Die SPD hat noch eine halbe Minute Redezeit. Möchte sie davon Gebrauch machen? – Dann Herr Colditz von der CDU-Fraktion, bitte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf einige Ausführungen will ich kurz eingehen. Zuletzt hat Frau Werner gesprochen. Frau Werner, ich gebe Ihnen völlig recht: Wir brauchen unter anderem eine Aktualisierung der Prognosen. Gerade das Beispiel vom Leipziger Land, was Sie angesprochen haben, macht das in besonderer Weise deutlich. Dass dort sicher eine Diskrepanz aufgetreten ist zwischen dem, was das Ministerium prognostiziert hat, und dem, was real eingetreten ist, belegt genau diese Situation.
Allerdings muss man sich vergegenwärtigen – da weiß ich um das regionale Engagement meines Kollegen Breitenbuch vor Ort, der sich für diese Schulstandorte sehr eingebracht und engagiert hat –, dass mittlerweile, gerade diese drei strittigen Schulstandorte betreffend, eine gewisse Kontinuität eingetreten ist und das Moratorium für diese Schulstandorte nicht unbedingt greifen muss; denn die Realitäten sind andere und die Bestandssicherheit ist ohne Moratorium gewährleistet.
Meine Damen und Herren! Selbstverständlich sind wir uns darin einig, dass kommunale Selbstverwaltung ein hohes Gut ist, was anzuerkennen ist, was auch das Kultusministerium anzuerkennen hat und auch anerkennt. Davon gehe ich aus. Aber wenn ich dieses kommunale Engagement anerkennen will, dann erwarte ich auch, dass auf kommunaler Ebene Verantwortung wahrgenommen wird.
Das Wahrnehmen von Verantwortung kann sich eben nicht darin erschöpfen, indem man sagt: Wir lehnen uns jetzt zurück und brauchen gar nichts mehr zu tun; es gibt dieses Moratorium, wodurch wir im Prinzip nicht mehr handeln müssen. Das Moratorium ist eine Gelegenheit, sich über veränderte Rahmenbedingungen im Klaren zu werden und darauf aufbauend Entscheidungen zu treffen. Das Moratorium regt nicht dazu an, Überlegungen zur Schulnetzplanung völlig außer Kraft zu setzen bzw. aus dem Blick zu verlieren. Im Gegenteil, es schafft Raum und Zeit, diese Überlegungen anzustellen.
Frau Dr. Stange, wenn ich da von Unsicherheiten höre, die jährlich immer wieder eine Rolle spielen, ist das
sicher ein Thema. Das ist richtig. Diese Unsicherheiten haben wir jährlich. Ich beklage das genauso wie Sie. Ich finde das echt kontraproduktiv. Mit Schulpolitik hat das wenig zu tun. Wir sollten über ganz andere Themen als über solche Dinge reden, aber wir müssen auch darüber reden. Das ist richtig.
Am ehesten werden diese Unsicherheiten dann ausgeräumt, wenn wir gemeinsam unsere Verantwortung auf den verschiedenen Ebenen wahrnehmen. Da ist sicher das Kultusministerium gefordert, vorhandene gesetzliche Rahmenbedingungen – § 4a – weitestgehend auszuschöpfen. Darin gebe ich Ihnen recht, Frau Giegengack. Damit hatten wir schon seit dem Volksantrag unsere Probleme. Das hat sich ein Stück weit normalisiert, aber möglicherweise kann man noch mehr daraus machen.
Man muss auch im Blick behalten, dass die Entscheidungen vor Ort analysiert und bedacht werden und dass Überlegungen angestellt werden, wie man Schülerströme so lenken kann, dass der dünn besiedelte Raum eben wirklich gut wegkommt.
Zur Bildungsempfehlung. Ich denke, wir alle miteinander im Haus – egal welche Fraktion – waren mit der Bildungsempfehlung von 2,5 zutiefst unzufrieden. Sie als SPD waren es genauso wie wir. Wir wollten es beide in der Koalition nicht. Wir wissen beide, wie die 2,5 zustande gekommen ist. Das war eine reine Notlösung, nachdem wir uns auf eine gemeinsame Verständigung nicht einigen konnten. Wir wissen aber auch, dass die 2,5 völlig kontraproduktiv für die Schulentwicklung in Sachsen war. In Dresden hatten wir Übergänge ans Gymnasium von 80 %.
Meine Damen und Herren, da kann man sonst wie fordern, dass wir mehr Akademiker brauchen, aber 80 % der Übergänge von der Grundschule ans Gymnasium sind schlichtweg unrealistisch, ungesund und spiegeln bei Weitem nicht das Leistungsniveau der Kinder wider.
