Protokoll der Sitzung vom 23.03.2011

Sie haben das Gedenken der Dresdnerinnen und Dresdner, das Gedenken der Sachsen besudelt, Sie haben dieses Land besudelt.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Ich bin mir aber einer Sache sicher: Nach den nächsten Landtagswahlen werden Sie ja dort nicht mehr sitzen, da fliegen Sie aus dem Landtag raus – dessen bin ich mir ganz sicher –, und spätestens dann hört das alles in Dresden sowieso auf.

(Starker Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Herr Kollege Gebhardt, jetzt haben Sie endgültig das Wort.

Danke schön, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Zastrow, ein kleines bisschen muss ich Ihnen doch in Geschichte helfen. Neonazis sind auch schon vor 2004 hier durch Dresden gelaufen, bevor die hier im Landtag gesessen haben.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN – Holger Zastrow, FDP: Aber es ist schlimmer geworden!)

Das ist Ansichtssache.

Am 13. Februar 2011 hat es hier in Dresden ein leises, jedoch sichtbares und trotzdem nur symbolhaftes Zeichen von 17 000 Bürgerinnen und Bürgern gegeben. Der

Intendant des Dresdner Schauspielhauses, Wilfried Schulz, fragte provokatorisch: „Reicht eine Menschenkette, wenn diese sich Neonazis und Nazis nicht entgegenstellt?“ Und der evangelische Superintendent von Dresden stellt fest: „Weder eine Menschenkette noch eine Mahnwache verhindert Aufmärsche.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dank des Bündnisses „Nazifrei“ haben im vergangenen Jahr 2010 und auch in diesem Jahr Apfel und Kameraden in der Kälte gestanden. Das war nicht wegen der Menschenkette.

(Zuruf von der NPD: Wegen der Gewalt!)

Ruhe da drüben!

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Das Problem ist, dass Sie dieses Bündnis von vornherein kriminalisiert haben. Sie, Herr Zastrow, haben von vornherein immer erklärt: Wir sind die guten Demokraten und ihr, die ihr Blockaden machen wollt, seid die schlechten Demokraten. Genau diese Haltung kann sich die Stadt nicht mehr leisten. Deswegen muss man dem Innenminister tatsächlich dankbar sein, dass er noch am selben Tag, am 19. Februar, den Vorschlag gemacht hat, dass in dieser Stadt, in diesem Land endlich eine Debattenkultur stattfinden sollte, bei der diese Zweiteilung in gute und schlechte Demokraten endlich aufhört.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Wer – wie am 19. Februar – mit Steinen auf Polizisten wirft, hat alle meine Sympathien verloren.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Es gibt keinen Grund, mir deswegen einen Heiligenschein zu verpassen, wie Sie es getan haben, Herr Zastrow. Jeder der 112 Polizisten, die an dem Tag verletzt wurden, ist – ebenso wie bei den 150 verletzten Demonstranten – einer zu viel.

Trotzdem durfte ich an dem Tag, am 19. Februar 2011, in diesem Land feststellen, dass es Polizeiführer möglich gemacht haben, dass Gegendemonstranten in Hör- und Sichtweite Aufstellung nehmen konnten, wie es das Versammlungsgesetz zulässt. Das haben Polizeiführerinnen und Polizeiführer entschieden und leider nicht die Stadtverwaltung.

(Andreas Storr, NPD: Sie haben Straftaten zugelassen!)

Leider war es nicht die hier in Dresden regierende und manchmal wohl auch herrschende Klasse. Das haben an dem Tag tatsächlich einzelne Polizeiführer entschieden.

(Christian Piwarz, CDU: Wo leben Sie denn eigentlich?!)

Wir wissen natürlich – darüber haben wir im Innenausschuss geredet, aber das ist heute nicht mein Thema –,

dass es nachweisbar auch Verfehlungen von einzelnen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten gegeben hat. Aber für die Situation, wie sie die Polizei am 19. Februar hier in Dresden vorgefunden hat, ist nicht die Polizei verantwortlich gewesen, sondern waren Gerichte und Ordnungsbehörden verantwortlich, die die Polizei an dem Tag in diese missliche Situation gebracht haben, ein Trennungsverbot einzuhalten, das vollkommen absurd war, und zwar zwischen der linken und der rechten Elbseite. Das kann niemals garantiert werden.

(Andreas Storr, NPD: Das hat über Jahre funktioniert!)

Das hat noch nie funktioniert, Herr Storr, und kann auch nicht funktionieren.

