Protokoll der Sitzung vom 24.03.2011

Meine Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion ist der Tourismus ein ganz wesentlicher Wirtschaftsfaktor.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

3,6 Milliarden Euro Wertschöpfung und 220 000 Arbeitsplätze in der ersten und der zweiten Umsatzstufe untermauern unsere Feststellung.

Auch wenn ein Beschäftigter in der Industrie ein Vielfaches an Bruttowertschöpfung erbringt, bedürfen die Tourismuswirtschaft und die in der zweiten Wertschöpfungsstufe davon abhängigen Firmen auch künftig einer intensiven wirtschaftspolitischen Unterstützung, ist doch der Tourismus ein Schlüsselsektor für das Beschäftigungswachstum und die Einkommenssicherung breiter Bevölkerungskreise, vor allem im ländlichen Raum.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ebenso unverzichtbar ist eine koordinierte Vorgehensweise auf der Basis eines kooperativen Miteinanders von Land, Regionen und Kommunen in enger Partnerschaft

mit der Wirtschaft. Die Führung des Prozesses durch die Staatsregierung, politisch begleitet durch den Landtag, unterstützt durch die Fachkompetenz des LTV Sachsen und flankiert durch die geplante Standort- und Imagekampagne für den Freistaat Sachsen, wird für neue Impulse sorgen.

Die Staatsregierung ist mit der Vorlage eines ersten Diskussionsentwurfs für eine neue Tourismusstrategie im Sommer 2010 auf dem richtigen Weg. Nach intensiver Bewertung der mehr als 30 Stellungnahmen diskutieren nun Fachleute auf Arbeitsebene und eine politische Steuerungsgruppe ausgewählte Schwerpunkte. Allen einen herzlichen Dank, die sich sehr verantwortungsvoll in diese Arbeit einbringen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Schwerpunkte, die unsere Fraktion in diesem Prozess setzen möchte, decken sich mit den Feststellungen, die auf der kürzlich stattgefundenen ITB Berlin im Rahmen der Vorstellung der Ergebnisse des 14. OSV-Tourismusbarometers getroffen wurden. Das Schwerpunktthema der Untersuchung war in diesem Jahr die Organisation und Finanzierung touristischer Aufgaben. Festgestellt wurde dort, dass es eine Schlüsselaufgabe ist, durch kundenorientiertes Marketing und Professionalisierung der Arbeit die Leistungsfähigkeit der Akteure zu erhöhen.

Entscheidende Fortschritte sind dabei nur mit Reformen zu erreichen. Dazu gibt es drei Hebel: Erstens die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Organisation, zweitens die Ausschöpfung aller Finanzierungsinstrumente, auch Kurtaxe und Fremdenverkehrsabgabe – darauf komme ich später noch – und drittens eine begleitende Förderpolitik. Dabei gilt stets das Grundprinzip der öffentlich-privaten Partnerschaften, was ein klares Bekenntnis der öffentlichen Hand zum Tourismus und die stärkere Einbindung aller Profiteure voraussetzt.

Damit bestätigt das 14. OSV-Tourismusbarometer nachhaltig den aktuellen Diskussionskurs in Sachsen. Für unsere Fraktion kann ich dieses Bekenntnis zum Tourismus als Wirtschaftsfaktor und als Faktor für Arbeit und Beschäftigung in unserem Land klar abgeben. Wir stehen zu den positiven Wirkungen des Tourismus in unseren Städten und Regionen als Beitrag zu einem attraktiven Standort und zur Vermittlung von Werten wie Gastfreundschaft und Internationalität.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte hier einen Schnitt machen und bin gespannt auf die konstruktiven Beiträge der anderen Fraktionen in diesem Haus.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich erteile der zweiten Einreicherin das Wort. Für die FDPFraktion spricht der Abg. Günther.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich am Anfang meiner Rede Zahlen und Fakten nennen und die Schlussfolgerungen daraus ziehen. Wenn man sich die Zahlen der Übernachtungen in Sachsen von 2009 und 2010 anschaut, kann man eines feststellen: Die SPD ist gegangen – die Touristen kommen.