Das war einfach Unfug, und ich bin froh, dass dieser Unfug jetzt abgeschafft ist. Mittlerweile haben wir mit 2,0 wieder Normalität, was die Übergänge betrifft. Sicherlich haben wir damit erreicht, dass sich auch Ströme in Richtung Mittelschule neu orientieren. Das ist auch so gewollt. Dabei geht es nicht vordergründig um die Rettung der Schulstandorte, sondern darum, dass auch an den Mittelschulen weiterhin leistungsstarke Schüler vorhanden sind und dass auf der anderen Seite das Gymnasium so gestärkt wird, dass wir durch eine entsprechende Bildungsempfehlung das relativ hohe Niveau der Gymnasien aufrechterhalten.
Letzte Bemerkung zu den Gemeinschaftsschulen: Meine Damen und Herren, wir werden nachher noch über das Thema Gemeinschaftsschulen diskutieren. Ich denke, man kann vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung den Menschen im Land nicht ernsthaft vorgaukeln, dass man mit irgendeiner veränderten Schulstruktur das demografische Problem löst. Das ist es doch nicht!
Die Kinder sind nur einmal da. Auch mit einer Gemeinschaftsschule komme ich an Grenzen, wenn ich die Schulstandorte vor Ort erhalten will. Es ist eine Vorgaukelei falscher Gegebenheiten, wenn ich sage: Mit der Gemeinschaftsschule können wir flächendeckend alle oder mehr Schulen erhalten. Das ist es doch nicht! Auch dort kommen wir an die Grenzen des Machbaren und das sollten wir gemeinsam im Blick behalten.
Wünscht die Fraktion GRÜNE noch einmal das Wort? Frau Giegengack, möchten Sie noch einmal sprechen? – Nein. Dann beginnen wir jetzt wieder mit der Linksfraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Kollegin Falken hatte mich schon angekündigt. Reden wir mal über die Mittelschule Seifhennersdorf in der Oberlausitz. Einige von Ihnen kennen vielleicht den Grenzübergang, wenn sie ins Riesengebirge fahren. Die 5. Klasse kann bis zum Schuljahresende zusammenbleiben – dank Ihrer weisen Entscheidung, Herr Prof. Wöller. Sie war ja bedroht und sollte im Halbjahr auseinandergerissen werden.
Wir dachten, die Schule ist gefährdet, vielleicht entscheiden sich die Eltern jetzt etwas anders, vielleicht gehen sie jetzt die Wege in die Nachbarschulen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Eltern halten zu ihrer Schule. Die Eltern haben das gezeigt: Während in den vergangenen Jahren 20, 22 Schüler in der Mittelschule angemeldet worden waren, sind es in diesem Jahr bis jetzt 34 Schüler.
Die Tendenz ist steigend – vielleicht dank der Bildungsempfehlung, die Herr Colditz soeben so verteidigt hat. Aber es zeigt, dass es so weitergeht. Nun soll diese Mittelschule geschlossen werden, weil das ja im Schulnetzplan des Kreises so vorgesehen ist. Ich finde, das ist eine Ungleichbehandlung der Schulen. Die einen, für die der Beschluss noch nicht im Plan steht, können vielleicht vom Moratorium betroffen sein, aber die anderen, für die es schon beschlossen ist, werden nicht mehr berührt, auch wenn dort eine steigende Zahl an Anmeldungen zu verzeichnen ist und in den nächsten Jahren weitere Steigerungen zu erwarten sind.
Der Schulträger, die Stadt Seifhennersdorf, steht zu seiner Schule. Der Stadtrat hat gemeinsam mit der Bürgermeisterin eine Klage gegen den Schulnetzplan des Kreises eingereicht. Damit ist eigentlich der Schulnetzplan des Kreises Görlitz nicht gültig – ich bin nicht so rechtsgelehrt –, weil die Klage aufschiebende Wirkung für die Gültigkeit des Schulnetzplanes hat. Nun könnten wir ja anders entscheiden. Nun könnte der Fortbestand dieser Mittelschule gesichert sein.
Andere Schulen sind bei Fortbestand der Mittelschule Seifhennersdorf nicht gefährdet. Schauen wir in die Umgebung: Da gibt es die Schule in Oderwitz mit 40 Anmeldungen. Sollen dort noch Schüler aus Seifhennersdorf hin? Die Schule soll jetzt bei laufendem Schulunterricht saniert werden. Stellen Sie sich das vor! Oder die Mittelschule in Ebersbach: Dort liegen über 70 Anmeldungen vor und es ist eine satte Dreizügigkeit gesichert. Wenn dort noch Schüler aus Seifhennersdorf hin müssten, wäre mit einer Vierzügigkeit zu rechnen, die bei steigenden Schülerzahlen aufgrund der Bildungsempfehlung und weiter ansteigender Kinderzahlen in den nächsten Jahren sogar möglich sein kann.
Es ist also notwendig, mehr Schulen im ländlichen Raum zu erhalten und vielleicht sogar neue zu schaffen. Wir brauchen diese Schulen im ländlichen Raum. Wir denken, dass das Schulschließungsmoratorium sehr gerecht angesetzt werden sollte. Man sollte nicht solche Schnitte vornehmen: Bisher waren die ja so wenig und nun könnten wir ja vielleicht... Aber nein, es geht nicht; es ist ja beschlossen.
