Kollege Bartl, Sie haben mich soeben direkt angesprochen. Können Sie mir kurz erklären, warum man diese Beteiligungen nicht auch von Leipzig aus steuern kann?
Können Sie mir erklären, aus welchem Grund ich jemanden, wo ich Beteiligungen habe, so weit von den Gesellschaften wegnehme, mit denen ich fortwährend zusammenarbeiten muss? Was ist denn der Sinngedanke? Erklären Sie doch, bitte, einmal rational, was Sie damit verbinden wollen, wenn Sie diese offensichtlichen Bindungen haben.
Ja. Ich wollte meinen Kollegen bitten, mir meine Frage zu beantworten; denn mit einer Gegenfrage zu antworten ist keine Antwort.
Herr Rohwer, jeder, der seinen Kopf nicht nur zum Frisieren hat, denkt darüber nach: Was verbindet sich denn in diesem Fall mit der Sinnhaftigkeit der Verlegung der SAB von Dresden nach Leipzig, wenn alle Logistik der SAB seit 20 Jahren auf Dresden zugeschnitten ist? Mein Problem ist, dass Sie nirgendwo zu erkennen geben, was Sie damit überhaupt verbinden wollen. Das können Sie auch nicht, weil Sie die Aufgabenkritik erst im Nachhinein machen wollen.
Von diesen Staatsprinzipien, die weiter zu beachten sind, müssen Sie definitiv das Prinzip der Sozialstaatlichkeit – das Sozialstaatsprinzip – beachten. In welcher Hinsicht ist denn bei dem Vorhaben daran gedacht worden, was diese neue Struktur in Zukunft dem Bürger, der sie in Anspruch nehmen will, mehr kosten wird,
was sie denjenigen kostet, der vom Erzgebirge nach Marienberg zum Gericht fahren oder andere verlegte Behörden in Anspruch nehmen muss? Es wird die Bürgerinnen und Bürger in Größenordnungen Geld kosten, um die Verwaltung zu erreichen. Es wird in Größenordnungen Geld kosten, um Rechtsschutz zu erreichen. Es ist mitnichten ein Ansatz, der das Sozialstaatsgebot im Blick hat.
Ich rede gar nicht darüber, dass zum Beispiel das Prinzip der Nutzenmaximierung, Wirtschaftlichkeit und Ähnliches, was der Rechnungshof gemäß Artikel 100 Sächsische Verfassung zu kontrollieren hat, total verletzt und aus den Augen ist. Das ist nirgendwo dargelegt.
Es bleibt nur ein Trost: dass alles, was Sie vorhaben – Herr Zastrow, Sie tun so, dass es so gemacht wird, weil Sie es entschieden haben –, gesetzesgebunden ist. Sie müssen es wenigstens noch in Gesetzesform in den Landtag einbringen, mit dem Rechnungshofgesetz, mit dem Sächsischen Justizgesetz und einer Vielzahl weiterer Gesetze.
Wir, die Abgeordneten des Hauses, die vom Wähler gewählt wurden, haben die Chance, Ihnen Punkt für Punkt die Frage zu stellen, wo im Maßstab dessen, was Verfassung und Gesetz allgemein aufgeben, der Sinn und der Nutzen dieser Modernisierung für die Menschen in diesem Land sind.
Nach allem Sinnverständnis für die Menschen in diesem Land ist Modernisierung immer mit einem Fortschritt verbunden, mit mehr Sinnhaftigkeit, Bürgerfreundlichkeit und irgendeinem Effekt, der für diejenigen eintritt, in deren Auftrag wir hier sitzen und arbeiten.
Für die Fraktion DIE LINKE sprach der Abg. Bartl. – Jetzt wäre als nächste Fraktion die SPD-Fraktion an der Reihe. – Es wird kein Redebedarf signalisiert. Die Fraktion GRÜNE? – Auch nicht. Die NPD? – Damit kommen wir zur dritten Runde. Es hat wieder die einbringende Fraktion, die Fraktion der CDU, das Wort. Es spricht Herr Kollege Bandmann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Abg. Bartl hat ja die Kosten und die Fragen der Verfassung ins Zentrum seiner Fragestellungen gestellt und deutlich gemacht, dass es durch diese Strukturveränderungen, die jetzt die Staatsregierung vorgeschlagen hat, für den einzelnen Bürger in Mehrheit teurer wird.
Herr Bartl, Sie müssen aber den Bürgern sagen – das gehört zur Vollständigkeit dazu –, dass es, wenn wir bei zurückgehender Bevölkerungszahl und zurückgehendem Finanzvolumen keine Veränderungen vornehmen, für die Bürger wesentlich teurer wird als das, was jetzt die Staatsregierung vorgelegt hat.
Dass dieses Verfahren im Einzelfall auch für einzelne Bürger zu mehr Fahrten und mehr Kosten führen kann, ist von der Staatsregierung doch überhaupt nicht bestritten worden. Wir haben die Situation – das war in den Ausführungen deutlich gemacht worden –, dass das Land gleich groß bleibt. Wir bekommen aber weniger Bundeszuweisungen, wir bekommen weniger Geld von der Europäischen Union und wir werden alle miteinander älter und weniger. Wir müssen Entscheidungen treffen, damit wir mit diesen Rahmenbedingungen zurechtkommen.