(Heiterkeit und Beifall der Abg. Holger Zastrow und Torsten Herbst, FDP – Zuruf des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Dieser Eindruck entsteht, wenn man die Medienberichte der letzten Tage verfolgt. Von einem "touristischen Rekordjahr für Sachsen" ist dort die Rede, oder von "Sachsen knackte Tourismusrekord". Diese Meldungen klingen hervorragend, sie machen Mut und lassen optimistisch in die Zukunft blicken. Allein der Imagegewinn, zu dem jeder einzelne Gast beiträgt, der nach seinem Besuch in den Freistaat zieht, bringt uns wieder neue Besucher nach Sachsen. Das ist ein Standortvorteil, der unbezahlbar ist. Diesen müssen wir weiter ausbauen.

Von jedem zufriedenen Gast profitiert ganz Sachsen – nicht nur das Gastronomiegewerbe, sondern alle Beteiligten: vom Friseur in der Landeshauptstadt über die Bäcker, die die Hotels beliefern, bis hin zu kleinen Handwerkern und Händlern, die ihre Produkte an Touristen verkaufen.

Allerdings ist nicht alles Gold, was glänzt. Betrachtet man die Zahlen der Tourismuswirtschaft näher, kommt man auch ins Nachdenken. 90 % der Gäste kommen nach wie vor aus dem Inland. Im Ausland steckt für uns noch erhebliches Potenzial. Bisher sind unter den ausländischen Touristen hauptsächlich Amerikaner und – neu – Niederländer. Aber auch Gäste aus Polen, Russland und England entdecken immer wieder unseren Freistaat.

(Andreas Storr, NPD: Als Diebe!)

Hier ist der zukünftige Wachstumsmarkt. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass immer noch die Städte Dresden und Leipzig die herausragenden Reiseziele der ausländischen Gäste sind. Danach folgen das Erzgebirge und die Sächsische Schweiz. Ziel muss es auch sein, die Verweildauer der Gäste in Sachsen zu verlängern. Zwei bis drei Tage sind eindeutig zu kurz, um Geschäfte zu machen.

Woran liegt das? Ich kann nur sagen: Es fehlen auch ganz oft die Angebote. Haben Sie schon einmal versucht, Ferienhäuser in Sachsen zu finden? Bei der Auswahl sind Sie ziemlich schnell am Ende. Aber 25,5 % der in Sachsen nachgefragten Übernachtungsmöglichkeiten sind laut ADAC-Reisemonitor Ferienhäuser und Ferienwohnungen. Ebenso wissen wir, dass in Deutschland bei der Nachfrage nach Hotels 54,1 % der Gäste Viersternehotels suchen, und in Sachsen haben wir zu wenige Viersternehotels. Wir haben nicht zu wenige Betten, wir haben zu wenige Viersternehotels. Dort besteht Nachfrage. Die Viersternehotels, die wir haben, stehen in Dresden, Leipzig und Chemnitz. Wir brauchen sie aber überall, in jeder Destination.

(Dr. Johannes Müller, NPD:... und die dazugehörige Infrastruktur rundherum?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese wenigen Beispiele werfen für mich nur eine Frage auf: Für wen machen wir Tourismuspolitik? Tourismuspolitik machen wir für die Tourismusunternehmen. Diese Unternehmen schaffen Arbeitsplätze. Diese Unternehmen schaffen Umsatz und am Ende – das Logischste für einen Unternehmer – Gewinn.

(Andreas Storr, NPD: Umsatz machen sie nicht, sondern die Kunden!)

Der Einzelhandel in Dresden profitiert davon. Das wird jeder bestätigen, der sich damit auskennt. Ich will auch nicht leugnen, dass viele Touristen Geld in meine Heimatstadt Seiffen bringen, um die Wirtschaft zu unterstützen. Das ist der Sinn von Tourismuspolitik. Deshalb müssen wir die Erkenntnis gewinnen: Wie bekommen wir die Touristen in die Hotels? Wir müssen uns an den Wünschen der Touristen ausrichten; denn an ihnen verdienen wir. Wir brauchen keine Förderung "mit der Gießkanne", wir brauchen eine Politik "aus einem Guss".