Die Kreistage haben unter großem Druck, unter den bisher bestehenden gesetzlichen Bestimmungen ihre Schulnetzpläne beschlossen. Wenn sie solch einen Weg gegangen sind wie Leipzig – meine Kollegin Werner hat es dargestellt –, haben sie sehr oft ihre Schulnetzpläne zurückbekommen und mussten sie verändern. Ich weiß das vom Niederschlesischen Oberlausitzkreis.
Ich denke, man sollte jetzt diese Chance ergreifen, die neuen Bedingungen auf die Schulnetzpläne voll anwenden und den Schulen – so auch der Schule in Seifhennersdorf – eine Zukunft und den Eltern eine wohnortnahe Bildung ihrer Kinder ermöglichen. Denn wenn man es nur als Wahlversprechen sieht, wie es hier schon angesprochen worden ist, dann wird die FDP, vielleicht die Koalition insgesamt, ihre Ergebnisse bei den nächsten Wahlen sehen. Schauen wir nur nach Sachsen-Anhalt!
Meine Damen und Herren! Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann bitte ich jetzt die Staatsregierung, das Wort zu nehmen. – Herr Staatsminister Prof. Wöller, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Debatte war in weiten Teilen eine Diskussion über Standorte. Die Frage der Standorte ist eine wichtige Frage, insbesondere die Eltern und Schüler betreffend, aber sie kann nicht die alleinige Frage sein, über die hier im Hohen Haus zu debattieren ist.
Gänzlich unbeachtet ist das Thema Qualität geblieben – bis auf Kollegen Colditz, der darauf hingewiesen hat, dass
neben der Standortfrage auch die Bildungsqualität wichtig ist. Die Frage lautet: Warum soll ein Schulkind in einer Großstadt bessere Angebote haben – mehr sprachliche Profile, mehr naturwissenschaftliche Profile, mehr Neigungskurse – als beispielsweise ein Kind im ländlichen Raum?
Die zweite Frage, die damit verbunden ist, ist die der Lehrerversorgung. Das in Rede stehende Moratorium hat eine Wirkungskonsequenz von zehn Jahren, von der ersten Klasse der Grundschule – weil es vier Jahre läuft – bis zur Abgangsklasse 10 in der Mittelschule.
Sie können das gern nachrechnen. Sie haben ja den Stift schon gespitzt und wir können uns danach noch einmal unterhalten.
Die Frage der Lehrerversorgung muss gesichert sein. Das heißt, wir müssen alle Schulstandorte, die es gibt, langfristig beschulungsfähig halten.
Zum Entschließungsantrag. Dieser Entschließungsantrag ist im Rahmen der Diskussion und Beschlussfassung zum Haushaltsbegleitgesetz am 15. Dezember 2010 von diesem Hohen Haus beschlossen worden. Er ersucht die Staatsregierung, von Mitwirkungsentzügen bei Mittelschulen für vier Schuljahre im ländlichen Raum abzusehen. Die Bedingung ist: Die Schülerzahlen müssen mindestens die 20 erreicht haben, damit eine Eingangsklassenstufe gebildet werden kann. Dies gilt nicht für Schulen – auch das ist im Laufe der Debatte ausgeführt worden –, deren Aufhebung in den Schulnetzplänen bereits beschlossen worden ist.
Dieses Moratorium findet seine Begründung in der geänderten Bildungsempfehlung. Die geänderte Bildungsempfehlung führt zu einem geänderten Übergangsverhalten.
Herr Staatsminister, gestatten Sie mit Hinweis auf die Situation zunehmender Schüleranmeldungen an den Mittelschulen eine Reminiszenz an Kurt Biedenkopf. Er hat in diesem Landtag einst gesagt, man solle nicht die Wirklichkeit an die Gesetze anpassen, sondern die Gesetze an die Wirklichkeit.
Sehen Sie es nicht als notwendig an, dass, wenn man die Realität betrachtet und sich die Schülerzahlen verändert haben, man dann konsequent ist und Gesetze bzw. Schulnetzpläne anpasst?
Ich stimme Ihnen grundsätzlich zu, dass wir selbstverständlich die Gesetze so handhaben müssen, indem wir die Wirklichkeit berücksichtigen. Richtig ist allerdings auch, dass wir durch die gesetzlichen Beschlüsse – sei es die Übergangsempfehlung auf der einen Seite oder Moratorien auf der anderen Seite –, diese Wirklichkeit nicht außer Kraft setzen können.
Ich habe schon gehört, dass einige Kreistage beschlossen haben, Schulstandorte generell zu erhalten. Man könnte auch die Frage stellen: Warum beschließen sie nicht gleich, dass die Schülerzahlen erhalten werden sollen? Dann hätten wir nämlich in diesem Hohen Haus kein Problem.