Protokoll der Sitzung vom 24.03.2011

Thema, nämlich die erneuerbaren Energien, zu sprechen kommen. Ein Wandel, wenn er allzu schnell geht, wird unsere Leitungsnetze ganz einfach überfordern.

In Japan sind jetzt vier Reaktoren ausgefallen, 53 Reaktoren laufen weiter, und das ist auch notwendig, weil jede Wirtschaft eine stabile Energieversorgung braucht. Was sollen die Japaner jetzt machen? Sollen sie in die nächste Katastrophe schlittern, indem die Wirtschaft auch noch zum Erliegen kommt? Das ist keine Lösung, denn darin bestünde die Gefahr, wenn man viel zu schnell in Richtung erneuerbare Energien umsteuert. Wir brauchen nach wie vor eine sichere Energieversorgung.

Ich möchte auch das Thema Klimaschutz ansprechen. Wenn unsere sieben Atomkraftwerke jetzt drei Monate stillstehen, werden 8 Millionen Tonnen zusätzliche CO2Emissionen freigesetzt. Das sind wiederum Belastungen, die uns in einem anderen Zusammenhang auf die Füße fallen könnten. Man muss auch immer berücksichtigen, dass das jetzt gerade bestehende Alternativen sind.

Wir müssen auch ganz deutlich sagen – das ist heute schon angeklungen –, dass der Umstieg zu den erneuerbaren Energien sehr teuer sein wird, ich sage hier sehr teuer, nicht nur teuer. Dafür brauchen wir auch die Akzeptanz in der Bevölkerung, ob das so gewollt ist. Technisch muss man hier immer noch sagen, dass die erneuerbaren Energien diskontinuierliche Energien sind. Wir brauchen intelligente Netze, wir brauchen auf der anderen Seite aber auch Nachfrager und Verbrauchergeräte, die das abfangen können. Da haben wir zwar schon technische Entwicklungen, aber diese müssen großflächig eingeführt werden, um nicht nur die Angebotsseite, sondern auch die Nachfrageseite in Einklang zu bringen. Wir brauchen eine europäische Strategie, wir brauchen Interkonnektoren, wir brauchen eine Harmonisierung der europäischen Netze, das ist erforderlich. Wir können hier nicht in sächsischen Grenzen denken, wir können auch nicht in deutschen Grenzen denken. Wir brauchen dazu einen europäischen Konsens.

Richtig angesprochen ist, dass DIE GRÜNEN gerade in ihrer Klientel ihre Hausaufgaben machen sollten. Von den erforderlichen 4 500 Kilometern Hochspannungsleitungen sind bisher nur 100 Kilometer in Deutschland realisiert. Das wird vielfach durch Proteste von denen verhindert, die eigentlich immer sagen, wir wollen 100 % erneuerbare Energien; aber wenn es auf der anderen Seite dann konkret wird, und konkret wird es eben, wenn es um solche Größenordnungen geht, da wären wir Ihnen schon dankbar, wenn Sie in Ihren Kreisen für Verständnis sorgen, weil die Akzeptanz in der Bevölkerung vorhanden sein muss.

Es ist ganz einfach so, dass wir als Politik ganz klar und realitätsnah hier vorne stehen sollten. Das versuche ich zu tun. Ich bin auch der Meinung, dass wir als Ziel die 100 % erneuerbare Energie brauchen. Doch wir müssen auch wahrhaftig bleiben und sagen, dass das sehr teuer wird und dass es nicht von heute auf morgen geht. In diesem Sinne ist diese Debatte hier sehr sinnvoll. Aber sie

wird auch teilweise zu ideologisch geführt, was aus meiner Sicht nicht förderlich ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Herr Lichdi, bitte.

Ich möchte gerne eine Kurzintervention vornehmen. Herr Kollege Meyer hat ja angesprochen, dass wir als GRÜNE hier kein realistisches Ziel vor Augen hätten. Er hat allerdings leider versäumt, jetzt konkret zu den Anforderungen an die sächsische Politik bezüglich des EE-Ausbaus zu sprechen. Das habe ich in meinem Beitrag auch angesprochen. Wie sieht es aus mit dem EE-Ausbauziel? Bleibt es bei den 24 %? Nur 24 %? Wie geht es weiter mit den Klimaschutzzielen? Ich wiederhole es, Herr Kollege Meyer: Dort hat Herr Staatsminister Kupfer eine Ankündigung gemacht, bei der es auch geblieben ist. Es ist unklar, in welche Richtung es gehen soll. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie auch sachlich etwas dazu sagen.

