Protokoll der Sitzung vom 09.02.2011

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nur ganz kurz: Wir stimmen dem Gesetzentwurf ebenfalls zu, wie im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss bereits angekündigt. Die Beteiligten haben sich für die Abschaffung ausgesprochen, und sie sind als Anwälte und Notare außerordentlich rechtskundig. Daher ist es durchaus vertretbar, es abzuschaffen.

Aber die Debatte hat sich jetzt mittlerweile bereits im Vorhinein auf die Frage Abschaffung von Widerspruchsverfahren konzentriert, und dazu möchte ich ebenfalls noch einige Bemerkungen loswerden.

Es ist ganz typisch, wie Kollege Biesok hier argumentiert hat. Er hat wieder Entbürokratisierung oder Deregulierung bzw. effektivere Verwaltung mit Abschaffung von Bürgerrechten gleichgesetzt, und genau das ist der Punkt:

(Beifall des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Sie haben ein völlig verfehltes Verständnis der Aufgabe von Verwaltung, und Sie haben null Sensibilität dafür, was es heißt, dass der einfache Bürger auch sein Recht gegenüber dem von ihm als übermächtig empfundenen Staat erhalten muss. Ich war ja auch mal als Anwalt tätig.

(Heiterkeit bei der FDP – Zuruf von der CDU: Das kannst du ja wieder machen!)

Ich kann die von Ihnen zitierte Erfahrung nicht teilen. Natürlich gibt es einen erheblichen Selbstkontrolleffekt in der Verwaltung, auch wenn wir andere Abteilungen haben, die Widersprüche machen. Aber der Dienstweg, der kurze Weg von der Kantine oder von Zimmer zu Zimmer ist immer noch viel schneller. Da kommt halt der Kollege und sagt: Hör mal zu, so kannst du das nicht machen; mach das jetzt mal so, da gibt es diese oder jene Vorschrift!

Wenn das Ganze erst zu einem Verwaltungsgericht geht, an dem wir nach zwei Jahren erst einen Termin bekommen und nach drei Jahren vielleicht eine Entscheidung – glauben Sie dann allen Ernstes, dass das an den zuständigen Mitarbeiter rückgekoppelt wird, der den Ausgangsbescheid gemacht hat?

Es gibt noch einen ganz anderen wesentlichen Punkt. Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Das Widerspruchsverfahren prüft die Recht- und Zweckmäßigkeit des Ausgangsbescheides. Das Gericht prüft die Rechtmäßigkeit. Sie nehmen schlicht und ergreifend die Zweckmäßigkeitskontrolle weg – wo es auch mehr Flexibilität für eine Behörde gibt, um zu agieren –, und deshalb sage ich: Sie schaffen Bürgerrechte ab.

(Beifall des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Sie schaffen Möglichkeiten des Bürgers ab, gegenüber einer Verwaltung Erfolg zu haben. Herr Kollege Bartl hat es, denke ich, überzeugend ausgeführt. Alle Richter, alle, die etwas davon verstehen, sagen: Natürlich ist es eine

Entlastung durch das Widerspruchsverfahren, die wir bei den Gerichten erhalten. Aus meiner Sicht spricht also nichts für eine generelle Abschaffung der Widerspruchsverfahren, und ich wünsche der CDU-Fraktion viel Standhaftigkeit in dieser Frage. Sie möge sich hier durchsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Herr Abg. Petzold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Von Tacitus ist der Satz überliefert: „In den verdorbensten Staaten gibt es die meisten Gesetze.“ Diese Erkenntnis aus dem Römischen Reich hat absoluten Gegenwartsbezug. Wenn daher eine politische Initiative dazu dient, Recht und Gesetz zu vereinfachen, dann findet dies selbstverständlich die Zustimmung der NPDFraktion. Im Gegensatz zu anderen Fraktionen in diesem Hohen Hause schauen wir nicht auf den Absender eines Entwurfes, sondern einzig auf den Inhalt. Wir haben kein Problem damit, einem guten Gesetzentwurf zuzustimmen, selbst wenn er von der Staatsregierung kommt.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU)

Leider sind gute Gesetzentwürfe von der Staatsregierung jedoch Mangelware. Umso mehr verdient der heutige Entwurf die Zustimmung aller Fraktionen, da er tatsächlich Vereinfachung schafft, und zwar sowohl für den Rechtsuchenden als auch für den Rechtsanwender; denn so sinnvoll ein Widerspruchsverfahren als außergerichtlicher Rechtsbehelf im Massenbetrieb sein kann, so wenig hat es seine Berechtigung, wenn die Praxis zeigt, dass es entbehrlich ist, da von den betroffenen Juristen im Regelfall ohnehin der Klageweg eingeschlagen wird.