Was dieses Land tatsächlich braucht, da wiederhole ich mich, ist eine zivilgesellschaftliche Debatte darüber, wie wir zukünftig gemeinsam an solchen Tagen, zum Beispiel auch am 16. Oktober 2010 in Leipzig, am 5. März 2011 in Chemnitz, gemeinsam auf die Straße gehen, um den Leuten, die rechts von uns sitzen, die Stirn zu bieten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE sprach Herr Kollege Gebhardt. – Als Nächster spricht für die SPD Herr Kollege Dulig.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 19. Februar konnten die tausend Nazis, die in Dresden standen, nicht laufen. Das war ein Erfolg.

(Andreas Storr, NPD: Das ist ein Sieg der Demokratie? Sehr zweifelhaft!)

Dass aber am Abend und am nächsten Tag die Medien eine andere Botschaft hatten, das ist das Ärgerliche und Traurige. Es ging eben nicht um den Erfolg, sondern um die Gewalt, die den eigentlichen Erfolg völlig in den Hintergrund hat treten lassen.

(Andreas Storr, NPD: Gewalt war die Voraussetzung ihres Erfolges!)

Für diese Gewalt gibt es keine Rechtfertigung.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Das kann kein Mittel demokratischer Auseinandersetzung sein, egal, von wem sie ausgeht. Daran gibt es kein Rütteln.

Wie schön wäre die Botschaft gewesen, dass tatsächlich eine Vielfalt von friedlichen Aktivitäten, von Mahnwachen, Kundgebungen, friedlichen Blockaden dazu geführt hat, dass diese Nazis nicht marschieren konnten. Das wäre die Botschaft gewesen, die ich mir an diesem Tag gewünscht hätte. Sie ist durch eine kleine Gruppe von Gewalttätern kaputt gemacht worden.

(Jürgen Gansel, NPD: Linker Mob! – Andreas Storr, NPD: Mehrere Tausend linke Gewalttäter – ist das eine ganz kleine Gruppe?)

Jetzt ist die Frage: Welche Konsequenzen ziehen wir daraus? Wie fast jedes Jahr erleben wir die gleichen Rituale in der Auswertung um den 13. Februar. Ganz schnell ist man in den Parteien wieder auf den Barrikaden. Die Schuldfrage ist wichtiger als zu klären, welche Konsequenzen man tatsächlich daraus zieht. Das ist falsch. Wir müssen nicht die Schuldfrage klären, um mit dem Finger aufeinander zu zeigen, sondern wir müssen die Konsequenz ziehen, dass die Demokraten gemeinsam stehen müssen.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Es ist notwendig auszuwerten, was am 19. Februar passiert ist. Wir müssen die Frage stellen, welche Genehmigungen die Landeshauptstadt ausgestellt und wie sie agiert hat. Die Kommunikation in der Stadt war äußerst problematisch. Wir müssen natürlich auch fragen, wie und auf welcher Grundlage Gerichte geurteilt haben. Ich habe den Eindruck, dass die Gerichte diejenigen sind, die am wenigsten dafür können, obwohl sie sehr im Fokus stehen. Sie haben die Grundlagen von der Stadt Dresden und durch das von der Polizei abgestimmte Sicherheitskonzept bekommen. Fragen hierzu muss man stellen.

Wir haben eine Pressemitteilung herausgegeben, zu der es viele Rückmeldungen und Anfragen gab. Wenn der einzelne Polizist dadurch unsicher geworden ist, ob die SPD auf seiner Seite steht oder nicht, dann sage ich: Es tut mir leid, wenn dieser Eindruck gegenüber den Polizisten entstanden ist. Der einzelne Polizist kann hier nichts dafür. Er musste am 13. Februar stehen. Er hatte zum Teil Bundesligaspiele abzusichern. Er hatte in der Woche darauf Einsatz beim Castor-Transport. Und dann noch der Einsatz am 19. Februar. Der einzelne Polizist kann nichts dafür. Ihm gegenüber sage ich auch: Wenn der Eindruck entstanden ist, dass wir uns vielleicht nicht deutlich positioniert haben, dann tut mir das leid.

Ich muss mich aber nicht gegenüber Ihnen rechtfertigen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Das verbitte ich mir.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Ich verbitte es mir aus drei Gründen: Erstens verbitte ich es mir als Person. Es ist ehrabschneidend, Kollegen in die Ecke von Steinewerfern zu stellen. Zweitens glaube ich Ihnen Ihre Krokodilstränen nicht. Ich hätte mir mehr Engagement von Ihnen für die Polizistinnen und Polizisten bei den Haushaltsverhandlungen gewünscht. Da wird nämlich deutlich, wer aufseiten der Polizei steht.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN – Proteste von der CDU)

Drittens ist entscheidend, dass wir Gemeinsamkeiten finden. Denn am Schluss sitzen die lachenden Dritten dort.

(Martin Dulig, SPD, zeigt in Richtung der NPD-Fraktion.)