(Jürgen Gansel, NPD: Bahnbrechende Erkenntnisse! – Andreas Storr, NPD: Ganz neue Erkenntnisse!)

Letztendlich sind es nur die Gäste, die mit ihren Nachfragen den Markt regulieren. Sie entscheiden über den Erfolg oder Misserfolg eines Angebotes. Sie bestimmen auch die Attraktivität eines ganzen Standortes. Deshalb müssen wir wissen, welches Angebot die Gäste suchen und wer ihnen dieses Angebot liefern kann. Eine dynamische und am Markt ausgerichtete Betrachtung und Handlungsweise muss die Grundlage für unser politisches Handeln sein.

Die Vermarktung des Tourismusstandortes Sachsen ist als Bestandteil eines breit angelegten Standortmarketings zu verstehen. Wir müssen den Freistaat künftig unter einer Dachmarke vermarkten. Es gibt eben nicht verschiedene Freistaaten in Sachsen: das Tourismusland Sachsen, den Wirtschaftsstandort Sachsen, den Wissenschaftsstandort Sachsen usw. usf., sondern ein einziges Sachsen mit seinen einzigartigen Facetten, und das müssen wir in der Welt bekannt machen: unser Sachsen insgesamt.

Allerdings müssen wir auch die bestehenden Ordnungen konsequent hinterfragen. Dort, wo Systeme umgestaltet und Werte verschoben werden, regt sich immer Schöpferisches. Am Tourismus als wirtschaftlichem Querschnittsbereich sind die verschiedensten Akteure beteiligt. Zwischen ihnen müssen auf allen Ebenen klare und effiziente Strukturen geschaffen werden. Bisher vorhandene Doppelstrukturen müssen abgebaut und die Aufgaben neu verteilt werden. Die bisherigen „Mikroorganismen“ sind oft viel zu kleinteilig. Sie arbeiten oft ineffizient. Wir werden verstärkt alternative Elemente zur Finanzierung und langfristigen Stabilisierung unserer Strukturen in Sachsen nutzen.

Es ist notwendig, neue Felder der Finanzierung zu erschließen. Die meisten Kommunen in Sachsen haben aufgrund ihrer Tourismusaffinität die Möglichkeit, eine Kurtaxe zu erheben. Die wenigsten tun es aber. Wenn man nun Vergleiche zieht, zum Beispiel mit Tirol, wo alle Gäste, die dort übernachten, eine Kurtaxe bezahlen müssen, müssen wir davon ausgehen, dass wir in Sachsen zu wenig haben. 2009 hatten die Kommunen – geschätzt – 2,8 Millionen Euro Kurtaxe eingenommen. Bei 16,3 Millionen Übernachtungen im letzten Jahr wären aber 16,3 Millionen Euro möglich gewesen, die wir außerhalb der Steuern und Finanzen des Freistaates erheben könnten, um Tourismus mitzufinanzieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Staatliche Unterstützung kann und darf jedoch nur die Funktion eines Katalysators innehaben. Wir sehen vordergründig die Aufgabe des Staates darin, bürokratische Hemmnisse abzubauen und die Belastungen der touristischen Unternehmen zu senken.

(Andreas Storr, NPD: Genau, durch die Mehrwertsteuersenkung!)

Daran werden wir konsequent weiterarbeiten. Allein die getätigten Investitionen durch die Mehrwertsteuersenkung haben dazu geführt, dass ein Teil des Investitionsstaues im Hotelgewerbe abgebaut werden konnte.

(Martin Dulig, SPD: Das ist doch jetzt Selbstverarschung!)

