Protokoll der Sitzung vom 23.03.2011

Aber genauso deutlich sage ich: Man kommt nicht um das Urteil umhin, wenn man sich mit den Ereignissen beschäftigt, dass es sich natürlich bei der linken Gewalt um eine viel höhere Intensität handelt. Im Übrigen – das ist auch noch ein wesentlicher Unterschied – richtete sich die sogenannte rechte Gewalt, die Sie hier bemühen, im Gegensatz zur linken Gewalt nicht gegen die Ausübung eines Grundrechtes. Da bestehen nämlich durchaus einige qualitative Unterschiede, die Sie hier leider nicht genannt haben.

Die nächste Kurzintervention von Frau Jähnigen, bitte.

Ich habe noch vor dem 19. Februar 2011 eine Kleine Anfrage gestellt, in der aufgezählt wurde, welche Angriffe gegen das Wohnprojekt „Praxis“ in dem entsprechenden Stadtteil mit rechtsextremem Hintergrund stattfanden. Die Liste dieser Aufzählungen ist lang. Sie können das in der einschlägigen Drucksache nachsehen. Wir haben gesehen, dass auch am 19. Februar Leib und Leben bedroht worden sind, nicht nur Grundrechte, sondern das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit im Wohnprojekt „Praxis“ und an anderen Orten auch, unter anderem in einer Gaststätte auf der Zwickauer Straße.

Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum die Polizei diese Gefährdungssituation nicht von vornherein erkannt und diese Bedrohung abgewendet hat. Das wird aufzuklären sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Storr, wollen Sie reagieren?

Sie sehen, dass ich im Gegensatz zu Ihnen durchaus auch über rechte Gewalt rede. Sie verweigern sich ja in der Diskussion zum Thema linke Gewalt. Mir liegen Berichte vor – das sage ich noch einmal ganz klar – zum Wohnhaus „Praxis“ in Löbtau, dass die Vorbeimarschierenden aus dem Haus mit Steinen beworfen wurden und diese die Steine dann zurückgewor

fen haben. Das rechtfertigt nicht das Werfen von Steinen, auch wenn man vorher damit beworfen worden ist.

Man muss sich doch auch einmal um ein ausgewogenes Bild bemühen. Im Gegensatz zu Ihnen bemühe ich mich darum. Ich will keine Gewalttaten, egal, ob von Links oder von Rechts, gerechtfertigt haben. Aber, Entschuldigung, selbst wenn man bejaht, dass es sich hier auch um sogenannte rechte Gewalt handelt, steht das doch in einem ganz anderen Verhältnis zu der linken Straßengewalt, die wir erlebt haben. Das muss doch jeder objektive Beobachter einfach feststellen!

(Beifall bei der NPD)

Insofern vergleichen Sie Äpfel mit Birnen, und das ist unseriös. Darauf möchte ich Sie hingewiesen haben.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Eine weitere Kurzintervention von Herrn Prof. Besier.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir drehen uns doch im Kreise, wenn von „rechter“ oder „linker“ Gewalt gesprochen wird. Im Hintergrund steht die unsinnige Extremismustheorie. Es gibt keine „linke“, es gibt keine „rechte“, es gibt Gewalt. Wir müssen uns fragen, welche Ursachen diese Gewalt hat. Da sind individuelle Ursachen, soziale Ursachen zu nennen, existenzielle Überforderungen von Menschen. Wenn es uns nicht gelingt, die alten Klischees zu überwinden, schaden wir der Demokratie, indem wir Attributierungen vornehmen und sagen: Aha, es sind „die Linken“ oder es sind „die Rechten“. Das Gewaltphänomen ist, so beschrieben, unsinnig. Wenn wir den Dingen auf den Grund gehen wollen, müssen wir fragen, was Menschen veranlasst, Gewalt auszuüben.

(Alexander Krauß, CDU: Ideologie, Herr Besier!)

Eben nicht, Herr Krauß. Herr Krauß, jetzt folgen Sie den alten Klischees. So kommen wir nicht weiter.

Herr Prof. Besier, Sie müssen in Ihrer Kurzintervention auf den Redebeitrag eingehen.

Davon war die Rede. Es war die Rede von „linker“ und „rechter“ Gewalt. Ich habe nur auf den Zwischenruf von Herrn Krauß reagiert. Das wird doch wohl möglich sein.

Wir müssen, so meine ich, den Dingen auf den Grund gehen wollen und uns in ganz anderer Weise dem Gewaltphänomen nähern. Es handelt sich in der Tat um ein anthropologisches Phänomen. Menschen nutzen Gewalt. Diese Gewalt ist nicht, wie Sie meinen, politisch zu verorten, sondern sie gehört zum Wesen des Menschen. Ein Problem ist beispielsweise mangelnde Bildung.

(Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU – Allgemeine Unruhe)

Sie wollen doch nichts anderes, als diese bedauerlichen Vorkommnisse, die das friedliche Gedenken verletzen, politisch instrumentalisieren. Das ist Ihr Problem. Sie werden mit dieser politischen Instrumentalisierung – und wenn Sie das Jahr für Jahr wiederholen – nicht durchkommen, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil es eben nicht erklärungskräftig ist.

