Protokoll der Sitzung vom 09.02.2011

(Jürgen Gansel, NPD: Das haben Sie gut gemacht!)

Meine Damen und Herren! Diese Fakten sind uns allen bekannt, und wir haben die Verpflichtung, darauf zu reagieren. Sie einfach zu leugnen, zu diskutieren und nicht wahrhaben zu wollen hilft uns nicht weiter. Dieser Verpflichtung stellt sich die Staatsregierung. Wir wollen, dass der Freistaat 2020 noch Investitionen tätigen kann und sein Geld nicht nur für Verwaltung ausgibt. Das heißt, wir müssen Verwaltungskosten senken und gleichzeitig versuchen, Verwaltungsleistungen für alle Bürger in hoher Qualität erreichbar und kostengünstig zur Verfügung zu stellen.

Wir müssen den Staat insgesamt modernisieren. Das heißt, wenn ich „wir“ sage, meine ich an dieser Stelle nicht nur die Staatsregierung, sondern auch das Parlament. Auch das Parlament ist in dieser Verpflichtung. Ich glaube auch, dass die Opposition ebenfalls der Auffassung ist, dass wir uns diesen Aufgaben stellen müssen. Dann muss man das Ganze aber auch konsequent und vor allem konstruktiv begleiten. Das vermisse ich bisher ganz deutlich von der Opposition, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Diese Staatsmodernisierung – um es noch einmal klarzumachen – hat drei Bausteine: Es geht zum einen um die Vornahme von Aufgabenkritik. Wir werden nachher mit dem Justizgesetzänderungsgesetz ein Beispiel sehen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon)

Wir werden Widerspruchsverfahren in berufsrechtlichen Verfahren abschaffen. Das gehört einfach dazu. Richtig.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Staatsminister?

Ja, bitte.

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Sie haben zu Recht angemerkt, dass die Opposition, jedenfalls meine Fraktion, sicher gerne mitarbeiten würde. Allerdings fehlen uns dazu die Grundlagen – nicht nur die Einladung, die Sie uns versprochen, aber bisher nicht ausgesprochen haben, sondern insbesondere auch die Evaluierung der Polizeireform 2005, die Evaluierung der Funktionalreform und der Kommunalreform 2008. Diese Evaluierungen liegen uns nicht vor. Es liegen uns auch keinerlei Aufgabenkritiken vor, die hier zu diesem Umzugskonzept, das Sie zur Staatsmodernisierung hochjubeln, die Grundlage bilden könnten.

Ich frage Sie: Wann werden Sie als zuständiger Staatsminister die Evaluierungen vorlegen, sodass wir uns wirklich ernsthaft an diesem Dialog zur Staatsmodernisierung beteiligen können?

Sehr geehrter Herr Kollege Lichdi! Dazu ist Folgendes zu sagen. Die Analysen und Zahlenwerte – die Ausgangswerte der Überlegungen der Staatsregierung – sind längst dem Haus vorgelegt worden. Ich erinnere zum Beispiel an den Abschlussbericht der Enquete-Kommission zur Demografie. Ich erinnere an das Ifo-Gutachten und an die verschiedenen Studien der Bertelsmann Stiftung zur Verwaltungsentwicklung in Sachsen.

Die Einzelstudien zur Frage der letzten Verwaltungs- und Funktionalreform betreffen dagegen andere Sachverhalte, nämlich die Verlagerung von Aufgaben von der staatlichen auf die kommunale Ebene. In diesem Zusammenhang ist es zunächst einmal Aufgabe der Landkreise, im Einzelnen zusammenzufassen und diese Zahlen zu melden. Wir sprechen hier über den Bereich der Staatsmodernisierung des Freistaates, der staatlichen Verwaltung. Dort hätten Sie sich längst mit konstruktiven Beiträgen beteiligen können, wenn Sie in der Lage wären oder sich der Mühe unterziehen würden, die von mir genannten Ausgangswerte überhaupt erst einmal zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren! Das jetzt verabschiedete Standortkonzept der Staatsregierung ist ein wesentlicher Schritt im Bereich der Staatsmodernisierung. Er ist nicht der einzige, aber er ist ein wesentlicher Schritt. Die Ressorts haben hier zum ersten Mal nicht Einzelplanungen vorgelegt, sondern ihre Planungen miteinander abgestimmt, sie verzahnt, meine Damen und Herren.