Nein, das ist so. – Die Geschicke des Tourismus lenken die vielen mittelständischen Unternehmen. Sie verfügen über hervorragend ausgebildete Mitarbeiter, sind international vernetzt, agieren in regionalen Kooperationen und haben den Mut zu innovativen Geschäftsideen. Diese kleinen und mittleren Unternehmen sind weiterhin zu stärken. Das muss Antrieb unserer Tourismuspolitik sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deren Zusammenarbeit gilt es zu organisieren und stärker mit dem Landestourismusverband, den Tourismusverbänden, den zukünftigen Destinationen und der TMGS zu verknüpfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Spielen ist das Experimentieren mit dem Zufall. Tourismus zu spielen ist uns aber nicht mehr möglich; denn Sachsen sieht sich nicht nur in seiner Tourismuswirtschaft mit einer deutlich verschärften nationalen und internationalen Wettbewerbssituation konfrontiert. Wir werden mit unserer neuen "Tourismusstrategie 2020" Neuland betreten, aber konsequent langfristige Chancen für die Unternehmen, die Tourismusregionen und damit für den Freistaat aufzeigen. Darauf kommt es an. Deshalb arbeiten alle bereits jetzt unter der Federführung des Wirtschaftsministers in Arbeitsgruppen gemeinsam an einem neuen Konzept für Sachsen. Es muss vom Willen und der Bereitschaft zur Veränderung geprägt sein. Im Angesicht der anstehenden Herausforderungen sind professionelles Unternehmertum und Flexibilität sowie mehr denn je der Wille zur Zu

sammenarbeit gefragt. Dafür sehe ich im Moment noch nicht die optimalen Voraussetzungen.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Na ja!)

Genau diese Grundlagen wollen wir mit dem Antrag schaffen. Die Politik wird die Rahmenbedingungen setzen müssen, damit alle Unternehmer in dieser Branche auch in Zukunft erfolgreich wirtschaften können. Sich nur auf Altbewährtes zu verlassen ist der falsche Weg. Wir müssen neue Wege gehen. Wir müssen Synergien schaffen, um gemeinsam mit anderen Branchen neue Geschäftsfelder aufzuspüren. Geeignete Rahmenbedingungen für einen freien und fairen Wettbewerb sind genauso notwendig wie die Rücksicht auf Natur und Umwelt.

Mit der zu erarbeitenden Tourismusstrategie werden wir für die nötige inhaltliche Neuausrichtung und Schwerpunktsetzung sorgen. Die Projektförderung wird sich aus gutem Grund auf die Stärken der einzelnen touristischen Destinationen konzentrieren.

Unsere Zugpferde Dresden, Leipzig, die Sächsische Schweiz und das Erzgebirge stützen schon jetzt das Tourismusprodukt Sachsen. Sie prägen das sächsische Image, punkten im Wettbewerb und öffnen die Türen zu Märkten. Sie zeigen, dass wir mit der Destinationsbildung in Sachsen auf dem richtigen Weg sind. Das wurde übrigens schon im Forschungsprojekt der Universität Leipzig zum Thema „Zukunft Destination“ beschrieben. Hierin wird einer der Schwerpunkte unserer neuen Strategie liegen. Wir besinnen uns auf unsere Stärken und stärken sie.

Die Akteure vor Ort müssen sich auf ihre eigenen Attraktionen fokussieren und ihre Premiumangebote herausfinden. Nur das versetzt sie in die Lage, ihr Potenzial realistisch einzuschätzen. Jeglicher Reiseanlass geht schließlich verloren, wenn man überall zu jeder Zeit und an jedem Ort das gleiche Angebot vorfinden würde. Der unbestreitbare Vorteil Sachsens liegt klar auf der Hand. Er liegt in der natürlichen Vielfalt. Wir werden akzeptieren müssen, dass nicht überall in gleichem Ausmaß das Geschäft mit Gästen und Freizeit möglich ist.

Wir wollen Mehrwert schaffen, nicht nur im Tourismus, sondern auch in Wirtschaft und Verkehr. Wer Kontinuität will, muss Veränderungen zulassen. Ein strategisches Konzept ist ein klares Bild von dem, was man erreichen will. Besonders sich wandelnde Strukturen versprechen im Freistaat Sachsen Gewinn für alle. In diesem Sinn möchte ich Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Damit ist der gemeinsame Antrag von FDP und CDU eingebracht. – Der nächste Redner ist Herr Tischendorf. Er spricht für die Fraktion DIE LINKE.