Protokoll der Sitzung vom 10.02.2011

1. In welcher Form (Antragsvoraussetzung, aufschieben- de/auflösende Bedingung im Fördermittelbescheid, Rückforderungsgrund etc.) soll die Abgabe der Anti-Extremismuserklärung durch die jeweiligen Initiativen in das Bewilligungsverfahren und dessen Abwicklung künftig eingebettet werden?

2. Wie vielen Vereinen, Initiativen, Projekten etc., welche die Erklärung „Wer sich gegen Rechtsextremismus engagiert, macht sich verdächtig! Aufruf gegen Generalverdacht und Bekenntniszwang“ unterzeichnet haben, wurde mit jeweils welcher Begründung ein vorzeitiger Maßnahmenbeginn im Rahmen des Landesprogramms „Weltoffenes Sachsen“ verwehrt?

Für die Staatsregierung antwortet Herr Staatsminister Ulbig.

Danke, Herr Präsident.

Sehr geehrter Herr Abg. Jennerjahn, zu Ihren Fragen gebe ich folgende Antworten:

Frage 1: Wie bereits in der Plenardebatte im Dezember des vergangenen Jahres angekündigt und dann in der 29. Plenarsitzung auf die Anfrage bestätigt, hat die Staatsregierung das weitere Vorgehen in Abstimmung mit dem Staatsministerium der Justiz und für Europa und dem Staatsministerium des Innern prüfen lassen. Gestern – Sie haben es selber angesprochen – wurde das Ergebnis der Öffentlichkeit vorgelegt.

Die Erklärung, die wir dem Kabinett vorlegen werden, soll in Sachsen folgenden Wortlaut haben: „Hiermit bestätigen wir, dass wir uns zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen und keine Aktivitäten entfalten, die der freiheitlich-demokratischen Grundordnung widersprechen. Als Träger der geförderten Maßnahmen haben wir zudem Sorge zu tragen, dass die zur Durchführung des geförderten Projekts als Partner Ausgewählten ebenfalls eine Erklärung gemäß Satz 1 abgeben.“

Zu Ihrer Frage 2 möchte ich sagen: Die Sächsische Staatsregierung besitzt keine Kenntnis darüber, wie viele Vereine, Initiativen, Projekte usw., die einen Antrag auf vorzeitigen förderunschädlichen Vorhabensbeginn beim Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ gestellt haben, die Erklärung „Wer sich gegen Rechtsextremismus engagiert, macht sich verdächtig! Aufruf gegen Generalverdacht und Bekenntniszwang“ unterzeichnet haben. Die Voraussetzungen zur Gewäh

rung eines vorzeitigen förderunschädlichen Vorhabensbeginns sind in der VwV zur Sächsischen Haushaltsordnung unter Nummer 1.3.3 zu § 44 festgelegt.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Nachfrage?

Ja.

Herr Staatsminister, vielen Dank. – Ich habe zwei Nachfragen. Ich möchte aber zunächst eine Feststellung machen. Sie haben zum zweiten Mal meine erste – –

Herr Jennerjahn, Sie dürfen keine Feststellung machen.

Die Frage ist nicht beantwortet. Die Frage lautet: „In welcher Form soll die Abgabe der Antiextremismuserklärung durch die jeweiligen Initiativen in das Bewilligungsverfahren und dessen Abwicklung künftig eingebettet werden?“ Diese Frage ist zum zweiten Mal nicht beantwortet worden. Dazu wünsche ich mir jetzt eine Antwort.

Die zwei Nachfragen sind: Die Genehmigung des förderunschädlichen Maßnahmenbeginns erging – ich zitiere aus dem Bescheid – „mit der Auflage, dass nachfolgende Bestimmungen einzuhalten sind: Eine spätere Bewilligung der Zuwendung Ihres Antrages wird von der Unterzeichnung einer Demokratieerklärung abhängig sein, die sich derzeit noch in Abstimmung hinsichtlich des Wortlauts befindet.“

Da wäre die Frage: Welche Rechtsfolgen entfaltet diese unbestimmte Verpflichtung auf Vorrat für die Zuwendungsempfänger, und wie ist das mit dem Bestimmtheitsgebot zu vereinbaren?

