Protokoll der Sitzung vom 23.03.2011

Meine Damen und Herren! Ich war bei der Schülerbeförderung. An der Stelle möchte ich noch sagen: Zudem hat auch die örtliche Ebene die Satzungshoheit, was die

Schülerbeförderungskosten anbelangt. Sie kann sicherlich unter Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten, aber auch mit Blick auf die konkrete soziale Situation der Familien vor Ort differenzierte Finanzierungsrichtlinien finden. Denn auch hier macht, wie gesagt, eine sehr differenzierte Sicht auf die tatsächlich eintretenden Belastungen für die Familien Sinn. Es macht demgegenüber keinen Sinn, das pauschal für alle gleich zu handhaben.

Es sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass sich der Freistaat indirekt an der Finanzierung der Kosten für die Schülerbeförderung im Rahmen des FAG beteiligt. Die aktuell zur Verfügung stehenden 54 Millionen Euro des Freistaates Sachsen im Rahmen des Personenbeförderungsgesetzes werden sehr wirksam zur Entlastung der Elternbeiträge in der Finanzierung der Schülerbeförderung eingesetzt.

Meine Damen und Herren! Insgesamt zeigen allein schon diese wenigen Zusammenhänge die vielschichtige Verflochtenheit der Finanzierungsquellen und Gestaltungsmöglichkeiten bei der finanziellen Unterstützung der Eltern beim Schulbesuch ihrer Kinder. Es wäre fatal, meine Damen und Herren, und mit Blick auf staatliche Leistungsfähigkeit auch nicht wünschenswert, diese zusammenhängenden Gestaltungsmechanismen außer Kraft zu setzen, zumal damit auch der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für Bildung und Erziehung der jungen Generation entgegengewirkt würde.

Zudem macht auch eine differenzierte Sicht auf die Bedürftigkeit der einzelnen Familien durchaus Sinn, anstatt nach dem Gießkannenprinzip zu unterstützen. Gerade aber auch hier sollten Gestaltungs- und Verantwortungsebenen nicht verwischt werden. Bei zu geringem Einkommen sichern Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII die Mindestvoraussetzungen einer eigenverantwortlichen Lebensgestaltung. Unabhängig davon dienen zahlreiche weitere Leistungen und steuerliche Vergünstigungen ebenfalls zur finanziellen Unterstützung von Familien. Ich will hier nur das Kindergeld, das Elterngeld oder auch Unterhaltsvorschüsse nennen.

Schließlich will ich auch auf das im Rahmen der HartzIV-Reform verabschiedete Bildungspaket zu sprechen kommen. Das Bildungspaket leistet insbesondere eine gezieltere Förderungsmöglichkeit durch Sach- und Dienstleistungen. Es besteht aus dem Schulbasispaket für den Schulbedarf samt Kostenübernahme für eintägige Ausflüge, der Lernförderung, einem Zuschuss zum Mittagessen in Kindertagesstätten, Schulen und Horten und einem Teilhabebudget für Vereins-, Kultur- und Sportangebote.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: 10 Euro!)

Ich sage auch ganz ehrlich an dieser Stelle: Ich sehe dieses Paket als Schulpolitiker nicht nur unkritisch. Ich hätte mir gewünscht, dass neben diesen sozialen Dingen, die dort benannt werden, gezielter eine Förderung von Bildung hätte stattfinden können. Es wäre sicherlich sehr

hilfreich gewesen, wenn wir dort als Land über die Mittel souveräner hätten entscheiden können, auch im Besonderen mit Blick auf die Lernförderung von sozialschwachen Kindern.

Das ist bislang nicht geschehen. Das muss man einfach kritisch hinterfragen, und ich sehe es auch ein Stück weit kritisch, das will ich an dieser Stelle auch sagen,

(Beifall bei der CDU, den LINKEN und der SPD)

dass diese Finanzierung zeitlich begrenzt ist. Es immer sehr schön, wenn der Bund Wohltaten verteilt und irgendwann in den nächsten drei Jahren möglicherweise die Verantwortung auf die Länder übergeht und wir uns dann um die Finanzierung Gedanken machen müssen. Das steht noch vor uns. Das werden wir auch sehr kritisch diskutieren. Möglicherweise haben wir dann die Möglichkeit, mit der Diskussion im eigenen Land auch diese Mängel, die in der Ausgestaltung des Bildungspakets vorhanden sind, abzustellen.