„Dieses Vorhaben“ – ich zitiere – „ist in seinen Dimensionen wohl bundesweit einzigartig.“ Das ist jetzt keine

Parteizeitung der Union oder der FDP, sondern das ist ein Zitat aus der „Stuttgarter Zeitung“ von heute, meine Damen und Herren. Es geht um die Außenbetrachtung, wie Sachsen wahrgenommen wird. Dieses Projekt wird sicherlich noch Nachahmer finden, denn andere Bundesländer werden zukünftig mit strukturell ähnlichen Problemen zu tun haben wie Sachsen, und wir stellen fest, dass Sachsen diese Probleme nur früher angeht und deswegen auch die Chance hat, schneller und besser zu Lösungen zu kommen. Das ist genau das, was wir wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Ziele der Standortkonzeption sind eine leistungsfähige Verwaltung und die Erreichbarkeit von Behörden für den Publikumsverkehr, abgestimmt danach, wie groß die Nachfrage nach solchen Leistungen ist. Da wird man mir zustimmen, dass das bei Finanzämtern oder Landesdirektionen deutlich weniger der Fall ist als etwa bei Gerichten oder bei Polizeidienststellen, die es dann natürlich in größerer Zahl gibt.

Wir haben uns bemüht, die Verwaltung in der Fläche zu lassen, nicht zu zentralisieren, wie es uns vorgeworfen wird – seltsamerweise in einem einzigen Beitrag, in dem Herr Gebhardt uns vorwirft, wir hätten hier nur zentralisiert, und uns im nächsten Moment beschimpft, dass wir den Rechnungshof nach Döbeln „ganz weit weg“ oder – Herr Brangs – „in die Mitte von nichts“ versetzen würden. Da müssen Sie sich entweder für das Zentralisieren oder das diffuse Verteilen von Behördenstandorten irgendwo im Nichts entscheiden. Ich denke, dass die Wahrheit weder auf das eine noch auf das andere zutrifft, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber natürlich.

Bitte, Frau Jähnigen.

Sehr geehrter Herr Minister! Ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Zastrow, hat vorhin gesagt, dass es noch eine Aufgabenkritik insbesondere in Bezug auf die Mittelbehörden geben solle und dass man dann nachdenken müsse und solle, wie diese in Zukunft aufgebaut werden sollten. Er hat verschiedene Formen vorgeschlagen.

Ist das aus Ihrer Sicht als federführender Minister sinnvoll und geplant und, wenn nein: Wie wollen Sie eine Verlängerung von Entscheidungswegen durch die jetzt gemahnte Fusion vermeiden?

Zum Ersten. Mit der Standortkonzeption ist die Vereinbarung im Koalitionsvertrag durchgesetzt worden, und zwar nach weniger als eineinhalb Jahren im Be

schluss der Staatsregierung, aus drei Landesdirektionen eine Landesdirektion Sachsen zu machen.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Mit zwei weiteren Standorten!)

Mit drei Standorten.

Die Aufgabenkritik, die bereits begonnen wurde, wird fortgeführt. Aber ich kann Ihnen versichern, dass allein die Aufgabenkritik nicht zum Wegfall ganzer Standorte führen wird. Aufgabenkritik dient der Bestimmung, welche Aufgaben wie am besten erledigt werden können und ob man sie an dem einen oder anderen Standort bündelt. Aber der völlige Wegfall von Standorten wird durch eine Aufgabenkritik mit Sicherheit nicht verursacht werden. Sie versprechen sich zu viel davon. Da muss man ehrlich sein. Diese Struktur haben wir mit der Staatsregierung gemeinsam so beschlossen. Sie wird sie so vertreten und auch so umsetzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Eine Nachfrage, Herr Staatsminister?

Ja, bitte.

Bitte, Frau Jähnigen.