(Beifall bei den LINKEN)

Gibt es eine Entgegnung? – Das sehe ich jetzt nicht. Wir setzen unsere Rednerrunde fort. Die Staatsregierung hat in dieser Runde keinen Redebedarf signalisiert, sodass nun die einbringende CDU-Fraktion das Wort mit Kollegen Rohwer hat.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Storr, wenn Sie von sich behaupten, dass Sie auch bereit sind, über rechte Gewalt zu sprechen, dann vermisse ich aber ausdrücklich, dass Sie sich von dieser rechten Gewalt distanzieren. Das haben Sie mit keiner Silbe getan!

(Beifall bei der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Es sind genau Ihre Horden und Ihre Gewalttäter aus Ihrem Umfeld, die wir in dieser Stadt nicht brauchen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und den GRÜNEN – Protest bei der NPD)

Ihre Leute haben in der Stadt Angst und Schrecken verbreitet. Ihre Leute sind gezielt zur „Praxis“ gelaufen. Es war doch nicht so, dass sie einfach in die Stadt reingelaufen sind und geguckt haben, wo sie hingehen. Nein, sie sind gezielt zur Columbusstraße hingelaufen, Herr Storr. Ich weiß es relativ genau, denn ich habe auch Informationen, dass dieser unangemeldete und nicht bekannte Demonstrationszug der Rechten im Vorfeld angegriffen worden ist, bis er zur „Praxis“ gekommen ist. Aber das rechtfertigt in keiner Weise diesen Gewaltexzess Ihrer Leute dort.

(Beifall bei der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Übrigens, wenn sie von Freital nach Dresden marschieren und zu den Demonstrationsaufmarschplätzen hinter dem Bahnhof wollen, dann müssen sie nicht über Löbtau laufen. Das ist ein Umbogen. Die sind gezielt da hingegangen und wollten dort provozieren. Das ist meine Meinung.

(Andreas Storr, NPD: Ich war gar nicht da!)

Nicht Sie, sondern „die“, hatte ich gesagt.

Deswegen ist der 13. Februar eben so ein schwieriges und auch emotionales Datum hier in diesem Sächsischen Landtag, denn er ist eigentlich der Tag eines friedlichen Gedenkens und eines Zeichens für Versöhnung. Doch die Nazis in dieser Stadt instrumentalisieren diesen Tag für ihre politischen Zwecke.

(Andreas Storr, NPD: Nein, das tun Sie!)

Das tun Sie seit vielen Jahren, angefangen mit der JLO und mit ihren ganzen Demonstrationen, die sie auch dieses Jahr beantragt haben.

Am 13. und 14. Februar ist es eine schwierigere Situation, aber soweit wir vom 13. und 14. Februar weg sind – das waren wir dieses Jahr am 19. Februar –, dann ist es richtig, dass sich sämtliche demokratischen Kräfte in dieser Stadt engagieren, und das haben sie mit Mahnwachen und vielen anderen Aktionen in dieser Stadt auch getan.

Als Mensch und als Dresdner Bürger ist aber der gewalttätigen Auseinandersetzung aufs Schärfste zu widersprechen. Diese Stadt hat Gewalt satt!

(Beifall bei der CDU und der FDP)

An dieser Stelle kommen wir nicht umhin, meine sehr geehrten Kollegen von der LINKEN-, SPD- und GRÜNEN-Fraktion, auch darüber zu sprechen, was unsere Versammlungsfreiheit beinhaltet. Ich stimme dem Präsidenten des Oberverwaltungsgerichtes Bautzen ausdrücklich zu, wenn er in seinem Namensartikel schreibt, dass das Grundgesetz auch extreme Meinungen schützt. Auch dieser Schutz des Grundgesetzes umfasst die Versammlungsfreiheit. Wenn Sie dann, Herr Kollege Dulig, am Tag nach den Gewaltexzessen des 19. Februar dieses Jahres in Dresden der Polizei Totalversagen vorwerfen und es nicht fertigbringen, dieses vorgeworfene Totalversagen hier an dieser Stelle im Sächsischen Landtag zurückzunehmen und sich zu entschuldigen, dann ist es aus meiner Sicht Ihr Totalversagen gegenüber der Polizei.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wenn ich nicht ganz falsch geschaut habe, dann waren Sie es doch, Herr Kollege Dulig, der in die Kameras gelächelt und gesagt hat: Ja, wir begehen jetzt hier einmal eine Ordnungswidrigkeit. Sie haben damit gegen Regeln und Gesetz verstoßen. Was soll denn ein Polizist davon halten, wenn ein Fraktionsvorsitzender im Sächsischen Landtag dies als eine Lappalie hinstellt?

(Andreas Storr, NPD: Das ist doch Zivilcourage!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Kollege Rohwer?

Bitte, Kollege Dulig.

Haben Sie meiner Rede vorhin nicht zugehört – weil ich doch genau diese Unterscheidung getroffen habe?! Sollte es ein Missverständnis gegenüber dem einzelnen Polizisten gegeben haben, habe ich mich entschuldigt.

Nur, ich lasse mir von Ihnen nicht die Redlichkeit meiner Argumente absprechen – –

Kollege Dulig, die Frage, bitte.

Ich habe gefragt, ob er es nicht gehört oder nicht verstanden hat, weil er mir Unterstellungen anwirft, die so nicht richtig sind.