Protokoll der Sitzung vom 23.03.2011

Gestatten Sie mir noch einmal ein Wort zu unserer Polizei, auch wenn das der Kollege Thierse von der SPD im Bund etwas anders sieht. Unsere Polizisten schützen keine Neonazis, wie das immer gesagt wird, sondern sie schüt

zen einzig das Recht eines jeden Bürgers, friedlich zu demonstrieren, und dafür sind wir ihnen dankbar.

(Beifall bei der CDU)

Mein Vorschlag: Lassen Sie uns in der gebotenen Sachlichkeit in den beiden Ausschüssen – damit hatten wir ja schon angefangen, im Innenausschuss und im Rechtsausschuss – den Sachverhalt weiter auswerten und die Rückschlüsse für zukünftige Ereignisse dort diskutieren. Das ist der demokratische Weg, nicht mit solchen Anträgen parallel hier im Plenum.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der SPD spricht Frau Abg. Friedel. Sie haben das Wort.

Herr Präsident, vielen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es heute Morgen schon versucht auszudrücken, aber es hilft uns nicht weiter, solche Debatten hier zu führen, wie wir sie am Vormittag in der Aktuellen Debatte geführt haben oder wie wir sie jetzt anhand der aktuellen Anträge führen, die hier aufgerufen sind.

Ich bin erst einmal positiv überrascht, dass die Diskussionen, die Diskussionskultur in den jetzigen Nachmittagsstunden weit unaufgeregter ist, als sie das heute Vormittag war. Das hängt vielleicht auch mit einer gewissen Erschöpfung zusammen, die dem einen oder anderen von uns hier begegnet. Trotz alledem scheint es mir aber, dass wir aneinander vorbeireden.

Was gerade passiert, ist Folgendes: Die LINKEN und die GRÜNEN haben Anträge geschrieben. Man könnte sagen, dass alles richtig ist, aber man über vieles reden könnte. Parallel setzen sich jetzt die Redner der anderen Fraktionen zusammen und schreiben ihre Reden und Entgegnungen darauf. Die Entgegnung, die Herr Modschiedler gerade brachte, enthielt viel Richtiges, aber sie ging in manchen Punkten auch völlig an dem vorbei, was die Antragsteller eigentlich intendieren. So kommen wir dazu, dass dem Antragsteller etwas anderes unterstellt wird, als er eigentlich meint, und die Antragsteller wiederum den Erwiderern etwas anderes unterstellen, als sie eigentlich meinen. Am Ende reden wir in einer Debatte, in der es um unser gemeinsames Demokratieverständnis gehen soll, kolossal aneinander vorbei.

Deswegen halte ich es für nicht gut und nicht hilfreich, in der jetzigen Situation solche Debatten öffentlich zu führen. Solche Debatten darüber, welches Demokratieverständnis Demokraten teilen, gehören gerade angesichts dieser Nasen, die da sitzen, erst einmal hinter verschlossene Türen. Ich sage auch gerne noch, warum. Hinter verschlossene Türen deshalb, weil das, was wir hier auf beiden Seiten produzieren, Bekenntniszwang ist, und zwar von der einen wie der anderen Seite. Wer ist der bessere Antifaschist, wer ist der bessere Demokrat, wer ist

der bessere Mensch, der Ruhe und Ordnung will, wer ist der bessere Verteidiger der Polizei? Damit ist doch aber niemandem geholfen.

Viel besser wäre es – ich wiederhole mich von heute Vormittag –, dass wir unser gemeinsames Ziel suchen und Wege suchen, wie wir dieses Ziel erreichen. Das sollte erst einmal hinter verschlossenen Türen passieren, denn wir haben in dieser Debatte – Johannes, du darfst gleich hier vorne explodieren, wenn du möchtest! – tatsächlich auch eine Vorbildfunktion für die Bürger in unserem Land. Ein solches Gespräch hinter verschlossenen Türen erfordert aber auch – das richte ich sowohl an die Kollegen der LINKEN und der GRÜNEN als auch an die Kollegen der CDU, der FDP und der Staatsregierung –, dass man die Bereitschaft hat, dann tatsächlich zuzuhören und ergebnisoffen zu diskutieren. Da scheinen mir beide Seiten nicht soweit zu sein.

