wirtschaftlichen Erbstücke Sachsens zu sein. Neues können wir uns offensichtlich nicht erhoffen. Stattdessen flüchten Sie sich, weil es angenehm, leicht und komfortabel ist, wieder in die alten Klassenkampfgräben mit RotRot. Die Gefechte toben wieder, es war ein bisschen wie im Hildebrandslied, und wir saßen zwischen beiden Heeren und mussten uns das ansehen. Aber ernsthaft, das wird nicht reichen.
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass es nichts bringt, wenn einige Parteien anfangen, ein paar Ökoparolen in ein ökologisch nicht ernst gemeintes Programm zu schreiben, dann war das Ihr Herumirren zwischen Schmalspurbahnen, braunkohlestrombetankten Elektroautos und der verbalen Neuschöpfung Klimawechsel.
Der Klimawandel, Herr Tillich, ist keine Prüfung Gottes, die unverschuldet über uns hereingebrochen ist und die wir jetzt alle erdulden müssen. So ist es nicht! Der Klimawandel in seiner Schärfe und Zuspitzung stammt von Menschenhand, und er kann auch von Menschenhand in seiner Zuspitzung eingeschränkt werden!
Vielleicht hätte das Wort Klimawechsel darauf hindeuten sollen, dass jetzt endlich die Frauen – ich sagte es schon – zu ihrem Recht kommen, aber nach der vollmundigen Ankündigung im Koalitionsvertrag, mehr Frauen in Führungspositionen bringen zu wollen, bleibt es zum Beispiel beim ungenügenden Betreuungsschlüssel an den Kitas. Ja, so wird das nichts, Jungs! War Frau von Schorlemer schon der Schluss des koalitionären Ausflugs in die Frauenförderpolitik?
Bei Familie und Ehrenamt tauchen wir dann noch einmal wohlgemeint mit auf – ich hatte es schon erwähnt. Ich habe dem Frieden eh nicht getraut. Aber dass es nur vier Wochen zwischen Koalitionsvertrag und Regierungserklärung brauchte, um das auch noch öffentlich zu dokumentieren, ist schon frech, meine Herren.
Sie setzen – und das ist das Schlimmste – wieder auf ein unreflektiertes Wachstum als Allheilmittel und Fluchtvehikel aus allen Krisen, obwohl die Rahmenbedingungen das nicht hergeben. Sie können die ganzen konservativen Wirtschaftszeitungen lesen und müssen sich gar nicht auf linke Blätter beziehen.
Der eine König im „Kleinen Prinzen“, der jeden Morgen der Sonne befahl, sie möge aufgehen, war ja wenigstens noch so klug, diese Aufforderung auszusprechen, als die Sonne sowieso aufging.
Sie bilden eine Verantwortungsgruppe mit Schwarz-Gelb in Berlin. Das wissen Sie auch. Es ist schon eine ziemliche Chuzpe, sich hier hinzustellen und die eigene Nichtneuverschuldung zu loben und zu erwarten, dass sich der
Bund weiter neu verschuldet, damit er Steuersenkungen, die Sie im Wahlkampf vollmundig versprochen haben, durchführen kann. Das ist schon frech.
Die Schulden im Bund sind auch unsere Schulden. Es sind auch sächsische Schulden. Sie haben mit den Forderungen zu tun, die hier in diesem Land von der amtierenden Regierung erhoben worden sind.
Bundespräsident Köhler hatte bei der Übergabe der Ernennungsurkunde an Bundeskanzlerin Merkel vor unrealistischen Wachstumshoffnungen und steigender Staatsverschuldung gewarnt. Die Staatsverschuldung ist nicht nur auf Sachsen bezogen.
