Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weil es Herr Gebhardt angesprochen hat, will ich ganz kurz etwas zum Thema: Diskussion öffentlich oder hinter verschlossenen Türen sagen. Da habe ich mich vielleicht etwas ungeschickt ausgedrückt. Ohne Frage, wir müssen die Debatte um den Kampf gegen Rechtsextremismus, um die Bedeutung des 13. Februar, um die Art und Weise, wie man mit Demonstrationen umgeht, gesellschaftlich breit und öffentlich führen. Da sind wir sofort dabei. Wir haben im vergangenen Jahr viele Anstrengungen unternommen, um diese Debatte öffentlich führen zu können. Worüber ich gesprochen
Ich habe das Gefühl, dass unsere Diskussionskultur einfach nicht so weit ist, dass wir diese ohne Schaden öffentlich führen könnten, denn es geht bei diesem Thema auch darum, Fehler anzuerkennen, ohne dass man gleich eine Rücktrittsforderung erhält oder für Fehler kriminalisiert wird. Mein Problem an dieser Debatte ist, dass wir nicht in der Lage sind, miteinander darüber zu reden, was richtig und was falsch gemacht worden ist und was beim nächsten Mal besser sein muss, ohne dass sofort unlautere Motive unterstellt werden, ohne dass einem unterstellt wird, man wäre ein Steinewerfer oder Krawallo, ohne dass einem sofort unterstellt wird, man wäre ein Polizeistaatsbefürworter, ohne dass einem sofort nahegelegt wird, man solle sich doch lieber aus der politischen Verantwortung entfernen.
Das ist ein Hindernis in unserer politischen Diskussionskultur, und deshalb empfinde ich die Diskussion, wie sie hier öffentlich geführt wird, äußerst fruchtlos. Die gesellschaftliche Debatte ist schon weiter, als wir es sind. Ich habe in den letzten Monaten genug Veranstaltungen erlebt, wo es gelingt, dass sich Leute hinstellen und sagen: Bisher dachte ich immer a), aber das eine oder andere Argument hat mich überzeugt, und deswegen verstehe ich jetzt auch b).
Hier sind wir noch lange nicht so weit, Argumente auszutauschen und die Argumente des anderen zu verstehen, sondern nach wie vor regieren hier eher die parteipolitischen Reflexe auf beiden Seiten als die Suche nach dem gemeinsamen Weg. Deswegen war meine Schlussfolgerung: Gesellschaftliche Debatten gern öffentlich, aber die politische Debatte sehe ich nicht als fruchtbringend an. Ich hoffe, dass wir es wenigstens hinter verschlossenen Türen schaffen, miteinander darüber zu reden, was man anders machen könnte. Da muss mehr Gesprächsbereitschaft auf allen Seiten da sein als bei der letzten Sondersitzung des Innenausschusses.
Gibt es noch weitere Wortmeldungen von den Fraktionen? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Ulbig, Sie möchten das Wort ergreifen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Noch ein paar wenige Worte aus meiner Sicht, denn heute Morgen ist bei der Aktuellen Debatte von mir die Position der Staatsregierung zu diesem Thema ziemlich umfangreich und, soweit es derzeit möglich ist, auch deutlich vorgetragen worden.
Zwei Dinge, die mir noch einmal wichtig sind und sich jetzt aus der Diskussion ergeben haben, möchte ich ansprechen. Das eine ist das Thema der Aufarbeitung.
Frau Friedel, ich habe aus Ihren Worten herausgehört, es gebe bezogen auf die Staatsregierung wenig Gesprächsbereitschaft, eine Blockade oder Ähnliches. Ich möchte das klar und deutlich zurückweisen. Ich habe einerseits im Innenausschuss deutlich gemacht und andererseits heute vor dem Plenum noch einmal klar gesagt, dass es da kein Tabu gibt und Dinge beim Namen genannt werden, die gegebenenfalls nicht in Ordnung gewesen sind. Das gehört für mich zu einer Aufarbeitung ganz klar dazu. Das eine oder andere braucht Zeit. Das ist im Innenausschuss deutlich vorgetragen und darauf verwiesen worden, dass es am Ende einen Abschlussbericht geben wird. Das bitte ich einfach zu akzeptieren und das Ganze in diesen Kontext einzubetten.