Mir erscheint es nicht so, dass bisher in den öffentlichen Debatten LINKE und GRÜNE besonders ergebnisoffen waren, was die Auseinandersetzung um die richtige Form des Protestes angeht. Mir erscheint es nicht so, als ob die Staatsregierung, die CDU- oder die FDP-Fraktion besonders ergebnisoffen wären, was die richtige Form des Protestes betrifft.

Diese Öffentlichkeit, die wir in dieser Debatte pflegen, führt dazu, dass wir uns nie gemeinsam einigen werden, sondern dass die parteipolitische Profilierung bei diesem Thema Vorrang vor der eigentlichen Aufgabe erhält, den demokratischen Konsens zu suchen und zu finden.

Das ist ein Grund, weshalb wir beiden Anträgen, wie sie heute vorgestellt wurden, nicht zustimmen können, sondern uns eines Votums enthalten werden. Wir halten es nicht für richtig, jetzt in dieser Art und Weise zu debattieren. Wir halten es für den besseren Weg – Herr Ulbig, wir legen hier viel Hoffnung in die von Ihnen gemachten Aussagen und in das von Ihnen eingeladene Symposium –, miteinander unser Ziel zu definieren und dann Wege zu suchen, wie wir das erreichen, wie wir es so erreichen, dass der Konsens zwischen uns allen sehr groß wird, wie wir es hinbekommen, dass eben nicht – wie in den vergangenen Jahren immer – nach jedem 13. Februar jeder beteuert, das nächste Mal wird es besser; dann passiert ein Jahr nichts, und kurz vor dem 13. Februar sagt jede Seite, wir haben jetzt die Idee, und das, was die anderen wollen, ist absoluter Unsinn und böse und jeder, der hier herkommt, ist ein Krawalltourist, oder jeder, der nicht mitmacht, will nur Händchen halten oder sonst irgendwelche Kindergartenspielchen.

Worum es uns gehen muss, ist, am 13. Februar ein gemeinsames und einiges Zeichen zu setzen und eben nicht den Konflikt, sondern den Konsens nach außen zu tragen. Der Konflikt muss gelöst werden – aber dort, wo er hingehört und wo er bearbeitet werden kann und wo jeder die Chance hat, gesichtswahrend seinen Standpunkt zu verändern. Ich denke, der 19. Februar hat auch gezeigt: Es ist auf allen Seiten nötig – auf den Seiten der Behörden, der Staatsregierung, aber auch auf den Seiten der Gegen

demonstranten –, die eigenen Standpunkte kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls zu verändern. Das gelingt nicht in einer Vorführsituation wie dieser, sondern in einem konstruktiven Gespräch.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das war Frau Friedel für die Fraktion der SPD. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Abg. Biesok. Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich möchte an die Worte von Frau Friedel anknüpfen. Wir müssen eine Situation finden, wie wir zu einer Lösung kommen, um im nächsten Jahr eine solche Situation zu verhindern, wie wir sie in diesem Jahr und häufig schon am 13. Februar hatten.

Dazu ist es für mich aber auch notwendig, zu erkennen und zu definieren, was die demokratischen Grundwerte in unserem Rechtsstaat sind, wie unsere Grundrechte zu verstehen sind und über welche Positionen man unter Demokraten nicht streiten darf. Die beiden Anträge, wie wir sie heute hier vorliegen haben, sind meines Erachtens nicht geeignet, diese als Grundwerte anzunehmen.

