Protokoll der Sitzung vom 09.02.2011

Ganz aktuell steht Amy Chua mit ihrem Buch „Die Mutter des Erfolgs“ im Fokus der Öffentlichkeit. Ihrer Meinung nach sei es nur mit Strenge möglich, die Kinder zum Erfolg zu erziehen. Doch ist Erfolg – und ich denke, da sind wir alle miteinander schon ein Stück weiter – alles im Leben? Geht Erfolg nur mit Drill und strikter Anleitung einher oder ist Kindererziehung ein Beruf, in dem man verstehen muss, Zeit zu verlieren, um Zeit zu gewinnen, so wie es Rousseau schon einmal sagte?

Meine Damen und Herren, zu Ihren Anträgen. Aus der Beantwortung durch die Staatsregierung geht klar hervor, dass in Dresden händeringend Erzieherinnen und Erzieher gesucht werden. Auch in Leipzig ist der Bedarf groß. Es ist allerdings ein Bedarf – und da müssen Sie, Frau Klepsch, auch so ehrlich sein und das darlegen – der sich nur in den großen Städten und als Überangebot auf dem flachen Land darstellt. Sie haben dazu auch mehrere Kleine Anfragen gestellt. Für alle, die das mehr interessiert, findet sich Genaueres in den Drucksachen 5/2721 und 5/1167. Sie haben ganz explizit nach dem Platz- und Erzieherbedarf gefragt und eine deutliche Antwort bekommen: Mangel in den großen Städten und Überangebot im ländlichen Raum. Sie kennen die Zahlen. Vielleicht sollten wir alle gemeinsam den Damen und Herren Erziehern im ländlichen Raum den Tipp geben, sich in den großen Städten zu bewerben, weil hier die Chance da ist, einen qualifizierten Arbeitsplatz zu bekommen.

SPD-Fraktion und DIE LINKE kommen nun jeweils mit einem Antrag um die Ecke, die noch einmal ganz genau aufgeschlüsselt haben wollen, welche Ausbildungskapazitäten existieren, wie alt die Erzieherinnen und Erzieher sind, welche Rolle die Männer spielen und auf welcher Ebene sich Qualifikationsniveau und Arbeitsbelastung befinden. All dies können Sie meiner Meinung nach in den Stellungnahmen zu diesen Anträgen kurz und bündig nachlesen. Wem das bisher noch nicht gelungen ist, dem gebe ich hier eine kurze Zusammenfassung. Die Zahl der in Ausbildung befindlichen Erzieherinnen und Erzieher steigt kontinuierlich und wird sich im Jahr 2012 im Vergleich zu 2008 verdreifacht haben. Von etwa 25 600 Erzieherinnen und Erziehern, die im Jahr 2010 tätig waren, sind rund 4 200 55 Jahre und älter.

(Annekatrin Klepsch, DIE LINKE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Daraus lässt sich schließen, wann diese Damen und Herren voraussichtlich in den Ruhestand eintreten werden. Der Anteil männlicher pädagogischer Fachkräfte ist steigend, wenn auch gering. Natürlich wünschen auch wir uns an dieser Stelle mehr.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Vielen Dank, Herr Schreiber. So müssen wir das nicht bei Facebook klären. Stimmen Sie mit mir überein, dass auch im ländlichen Raum, wo noch in Teilzeit gearbeitet wird, weil dort der Betreuungsbedarf nicht ganz so groß ist, die Pädagoginnen und Pädagogen vom Problem der deutlichen Überalterung betroffen sind und daraus in den nächsten Jahren ein großer Fachkräftemangel entstehen wird?

Sehr geehrte Frau Klepsch, ich habe ein Problem mit Modebegriffen. Erst war es ein halbes Jahr lang das Wort Inklusion, wo wir jedes Thema in der Gesellschaft – –

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Das bleibt ein Thema!)

Ja, ja, davon gehe ich aus, solange Sie das wieder und wieder thematisieren. Und das ist auch gut so.

Jetzt ist auf einmal der Fachkräftemangel ein Modewort.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Wer hat denn die Anträge gestellt?)