Schlusswort. Meine Damen und Herren! Bildung ist sicherlich ein hohes Gut, das klingt sehr pathetisch, hat aber einen sehr realen Bezug. Ich denke, dass der Freistaat und auch andere staatliche Stellen, also der Bund beispielsweise, wie eben benannt, sehr bemüht sind, auch Rahmenbedingungen zu schaffen, um jedem Kind eine optimale Teilnahme am Bildungsprozess zu ermöglichen. Ich halte es für gerechtfertigt, dass Eltern maßvoll, vertretbar auch an der Finanzierung beteiligt werden, aber natürlich dort, wo diese Leistungskraft nicht vorhanden ist, staatliches Handeln einsetzen muss. Dazu gibt es aus unserer Sicht gesetzliche Regelungen, Vorgaben mit Gestaltungs- oder Fördermöglichkeiten. Wir halten darüber hinausgehende Initiativen nicht für notwendig.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Wir fahren fort in der allgemeinen Aussprache in der ersten Runde. – Herr Scheel für DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der eine oder andere wird sich vielleicht wundern, dass ich heute hier stehe.

(Zuruf von der CDU: Ja!)

Ich gebe zu, ich war ehrlich begeistert von diesem Antrag, und deshalb habe ich mich geradezu darum gerissen, heute hier reden zu dürfen, weil dieser Antrag vor Problembewusstsein aufseiten der SPD sprüht und natürlich auch vor Lösungskompetenz in den Fragen, die Sie hier angesprochen haben. Die SPD legt mal wieder den Finger in die Wunde und rührt natürlich drin herum. Das ist auch in Ordnung so. Wir glauben Ihnen, dass Sie mit ehrlicher Überzeugung genau diese Themen hier aufgeschrieben haben. Dessen können Sie sicher sein, und wir sind natürlich auch bei Ihnen und unterstützen Sie in aller Breite, wenn es um Kostenfreiheit bei Lernmitteln geht,

wenn es darum geht, Schulfahrten kostenfrei durchzuführen.

Dieser Antrag kostet erst einmal nichts. Deswegen brauchen Sie von mir jetzt auch kein Referat über solides Haushalten zu erwarten, sondern einfach nur die Auseinandersetzung mit dem, was Sie hier vorgelegt haben.

Die SPD meint nämlich, ein Mittel gefunden zu haben gegen die Probleme von nicht kostenlosem Unterricht in diesem Land. Dabei sind sie mehr oder weniger schmerzfrei. Das muss man einfach so sagen, denn Sie stellen sich hier hin und legen einen Katalog des eigenen Scheiterns vor. Ihnen ist es doch anscheinend nicht gelungen, in Ihrer Regierungszeit die Kraft aufzubringen, gegenüber den Damen und Herren auf dieser Seite genau die Fragen, die Sie hier aufgeworfen haben, einer Lösung zuzuführen. Dazu haben Sie in der Koalition nicht die Kraft gehabt.

Nun stellen wir fest, dass Sie leider in der Opposition auch keine Idee haben, wie Sie das Ganze inhaltlich untersetzen könnten.

Herr Scheel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Natürlich gern.

Frau Dr. Stange.

Kollege Scheel, ist Ihnen bekannt, dass wir in der letzten Legislaturperiode genau dieses Schulbudget mit 10 Millionen Euro eingebracht hatten und dass wir in den Haushaltsverhandlungen, die noch nicht allzu lange her sind, deswegen 50 Millionen Euro eingefordert hatten, um genau das umsetzen zu können?

Mir ist bekannt, dass Sie natürlich diverse Initiativen gestartet haben. Umso mehr hat es mich gewundert, dass Sie ausgerechnet drei Monate nach der Haushaltsdebatte einen solchen Komplexantrag auf den Tisch des Hauses legen. Ich kann gar nicht verstehen, wieso auf einmal Ihr Problembewusstsein so gewuchert ist, während Sie das in der Haushaltsdebatte nicht eingebracht haben.

Ich will fortfahren. Sie haben hier einen Antrag vorgelegt, der ein Sammelsurium mit einem Anspruch an die Staatsregierung enthält. Sie möge doch bitte ein Konzept vorlegen. Sie erwarten also allen Ernstes, dass diejenigen, von denen Sie in der Koalition nicht erreicht haben, einen wirklich kostenlosen Schulbesuch durchzusetzen, Ihnen jetzt die Arbeit abnehmen und ein Konzept vorlegen? Ist das wirklich Ihr Ernst?

