Protokoll der Sitzung vom 24.03.2011

Als Beispiel seien nur folgende Teilziele genannt: Verdeutlichung und bessere Würdigung der Leistungen von Frauen, weg von typischen Frauen- und Männerberufen, Erweiterung des Spektrums der Berufswahl, Informationen über die Brustkrebsfrüherkennung, Erhöhung des Frauenanteils in den MINT-Fächern.

Meine Damen und Herren, diese kurze Aufzählung, die sich beliebig fortführen ließe, spricht Themen an, die hier im Sächsischen Landtag bereits behandelt wurden und zu welchen seitdem verschiedene Maßnahmen durchgeführt wurden, um Verbesserungen zu erreichen.

Weiterhin ist das gleichstellungspolitische Maßnahmenpaket des Landes Brandenburg auch unter einem anderen Gesichtspunkt als fragwürdig zu bezeichnen. So stehen von den über 60 aufgezeigten Maßnahmen knapp 40 unter dem Primat des Haushaltsvorbehaltes, womit man in der Folge noch nicht einmal sicher sein kann, ob diese überhaupt realisiert werden können.

Ich habe ein solches Handlungskonzept auch als problematisch bezeichnet. Lassen Sie mich abschließend noch kurz darauf eingehen. Das gleichstellungspolitische Rahmenprogramm des Landes Berlin unter dem Titel „Strategien für ein geschlechtergerechtes Berlin“ greift viele Facetten und Handlungsfelder auf, welche einer Verbesserung bedürfen. Beispielsweise wird dabei unter dem Handlungsfeld „Elternkompetenz“ die Zielrichtung vorgegeben, Mütter und Väter für eine geschlechtergerechte Erziehung und Bildung zu sensibilisieren. Ich glaube nicht, dass es Sinn und Zweck eines Konzeptes sein kann, Eltern vorzuschreiben, wie sie ihre Kinder zu erziehen haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es bestünde durchaus die Möglichkeit, dass bei Zustimmung zu diesem Antrag auch Entsprechendes in Sachsen passieren könnte, und dagegen sprechen wir uns aus.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Wir werden daher den vorliegenden Antrag ablehnen und ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Für die FDP-Fraktion Frau Abg. Jonas; bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor 20 Jahren galt es noch für die Gleichberechtigung zu kämpfen. Heute sagen 77 % der Bevölkerung, Gleichstellung sei ein wichtiges gesellschaftliches Thema. Das ist einer Untersuchung des Bundesministeriums für Frauen, Senioren, Familie und Jugend in einer groß angelegten Studie mit dem Titel „Wege zur Gleichstellung“ entnommen.

Junge Frauen und Männer gehen heute ganz selbstverständlich davon aus, dass sie die gleichen Startbedingungen und Verwirklichungschancen haben. Gut qualifizierte Frauen wollen ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und ihre Lebensphasen nach eigenen Vorstellungen gestalten. Es ist schon vom Antragsteller festgestellt worden, dass keine Frage darin besteht. Starre tradierte Rollen und Stereotypen sind in Bewegung gekommen. Aber Handlungskonzepte sind nicht das, was Gleichstellung befördert. Nur das, was wir tun, verändert die Situation, und darauf kommt es an.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Bildung ist dabei der Schlüssel für eine erfolgreiche Teilhabe in den unterschiedlichen Bereichen und Funktionen. In kaum einem anderen Bereich haben Frauen in den letzten 40 Jahren so aufholen können. Wir wollen Mädchen und Jungen in den verschiedenen Berufsorientierungstagen dafür sensibilisieren, dass die typische Studien- und Berufswahl aufgebrochen wird. Ich erinnere dabei an „Schau rein“; oder es gab einmal den Girls’Day, jetzt gibt es analog dazu noch den Boys’Day, um den jungen Männern die typischen Frauenberufe näherzubringen.

Es passt zu keiner gleichberechtigten Gesellschaft, dass Kinder von Geburt an bis zum Schulabschluss vorwiegend nur weibliche Bezugspersonen erleben. Auch darauf wurde entsprechend reagiert, und gerade in unserem Bundesland beteiligen wir uns an dem Programm „Mehr Männer in Kitas“, bei dem die Modellregion des Erzgebirgskreises einen entsprechenden Vorstoß wagt. Gleichzeitig brauchen wir Frauen in wissenschaftlichen Berufen – übrigens genau die Berufe, die auch sehr karriereförderlich sind.