Die Länder wehren sich. Selbst Herr Kubicki von der FDP in Schleswig-Holstein ist auf Konfrontation gegangen. Landesgruppenchef Friedrich von der CSU zweifelt, und der parteilose Berliner Finanzsenator Nussbaum droht Verfassungsklage an. Gestern hat Herr Blüm in der „Süddeutschen Zeitung“ noch einmal in alter Erinnerung erklärt, dass die Privatisierer die Verstaatlicher sind.
Merke: Eine zerschossene Tarifpartnerschaft wird mit erforderlichem Mindestlohn bestraft. Das ist das, was dabei herauskommt.
Ich weiß, dass seit 30 Jahren immer wieder ganz viele Politiker mit derselben Verve, mit der unser neues fast Regierungsmitglied Zastrow hier ans Pult getreten ist, gemeint haben, wie leicht es wäre, mit Wachstum alle Probleme zu lösen.
Seit 30 Jahren sind ganz andere Politiker als Sie, Herr Zastrow, genau mit dieser Auffassung gescheitert, zum Beispiel auch Leute wie Otto Graf Lambsdorff.
Es ist gefährlich, finde ich, wenn das Wirtschaftswachstum politisch als so unverzichtbar angesehen wird, dass seine Förderung Staatsverschuldung rechtfertigt. Da haben wir etwas verkehrt gemacht, oder Sie haben etwas verkehrt gemacht. Es ist ja, Herr Zastrow, auch kein Verdienst, einen schlimmen Fehler gemeinsam und in Harmonie zu begehen. Das macht den Fehler nicht kleiner.
Dass Sie über die Legislatur hinaus denken und auch vor allem länger regieren wollen, glaube ich Ihnen sofort. Aber deswegen gleich von einer Vision zu sprechen finde ich etwas vermessen.
Wenn Sie sich einmal bundesweit nach den Maßstäben der Herausforderungen unserer Zeit umschauen, was eine moderne und eine altmodische CDU voneinander in Deutschland unterscheidet, gibt es ja einen guten Vergleich. Die CDU könnte nämlich eine moderne Politik machen, wenn sie das wollte und die nötige Kraft dazu fände. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sie sich selbstreferenziell durch die FDP vermeintlich stärkt,
sondern ob sie sich aus der ideologischen Verankerung im schwarz-gelben Lager zu lösen vermag. Das Beiboot FDP wird, glaube ich, beim Mutterschiff bleiben. Das muss Ihnen sozusagen keine Sorgen bereiten. Aber Ihr Tanker muss sich einmal bewegen. Da entscheidet sich vieles.
Sehen Sie einmal ins Saarland. Verkehrspolitik – ich vergleiche nur zwei Koalitionsverträge –: Masterplan für Mobilität im Saarland, Schmalspurbahnen in Sachsen.
Energiepolitik: Vorrangpolitik für erneuerbare Energien im Saarland, Braunkohleschutzreflex schöngeredet als Mix in Sachsen.
Es soll im Saarland – das ist interessant – eine Vorrangpolitik für erneuerbare Energien geben und ein Masterplan dazu entwickelt werden. Das hat auch etwas mit Landesentwicklung zu tun.
Ich bin sehr beeindruckt davon, was da mit einer Union alles möglich war. Dort ging es, hier geht so etwas nicht.
Innere Sicherheit: Transparenz und Stärkung der Bürgerrechte im Saarland, Kontrollzwang in Sachsen. Das mache ich mal ein bisschen konkreter.
Die Koalition in Sachsen bekennt sich zur Videoüberwachung im öffentlichen Raum und zur automatischen KfzKennzeichenerfassung. Im Saarland verabschiedet man sich gerade von diesen Positionen.
Die Koalition in Sachsen trägt lediglich ein müdes Lippenbekenntnis zum Datenschutz vor. Im Saarland werden konkrete Maßnahmen zur Stärkung des Datenschutzes – wie die Errichtung eines Datenschutzzentrums – beschlossen.