Das andere Thema ist: Auseinandersetzung, Diskussion, Ehrlichkeit und die Vorbereitung auf das Jahr 2012. Ich bin dankbar, dass das Symposium, welches ich unter dem Eindruck des 19. Februar an diesem Abend quasi als Gedanken in die Öffentlichkeit gesetzt habe, akzeptiert wird. Ich möchte aber deutlich sagen, dass das nur ein Beitrag sein kann, um die Herausforderungen, die im Jahr 2012 vor den Dresdnerinnen und Dresdnern und uns allen stehen, zu bewältigen. Aus diesem Grund möchte ich klar und deutlich unterstreichen, dass ich nicht nur ermuntere, sondern erwarte, dass es eine ehrliche Debatte ist.
Die Voraussetzung, zu der sich die allermeisten hier klar bekannt haben, will ich auch noch einmal deutlich benennen. Es geht nur, wenn es gewaltfrei in der Form abläuft, wie es als Wunschvorstellung angesprochen worden ist. Da nehme ich auch Herrn Bartl und Herrn Gebhardt beim Wort. Sie haben deutlich gesagt, dass Sie bereit sind, offen und ehrlich bei dieser Debatte mitzuwirken. Dann erwarte ich auch, dass Sie alle Möglichkeiten, die Sie haben, ausschöpfen, um sicherzustellen, dass im nächsten Jahr, wenn wir uns am 13. Februar oder um dieses Datum herum wieder treffen müssen, diese Leute zu Hause bleiben,
und dass es eben nicht dazu kommt, dass diese Leute teilweise bundesweit anreisen. Ich denke, dazu können Sie auch einen Beitrag leisten.
Insofern fordere ich alle noch einmal auf, diese Debatte, diese Zeit, die jetzt vor uns liegt, intensiv zu nutzen. Ich fordere Sie zu einer ehrlichen Diskussion auf. Ich bin gespannt, welche Lösungsansätze in dieser Debatte zutage gefördert werden, denn der 13. Februar 2012 – ich will nicht sagen, er steht unmittelbar bevor – aber kommt immer näher.
Herr Staatsminister des Innern, ich hatte in meinem Redebeitrag ausdrücklich gewürdigt, dass Sie Dialogbereitschaft zeigen und gewisse Teilinformationen im Innenausschuss zur Verfügung gestellt haben. Ich hatte aber auch gesagt: Sie sind nicht die gesamte Staatsregierung. Vom Justizminister haben wir diese Informationsbereitschaft in der nicht öffentlichen Ausschusssitzung bisher nicht erkennen können. Wir fragen uns auch, wie Sie die tabulose Aufklärung des Polizeiverhaltens lösen wollen. Ich hatte dazu vorhin ausgeführt. Ich will noch einmal ergänzen: Wir haben einige unserer gestellten Anfragen sehr ausführlich beantwortet bekommen, andere aber gar nicht. Ein Beispiel aus der Drucksache 5/5019: Es liegen keine vollständigen Erkenntnisse vor. Die Beantwortung der Anfragen ist zu aufwendig, also gar keine Antwort, nicht einmal in dem Bereich, in dem ohne Aufwand hätte ermittelt werden können. Die Sorgfalt und Tiefe sind dort durchaus verschieden, und insofern nehmen wir Ihr Angebot an. Wir werden es aber auch einfordern müssen, und zwar für die gesamte Staatsregierung.
Herr Storr, ich gehe davon aus, dass Sie auch von dem Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen möchten. Bitte schön.