Sie haben die Frage mit den Leitungen angesprochen, dass wir GRÜNE 4 500 Kilometer Netzausbau aufhalten würden. Das wird seit einem halben Jahr wiederholt, aber es wird trotzdem nicht richtiger. Wenn Sie sich die Bürgermeister im Thüringer Wald ansehen, die diese Hochübertragungsleitungen blockieren, sind sie meines Erachtens bei der CDU ressortiert. Es ist einfach nicht richtig, dass wir dort dagegen sind. Das wird auch durch Wiederholungen nicht richtiger.

Zu den Kosten des Leitungsausbaus. Natürlich müssen wir das machen. Es ist dort aber auch so, dass sich die großen Konzerne im Grunde seit über zehn Jahren im Ausbaustreik bei den Netzen befinden. Das muss man so sagen. Herr Kurth von der Bundesnetzagentur hat ja da auch Luft gelassen, damit tatsächlich ein Netzausbau stattfindet. Er ist also schon in den gegenwärtigen Strompreisen eingepreist. Die Konzerne kommen aber ihrer Pflicht nicht nach, wollen jedoch gleichzeitig eine Rendite von über 9 % haben und investieren trotzdem nicht. Wo gibt es denn das noch in der Wirtschaft?

Es ist natürlich so, ja, dass die Abschaltung der Atomkraftwerke die CO2-Emissionen Deutschlands zunächst erhöhen wird. Aber das können Sie nicht uns GRÜNEN vorwerfen, denn das ist das Ergebnis Ihrer Politik, weil Sie nämlich den Ausbau der erneuerbaren Energien aus ideologischen Gründen gestoppt haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Herr Meyer, Sie möchten auf die Kurzintervention antworten?

Ja, das möchte ich. Ich gehe davon aus, dass uns zu dem konkreten Konzept des Ausbaus dann die Staatsregierung ausführlich berichten wird.

Zu Ihren GRÜNEN Verschwörungstheorien möchte ich mich hier jetzt nicht äußern. Ich habe aber den Finger nicht nur in Richtung GRÜNE gezeigt, sondern ich habe einfach gesagt, dass Sie sicherlich näher an den Gegnern des Ausbaus der erneuerbaren Energien dran sind, als das vielleicht unsereins ist. Ich habe gesagt, dass wir eine breite Akzeptanz in der Gesamtbevölkerung brauchen, sowohl, was den Ausbau betrifft, wie auch die Bezahlbarkeit. Wir sind alle gefragt, diese Akzeptanz zu schaffen, weil das sonst ein unrealistisches Ziel bleibt. Wir wollen lieber mit realistischen Zahlen argumentieren, als irgendwelche Dinge an die Wand zu malen, die eher in Richtung Populismus gehen.

Herr Gansel, Sie möchten auch vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen? –

(Jürgen Gansel, NPD, steht am Mikrofon)

Herr Präsident! Ich möchte auch kurzintervenieren und die Formulierung von Herrn Meyer aufgreifen, der energiepolitisch eine „europäische Strategie“ angemahnt hat. Damit sich die CDU nicht länger auf den bequemen Standpunkt stellen kann zu behaupten, es würde sich gesamteuropäisch nichts ändern, wenn wir in Deutschland unsere AKWs abschalten, die schnellen Brüter in der Tschechei aber weiter laufen, ist das wichtig. Das ist ein bequemes Ausweichargument. Deswegen brauchen wir in der Tat eine „europäische Strategie“ für den Atomausstieg.

Genau hier kommt aber ein Grundproblem der etablierten Politik ins Spiel: der Mangel an nationalem Selbstbewusstsein und der Nichtwille, deutsche Verhandlungs- und Finanzmacht in Europa auch nur einmal einzusetzen. Wir Deutschen sind in Europa seit Jahren

(Beifall bei der NPD)

der größte Nettozahler der EU, und da wäre es angesichts der europapolitischen Debatte über den Atomausstieg hoch an der Zeit, dass wir in Brüssel unsere deutsche Machtstellung nutzen, um den Atomausstieg in Europa voranzubringen. Wenn wir der Zahlmeister Europas sind, dürfen wir auch die energiepolitischen Zuchtmeister sein und unsere Milliardenzahlungen an Brüssel davon abhängig machen,

(Zuruf von der NPD: Genau! – Beifall bei der NPD)

dass europaweit der Energieanteil durch AKWs heruntergefahren wird. Kollegen von mir erwähnten es vorhin bereits: In unmittelbarer Nähe zum sächsischen Grenzgebiet stehen zwei tschechische AKWs, die garantiert andere Sicherheitsansprüche in die Waagschale werfen können als wir. Wenn wir den Atomausstieg in Europa

wollen, muss Deutschland endlich das Selbstbewusstsein aufbringen, seine nationalen Interessen zu artikulieren und im Notfall den Geldhahn nach Brüssel zuzudrehen.