Ich möchte diese Position deshalb hier beziehen und ich möchte – auch auf die Worte von Frau Friedel eingehend – ausdrücklich unsere Gesprächsbereitschaft signalisieren, auch für meine Person und für meine Fraktion, zu einem gemeinsamen Verständnis zu kommen, wie wir es verhindern, dass Nazis durch Dresden marschieren, ohne dabei die Grundrechte über Bord zu werfen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Am Antrag der LINKEN stört mich allein schon der Titel.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Das ist klar!)

Nein, das finde ich gar nicht klar. Sie haben aber eines hineingeschrieben: Die Zulassung der Versammlung von Nazis ist aufzuklären. Sie muss nicht zugelassen werden, sondern sie muss angemeldet werden, und das ist für mich ein Ausdruck unserer Versammlungsfreiheit. Egal, wie ich zu diesen Naziaufmärschen stehe – ich finde sie widerlich und ich finde die NPD widerlich und ich finde alle, die mit Glatzköpfen, Bomberjacke und Springerstiefeln durch die Stadt gehen, widerlich –:

(Andreas Storr, NPD: Mehr, mehr, bitte! – Holger Apfel, NPD: Wir finden Sie auch widerlich!)

Sie haben Grundrechte und Grundrechte sind auch denjenigen zu gewähren, die ich inhaltlich ablehne. Deshalb muss ich auch bei denen respektieren, dass deren Demonstration lediglich angemeldet werden muss und sie nur im äußersten Fall unter ganz engen Voraussetzungen untersagt bzw. beschränkt werden kann.

Den Wesensgehalt des Versammlungsrechts verkennen meines Erachtens die LINKEN, wenn sie jetzt versuchen, die Verantwortung für die Ereignisse am 19. Februar auf die Gerichte und auf die Versammlungsbehörde abzuschieben. Wir haben gerade eine Presseerklärung zur Aktuellen Debatte gesehen, in der genau dies getan wird. Die Gerichte haben unsere Grundrechte durchzusetzen. Ich möchte daher den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichtes in Bautzen aus dem bereits angesprochenen Artikel in der „Sächsischen Zeitung“ zitieren: Die geschützte Versammlungsfreiheit bezieht sich gerade auf Meinungsinhalte, die von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden, Herr Bartl. Eine Versammlungsfreiheit, die nur das erlaubt, was ohnehin von der Mehrheit vertreten wird, ist keine Freiheit.

Wenn die Demonstrationsfreiheit nicht als Minderheitenrecht verstanden wird, mutiert sie in der Regel im Laufe der Zeit zu einem staatlich verordneten Aufmarschrecht. Der Staat entscheidet, was gesagt werden darf und was gesagt werden soll. Dahin dürfen wir niemals kommen, und ich hoffe, das ist auch unser gemeinsames Grundverständnis, Herr Bartl.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir müssen uns auch über die Rolle der Ordnungsbehörden im Klaren werden. Die Ordnungsbehörden sind an Recht und Gesetz gebunden. Sie sind nicht das Vollstreckungsorgan des Bündnisses „Dresden Nazifrei“. Deshalb kann ich die Kritik, die hier an der Landeshauptstadt Dresden, insbesondere am Ordnungsbürgermeister Sittel, geäußert wurde, nicht verstehen.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE)

Er muss hier das Recht entsprechend anwenden, und entsprechend kann man es dann gerichtlich überprüfen, und die Gerichte können darüber urteilen. Es steht jedem der Rechtsweg offen, es höchstrichterlich überprüfen zu lassen.

Ich möchte hier gern noch einmal auf den Vorschlag von Innenminister Ulbig eingehen, eine Kommission zu bilden, in der man sich genau über diese Grundlage verständigt. Ich begrüße das außerordentlich. Es hatte mich ein wenig irritiert, wie die Gerichte teilweise von Ihnen gesehen wurden, aber ich denke, wir haben mittlerweile hinreichend Klarheit darüber, dass die Unabhängigkeit der Justiz hier nicht angegriffen werden darf. Ich denke, das haben wir genügend geklärt und das sollte unser gemeinsames Verständnis sein.