Herr Innenminister Ulbig, leider gibt es zwischen dem, was Sie beschwören, und den Taten Ihres Bereiches, den Sie verantworten, doch eine gewisse Lücke. Ich will in dem Zusammenhang – in der Diskussion ist es leider bislang noch nicht aufgetaucht – an das Verwaltungsgerichtsurteil zu den Vorfällen am 13. Februar 2010 erinnern, in dem das rechtswidrige Handeln des Freistaates Sachsen in elementaren Bereichen festgestellt worden ist, wo es zum Beispiel heißt, dass sehenden Auges ein Zustand der Eskalation herbeigeführt worden ist.
Wenn man sich einmal mit den Aussagen und gerichtlichen Feststellungen dieses Urteils beschäftigt, kann man eigentlich nur die Parallele zu diesem Jahr ziehen, wo sich im Grunde die Ereignisse aus dem Vorjahr in diesem Jahr wiederholt haben, sodass – leider muss ich sagen – Sie zu dem Bereich, zu dem Versagen und den Unterlassungen Ihres Hauses und der Behörden, über die Sie immerhin die Rechtsaufsicht als Exekutive und Staatsregierung haben, nichts gesagt haben. Ich hoffe – mehr als Hoffen kann man ja nicht; bekanntermaßen stirbt die Hoffnung zuletzt –, dass Sie sich auch einmal mit dem Urteil auseinandersetzen und das Urteil und die gerichtlichen Feststellungen zu entsprechenden Änderungen im Handeln der Exekutive führen.
Ich möchte nur ganz kurz darauf antworten, um sicherzustellen, dass es nicht das letzte Wort ist, Herr Storr, das Sie hier im Raum zu diesem Thema gehabt haben.
Wenn Sie das Urteil ansprechen und sich angeschaut haben, dann haben Sie darin auch deutlich feststellen können, dass zum Beispiel klar gesagt worden ist, dass das polizeiliche Handeln, bezogen auf die Situation, die sich am Neustädter Bahnhof dargestellt hat, insofern richtig gewesen ist. Es wäre unangemessen gewesen, die Menschen, die sich dort versammelt haben, von der Straße wegzubringen und Gewalt einzusetzen. Insofern will ich noch einmal klar und deutlich aussprechen,
dass nicht die Dinge zusammenhanglos deutlich gemacht werden, sondern an diesem Punkt klar und deutlich die Faktenlage ausgesprochen worden ist.
Wenn es keine weiteren Kurzinterventionen gibt, frage ich die Linksfraktion, ob das Schlusswort gewünscht wird. – Das ist der Fall. Herr Bartl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Modschiedler, Kollege Biesok, Sie werden in dem Antrag kein Wort finden, wo wir gefordert haben, generell Versammlungen oder sonstige Aufmärsche zu verbieten. Wir haben das Problem, dass wir auseinandergesetzt bekommen haben möchten, wie denn die Verwaltungspraxis in der Anwendung der Rechtsprechung in Dresden im Umfeld des 13. und 19. Februar läuft. Nebenbei bemerkt, ich will es in Chemnitz auch zum Beispiel wissen. Es kann nicht angehen, dass es eine angemeldete Versammlung von Neonazis gibt, wie in Chemnitz geschehen, und die Gegenanmelder durch die Bank zwischen 19:00 und 20:30 Uhr am Freitagabend vor dem Samstag den Bescheid bekommen, wo sie „wegverfügt“ werden. Das kann es nicht sein.