(Beifall bei der NPD)

Wir fahren fort in der allgemeinen Aussprache in der zweiten Runde. Frau Dr. Runge spricht für die Fraktion DIE LINKE.

Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es fällt mir außerordentlich schwer, nach diesem demagogischen Beitrag des NPD-Abgeordneten

(Zurufe von der NPD)

hier wieder in die sachliche Diskussion zu einer Energiestrategie einzutreten. Herr Meyer, mit Verlaub, Sie haben mit Ihren Reden heute dreierlei deutlich gemacht. Erstens. Sie schieben alle Verantwortung auf die Staatsregierung. Die wird es schon machen, wie es laufen soll hier in Sachsen. Sie entmündigen und entmachten sich als Legislative selbst.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Zweitens. Jahrzehnte haben die Konservativen – das tun Sie heute immer noch – uns als Zweifler und Skeptiker bezüglich der Atomenergie immer wieder vorgeworfen, wir würden eine ideologische Debatte führen. Die angeblich geführte ideologische Debatte ist an der Wirklichkeit der Atomunfälle von Harrisburg, Tschernobyl, Fukushima und auch Gundremmingen längst ad absurdum geführt.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Es ist keine ideologische Debatte. Im Zweifel für die Sicherheit!

Frau Dr. Runge, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke. – Wenn Frau Kanzlerin jetzt eine Ethikkommission einsetzt, zeugt das von einer Hilf- und Ratlosigkeit ohne Ende.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Seit Jahrzehnten wird über die Risiken der Atomtechnologie debattiert. Aber Frau Kanzlerin muss zum Schein natürlich, um sich über die Landtagswahlen dieses Jahres zu retten, eine Ethikkommission einsetzen.

Drittens, Herr Meyer, haben Sie sich mit Ihren Reden als ein klarer Lobbyist der Atomindustrie geoutet. Das wollen wir hier einmal festhalten. Wir werden uns wundern, was nach dem dreimonatigen Moratorium, nach den abgelaufenen Landtagswahlen in diesem Jahr die Atomindustrie unternehmen wird, um Entscheidungen zu verhindern, die einen rascheren Ausstieg ermöglichen. Schon jetzt werden

Schadenersatzanklagen gegen die Bundesregierung geprüft, und Herr Villis, der Chef von EnBW, hat es über die Medien deutlich verkündet, wie man es eigentlich nur aus seiner Sicht verkünden kann, nämlich: Nach dem Moratorium geht das Spiel von vorne los. Dann möchte ich einmal sehen, wo sich Schwarz-Gelb bewegt, ob sie die Konsequenzen und Lehren aus diesen großen Störfällen ziehen, klare Sicherheitsstandards für noch weiterlaufende Atomkraftwerke beschließen und ob die Abschaltung der Pannenmeiler rascher gehen wird. Darauf bin ich sehr gespannt.

Im Übrigen: Was hat sich die sächsische Regierung bisher zum Ausbau von erneuerbaren Energien vorgenommen? Das sind keine ehrgeizigen Ziele. Diese Ziele bewegen sich noch nicht einmal auf den Zielvorgaben der Bundesregierung, was gesetzlich beschlossen worden ist, Herr Meyer. Sie sollten einmal das Energiekonzept Ihrer eigenen Regierung in Berlin lesen. Dort steht nämlich, dass bis 2050 die Stromversorgung zu 80 % aus erneuerbaren Energien erreicht werden soll. Sachsen hat sich jetzt nach dem Aktionsplan „Klima und Energie“ 24 % vorgenommen. Wir wissen aber aus Potenzialstudien –

Frau Dr. Runge, ich bitte Sie zum Schluss zu kommen.

– ich komme zum Schluss –, dass locker bis 2020 40 % erreichbar sind. Dies ist möglich!

(Johannes Lichdi, GRÜNE: 80!)

Insofern wünsche ich mir –

Frau Dr. Runge, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

– eine klare Vorrangregelung für den Ausbau erneuerbarer Energien für Sachsen.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)