Frau Jähnigen, Sie haben Ihren Antrag begründet und um ein gemeinsames Verständnis geworben. Ich kann in Ihrem Antrag einige Punke nicht erkennen, wo ich sage, das wird kein gemeinsames Verständnis sein. In Ihrem Antrag schaffen Sie es gerade noch, die Gewalt gegen Polizeibeamte zu verurteilen. Aber dann kommen sofort die unverhältnismäßigen Maßnahmen der Polizeibeamten gegen friedliche Demonstranten.

(Eva Jähnigen, GRÜNE: Die hat es gegeben!)

Die mag es gegeben haben. Ich persönlich habe sie nicht gesehen, aber ich bestreite das nicht. Man muss sie aufarbeiten und dann muss es, wenn ein Polizist über die Stränge geschlagen hat, geahndet werden. Aber das ist nicht der Hauptpunkt bei dieser Veranstaltung gewesen; das muss man auch einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der FDP)

Ich finde es bezeichnend, wie in der Wortwahl des Antrages mit dem sächsischen Versammlungsrecht umgegangen wird. Es wird so getan, als ob nur die äußerste Form der Verhinderung von Demonstrationen dort unter Strafe gestellt wird. Nein, der Wortlaut wird wiedergegeben, und dort steht auch drin, dass allein das Verhindern zugelassener Demonstrationen unter Strafe gestellt ist. Blockieren ist strafbar, und das sollten wir auch einmal anerkennen.

(Beifall bei der NPD – Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Das Kernproblem des 19. Februar war meines Erachtens, dass wir die größtmöglichen Vandalen von beiden Seiten hatten. Gewaltbereiten Rechtsextremisten standen gewaltbereite Linksextremisten gegenüber. Es ist die Rede von tausend Rechtsextremisten gegen 3 500 Linksautonome. Das ist aber ein Punkt, der sich in dem Antrag nicht findet; die Linksautonomen werden verschwiegen. Das sind ja die Guten, die etwas gegen die Nazis gemacht haben.

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist die Bürgerkriegsreserve!)

Frau Jähnigen, wir können gern über ein gemeinsames Verständnis sprechen; aber dann seien wir so ehrlich und benennen beide Seiten, die am 19. Februar zu dieser Situation geführt haben.

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Ich möchte noch kurz auf die Blockaden eingehen. Offensichtlich geht die GRÜNE davon aus, dass sie rechtmäßig gewesen sind. Sie zitiert hier ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Das gleiche Urteil sagt aber an einer anderen Stelle: Artikel 8 schützt die Teilhabe an Meinungsbildung und Meinungsvielfalt, nicht aber die zwangsweise oder sonst wie per Selbsthilfe durchsetzbaren eigenen Forderungen. Das heißt, wenn ich von einem höheren moralischen Standpunkt der Meinung bin, ich müsse jetzt blockieren, um meine Meinung durchzusetzen, dann ist dies gerade nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt, weil es nämlich ein Grundrecht der Meinungsbildung und Meinungsäußerung ist – nicht um zu verhindern. Deshalb geht das Blockieren von Nazis fehl und es ist nicht von dem Versammlungsgrundrecht gedeckt.

Das Ziel, zu blockieren, fällt nicht unter die Versammlungsfreiheit. Wir müssen es in Teilen ertragen, dass auch Rechtsradikale durch unsere Stadt ziehen.

Ich sehe es nicht so, dass das Versammlungsrecht, das wir im letzten Jahr hier beschlossen haben, völlig wirkungslos

gewesen ist. Wir haben an den Orten – und diese waren mir besonders wichtig –, wo die Dresdner still und in Ruhe der Opfer der Bombennächte gedenken wollten, keine Demonstrationen gesehen. Insofern bedurfte es dort auch keiner Untersagung oder Anwendung des Versammlungsgesetzes; man hat sich einfach daran gehalten.