Es bestand damit keine Möglichkeit, effektiven Rechtsschutz zu erlangen, geschweige denn die eigenen Versammlungsteilnehmer noch zu erreichen, womit man als Versammlungsbehörde geradezu daraufhin führt, dass die eigenen Versammlungsteilnehmer in eine verbotene Versammlung hineinlaufen, sodass es dann zu Übergriffen von der Polizei kommen kann, weil es Missverständnisse gibt. Dieses Handeln der Versammlungsbehörde ist das,
Wir haben keine Kritik daran, dass man sich als Gericht mehr oder weniger dann nur mit dem polizeilichen Notstand auseinandersetzt, wenn nichts anderes darin steht als der polizeiliche Notstand, der an den Haaren herbeigezogen ist. Da hat das Gericht keine andere Möglichkeit. Wir meinen, da müssen andere Verfassungsgüter eingeführt werden. Diese Problematik wollen wir einfach auseinandergesetzt haben, und nicht Bescheide, die feudale Kameralistik beherrschen. Das ist mein Problem.
Kollegin Friedel, nur zu einem einzigen Punkt. Ich will das hier nicht über Gebühr strapazieren. Dieser Landtag ist 1990 in der Verfassungsdebatte mit der Forderung gestartet, dass alle Ausschusssitzungen öffentlich sind.
Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland Parlamente – Hamburg und dergleichen –, dort ist jede Ausschusssitzung öffentlich. Ich kann nicht zu 17 000 oder 25 000 Menschen in Dresden sagen: Das, was ihr dort gemacht habt, was euch widerfahren ist, debattieren wir als Politiker elitär in geschlossenen Zirkeln. Das ist einfach nicht drin.
Verbotsdebatte: Über die Frage, was man im Versammlungsrecht verbietet oder nicht verbietet und nicht – ich sage es jetzt einmal so – der Nazis Willen Grundrechte aufgibt, die elementarer Art sind und die ich aus eigener Entwicklung heraus zu schätzen weiß, steht völlig außer Debatte für mich. Die Frage ist ja nur, so zu tun, als ob die Verbotsfrage nie stand. Im März 2001 haben Bundestag und Bundesrat einen Antrag auf Verbot der NPD beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht.
Das war der Kanzler Schröder im Januar 2001. Im März 2001 sind Bundestag und Bundesrat hinzugetreten. Aus welchen Gründen 2003 das Verfassungsgericht die Verhandlung ausgesetzt hat bzw. Anträge zurückgenommen worden sind, ist jedem bekannt. Darüber kann man ganz geteilter Meinung sein. Das hat mein Kollege Gebhardt auch gesagt: dass man mit Verboten unter Umständen nichts löst.
Wir wollen im Grunde genommen verstehen, und auch die Menschen, die sich entgegenstellen, wollen wissen, warum so oder so herum entschieden wird, auch von Versammlungsbehörden. Diese Pflicht zur Transparenz, diese Pflicht zur Nachvollziehbarkeit muss das Parlament anmahnen.
Letzter Satz an Herrn Staatsminister Ulbig: Ich will nicht ausbüchsen. Für meinen Kollegen Gebhardt kann ich nicht reden. Ich habe keine Vollmacht. Alles dafür zu tun, dass alles friedlich abläuft, ist okay. Ich weiß nicht, welche Vorstellungen Sie von Autonomen haben. Es tut mir leid, sie nennen sich Autonome. Sie würden sich unter Umständen mit Händen und Füßen wehren, wenn Sie in irgendeiner Form in Verbindung mit den LINKEN als
Struktur in Zusammenhang gebracht würden. Sie würden Ihnen erklären, dass sie weder Sympathisant, Mitglied oder sonst irgendetwas sind. Ob sich die alle als LINKE bezeichnen dürfen, weiß ich auch nicht. Das muss jeder mit sich selber ausmachen. Das, was dort geschieht, dann automatisch zuzuordnen, halte ich für schwierig. Wir wollen nach Kräften mitwirken. Ich habe zwölf oder 13 Mandanten, davon fünf, mit denen ich anwaltlich reden kann, aber ansonsten müssen wir die Dinge realistisch und objektiv angehen. Aber wir müssen darüber reden und nicht wieder warten, bis uns der 13. Februar 2012 ins Haus steht.