmen

Drucksache 5/296, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hierzu können die Fraktionen in der Reihenfolge für die erste Runde Stellung nehmen: DIE LINKE, GRÜNE, CDU, SPD, FDP und die Staatsregierung, wenn sie dies wünscht.

Meine Damen und Herren, ich erteile zunächst der Fraktion DIE LINKE das Wort; Herr Abg. Bartl.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Der Sächsische Verfassungsgerichtshof hat in seinem – von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN durch ihren Verfolg der Rechte des Landtages in eigenem Namen erstrittenen – Urteil im Verfahren Vf. 41-I-08 vom 28. August 2009 klar und eindeutig festgestellt, dass Ihnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, in Ihrer damaligen Eigenschaft als Staatsminister der Finanzen vorgeworfen wird, die Verfassung gebrochen zu haben. Dass das wissentlich und willentlich geschehen sein könnte, drängt sich deshalb auf, weil seinerzeit – vor Ihrer Entscheidung – bereits auf Drängen unserer Fraktion eine Stellungnahme des Juristischen Dienstes des Landtages vom 17. Dezember 2007 vorlag. Diese beurteilte im Grundsätzlichen all jene im Zusammenhang mit dem Verkauf der Sächsischen Landesbank beabsichtigten Bürgschaftsübernahmen vom Finanzministerium herangezogenen Rechtslagen als verfassungsrechtlich höchst problematisch.

Ich zitiere aus der Stellungnahme des Juristischen Dienstes: „Wäre § 12 Abs. 2 im Haushaltsgesetz 2007/2008 einschlägig“ – gemeint für die Garantieübernahmeerklärung –, „dann wäre der Rahmen möglicher Bürgschaften auf 300 Millionen Euro pro Jahr begrenzt, was im Ergebnis“ – bei dem vorgesehenen Gewährleistungsrahmen – „auf das Zustimmungserfordernis des Sächsischen Landtages dann wohl in Form eines Nachtragshaushaltes hinauslaufen würde.“

Weil dieser Nachtragshaushalt nicht eingebracht wurde, hatte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Namen des Parlaments geklagt – in dessen Rechtsstellung. Sie hat vor dem Verfassungsgerichtshof im Organstreitverfahren Recht bekommen. Das Verfassungsgericht hat in seinem Urteil im Detail erörtert, weshalb es das Handeln des Ministerpräsidenten – Entschuldigung, des Finanzministers – als nicht verfassungskonform ansah.

Es steht im Raum, dass eine Verletzung der Verfassung dadurch entstanden ist, dass die Rechte des Parlaments

aus Artikel 95 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen übergangen wurden. Dies kam zustande, indem am 28. Dezember 2007 der damalige Finanzminister – Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident –, ohne die Zustimmung des Landtages einzuholen, eine Garantie bis zur Höhe von 1,65 Milliarden Euro zugunsten der Landesbank Sachsen AG und anderer begünstigender Abgaben abgegeben und diese Garantie mit der Erklärung vom 15. Februar 2008 um weitere 1,1 Milliarden Euro auf insgesamt 2,75 Milliarden Euro erhöht haben.

Das haben Sie nach unserer Überzeugung im Wissen um die Tatsache getan, dass § 95 der Sächsischen Verfassung besagt: „Die Aufnahme von Krediten sowie jede Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Jahren führen können, bedürfen einer Ermächtigung durch Gesetz.“

Dass ein solches Gesetz nur durch das Parlament verabschiedet werden kann, versteht sich von selbst. Selbstverständlich ist dem damaligen Staatsminister der Finanzen und späteren Ministerpräsidenten der 4. Wahlperiode – er ist auch heute Ministerpräsident – bekannt gewesen, dass das Budgetrecht des Parlaments eine der essenziellen Säulen der Finanzverfassung des Landes bildet, die ihrerseits auch in die Finanzverfassung des Grundgesetzes eingebettet ist; ich verweise auf die Artikel 91a und b sowie 104 ff. des Grundgesetzes.

Der Sächsische Verfassungsgerichtshof hat in seinem Urteil klipp und klar festgestellt, dass durch die Übernahme der Höchstbetragsgarantie eine Handlung vollzogen wurde, die durch das Haushaltsgesetz 2007/2008 bzw. die dort vorgesehene Ermächtigung nicht gedeckt gewesen ist. Es ist auch eindeutig festgestellt worden, dass es mit der Bürgschaft nicht darum ging, Verbindlichkeiten des Freistaates Sachsen abzudecken, sondern dass die 2,75 Milliarden Euro Verlustrisiken Dritter betreffen, die dann zulasten des Landes abgedeckt wurden. Das hat der Verfassungsgerichtshof unter Verweis auf die eigene Stellungnahme sowohl der Staatsregierung als auch des Antragsgegners zu 1) – das war der damalige Finanzminister – so festgestellt. Ich zitiere aus Blatt 26 des Urteils: „Nach der eigenen Darstellung der Antragsgegner unterfielen die sich aus den Portfolien Sachsen Funding I und Synopse ABS ergebenden Verpflichtungen nicht mehr der Gewährträgerhaftung des Freistaates Sachsen nach § 67 Abs. 1 GörK a.F.“