Gleichstellung fordert auch eine flexible Kinderbetreuung. Auch hier wollen wir als Land investieren – für eine hohe Lebensqualität unserer Familien in Sachsen.

Viele weitere Punkte könnten angesprochen werden, die immer wieder auch dieser spezifischen Bedarfslage entsprechen; Sie können einen Teil der Stellungnahme der Staatsregierung entnehmen. – Ich gehe davon aus, dass Frau Clauß noch einmal darauf eingehen wird.

Unter alle diesen Bedingungen ist uns völlig bewusst, dass diese Unterstützung – die Gleichstellung der Geschlechter – eine Situation ist, von der beide profitieren: Frauen und Männer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Gleichbehandlung tragen wir aber nicht bei, indem wir theoreti

sche Konzepte entwerfen. Im Gegenteil: Gute, alltägliche Praxisarbeit, permanent für das Thema sensibilisieren und zur Eigenverantwortung anhalten – das sind die richtigen Maßnahmen. Es geht also nicht um Papierkonzepte und Zugangsquoten, sondern um eine dauerhafte Weiterentwicklung der Elternrollen, der Familienstrukturen, der Möglichkeiten der Arbeitsorganisation und der Zeiteinteilung. Chancengleichheit betrifft nicht nur Frauen, sondern auch die Männer in der gesamten Gesellschaft. Ein frauen- und gleichstellungspolitisches Handlungskonzept ist dabei eben nicht das, was Frauen wollen, nämlich definitiv keine Sonderrolle.

Im Rahmen des Eingangsstatements kam bei mir dann schon die Frage nach den Frauen in Führungspositionen auf. Wenn man sich die antragstellenden Fraktionen einmal anschaut, muss man feststellen, dass sowohl die Funktionen der Fraktionsvorsitzenden als auch der parlamentarischen Geschäftsführer alle von Männern besetzt sind. Wie kommt denn das?!

(Oh-Rufe)

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Stefan Brangs, SPD: Sie kritisieren Ihre eigene Fraktion! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Abg. Kallenbach, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich haben wir uns über einen Antrag zum Thema Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit gefreut – schlechthin urgrüne Programmatik seit Gründungstagen. Doch die Abgeordneten der LINKEN und der SPD erwarten also von der Staatsregierung ein frauen- und gleichstellungspolitisches Handlungskonzept.

Das erinnert mich sehr an die gestrige Debatte. Da war doch von Hoffnung auf zukunftsweisende Konzepte, von Hoffnung, die zuletzt stirbt, die Rede – die dennoch ganz schnell im Keim erstickt wurde.

Erwarten Sie tatsächlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Ihnen die Staatsregierung ein Konzept vorlegen wird, das Ihre inhaltlichen Zielstellungen trifft? Machen Sie mit Ihrem Antrag nicht eher den Bock zum Gärtner – wohl wissend, dass sich der Bock nicht zum Gärtnern eignet?

(Zuruf von der NPD)

Ich habe bisher wahrgenommen, dass Gleichstellungspolitik bei der Sächsischen Staatsregierung kaum eine ernstzunehmende Rolle gespielt hat. Haben Sie wirklichen Gestaltungswillen entdeckt? Wenn wir tatsächlich einen entscheidenden Schritt nach vorn machen wollen, müssen wir – und damit richte ich meinen Blick auf alle demokratischen Oppositionsparteien – selbst Ideen und konkrete

Vorschläge entwickeln und können dies nicht der Staatsregierung überlassen.

(Zurufe von der CDU und der NPD)

Warum? Leider weisen die bisherigen Erfahrungen nicht in die Richtung moderner und wirklich gerechter Frauen- und Gleichstellungspolitik.