Meinen zweiten Teil der Frage, wie Sie eine Verlängerung der Entscheidungswege durch die Fusionen mit den Außenstellen vermeiden wollen, werden Sie dennoch beantworten und, wenn ja, wie?

Bisher hatten Landesdirektionen in ihrem Zuständigkeitsbereich ihre Aufgaben wahrgenommen. Das wird auch so bleiben. Dass es eine Zentrale gibt, heißt noch lange nicht, dass der eine Präsident der Landesdirektion sämtliche Entscheidungen, auch der Außenstellen selbst, persönlich erledigen müsste. Ganz so ist Behördenarbeit nicht strukturiert, Frau Jähnigen.

Meine Damen und Herren! Zur Umsetzung dieser Reform des Standortkonzeptes werden wir Zeit brauchen. Aber diese Zeit werden wir dann haben. Wir haben mit unserer Konzeption eine langfristige Planungsgrundlage für die Behörden, für die Bürger, für die Standortkommunen und für die Mitarbeiter – das möchte ich hier ganz deutlich ansprechen –, denn diese Standortkonzeption wird nicht von heute auf morgen umgesetzt, sondern sie wird je nach Ressortnotwendigkeiten, baulichen Möglichkeiten und Umsetzungsschritten bis 2020 umgesetzt, in einem Bereich früher, im anderen später.

Aber eines kann ich Ihnen versichern: Sie wird im Zusammenwirken zwischen Behörden und Mitarbeitervertretungen, zwischen Personalvertretungen und den Mitarbeitern vorgenommen werden.

Ich habe bereits Gespräche geführt mit Vertretern von Gewerkschaften, mit Mitarbeitervertretungen, mit dem

Beamtenbund, die sich durchaus positiv über das Konzept geäußert haben. Das wird Ihnen zwar nicht unbedingt gefallen, aber das ist so. Wir werden hier konstruktiv mit Mitarbeitern zusammengehen und es wird eben keine sozial unausgewogenen oder nach Möglichkeit nicht im Benehmen mit den Betroffenen entschiedenen Personalmaßnahmen geben.

Meine Damen und Herren, wir haben neben dem Strukturkonzept vor, den Zugang zu den Behörden weiter zu verbessern; im Bereich der Prozessoptimierung durch den Zugang zu Behörden auf dem EDV-Weg – Stichworte sind etwa das Amt 24 oder die einheitliche Behördenrufnummer D 115. Wir wollen, dass der Gang zur Behörde nach Möglichkeit für die Bürger nicht mehr erforderlich sein wird. Auch das gehört zum Bereich der Staatsmodernisierung – auch wenn es ein anderer Teil ist als das hier zur Diskussion stehende Standortkonzept.

Meine Damen und Herren, natürlich gibt es das alles nicht umsonst; das ist gesagt worden: 300 Millionen Euro Kosten. Aber mit dieser Standortkonzeption und anderen Maßnahmen wird es möglich sein, nach 2020 1 Milliarde Euro weniger Kosten zu haben.

(Ministerpräsident Stanislaw Tillich: Jährlich!)

Jährlich. Das macht Investitionen möglich, das macht den Freistaat Sachsen handlungsfähig, und das lässt ihm die Chance, dass er im Jahr 2020 auf einem der vorderen Plätze im Ranking der Bundesländer steht.

Das ist keine Utopie, das ist keine Anmaßung, sondern es ist eine realistische Vorstellung, wenn wir uns den Mühen unterziehen, wenn wir uns die Anstrengungen machen, denen sich die Staatsregierung stellt. Ich bitte darum, dass das Parlament insgesamt, aber auch die Opposition sich dieser Aufgabe stellt und dementsprechend konstruktiv mit ihren Vorschlägen dazu beiträgt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Für die Staatsregierung sprach Herr Staatsminister Martens. – Ich blicke in die Runde – und sehe keine Wortmeldungen mehr in dieser 1. Aktuellen Debatte.

(Thomas Jurk, SPD: Wir sind sprachlos!)

Diese Debatte ist damit abgeschlossen und wir kommen zu