Die zweite Nachfrage betrifft Ihre Pressemitteilung von gestern und die neue Antiextremismuserklärung. Sie haben sie gerade vorgelesen, und Sie haben gestern in der Pressemitteilung wiederum die Formulierung benutzt: „Wer eine solche Erklärung als unzumutbar empfindet, entlarvt sich selbst.“

Jetzt möchte ich Sie fragen: Wie bewerten Sie sowohl die neue Erklärung als auch Ihre Äußerung von gestern vor dem Hintergrund, dass seit dem 13. Januar 2011 ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages im Umlauf ist, das zu dem Schluss kommt – ich zitiere –: „Gegen das staatliche Verlangen eines Bekenntnisses als Nebenbestimmung für eine Zuwendung verbleiben unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit gewisse Rechtszweifel. Der erste Spiegelstrich der Erklärung dürfte verfassungsrechtlich fragwürdig sein.“ Ich erinnere: Der erste Spiegelstrich beinhaltet – –

Herr Jennerjahn, ich werde Ihnen jetzt kurz das Mikrofon abdrehen. Ich hatte Sie vorhin darauf hingewiesen, dass Sie hier Ihre Fragen stellen und keinen Redebeitrag halten.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Herr Jennerjahn, Sie haben jetzt noch einmal die Möglichkeit die Frage zu formulieren.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Er hat sie doch formuliert!)

Nein, Sie haben sie nicht formuliert. Sie haben Feststellungen gemacht, und das war ein Redebeitrag.

(Julia Bonk, DIE LINKE, und Johannes Lichdi, GRÜNE: Nein! – Weitere Zurufe von den GRÜNEN und den LINKEN)

Sehr geehrter Herr Präsident, ich versuche es noch einmal deutlicher herauszuarbeiten. Ich habe die Frage gestellt, wie der Herr Innenminister die neue Erklärung und seine gestrigen Äußerungen in der Pressemitteilung vor dem Hintergrund des Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages beurteilt, das zu dem Schluss kommt: „Gegen das staatliche Verlangen eines Bekenntnisses als Nebenbestimmung für eine Zuwendung verbleiben unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit gewisse Rechtszweifel. Der erste Spiegelstrich der Erklärung dürfte verfassungsrechtlich fragwürdig sein.“ Der erste Spiegelstrich beinhaltet das Bekenntnis zur FDGO.

Ich fange mit dem letzten Thema an, Herr Jennerjahn. Sie wissen, dass es ein Gutachten des hoch anerkannten Prof. Battis gibt. Er hat sich mit der Erklärung, die seitens des Bundes abverlangt wird, sehr intensiv auseinandergesetzt. In dem Gutachten ist Herr Battis sehr klar und eindeutig zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser Satz 1 sinnvoll und zweckmäßig ist und damit das Ziel, welches seitens der Zuwendungsempfänger erreicht werden soll, auch erreicht wird.

Mit der Formulierung, die wir gestern der Öffentlichkeit vorgestellt haben, die zwischen Herrn Martens und mir abgestimmt ist und die wir dem Kabinett vortragen werden, liegen wir genau auf dieser Linie, dass es eben eine Erklärung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist. Die Grundkritik, die es von den Trägern immer bezüglich der Sätze 2 und 3 gegeben hat, nämlich bezüglich des sogenannten Schnüffelns für andere, ist gegenstandslos geworden, weil mit der Formulierung, wie sie jetzt im Freistaat Sachsen zugrunde gelegt wird, nur noch verlangt wird, dass die Projektpartner die gleiche Erklärung unterschreiben wie der Zuwendungsempfänger selbst. Das ist also zu Thema Nummer zwei.