In Sachsen steht nichts zur Transparenz, im Saarland gibt es bereits seit 2006 ein Informationsfreiheitsgesetz. Das zeigt, dass dort die CDU bereits in der Vergangenheit in der Lage dazu war und weiter als die sächsische Union. Und dieses Gesetz soll jetzt noch weiterentwickelt werden.
Die Koalition in Sachsen nimmt den Kampf gegen Korruption nicht einmal als Aufgabe wahr. Im Saarland wurde ein Antikorruptionsregister eingeführt.
Übrigens: Zum Versammlungsrecht sind im saarländischen Koalitionsvertrag keinerlei Ausführungen zu finden. Das finde ich auch sehr beredt. Die haben es nämlich nicht nötig, das so einzuschränken, wie Sie es hier machen wollen.
Sie müssten ja gar nicht altmodisch und gestrig sein. Sie haben das freiwillig als Ihren Weg gewählt. Dann müssen Sie natürlich auch mit der Opposition, die Ihnen widerfährt, leben, wenn Sie versuchen, diesen Weg für Sachsen durchzusetzen.
Meiner Meinung nach ist in diesem Koalitionsvertrag genauso wenig wie in Ihrer Rede, Herr Tillich, eine
Gesamtstrategie zu erkennen. Die Chance, wirklich neue Möglichkeiten in der Politik auszuloten, ist vertan. Aber die Werbeagentur Zastrow + Zastrow wird es schon richten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Ministerpräsident sprach heute von großen Herausforderungen, von Freiheit, Verantwortung und Solidarität.
Zweifellos: Sachsen steht vor großen Herausforderungen, allerdings nicht aufgrund erstrebenswerter Visionen für die nächsten Jahre, sondern weil dieses Land in einem Sumpf hausgemachter Probleme steckt. Ein wesentliches Problem stellt die Wirtschaftskrise dar, die noch längst nicht überstanden ist. Sachsen leidet unter den Folgen einer neoliberalen Politik, und nun soll ausgerechnet eine neoliberale Koalition aus CDU und FDP die Geschicke unseres Landes wieder in gedeihliche Bahnen lenken.
Nein, meine Damen und Herren, hier wird der Bock zum Gärtner gemacht, der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben.
Glücklicherweise hat der Wähler mit der Wiederwahl der NPD für eine angemessene Opposition gesorgt, die vor Fehlentwicklungen warnt, den Finger in die Wunde legt und andere Wege aufzeigt.
Meine Damen und Herren! Der Koalitionsvertrag enthält Wunden genug, auf die man den Finger legen muss, wenn man dieses dürftige Machwerk von Allgemeinplätzen nicht als eine einzigartige Wunde sächsischer Landespolitik bezeichnen möchte,
Wenn Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, im Koalitionsvertrag davon sprechen, dass man die Beteiligung des Landes an Privatisierungsmöglichkeiten und Wirtschaftlichkeit überprüfen wolle, heißt das im Klartext, dass Sie offenkundig den Verkauf von Tafelsilber anstreben. Man liest in diesem Zusammenhang nichts darüber, dass die Beteiligung im Zuge dieser Überprüfung auch auf ihre soziale Zweckmäßigkeit betrachtet wird. Wenn so etwas aus den Federn von CDU und FDP zu lesen ist, klingt unüberhörbar der Rückzug des Staates durch zu einem Zeitpunkt, wo er besonders gebraucht wird.
Warum das Ganze? Doch nur, um eine jahrelange Schuldenpolitik zu kaschieren und sich als haushaltspolitischer Musterknabe aufzuspielen.
Da man der haushaltspolitischen Problematik nicht Herr wird, hat man den Stellenabbau bei der Polizei gar koalitionsvertraglich festgeschrieben. Das ist angesichts der Wahlkampfrabulistik der FDP besonders bizarr; hat sie doch als einzige neben der NPD die Grenzkriminalität thematisiert und gefordert, dass der Polizeistellenabbau beendet werden soll. Doch was interessiert schon die FDP