Wir werden Ihnen nicht im Wege stehen. Doch bis dieses Konzept vorliegt – Sie haben noch nicht einmal ein Datum hineingeschrieben, bis wann es erstellt sein soll –, werden wir weiterhin mit Gesetzentwürfen und Anträgen in diesem Parlament darum kämpfen.

Herr Scheel, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage?

Jetzt können Sie Ihre Zwischenfrage stellen.

Herr Scheel, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass ich als amtierender Präsident die Frage stelle, ob die Zwischenfrage zugelassen wird, und nicht Sie als Redner. Es wäre gut, wenn wir uns an die Spielregeln halten würden. – Herr Jurk, Sie können die Zwischenfrage stellen.

Danke. Ich bin gerührt, Herr Präsident!

Ich will gar nicht Ihren tollen Vortrag würdigen. Aber, lieber Herr Scheel, können Sie mir erklären, warum die Fraktion DIE LINKE heute einen Änderungsentwurf zum Schulgesetz vorgelegt hat, wo sie doch davon ausgehen müsste, dass diese Regierung wirklich keine Gemeinschaftsschulen will?

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Weil ich die Hoffnung, lieber Kollege Jurk, nicht aufgegeben habe, dass wir in diesem Landtag natürlich Mehrheiten bekommen können. Das ist richtig. Ich hoffe doch, dass wir dann gemeinsam dafür streiten werden.

Unabhängig davon haben wir uns eben der Mühe unterzogen, einen eigenen Gesetzentwurf zu erarbeiten und hier zur Diskussion zu stellen. Diese Mühe war Ihnen scheinbar lästig.

(Lachen bei der SPD)

Wie gesagt: Wir stehen Ihnen nicht im Wege. Wir sind auch gern dabei, wenn es Ihnen wirklich ehrlich um die Umsetzung dieser Projekte geht, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Gebe Gott, dass wir nicht zu schnell miteinander regieren müssen, sonst kommen Sie noch in die Verlegenheit, diese ganzen Punkte umzusetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Der nächste Redner für die FDP-Fraktion ist Herr Tippelt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Dem letzten Punkt von Herrn Scheel kann ich natürlich vollkommen zustimmen.

Gleichheit für alle und allen alles kostenlos – das ist das ewig wiederkehrende Motto des linken Spektrums. Das ist auch das Motto des vorliegenden Antrags. Das ist ein Antrag, der wieder einmal zeigt, dass Sie den Bezug zur Realität verloren haben.

Natürlich haben Ihre Wünsche einen gewissen Charme. Aber wir nehmen zur Kenntnis, dass solche Wünsche derzeit nicht finanzierbar sind. Die Hartz-IV-Reform ist

gerade beschlossen worden und schon stimmen Sie das nächste Wunschkonzert an.

(Zuruf der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Dabei beinhaltet diese Reform zahlreiche Verbesserungen für Kinder aus sozial schwächeren Verhältnissen. Die Reform trägt dazu bei, dass viele Kinder und Jugendliche nun eine echte Chance zur Teilhabe in unserer Gesellschaft erhalten. Kollege Colditz sprach es schon kurz an: Künftig können Kinder aus Familien, die auf Hartz IV angewiesen sind, an Klassenfahrten teilnehmen. Sie erhalten 100 Euro für Dinge des täglichen Schulbedarfs. Sie erhalten einen Zuschuss zur Mittagsverpflegung in Schule, Kindertagesstätte oder Hort. Sie erhalten einen Zuschuss zu den Schülerbeförderungskosten. Sie erhalten ein monatliches Budget von 10 Euro für den Mitgliedsbeitrag in einem Sportverein, für den Unterricht in einer Musikschule oder für Aktivitäten der kulturellen Bildung.

Wir wissen natürlich auch, dass zahlreiche Menschen, die im unteren oder mittleren Einkommensbereich liegen, weiterhin Unterrichtsmaterialien oder Schulbücher für ihre Kinder kaufen müssen.

(Annekatrin Klepsch, DIE LINKE, steht am Mikrofon)

Herr Tippelt, gestatten Sie eine Zwischenfrage?