Wenn ich die erste Nachfrage noch einmal aufgreife, dann ist die Antwort, wenn sie am Anfang nicht klar und deutlich gewesen ist, ziemlich leicht: Es ist die Voraussetzung, um Geld aus diesem Förderprogramm zu bekommen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Johannes Lichdi, GRÜNE, tritt ans Mikrofon.)

Herr Staatsminister, es gibt noch eine Nachfrage. Würden Sie diese zulassen?

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Eigentlich war ich schon weg. Aber wenn Herr Lichdi noch eine Nachfrage hat.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Dann kommen Sie gern wieder. Das ist schön.)

Herr Lichdi.

Vielen Dank, Herr Staatsminister Ulbig.

Ich formuliere es einmal so: Man hat gehört – ich weiß nicht, ob das zutrifft –, dass das Justizministerium gegen die ursprüngliche Klausel Einwände erhoben hatte. Sie haben in Ihrer Presserklärung und auch jetzt noch einmal ausgeführt, dass die jetzt vorgelegte Formel mit dem Justizministerium abgestimmt sei. Ich gehe davon aus, dass diese gemeinsame Formulierung erstens abgestimmt ist, dass es also keine verfassungsmäßigen Bedenken gibt,

(Staatsminister Markus Ulbig: Richtig!)

und dass es dann auch so durch das Kabinett geht, weil Einigung zwischen den Koalitionsparteien besteht.

Ersteres kann ich Ihnen hundertprozentig bestätigen. Zum Zweiten wissen Sie, dass man, wenn ein Gremium noch zur Entscheidung gefragt werden muss, klug beraten ist, wenn man diese Antwort noch nicht endgültig vorwegnimmt.

Vielen Dank.

Meine Damen und Herren, ich habe jetzt gehört, dass aus der NPD-Fraktion der Abg. Schimmer, nachdem Herr Lichdi zu erkennen gegeben hat, dass er noch eine Nachfrage stellen will, geäußert hat: „Jetzt ist die Freakshow eröffnet!“ Ich werde das im Protokoll – –

(Jürgen Gansel, NPD: Ich war das!)

Ah, Herr Gansel war das. Wenn Sie sich freiwillig stellen, erteile ich Ihnen hiermit einen Ordnungsruf.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Wir kommen zur nächsten Frage. Es ist die Frage 2, die vom Abg. Petzold von der NPD-Fraktion gestellt wird.

Herr Präsident! Es geht um Arbeitsschutz und Arbeitsgesundheit im Freistaat Sachsen.

Laut einer Studie der BKK vor dem Hintergrund der Problematik des demografischen und wirtschaftlichen Wandels wird eine gravierende Steigerungsrate für psychische Probleme sichtbar, die seit zwei Jahren mit 9 %

auf Platz 4 der Ursachen für betriebliche Fehlzeiten liegen. Bundesweit ist jeder achte männliche Ingenieur über 55 Jahre alt und erkrankte in 2009 im Schnitt rund 18 Tage im Jahr. Dies bedeutet gegenüber dem Vorjahr 2008 fast eine Verdoppelung der Krankheitstage.

Fragen an die Staatsregierung:

1. Welche Aussagen kann die Staatsregierung treffen über Arbeitsschutz und Arbeitsgesundheit in den im Freistaat Sachsen ansässigen Unternehmen und welche Kontrollinstrumente für die Durchsetzung arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen kommen im Freistaat Sachsen zum Einsatz?

2. Wie entwickelten sich im Zeitraum von 2006 bis 2010 die Ausfallzeiten von Arbeitnehmern in Unternehmen im Freistaat Sachsen und welche Maßnahmen zur Umsetzung von gesunden Arbeitsbedingungen und damit besserer Wettbewerbsfähigkeit in sächsischen Unternehmen sind vonseiten der Staatsregierung vorgesehen?