Durch die Höchstbetragsgarantieübernahmeerklärung sind diejenigen, die nunmehr begünstigt wurden, aus der Verantwortung für Zahlungsausfälle entlassen worden, und der Freistaat Sachsen muss dafür eintreten. Der Verfassungsgerichtshof führt auf Blatt 27 dazu weiter aus: „§ 12 Abs. 2 Haushaltsgesetz 2007/2008 enthält eine Gewährleistungsermächtigung nur bis zum Höchstbetrag von 300 Millionen Euro, sodass die streitgegenständlichen Maßnahmen hiervon nicht gedeckt sein konnten.“

Auch lagen nach Feststellung des Verfassungsgerichtshofes die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 nicht vor, weil eine Überschreitung dieses Rahmens nur dann möglich gewesen wäre, wenn die Garantieübernahmeerklärung zur Förderung der Wirtschaft erfolgt wäre. Das ist rechtliche Tatbestandvoraussetzung gewesen.

Damit steht für uns die Frage im Raum, welche Rechtfertigungsgründe seinerzeit die Staatsregierung bzw. der Finanzminister im Maßstab dieses Urteils gesehen hat. Deshalb haben wir, zunächst mit Antrag vom 3. September 2009, das heißt noch im Landtag der 4. Wahlperiode, und dann erneut mit dem heute zur Behandlung stehenden Antrag, der am 30. September eingebracht worden ist, darum ersucht, dazu Stellung zu nehmen. Für Sie, Herr Ministerpräsident, hat der Herr Staatsminister der Finanzen, Prof. Dr. Unland, Stellung genommen und erklärt – ich verweise auf Seite 2 der Stellungnahme vom 25. September 2009 –: „Die Ausreichung der Höchstbetragsgarantie war notwendig, um Schaden vom Freistaat abzuwenden.“

Dieser Sammelsatz ist das, was uns angeboten worden ist. Mehr ist in Auseinandersetzung mit dem Urteil bisher nicht dargestellt worden. Damit wird nach unserer Auffassung der Antrag ignoriert. Wir wollten, dass der Ministerpräsident – ursprünglich sogar vor der erneuten Vereidigung – spätestens heute in persona sein damaliges Handeln erklärt.

Was uns auch dazu veranlasst hat, den Antrag in der 5. Wahlperiode erneut einzubringen, ist der Umstand, dass in der Stellungnahme des Herrn Staatsministers der Finanzen erklärt wird, dass die Staatsregierung nicht beabsichtige, in den Landtag der 5. Wahlperiode nunmehr einen solchen Nachtragshaushalt einzubringen; denn dass durch die damalige Übernahme der Garantie auch der 5. Landtag in seinen haushaltspolitischen Spielräumen bzw. in dem Finanzrahmen, den er verantworten kann, entsprechend beeinflusst wird, liegt auf der Hand.

Wir haben die dringende Erwartung, dass zu dieser Frage heute tatsächlich der Herr Ministerpräsident Stellung nimmt. Ferner möchten wir eine klare Antwort auf die Frage bekommen, aus welchen gerechtfertigten Gründen das Urteil des Verfassungsgerichtshofes, das ganz klar davon ausgeht, dass dem 4. Landtag ein Nachtragshaushalt hätte vorgelegt werden müssen, nicht wenigstens insofern befolgt wird, dass die Vorlage im 5. Sächsischen Landtag erfolgt.

Danke schön.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion GRÜNE das Wort. Frau Abg. Hermenau, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Sie erinnern sich an den Herbst 2007: Krisenmanagement, Hektik in der Staatskanzlei, Notverkauf der Sachsen LB, Entsetzen allerorten. Der Staatsminister der Finanzen – damals Sie, Herr Tillich – reichte, ohne das Parlament zu beteiligen, eine Bürgschaft in Höhe von 2,75 Milliarden Euro aus, immerhin ein Sechstel eines jährlichen Landeshaushalts.

Heute geht es nicht darum, ob der Notverkauf die einzig mögliche Handlungsoption war – dazu habe ich mich oft genug im Parlament verhalten –, sondern es geht um die Verantwortlichen für das Debakel der Sachsen LB. Heute wissen wir, sogar amtlich bestätigt: Die damalige Staatsregierung hätte durch ihren Staatsminister der Finanzen die Krise verhindern können. – Ich komme noch darauf zu sprechen.