Das heißt, die 88 000 Beschäftigten in Polizei und Lehrerschaft – das sind die großen Blöcke, die kleineren Blöcke sind die Verwaltung –, werden auf 70 000 zurückgeführt. Im Polizeibereich liegen wir dann immer noch in der Ausstattung über dem Durchschnitt der bundesdeutschen Flächenländer.
Kollege Bandmann, haben Sie irgendwann aus der Opposition oder aus der Fraktion DIE LINKE Verlautbarungen gehört, dass wir uns der Notwendigkeit von Modernisierungsmaßnahmen verschließen? Ist Ihnen zum Beispiel bekannt, dass ich persönlich, nachdem der Herr Staatsminister der Justiz als derjenige, der den Hut auf hat, zwischenzeitlich erklärt hatte, er lädt alle Abgeordneten ein, über die Modernisierungspläne zu reden
und sich gemeinsam zu verständigen, sofort eine Presseerklärung herausgegeben habe? Darin habe ich dieses Angebot begrüßt und erklärt, dass ich mich darüber freue, es als einen neuen Stil erachte und annehme, dass wir demnächst eingeladen werden. Stattdessen kommen dann die Großkarten Ihrer Strategiepläne. Herr Zastrow erklärt uns hier, dass entschieden ist, wie es geht.
Meine Frage ist, Herr Bandmann: Meinen Sie, dass der Weg des Herangehens an dieses Modernisierungsvorhaben im Interesse der Sache tatsächlich richtig und nutzbringend ist?
Herr Kollege Bartl, ich sage Ihnen ganz klar: Die Herangehensweise ist völlig richtig. Sie ist nämlich durch die Staatsregierung im Vorfeld hinreichend geprüft worden.
Das, was wir jetzt machen, ist ja der zweite Schritt. Sie erinnern sich doch sicherlich an die letzte Legislaturperiode. Die Verwaltungs- und Funktionalreform ist umfas
send beraten worden, hier umfassend beschlossen worden, umfassend – auch durch Ihre Partei – beklagt worden und umfassend vom Gericht zurückgewiesen worden. Das heißt, diese Verwaltungs- und Funktionalreform, wodurch über 4 000 Bedienstete auf die kommunale Ebene mit den Aufgaben übergegangen sind,
(Thomas Kind, DIE LINKE: Es funktioniert! Es funktioniert wunderbar! – Demonstrativer Beifall des Abg. Thomas Kind, DIE LINKE)
Ich denke, DIE LINKE hat dann noch Gelegenheit, weiter auszuführen. Ich würde gern in meiner Rede fortfahren.
Es wurde auch auf die Polizei eingegangen. Herrn Brangs war es nicht zu dumm, bei den Ausführungen – wo geht der Rechnungshof hin? nach Döbeln – in einem Zwischenruf zu erklären: In die Mitte von nichts. Ich frage: Ist es einem Kollegen, der hier im Landtag sitzt, nicht peinlich, den Menschen, die in Döbeln und Umgebung wohnen, zu sagen: Das ist die Mitte von nichts.
Wir haben hier im Parlament den gesamten Freistaat und seine Menschen zu vertreten. Wenn Sie mit solch einer Geisteshaltung an die Frage der Reform herangehen, dann zeigt das, welche Haltung Sie haben und dass Sie in diesem Land, dem Freistaat Sachsen, überhaupt noch nicht zu Hause sind.
Wir haben die Verantwortung, dieses Land in Gänze zu entwickeln und an jeder Ecke des Landes – im Zentrum und an den Rändern – den Menschen eine Perspektive zu bieten – jetzt und auch in 20 Jahren. Im Grunde genommen legen wir jetzt die Grundlagen dafür, dass weiterhin Forschung und Entwicklung, innere Sicherheit, aber auch Wohlfahrt in diesem Land Zukunft haben, dass Menschen sich hier ansiedeln können und vor allem der jungen Generation eine Perspektive gegeben wird.
Diese Staatsmodernisierung ist ein Teil davon. Aber der Teil dreht sich nicht als Erstes um die Verwaltung, sondern der Mensch steht im Mittelpunkt unserer politischen Arbeit.
Für die einbringende Fraktion der CDU sprach der Abg. Bandmann. Jetzt schaue ich zur miteinbringenden Fraktion der FDP. – Ich sehe keinen Redebedarf. Gibt es insgesamt noch Redebedarf aus den Reihen der hier vertretenen Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Damit erhält die Staatsregierung das Wort. Bitte, Herr Staatsminister.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eben ist die Frage nach dem übergeordneten Ziel der Staatsmodernisierung gefallen, nach dem Projekt, nach Analysen. Die Antwort dazu gibt Ihnen diese Staatsregierung schon seit Amtsantritt. Das ist eine ganz einfache Antwort. Sie lautet: Wir wollen, dass Sachsen im Jahr 2020 auf eigenen Beinen steht. Das klingt einfach, aber das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, meine Damen und Herren.
Die Bedingungen, die wir jetzt vorfinden, sind diesem Vorhaben nicht gerade förderlich. Wir wissen, dass der Finanzrahmen des Freistaates um rund 20 % zurückgehen wird. Wir wissen, dass die Bevölkerungszahl zwischen 1990 und 2020, in 30 Jahren, von 5 Millionen auf unter 4 Millionen sinken wird. Wir haben es dazu mit einer Überalterung der Bevölkerung zu tun, die dazu führt, dass im Jahr 2020 etwa im Kreis Görlitz das Durchschnittsalter der Bevölkerung bei über 50 Jahren liegen wird.