Moment, Moment. Hören Sie doch einmal zu.

Jetzt ist es der Fachkräftemangel, den man in jede politische Sparte hineinpresst, um das Thema immer wieder am Köcheln zu halten. Auf das eigentliche Thema sind Sie heute nur zaghaft eingegangen. Darauf komme ich noch zu sprechen, aber ich würde Sie bitten, sich noch zu gedulden. Natürlich geht jemand, der heute 55 Jahre alt ist, irgendwann in Rente, wenn er kann, mit 60 Jahren oder ansonsten mit 62 oder 65 Jahren.

Ich habe aus Ihrer Anfrage auch herausgelesen, dass es Erzieherinnen und Erzieher – wahrscheinlich eher nur Erzieherinnen – gibt, die sogar länger als bis 65 arbeiten. Das finde ich bemerkenswert. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Davor habe ich vollen Respekt. Das in der Qualität negativ zu sehen ist für mich nicht der richtige Weg. Ich denke, auch ältere Erzieher können qualitativ gut an einer Kita arbeiten, und dafür sollten wir ihnen auch dankbar sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich habe gesagt, dass der Anteil männlicher pädagogischer Fachkräfte steigt, wenn auch gering. Frau Stange zeigte gleich, um wie viel Prozent. Das ist richtig. Allerdings steigt er und nimmt nicht ab. Auch da muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, dass wir mittlerweile auf Bundesebene etwas weitergekommen sind. Vielleicht haben Sie das verpasst oder wollten bloß nicht sagen, dass die Bundesfamilienministerin mittlerweile ein Bundesprogramm mit dem Namen „Männer als Erzieher“ initiiert hat und dass es dort bereits seit 2010 eine neue Koordinierungsstelle gibt, dass im Januar 2011 ein ESF-Modellprogramm „Mehr Männer in Kitas“ gestartet wurde und dass im Frühjahr 2011 eine Kooperation mit der Bundesagentur zur Qualifizierung umstiegswilliger Quereinsteiger zu Erziehern beginnt. Natürlich brauchen diese auch eine entsprechende pädagogische Qualifikation. Das versteht sich von selbst. Ein Busfahrer, der das Lenken von Kindern im Straßenverkehr gelernt hat, ist nicht automatisch dazu qualifiziert, als Erzieher zu arbeiten. Das ist ganz klar.

Meine Damen und Herren, die Zahlen, die Sie in Ihren Anträgen fordern, liegen vor. Jetzt aber kommt die eigentliche Gretchenfrage: Und nun? Welchen weiteren Zweck verfolgen Sie mit Ihren Anträgen? Wir reden heute über die Anträge, die Sie gestellt haben. Dazu muss ich Ihnen ehrlich sagen: Die Aufstellung und die Analyse von Kennzahlen, von Bedarfen und aktuellen Situationen mögen schön und gut sein, und es ist auch immer wieder sehr interessant und lässt auch Schlüsse zu, wenn man

diese Zahlen lesen und nachvollziehen kann. Es bedeutet aber, wenn Sie das noch einmal im Einzelnen aufgeschlüsselt haben wollen, noch mehr Papierkram, noch mehr Verwaltungsarbeit, und es führt am Ende überhaupt nicht in der Art und Weise zu dem, was wir, denke ich, alle gemeinsam wollen, nämlich zur Verbesserung der Qualität in unseren Kindertageseinrichtungen.

Sie können sich jederzeit beim Statistischen Landesamt über fast alles informieren, was statistisch erfassbar ist. Sie können meines Erachtens dem Staatsminister auch nicht zum Vorwurf machen, dass er nicht den direkten Zugriff auf das Landesamt hat und dass er nicht, wenn Frau Klepsch eine Anfrage stellt, sofort herbeieilt und sagt: Liebes Landesamt, bitte erfasse das mal schnell! – Fakt ist eines: Ich habe mir auch schon Daten aus dem Statistischen Landesamt besorgt. Das hat zwar etwas gedauert, muss ich zugeben.

Herr Schreiber, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Ich würde gern den Satz noch beenden. Dann gestatte ich die Zwischenfrage.