Stichwort Doppelhaushalt 2011/2012. Frau Deicke hat Ihnen schon Beispiele gebracht. Das Budget in puncto Gleichstellungspolitik wurde durch unzumutbare Kürzungen zur Bedeutungslosigkeit degradiert. Dennoch wurde die Leitstelle zur Gleichstellung von Mann und Frau inhaltlich wesentlich erweitert. Zusätzliche Handlungsfelder wurden integriert. Dagegen wäre ja eigentlich nichts einzuwenden, wenn nicht die Handlungsfähigkeit der neuen Leitstelle von Anbeginn infrage gestellt worden wäre. Mehr Aufgaben bei weniger Finanzen. Wer es mit diesen wichtigen Politikfeldern wirklich ernst meint, muss schlichtweg anders handeln.

Und noch ein konkretes Beispiel aus der Frauenpolitik: die Förderung von Existenzgründungen und Unternehmenssicherungen von Frauen im ländlichen Raum. Hier wurde mehr als eine halbe Million Euro im aktuellen Doppelhaushalt eingespart. Diese Zahl spricht für sich. Es geht auch anders. Auch ich möchte den Blick nach Berlin auf das gleichstellungspolitische Rahmenprogramm richten, das es dort seit 2008 gibt. Das hat offensichtlich auch die Kollegin von der CDU-Fraktion wahrgenommen. Es geht da bei Weitem nicht nur um Kindererziehung. Aber dieses Rahmenprogramm wird tatsächlich in die Praxis umgesetzt. Herrscht dort ein anderes politisches Klima oder ist man in Berlin näher dran an europäischen Standards und diesbezüglichen Vorgaben? In Sachsen sind wir leider noch meilenweit davon entfernt.

Noch einmal kurz zurück zum Anfang meiner Rede, zum gärtnernden Bock. Wie viele konkrete Gesetzesvorlagen und Initiativen gab es bisher seitens der Staatsregierung zum Thema Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit? Richtig: keine einzige. Das sollte uns stutzig machen. Unser Fazit lautet daher: Wollen wir wirklich auf die in der Stellungnahme der Staatsregierung angekündigten Handlungsempfehlungen warten? Nein. Es sollte unsere Aufgabe als Opposition sein, diese zu gestalten und konkrete Forderungen zu erheben. Da sind wir doch wieder beim Prinzip Hoffnung. Vielleicht können wir damit den gesellschaftlichen Druck so erhöhen, dass die Staatsregierung endlich ernst macht mit einer geschlechtergerechten Gleichstellungspolitik, die den Namen wert ist. Was uns heute zur Abstimmung vorliegt, ist einfach unzureichend. Daher werden wir uns enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und nun die NPDFraktion. Frau Schüßler, Sie haben das Wort.

Danke. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Antrag vom September letzten Jahres werden Dinge gefordert, die durch den von Frau Staatsministerin Clauß angekündigten Gleichstellungsbeirat, der ab 1. Juni 2011 seine Arbeit aufnehmen soll, abgedeckt werden könnten. So habe ich jedenfalls die Antwort auf meine Kleine Anfrage in der Drucksache 5/4758 verstanden. Der Antrag könnte also für erledigt erklärt werden.

Die Staatsregierung hat sich aber die Mühe gemacht, in einer ausführlichen Stellungnahme noch einmal alle möglichen Aspekte der sächsischen Gleichstellungspolitik darzustellen. Auf die Begriffe Gleichstellungspolitik und Chancengleichheit folgt wie immer unweigerlich die Phrase von der „besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Ich weiß nicht, ob nur mir das seltsam vorkommt – diese Vereinbarkeit zielt ja nur auf Frauen, besser gesagt auf die Mütter, die ihre Kinder in diversen Tageseinrichtungen unterbringen sollen, damit „chancengleich das Potenzial der gut ausgebildeten Frauen besser ausgeschöpft werden kann“. Ausgeschöpft, nicht abgeschöpft.