Ich verzichte an dieser Stelle darauf, all das zu wiederholen, was der Entwurf selbst als Begründung ausführt und was mehrere Vorredner bereits lang und breit ausgeführt haben. Lassen Sie mich stattdessen für die NPD-Fraktion erklären, dass Sie, wie hier immer, dann mit unserer Zustimmung rechnen dürfen, wenn ein Anliegen den betroffenen Bürgern – hier den Juristen – dient. Es wäre wünschenswert, dass die sogenannten demokratischen Fraktionen ähnliche Grundsätze anwenden würden.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Somit frage ich die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Dr. Martens, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, den wir hier zur Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in berufsrechtlichen Verfahren für Rechtsanwälte und Notare eingebracht haben, ist ein offensichtlich sinnvoller Antrag. Ansonsten

hätte er nicht die Zustimmung sämtlicher Fraktionen hier im Hause erhalten. Wir stehen in Sachsen auch nicht allein mit einem solchen Gesetzesvorhaben da. Auch bei den Rechtsanwaltskammern in Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt findet in berufs- bzw. verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten kein Widerspruchsverfahren statt, und SchleswigHolstein ist, wie wir, gerade dabei, im Gesetzgebungsverfahren die gleiche Rechtslage herzustellen.

In diesem Verfahren, meine Damen und Herren, wird deutlich, dass nicht all das, was sich der Bundesgesetzgeber im Verfahren zur Modernisierung des Berufsrechtes hat einfallen lassen, auch wirklich sinnvoll ist. Darüber wird sicherlich Einigkeit bestehen. Der Vermittlungsausschuss hat den Gesetzentwurf dann ohne Verzicht auf das Widerspruchsverfahren bestätigt mit der Folge, dass sich das Widerspruchsverfahren grundsätzlich wieder im Berufsrecht befand. Das heißt, die Länder müssen jeweils von ihrer Gesetzgebungskompetenz Gebrauch machen, um diese Regelung wieder zu entfernen.

Meine Damen und Herren! Wie im Bundesgesetzgebungsverfahren von uns bereits vorgetragen, würde ein Vorverfahren in diesen berufsrechtlichen Angelegenheiten zu einer erheblichen Verfahrensverlängerung führen, obwohl die mit dem Vorverfahren verfolgten Ziele überhaupt nicht erreicht werden können. Hinzu kommt – das ist sicherlich von besonderer Bedeutung –, dass bereits im Ausgangsverfahren sämtliche Beteiligte Volljuristen sind und somit gewährleistet ist, dass die maßgeblichen Rechts- und Sachgesichtspunkte im Verfahren über den Ausgangsbescheid bereits vorgetragen werden.

In der Tat ist die Bearbeitung von Widerspruchsverfahren für die Kammern mit erheblichem Aufwand verbunden. Fristenkontrollen, Aktenvorlagen, das Bilden von Widerspruchsausschüssen, deren Geschäftsordnung und Geschäftsführung – all dies sind Aufwendungen, die die berufsständischen Kammern mit erheblichem Aufwand belasten, der auch nicht zu besseren Entscheidungen führt. Herr Biesok hat es ausgeführt. Von 47 Widerspruchsverfahren in Sachsen seit 2009 wurde nur in einem Fall der Ausgangsbescheid abgeändert, aber nur deshalb, weil nachträglich die bei Erlass des Ausgangsbescheides nicht vorhandene Bestätigung einer Berufshaftpflichtversicherung vorgelegt worden war.

Aber diese Diskussion, meine Damen und Herren, ist auch zum Anlass genommen worden, sich grundsätzlich mit der Frage von Widerspruchsverfahren und ihrer Berechtigung auseinanderzusetzen. Diese Diskussion kann man ideologisch sehr angestrengt führen, und wir werden sie auch führen können, ohne zu einem bestimmten Ergebnis zu kommen; denn hier steht dann irgendwo Glaubenssatz gegen Glaubenssatz. Ich halte es für vernünftiger, dass wir uns die Regelungen zu den Wider

spruchsverfahren im Einzelnen anschauen und feststellen: Wo sind sie tatsächlich für den Bürger mit einem Mehrwert an Rechtsschutz verbunden? Denn eines möchte ich ganz deutlich machen: Der Staatsregierung geht es nirgendwo darum, Rechtsschutzmöglichkeiten für Bürger einzuschränken oder Bürger ihrer Rechte zu berauben. Das können Sie mir in persona glauben. Das ist nicht die Absicht.