Ich erkenne nur nicht, wann der Satz beendet ist.

Das werden Sie erkennen, Herr Präsident.

Okay.

Ich habe mir schon selbst Daten vom Statistischen Landesamt besorgt. Das hat etwas gedauert, das hat so lange gedauert, dass es schon fast zu spät war und ich die Daten nicht mehr brauchte, weil ich sie mir anderweitig besorgt habe. Auf jeden Fall ist dieses Amt sehr gern auskunftsbereit.

Jetzt bin ich bereit für Ihre Anfrage.

Bitte, Frau Dr. Stange.

Vielen Dank, Herr Vorsitzender. – Herr Schreiber, können Sie mir erklären, warum die Fraktionen der CDU/FDP-Koalition vom Kultusministerium eine Lehrerbedarfsprognose für die kommenden Jahre eingefordert haben, obwohl auch diese Zahlen, soweit sie zugänglich sind, alle über das Statistische Landesamt abzufragen sind?

Also, Frau Dr. Stange, zum einen müssten Sie zwischen Kita-Erzieherinnen und Erziehern und den sächsischen Lehrerinnen und Lehrern unterscheiden. Fakt ist eines: Die Kita-Erzieherinnen und -Erzieher sind bei den Kommunen bzw. bei den freien Trägern angestellt. Damit fällt auch die Zuständigkeit für diese Damen und Herren in die Verantwortung der Kommunen. Die Schulausstattung mit Lehrpersonal ist demgegenüber Angelegenheit des Freistaates Sachsen und damit natürlich in originärer Zuständigkeit des Ministeri

ums und auch des Landtags. Beim Thema Kita gibt der Landtag, gibt der Gesetzgeber, gibt das Kultusministerium die Rahmenbedingungen vor. Das ist richtig. Aber für die direkte Ausgestaltung, wer vor Ort wie arbeitet, sind am Ende die Kommunen zuständig.

Diese Zuständigkeit wollen wir ihnen auch nicht nehmen. Ganz im Gegenteil, wir unterstützen sie so gut, wie wir können, damit die Kommunen an dieser Stelle ihre Aufgaben erfüllen können. Aus den Antworten der Staatsregierung auf die Anfragen geht im Übrigen hervor, dass wir auch gewappnet sind, wenn das Thema Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für Kinder von null bis drei Jahren ab dem Jahr 2013 auf uns zukommt.

Gestatten Sie noch eine weitere Nachfrage?

Ich wollte gern noch eine Nachfrage stellen. Das, was Sie gesagt haben, ist mir sehr wohl bewusst. Aber ist Ihnen bekannt, dass das Kultusministerium, sprich der Staat, für die Ausbildung der Erzieherinnen verantwortlich ist?

Ja, sicher ist der Staat dafür verantwortlich. Das ist gar keine Frage. Der Punkt ist nur folgender, Frau Dr. Stange: Das Problem besteht doch nicht darin, dass der Staat jemanden daran hindert, diesen Beruf zu lernen. Das Problem ist doch ein anderes. Das Problem ist doch, dass wir händeringend junge Menschen suchen, die in diesen Beruf gehen wollen. Das heißt natürlich, dass wir diesen Beruf attraktiv machen wollen, dass er auch in der Gesellschaft anerkannter sein muss. Das heißt aber auch, dass solche Debatten, wie Sie sie ständig führen, wobei Sie alles madig, mies und schlecht reden, was hier stattfindet, egal ob das die Ausbildung oder die Quantität betrifft, auch dazu führen, dass sich die Leute sagen: Ich gehe doch nicht nach Sachsen, um Gottes willen! – Fangen Sie doch lieber an, selbst etwas positiver in die Zukunft zu schauen, statt alles madig zu reden, was in diesem Freistaat stattfindet. Dann haben wir diese Probleme wahrscheinlich auch nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Annekatrin Klepsch, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Jetzt gestatte ich keine Zwischenfragen mehr. Ich habe noch zwei Sätze, die ich gern zu Ende führen würde. Kollegin Klepsch, Sie haben ja die Möglichkeit, noch hier am Mikrofon zu sprechen.