Früher hieß diese Vereinbarkeit übrigens Doppelbelastung. Das war aus meiner Sicht noch um einiges ehrlicher. Diese Doppelbelastung, meine Damen und Herren von links, werden Sie auch mit noch so netten Bezeichnungen und Anträgen für „ressortübergreifende Handlungskonzepte“ nicht aus der Welt reden können. Entweder verzichtet eine Frau von vornherein auf Familie und Kinder – dann ist sie unter den derzeitigen frauen-, gleichstellungs- und quotenpolitischen Maßnahmen mehr als positiv diskriminiert –, oder sie entscheidet sich, was das Normalste von der Welt ist, für Kinder und Familie, also die Doppelbelastung. Aus diesem Teufelskreis kommen wir erst heraus, wenn Sie endlich anerkennen, dass Familienarbeit eine für unser Volk und unsere Gesellschaft so wichtige Arbeit ist, dass sie ein Gehalt verdient. Mütter verdienen ein Gehalt, meine Damen und Herren, und Ihr Antrag verdient nur unsere Ablehnung.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Wird in der Aussprache noch das Wort gewünscht? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung. – Frau Staatsministerin Christine Clauß. Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Bereits anlässlich des 100. Internationalen Frauentages habe ich ausführlich dargelegt, mit welcher Kontinuität wir uns seit Gründung unseres Freistaates um die Gleichstellung kümmern. Einige von Ihnen, liebe Kolleginnen, waren dabei. Ich habe dort sehr wohl gesagt, dass wir noch nicht am Ziel sind, aber dass wir bei der Umsetzung gute Fortschritte machen. Das liegt an unseren gleichstellungspolitischen Leitprinzipien, unseren täglichen Aktivitäten

und Tätigkeiten und daran, dass wir unsere Strategien mit Analysen, Berichten und Handlungsanweisungen untermauern, wie zum Beispiel der Studie zu Alleinerziehenden.

Wir haben das Leitprinzip des Gender Mainstreamings in drei Kabinettsbeschlüssen umgesetzt, also ressortübergreifend. Dazu gehören auch Sachstandsanalysen und Handlungsempfehlungen, um die Qualität dauerhaft zu sichern. Wir kommen mit dem Sächsischen Frauenförderungsgesetz unseren gleichstellungspolitischen Pflichten nach. Der 4. Frauenförderungsbericht wird noch 2011 erscheinen. Wir bemühen uns seit Jahren über unsere Landesgrenzen hinaus. So haben wir die jährlich tagende Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz vom letzten Jahr geleitet und damit die Aspekte der Gesundheitsversorgung unter den Gesichtspunkten der Gleichstellung mit länderübergreifenden Beschlüssen in den politischen Fokus gerückt. Die Details können Sie im Leitantrag der GFMK 2010 nachlesen. Noch einmal ganz kurz: Es geht um die zeitnahe und angemessene Berücksichtigung der Geschlechterperspektive in allen Bereichen des Gesundheitswesens, die wiederum einen wichtigen Beitrag zu einer effektiveren, bedarfsgerechten und qualitativ verbesserten Gesundheitsversorgung leistet.

Mit diesen Konferenzen garantieren wir zudem einen fach- und länderübergreifenden Austausch sowie die Weiterentwicklung der Gleichstellungspolitik bundesweit. Unsere Staatsregierung rückt die gleichstellungspolitischen Themen in den Fokus der Öffentlichkeit. So werden von meinem Haus diverse internationale, nationale und eigene Aktionstage begleitet, wie der Girl’s- und Boy’sDay, der Tag der Entgeltgleichheit und der Gründerinnenpreis, um hier nur einige zu nennen.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! 2011 stehen für die sächsische Gleichstellungspolitik folgende Handlungsfelder im Mittelpunkt: Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Erhöhung des Anteils von Frauen in jeglichen Führungspositionen, geschlechtssensible Bildung und Berufsorientierung sowie Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, für die Realisierung einer höheren Qualifizierung von Frauen, für die Verbesserung des Wiedereinstiegs in den Beruf und zur Ausbildung einer geschlechtersensiblen Berufswahlorientierung bei Jungen und Mädchen. Hinsichtlich der Veränderung tradierter Geschlechterrollen stehen europäische Mittel bereit, die uns helfen, diese Felder umzusetzen.

Diese benannten Handlungsfelder können sich aber ändern und werden deshalb regelmäßig auf ihre aktuelle Relevanz überprüft. Wir brauchen diese Flexibilität, die ein Handlungskonzept nicht hat. Auch deshalb werde ich am 01.06.2011 die Mitglieder eines überparteilichen Gleichstellungsbeirates berufen. Dessen Aufgabe wird es sein, zur öffentlichen Meinungsbildung hinsichtlich der gleichstellungsrelevanten Interessen beizutragen und dies in Form von Stellungnahmen und Empfehlungen für politische Prozesse einzubringen.