In Verfahren, in denen allerdings Widerspruchsverfahren nur dazu führen, dass sich die zeitliche Bearbeitung weiter verzögert, zusätzlicher Aufwand betrieben wird und weitere Kosten verursacht werden, die ansonsten nicht notwendig wären, sollten wir ergebnisoffen und ohne ideologische Verkrampfung darüber diskutieren, ob man nicht auch von der Möglichkeit Gebrauch macht, Widerspruchsverfahren entfallen zu lassen – wohlgemerkt: nicht zur Beschneidung von Rechtsschutzinteressen, sondern nur im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten.

Aber dies ist eine gänzlich andere Diskussion. Heute geht es nur um die Abschaffung eines von allen als offensichtlich nicht sinnvoll angesehenen Widerspruchsverfahrens.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Wir können damit zur Abstimmung kommen.

Wir stimmen über die Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses ab, vorliegend in Drucksache 5/4801. Sie betrifft das Gesetz zur Änderung des Sächsischen Justizgesetzes. Hierzu liegen keine Änderungsanträge vor.

Ich lasse über die Gesetzesüberschrift abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Niemand. Damit ist der Gesetzesüberschrift zugestimmt worden.

Ich rufe die Artikel 1 und 2 zusammen auf. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ich sehe Einstimmigkeit.

Ich stelle den Gesetzentwurf zur Änderung des Sächsischen Justizgesetzes zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gibt es Stimmen dagegen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist dem Gesetzentwurf einstimmig zugestimmt und somit das Gesetz beschlossen.

Meine Damen und Herren! Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und komme zurück zu Tagesordnungspunkt 2.

Fortsetzung Tagesordnungspunkt 2

Es geht um die Wahl von drei Mitgliedern des Sächsischen Landtages für den Landesnaturschutzbeirat. Abgegeben wurden 125 Stimmscheine. Herr Stefan Meyer erhielt 85 Jastimmen, 14 Neinstimmen und 24 Enthaltungen. Frau Anja Jonas erhielt 76 Jastimmen, 28 Neinstimmen und 19 Enthaltungen. Frau Dr. Jana Pinka erhielt 66 Jastimmen, 12 Neinstimmen und 43 Enthalten. Damit

sind alle drei Abgeordneten gewählt. Ich gratuliere sehr herzlich und wünsche viel Erfolg. Ich frage aber dennoch, ob jemand die Wahl nicht annehmen möchte. – Das ist nicht der Fall.

Damit ist auch dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen,

Wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 5

Fachkräftebedarf für Sachsen sichern – Potenziale erschließen

Drucksache 5/4718, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Es beginnt in der Diskussion wieder die CDU-Fraktion, danach folgen die FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung. Ich erteile nun der CDU-Fraktion das Wort. Herr Abg. Krauß, bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in Deutschland erstmals seit 30 Jahren einen spürbaren Fachkräftemangel. Wer mit den Unternehmern spricht – das tun die Abgeordneten meiner Fraktion –, der weiß, dass die Unternehmen Probleme haben, Lehrlinge zu finden, und dass sie bereits Probleme haben, einige Stellen zu besetzen. Ein Grund dafür ist die niedrige Geburtenrate. Wir haben seit 40 Jahren mehr Sterbefälle als Geburten.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Wir hatten im Jahr 1990 noch einen Rückgang bei der Geburtenzahl. Die geburtenschwachen Jahrgänge kommen jetzt in Ausbildung und Arbeit und viele Ältere gehen in den Ruhestand. Das führt dazu, dass Stellen unbesetzt bleiben müssen.

Im Jahr 2020 werden wir ein Viertel weniger Erwerbspersonen haben, als das heute der Fall ist. Erwerbspersonen sind diejenigen, die arbeiten oder arbeitslos sind, also für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Selbst wenn jeder Arbeitslose ein passendes Jobangebot bekäme und für die Arbeit geeignet wäre, auch dann hätten wir diesen Fachkräftemangel.