Werte Kollegen, prinzipiell mag es sinnvoll sein, den Iststand sowie den künftigen Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern aufzustellen. Wie gesagt, die Beantwortung der Staatsregierung gibt auch viel Material her für diese Aufstellung. Ihre Anträge führen jedoch ins Leere. Deshalb müssen wir als Koalitionsfraktionen Ihre Anträge ablehnen. Das werden wir auch tun.

Einen Satz noch zum Thema Betreuungsschlüssel: Sie haben das ganz kurz angetippt, Frau Dr. Stange. Ich

denke, das ist der eigentliche Gedanke, der auch in dem Antrag irgendwo ganz versteckt so ein bisschen kommt. Die Debatte über den Betreuungsschlüssel können wir gern immer und immer wieder führen. Es gibt in meinen Augen niemanden hier im Haus, der nicht der Meinung ist, dass es, um die Qualität in den Kindertagesstätten zu steigern, sehr sinnvoll wäre, den Betreuungsschlüssel zu senken. Ich kenne hier niemanden, der das bestreitet. Der Punkt ist nur – und das ist Ihnen immer wieder egal –, dass wir es bezahlen können müssen. In den Haushaltsverhandlungen überall nur den Einzelplan 15 anzugeben, um irgendetwas zu bezahlen, wie Sie es gemacht haben, also nirgendwo anzugeben, wie Sie die insgesamt 400 Millionen Euro, die Sie im Schulhaushalt mehr haben wollen, aufbringen wollen, das ist nicht unsere Politik, das ist keine solide Finanzpolitik. Wenn wir die finanziellen Spielräume dafür haben, werden wir im Kita-Bereich auch entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich rufe die Fraktion FDP auf. Es spricht Frau Abg. Schütz. Frau Schütz, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle die These auf: Wenn mehr als 95 von 100 Kindern eines Jahrgangs einen Kindergarten besuchen, dann entscheidet sich in unseren Kindertageseinrichtungen zu einem wesentlichen Teil die Zukunft des Freistaates Sachsen; denn hier wird die Grundlage für ein selbstständiges Leben in der Gemeinschaft während des Großteils des Tages gelegt, hier erfährt jedes Kind eine gute Bildung, und hier wird jedes Kind individuell gefördert und erlebt dabei gleichzeitig eine Geschwistersituation, die es zu Hause gar nicht mehr so kennt.

Zur Begleitung dieser individuellen Bildungsprozesse braucht es gut ausgebildete und motivierte Pädagogen, die die Talente der Kinder erkennen und nutzen und die Lernprozesse im kindlichen Spiel tagtäglich begleiten können. Diese gut ausgebildeten und motivierten Pädagogen haben wir hier in Sachsen. Im bundesweiten Vergleich weisen wir ein überdurchschnittliches Qualifikationsniveau in unseren Kindertageseinrichtungen auf.

Dieses Niveau gilt es natürlich noch weiter zu steigern. Dass Sozialassistenten bisher nicht in den Personalschlüssel fallen, halte ich für ein wichtiges Qualitätskriterium. Allerdings können wir auch weiterhin schauen, wo wir noch mehr Attraktivität in den Beruf bringen können. Warum schalten wir zum Beispiel vor die Ausbildung den Sozialassistenten? Warum sind wir hier in Sachsen nicht Vorreiter, um unsere motivierten jungen Leute eher in den Beruf zu bringen? Gerade mit der Einführung des Bildungsplanes wurde ein wesentlicher Rahmen in unseren Kindertageseinrichtungen geschaffen, der den Erziehern Orientierung gibt und Anregung bietet, aber eben auch feste Ziele in der Erziehung und Bildung unserer Jüngsten

setzt. Der Umsetzung des Bildungsplanes widmen sich unsere sächsischen Erzieherinnen und Erzieher mit großem Einsatz. Das wissen wir sehr zu schätzen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch einmal den herzlichen Dank an alle Pädagoginnen und Pädagogen im Freistaat richten.

(Beifall bei der FDP und der CDU)